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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 16.10.2008
Aktenzeichen: 13 S 313/08
Rechtsgebiete: GG, StAG


Vorschriften:

GG Art. 84 Abs. 2
StAG § 8
StAG § 10
AufenthG § 26 Abs. 4
AufenthG § 102 Abs. 2
AsylVfG § 55 Abs. 3
1. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Verwaltungspraxis in Baden-Württemberg bei der Ermessenseinbürgerung grundsätzlich einen achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalt des Einbürgerungsbewerbers verlangt und in diesem Zusammenhang Duldungszeiten nicht als rechtmäßigen Aufenthalt berücksichtigt, die dem Einbürgerungsbewerber bei der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 i.V. mit § 102 Abs. 2 AufenthG angerechnet worden sind.

2. Zur Frage der Bindung der Bundesländer an die StAG-VwV (hier: Nr. 8.1.2.3 ) und zur Änderung der Verwaltungspraxis durch die Vorläufigen Anwendungshinweise zum StAG.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

13 S 313/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Einbürgerung

hat der 13. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg am 16. Oktober 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 5. November 2007 - 11 K 4416/07 - geändert, soweit das Verwaltungsgericht über die Aufhebung der angefochtenen Bescheide und eine Bescheidungspflicht der Beklagten hinaus diese verpflichtet hat, dem Kläger eine Einbürgerungszusicherung zu erteilen; insoweit wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger, die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen Kläger und Beklagte je zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der im Jahr 1968 geborene Kläger ist syrischer Staatsangehöriger. Er reiste 1990 zu Asylzwecken in die Bundesrepublik Deutschland ein; der Asylantrag und die gegen die Ablehnungsentscheidung erhobene Klage blieben jedoch erfolglos (VG Stuttgart, Urteil vom 19.10.1993). Ebenfalls erfolglos blieb ein Folgeantrag von 1994 (VG Stuttgart, Urteil vom 7.10.1997). Auf einen weiteren Asylfolgeantrag hin verpflichtete das VG Stuttgart das damalige Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Urteil vom 27.3.2001 zu der Feststellung, in Bezug auf Syrien liege ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 4 AuslG vor; im übrigen wurde die Klage abgewiesen. Das Bundesamt vollzog das Urteil mit positivem Bescheid vom 5.7.2001.

Der Aufenthalt des Klägers in der Bundesrepublik war während des Asylerstverfahrens gestattet und im Hinblick auf die bestandskräftig gewordene Abschiebungsandrohung (Bescheid vom 16.9.1992) ausländerrechtlich geduldet worden. Mehrere Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis wurden abgelehnt (Bescheid der Beklagten vom 14.8.2000). Einen hiergegen erhobenen Widerspruch nahm der Kläger im Hinblick auf die zwischenzeitlich rechtskräftige Feststellung eines Abschiebungshindernisses durch das Bundesamt zurück.

Aufgrund weiteren Antrags vom 9.7.2001 erhielt der Kläger erstmals eine Aufenthaltsbefugnis (Bescheid vom 31.1.2002); am 25.8.2005 wurde ihm antragsgemäß eine Niederlassungserlaubnis erteilt, bei der vorherige Duldungszeiten angerechnet wurden.

Im September 2005 beantragte der Kläger seine Einbürgerung. Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid der Beklagten vom 30.11.2006 ab. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, die Voraussetzungen einer Anspruchseinbürgerung (§ 10 StAG) seien nicht gegeben, und die Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG setze seit Anfang 2005 einen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt von regelmäßig acht Jahren voraus. Das sei hier nicht erreicht, da der Kläger sich erst seit 2002 rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Der hiergegen am 6.12.2006 eingelegte Widerspruch des Klägers wurde durch Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 24.7.2007 zurückgewiesen. Die Widerspruchsbehörde teilt die Auffassung der Ausgangsbehörde zur Voraussetzung eines rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts von 8 Jahren und führt zusätzlich aus, auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könnten keine Zeiten letztlich erfolgloser Asylanträge einbürgerungsrechtlich angerechnet werden. Auch Duldungszeiten seien unstreitig keine Zeiten eines rechtmäßigen Aufenthalts. Soweit das Bundesministerium des Inneren (BMI) Duldungszeiten dennoch als berücksichtigungsfähig ansehe, stehe dies im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Jedenfalls müsse auch bei der Einbürgerung nach § 8 StAG die gesamte Voraufenthaltszeit zumindest rechtmäßig gewesen sein.

Zur Begründung der hiergegen am 7.8.2007 erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, die Voraussetzungen für eine Ermessenseinbürgerung lägen vor. Sein ca.16jähriger Gesamtaufenthalt und die Dauer des Asylverfahrens seien zu seinen Gunsten zu berücksichtigen. Dass sein Abschiebungshindernis nicht sogleich, sondern erst im zweiten Folgeantragsverfahren festgestellt worden sei, könne ihm nicht angelastet werden. Zudem seien der Niederlassungserlaubnis, die er 2005 erhalten habe, ebenfalls Duldungszeiten zugrunde gelegt worden; insofern liege die gleiche Interessenlage vor wie im Einbürgerungsrecht. Das ergebe sich aus den Vorläufigen Anwendungshinweisen des BMI zum Staatsangehörigkeitsgesetz.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 30.11.2006 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 24.7.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm eine Einbürgerungszusicherung zu erteilen, hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, über seinen Antrag auf Einbürgerung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger erfülle nicht den mindestens achtjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet, der für den Fall der Ermessenseinbürgerung zugrundegelegt werden müsse. Nur rechtmäßige Zeiten könnten in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden. Die Verwaltungsvorschriften enthielten insoweit ermessenssteuernde typisierende Tatbestände und ließen nur in atypischen Fällen Ausnahmen zu. Eine solche Ausnahme liege hier nicht vor. Gestattungs- oder Duldungszeiten könnten nicht angerechnet werden; dies ergebe auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Anwendungsbereich des § 102 Abs. 2 AufenthG (Urteil vom 29.3.2007).

Mit Urteil vom 5. November 2007 hat das Verwaltungsgericht Stuttgart die Bescheide vom 30.11.2006 und vom 24.7.2007 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger für den Fall der Entlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit eine Einbürgerungszusicherung zu erteilen. In der Begründung wird ausgeführt, streitig sei im vorliegenden Fall nur, ob einer Ermessenseinbürgerungdes Klägers seine bisherige Aufenthaltsdauer entgegenstehe; alle sonstigen Voraussetzungen des § 8 StAG seien gegeben. Die danach verbleibende Rechtsfrage über die Anrechnung früherer Aufenthaltszeiten sei zugunsten des Klägers zu entscheiden. Der Kläger erfülle im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die Voraussetzungen eines rechtmäßigen Aufenthalts, da er Inhaber einer Niederlassungserlaubnis sei. Auch der für die Einbürgerung erforderliche gewöhnliche Aufenthalt sei unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg gegeben. Soweit die "Vorläufigen Anwendungshinweise" für die Ermessenseinbürgerung eine Mindestaufenthaltsdauer von acht Jahren verlangten, erfülle der Kläger jedenfalls unter Anrechnung der Duldungszeiten diese Anforderungen. Ziff. 8.1.2.3 Abs. 2 der VAH zum Staatsangehörigkeitsrecht vom 10.12.2004 bestimme, dass Zeiten einer Duldung auf die Aufenthaltsdauer angerechnet würden, soweit dem Einbürgerungsbewerber in den Fällen des § 35 Abs. 1 Satz 3 des früheren Ausländergesetzes eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis unter Berücksichtigung dieser Zeiten erteilt worden sei. Das Bundesministerium des Inneren habe insofern die Vorläufigen Anwendungshinweise an die Anrechnungsregelung des § 102 Abs. 2 AufenthG angepasst und die Länder entsprechend angewiesen, der Änderung Rechnung zu tragen (Erlass vom 15.2.2005). Die Staatsangehörigkeits-Erlasse des Innenministeriums Baden-Württemberg stünden dem nicht entgegen und gingen auch inhaltlich fehl. Soweit sie sich auf das Urteil des Bundesverwaltungsgericht vom März 2007 bezögen, sei darauf hinzuweisen, dass dieses Urteil für § 8 StAG nicht einschlägig sei, sondern sich lediglich auf § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG beziehe. Während die Tatbestandsvoraussetzungen für die in § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bzw. in § 10 StAG geregelten Rechtsansprüche einen Ausländer beträfen, der "seit acht Jahren" rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland habe, beschränke die Ermessensermächtigung in § 8 StAG die Voraussetzung auf einen bloßen "rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt" ohne Mindestdauer. Zwar könnten bei der Kriterienbildung für das zu steuernde Ermessen strengere Anforderungen gestellt werden, dies sei aber durch den Erlass vom 15.2.2005 (Grundsatz eines achtjährigen gewöhnlichen Aufenthalts) mit der Maßgabe geschehen, dass Duldungszeiten anzurechnen seien. Das der Behörde eröffnete Ermessen sei im vorliegenden Fall auf einen Anspruch auf Einbürgerungszusicherung beschränkt. Aus der Selbstbindung der Verwaltung bei der Ausführung des Staatsangehörigkeitsgesetzes folge, dass der Kläger im Hinblick auf die erstrebte Einbürgerungszusicherung sämtliche von der Beklagten zu berücksichtigenden Voraussetzungen für eine positive Ermessensentscheidung erfülle.

Auf den Zulassungsantrag der Beklagten hin hat der Senat mit Beschluss vom 24. Januar 2008 - zugestellt am 31. Januar 2008 - die Berufung zugelassen, soweit das Verwaltungsgericht über die Aufhebung der Verfügung vom 30.11.2006 und des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 24.7.2007 und eine entsprechende Bescheidungspflicht der Beklagten hinaus der Klage stattgegeben hat; im übrigen ist der Zulassungsantrag abgelehnt worden.

Zur Begründung der am 12.2.2008 eingelegten Berufung trägt die Beklagte vor, bei der Einbürgerung nach § 8 StAG habe die Behörde Ermessen; dieses Ermessen sei im vorliegenden Fall nicht durch eine sog. Selbstbindung der Verwaltung reduziert. Seit jeher entspreche es der baden-württembergischen Verwaltungspraxis, dass die Einbürgerung nach § 8 StAG im Regelfall einen achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalt im Inland voraussetze; die für bestimmte Personengruppen geltenden Ausnahmen seien hier nicht einschlägig. Auch das Bundesministerium des Innern vertrete insoweit inzwischen keine abweichende Auffassung mehr. In der Vergangenheit habe es allerdings unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Berücksichtigung von Duldungszeiten gegeben; das Bundesministerium des Inneren habe sich dafür ausgesprochen, unter bestimmten Voraussetzungen (Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis) solche Duldungszeiten zu berücksichtigen, während das Land Baden-Württemberg stets den Standpunkt vertreten habe, die Duldung vermittle keinen rechtmäßigen Aufenthalt im Sinn des Staatsangehörigkeitsrechts. Insofern habe keine Selbstbindung der Verwaltung eintreten können. Der früheren Auffassung des BMI sei inzwischen durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 29.3.2007) die Grundlage entzogen worden. Außerdem werde das Staatsangehörigkeitsgesetz von den Bundesländern als eigene Angelegenheit ausgeführt, so dass sie selbst entscheiden könnten, wie sie ihr Ermessen ausübten. Eine allgemeine, die Bundesländer bindende Verwaltungsvorschrift mit Zustimmung des Bundesrats sei noch nicht erlassen worden. An die - im übrigen inzwischen aufgegebene -Auffassung des Bundes sei das Land Baden-Württemberg und damit auch sie als Beklagte nicht gebunden.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 5.11.2007 - 11 K 4416/07 - abzuändern, soweit in diesem Urteil über die Aufhebung der angefochtenen Bescheide und den Ausspruch einer Bescheidungspflicht hinaus die Verpflichtung ausgesprochen worden ist, dem Kläger eine Einbürgerungszusicherung zu erteilen, und insoweit die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die Auffassung des verwaltungsgerichtlichen Urteils.

Beide Beteiligte habe auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Dem Senat liegen die den Kläger betreffenden Einbürgerungsakten der Beklagten und die Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums Stuttgart vor; auf ihren Inhalt wird verwiesen. Sie waren Gegenstand der Beratung.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hiermit einverstanden sind (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Nachdem der Senat dem Zulassungsantrag der Beklagten nur teilweise entsprochen hat- nämlich lediglich hinsichtlich einer Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Einbürgerungszusicherung nach § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO -, ist die Frage der Tatbestandsvoraussetzungen einer Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG und der hieraus resultierenden Bescheidungspflicht nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO im verbleibenden Berufungsverfahren nicht mehr zu prüfen; insofern ist das angefochtene Urteil rechtskräftig (vgl. Sodan/ Ziekow, VwGO, 2006, Rn 7 zu § 128 und 271 zu § 124 a). Damit steht insbesondere fest - und das ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig -, dass der Kläger im Sinn des § 8 Abs. 1 StAG aktuell seinen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und dass auch die sonstigen - eine Ermessensausübung erst eröffnenden - Voraussetzungen der Vorschrift (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 StAG) erfüllt sind. Im Berufungsverfahren bleibt lediglich zu klären, ob dem Kläger - wie das Verwaltungsgericht angenommen hat - aus Gründen der Selbstbindung der Verwaltung (Ermessensreduzierung aus Art. 3 Abs. 1 GG) oder unter einem sonstigen rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Einbürgerungszusicherung zusteht oder nicht.

Die berufungsgerichtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils unter diesem Gesichtspunkt ergibt, dass ein solcher Anspruch im vorliegenden Fall nicht gegeben ist; es ist der Beklagten entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht verwehrt, bei der Ermessensausübung im Sinn des § 8 Abs. 1 StAG einen rechtmäßigen Aufenthalt von acht Jahren zu verlangen und insofern die Duldungszeiten des Klägers nicht anzurechnen. Dementsprechend war der weitergehende Urteilsausspruch des Verwaltungsgerichts abzuändern und die über den Hilfsantrag auf Bescheidung hinausgehende Klage abzuweisen (zum Bescheidungsausspruch nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO als rechtliches "Minus" gegenüber dem Verpflichtungsausspruch nach § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO siehe etwa Sodan/Ziekow a.a.O. Rn 451 zu § 113 m.w.N. und bereits BVerwG, Urteil vom 13.11.1981 - 1 C 69.78 -, BayVBl. 1982, 312).

1. Dass dem Kläger aus § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG (Anspruchseinbürgerung) kein Anspruch auf die vom Verwaltungsgericht zugesprochene Einbürgerungszusicherung zusteht, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig und auch offensichtlich; die Anspruchseinbürgerung nach der genannten Vorschrift verlangt - anders als die Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG - bereits als Tatbestandsvoraussetzung eine bestimmte Dauer des rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts ("seit acht Jahren"), und diese Zeitspanne erreicht der Kläger, der erstmals am 31.1.2002 eine Aufenthaltsbefugnis erhalten hat, zum gegenwärtigen Zeitpunkt nach keiner in Betracht kommenden Berechnungsweise. Im Rahmen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 StAG können frühere Duldungszeiten auch dann nicht als rechtmäßiger gewöhnlicher Aufenthalt angerechnet werden, wenn sie aufenthaltsrechtlich zur Erteilung einer Niederlassungserlaubnis geführt haben (§ 24 Abs. 6 i.V.m. § 102 Abs. 2 AufenthG); dies ergibt sich bereits aus dem Wesen der Duldung (siehe § 60a AufenthG und früher § 55 Abs. 1 AuslG) und wird auch für das Staatsangehörigkeitsrecht nicht in Frage gestellt (Marx a.a.O. Rn 219 zu § 4; anders Geyer in Hofmann/Hoffmann, Ausländerrecht, 2008, RN 9 zu § 10 StAG). Insofern folgt der Senat der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, das in § 26 Abs. 4 Satz 3 AufenthG eine nicht auf das Staatsangehörigkeitsrecht erweiterungsfähige Sonderregelung sieht (siehe BVerwG, Urteil vom 29.3.2007 - 5 C 8.06 -, BVerwGE 128, 254; a.A. Geyer a.a.O.). Das Bundesverwaltungsgericht führt in der genannten Entscheidung - unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 10 Abs. 1 StAG (Rn 9) und § 55 Abs. 3 AsylVfG - aus, asylrechtliche Gestattungszeiten könnten staatsangehörigkeitsrechtlich nicht als Zeiten rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts im Inland gewertet werden, wenn das Asylverfahren nicht zur Anerkennung als Asylberechtigter oder Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG bzw. § 51 Abs. 1 AuslG geführt habe. Für Duldungszeiten, die sich an ein (zunächst erfolglos gebliebenes) Asylverfahren angeschlossen haben, gilt dies erst recht. Anders wäre der Ausnahmecharakter der diese Zeiten betreffenden Anrechnungsvorschrift des § 102 Abs. 2 AufenthG (vgl. dazu Funke-Kaiser in GK-AufenthG, Rn 16 zu § 102 und Hailbronner, AuslR, Rn 12 zu § 102) auch nicht verständlich. § 102 Abs. 2 ermöglicht eine Anrechnung von Duldungszeiten lediglich für (aufenthaltsrechtliche) Niederlassungserlaubnisse, nicht aber auch für staatsangehörigkeitsrechtliche Aufenthaltszeiten; die insofern in ihrem Wortlaut eindeutige Vorschrift hat abschließenden Charakter (Funke-Kaiser a.a.O. Rn 20 zu § 102). Insofern besteht unter den Beteiligten auch kein Streit.

2. Nichts anderes gilt allerdings im Ergebnis auch für die Ermessenseinbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG. Dass es der Behörde gestattet ist, zwar nicht als Tatbestandsvoraussetzung, wohl aber im Rahmen der Ermessensausübung besondere Anforderungen an die Dauer des rechtmäßigen bzw. gewöhnlichen Aufenthalts zu stellen, ist seit jeher anerkannt (siehe dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.5.2005 - 13 S 536/04 -, juris; Marx in GK-StAR, Rn 2, 11, 42.1, 46, 129und 143 zu § 8; Hailbronner in Hailbronner/Renner, StAR, 2005, Rn 19 und 55 zu § 8). Die ursprüngliche Einbürgerungsvoraussetzung des § 8 Abs. 1 ("Niederlassung im Inland") war mit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes durch den Tatbestandsbegriff des rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalts im Inland ersetzt worden (siehe dazu Hailbronner a.a.O. Rn 117 und VGH Bad.-Württ., a.a.O.), dies hat aber im hier interessierenden Punkt nichts geändert. Die Relevanz der Zeiten eines früheren rechtmäßigen Aufenthalts für die Ermessensausübung ergibt sich auch aus - insofern ermessenssteuernden - Verwaltungsvorschriften; danach beträgt die erforderliche Zeitspanne im Regelfall acht Jahre (siehe Nr. 8.1.2.2 und 8.1.2.3 StAR-VwV vom 13.12.2000, BAnz 2001, 1418, ebenso Ziff. 8.1.2.2 und 8.1.2.3 der Vorläufigen Anwendungshinweise - VAH - des Bundes vom 19.10.2007; abrufbar bei www.bmi.bund.de). Damit wird - für den Regelfall - über die Kriterien der Ermessensausübung zwar eine Angleichung an § 10 Abs. 1 StAG erreicht, der bereits als Tatbestandsvoraussetzung einen achtjährigen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt verlangt (siehe Marx a.a.O. Rn 143 zu § 8); für bestimmte - hier allerdings nicht einschlägige - privilegierte Personengruppen sind aber in der StAR-VwV für die Ermessensausübung Erleichterungen vorgesehen (siehe Nrn. 8.1.3.1 bis Nr. 8.1.3.4 StAR-VwV und dazu Hailbronner a.a.O. Rn 59 zu § 8 und Marx a.a.O. Rn 147, 152, 159, 160, 162, 163 bis 165 zu § 8), und auch die inzwischen erlassenen bundesrechtlichen Vorläufigen Anwendungshinweise vom 19.10.2007 erlauben bei besonderen Konstellationen("in Härtefällen") eine Abweichung vom Grundsatz des achtjährigen (rechtmäßigen) Aufenthalts (siehe Nr. 8.1.2.3 Abs. 2, "ergänzende Anmerkung").

Im Fall des Klägers ergibt sich aufgrund der Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis am 31.1.2002zu dem für den Senat maßgebenden Zeitpunkt der Entscheidung ein rechtmäßiger gewöhnlicher Aufenthalt von weniger als acht Jahren; die für ihn im Rahmen der Ermessensausübung maßgebende Regelvoraussetzung kann damit allenfalls über eine Anrechnung der vorangegangenen Gestattungs- oder Duldungszeiten erreicht werden. Beides kommt allerdings hier im Ergebnis nicht in Betracht. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

2.1 Was die dem Kläger ursprünglich für das Asylerstverfahren erteilte Aufenthaltsgestattung (§ 55 Abs. 1 AsylVfG) angeht, so scheidet eine Anrechnung der hierdurch abgedeckten Zeiten (1990 bis 1993) im Ermessensweg unabhängig von der Problematik der zeitlichen Unterbrechung durch die späteren Duldungen (vgl. dazu Marx a.a.O. Rn 168 zu § 8) bereits deswegen aus, weil das Asylverfahren des Klägers nicht zur Asylanerkennung oder zur Feststellung der Voraussetzungen des § 60 AufenthG oder § 51 AuslG geführt hat; dies ergibt sich aus der insofern zwingenden Vorschrift des § 55 Abs. 3 AsylVfG. Danach wird die Zeit einer Aufenthaltsgestattung (§ 55 Abs. 1 AsylVfG) für Fallgestaltungen, in denen "der Erwerb oder die Ausübung eines Rechts oder einer Vergünstigung von der Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet abhängig ist", nur dann angerechnet, wenn der Ausländer "unanfechtbar asylberechtigt anerkannt oder ihm unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist". Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Daran ändert auch die Anrechnung von Gestattungszeiten bei der Erteilung von Niederlassungserlaubnissen nach § 26 Abs. 4 Satz 3 AufenthG nichts, da es sich hier um eine nicht auf das Staatsangehörigkeitsrecht übertragbare Sondervorschrift handelt und staatsangehörigkeitsrechtlich § 55 Abs. 3 AsylVfG entgegensteht. Dass diese Vorschrift auch für Rechtsvergünstigungen gilt, die sich aus dem Staatsangehörigkeitsgesetz ergeben, hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden (Urteil vom 29.3.2007 a.a.O.); dem schließt sich auch der erkennende Senat an. Ohne Bedeutung ist es in diesem Zusammenhang, dass die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht zu § 8 StAG ergangen ist, sondern sich auf die Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Abs. 3 Nr. 1 StAG und (insofern gleichlautend) des § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG bezieht. Auch bei der Ermessenseinbürgerung geht es unbezweifelbar um eine "Vergünstigung" im Sinn des § 55 Abs. 3 AsylVfG, die von der jeweiligenAufenthaltsdauer abhängig ist (siehe oben). Im übrigen verweisen die Vorläufigen Anwendungshinweise vom 19.10.2007 in Nr. 8.1.2.3 hinsichtlich der Aufenthaltszeiten auf die Fallgestaltungen des § 4 (siehe Nr. 4.3.1.2 Vorläufige Anwendungshinweise); die unterschiedliche dogmatische Ausgestaltung der Zeitspanne eines rechtmäßigen Aufenthalts als Tatbestandsvoraussetzung (§§ 4, 10 StAG) oder aber als Ermessensgesichtspunkt (§ 8 StAG) wirdinsofern für die Anrechnungsproblematik nicht aufgegriffen. 2.2. Der Kläger kann gegenwärtig den im Rahmen der Ermessensausübung relevanten achtjährigen (rechtmäßigen) Aufenthalt auch nicht durch eine Anrechnung bestimmterDuldungszeiten erreichen. Insbesondere scheidet insofern der vom Verwaltungsgericht herangezogene Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung (Art. 3 Abs. 1 GG) als Anspruchsgrundlage aus.

Allerdings bestimmte zum Zeitpunkt der Behördenentscheidungen noch Nr. 8.1.2.3 der StAR-VwV in Absatz 2, dass "abweichend von Nr. 4.3.1.2 ...Zeiten einer Duldung auf die geforderte Aufenthaltsdauer angerechnet (werden), soweit dem Einbürgerungsbewerber in den Fällen des § 35 Abs. 1 Satz 3 AuslG eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis unter Berücksichtigung dieser Zeiten erteilt worden ist", und der Senat geht davon aus, dass die im Fall des Klägers nach der Nachfolgevorschrift des § 26 Abs. 4 AufenthG (i.V. mit § 102 Abs. 2 AufenthG) berücksichtigten Duldungszeiten den nach früherem Recht anerkannten Duldungszeiten insoweit gleichstehen. Gleichwohl kann der Kläger jedoch aus der StAR-VwV für sich keinen Anspruch auf Einbürgerungszusicherung herleiten. Dies ergibt sich zum einen aus der insoweit wohl fehlenden Bindungswirkung der StAR-VwV für die Beklagte (2.2.1), zum anderen vor allem aber daraus, dass diehier maßgebende Ziffer der StAR-VwV inzwischen durch eine andere, abweichende Verwaltungsvorschrift entscheidend eingeschränkt worden ist (2.2.2).

2.2.1. Es spricht viel dafür, dass die Beklagte nicht durch Nr. 8.1.2.3. (2. Absatz) StAR-VwV zu einer dem Kläger günstigen Anrechnungspraxis verpflichtet ist.Zwar sieht die StAR-VwV - wie erwähnt - eine entsprechende Anrechnung von im Zusammenhang mit § 26 Abs. 4 AufenthG bereits "verwendeten"Duldungszeiten vor; für die Frage der Selbstbindung der Verwaltung durch ermessensbindende Richtlinien ist jedoch nach ganz herrschender Auffassung nicht der Wortlaut einer Verwaltungsvorschrift, sondern in erster Linie die jeweilige Verwaltungspraxis maßgebend. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung setzt mit anderen Worten voraus, dass die Verwaltungsvorschriften in der Praxis auch angewendet werden (vgl. dazu etwa BVerwG, Urteil vom 19.9.2000 - 1 C 19.99 -, InfAuslR 2001, 70; Urteil vom 2.3.1995 - 2 C 17.94 -, ZBR 1995, 238, je m.w.N.; Beschluss vom 28.5.2008 - 1 WB 19/07 - juris). Zwar spricht bereits die Existenz solcher Verwaltungsvorschriften dafür, dass eine entsprechende Verwaltungspraxis - aus der dann ein Anspruch auf Gleichbehandlung abgeleitet werden kann - auch tatsächlich besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.8.2003 -3 C 49/02 -, BVerwGE 118, 379); es entscheidet aber auch dann die"tatsächliche Handhabung" bzw. "die vom Urheber gebilligte oder geduldete tatsächliche Verwaltungspraxis" (so wörtlich BVerwG, Urteil vom 19.9.2000 a.a.O.).

Für den vorliegenden Fall kommt es dabei wohl nicht auf die bundesweite "Umsetzung" der StAR-VwV, sondern auf die Verwaltungspraxis des Landes Baden-Württemberg an, an der sich auch die Beklagte messen lassen muss (vgl.dazu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20.4.2002 - 13 S 314/02 -, VBlBW 2002, 534). Es spricht nämlich vieles dafür, dass die Beklagte mangels entsprechender Bindung der Bundesländer in ihrer Praxis von Nr. 8.1.2.3 (Abs. 2) der StAR-VwV abweichen durfte. Der Bundesrat hat zwar - entgegen dem Vortrag der Beklagten -nach Art. 84 Abs. 2 GG der StAR-VwV zugestimmt; fehlende Bindung der Landesbehörden kann also nicht bereits aus fehlender Zustimmung des Bundesrats hergeleitet werden (zur Bindung der Landesbehörden an die StAR-VwV siehe Marx a.a.O. Rn 127 und 128 zu § 8). Die StAR-VwV ist jedoch nicht von der (gesamten) Bundesregierung, sondern - der damaligen Vorschrift des § 39 StAG entsprechend (siehe Marx, a.a.O. Rn 3 und 4 zu § 39; Renner in Hailbronner/Renner, a.a.O. Rn 3 zu § 39) - lediglich vom Bundesminister des Inneren, nicht aber von der Bundesregierung als Kollegiumerlassen worden. Dies widersprachden vom Bundesverfassungsgericht (unter Aufgabe seiner früheren entgegenstehenden Rechtsprechung) schon 1999, also vor Erlass der Verwaltungsvorschriften, entwickelten verfassungsrechtlichen Anforderungen aus Art. 84 Abs. 2 GG (siehe dazu BVerfG, Beschluss vom 2.3.1999 - 2 BvF 1/94 -, BVerfGE 100, 249). Nach Art. 84 Abs. 2 GG ist nämlich dort, wo die Länder - wie hier (siehe Renner a.a.O.) - ein Bundesgesetz als eigene Angelegenheit ausführen (siehe Art. 83 GG), nicht der einzelne Bundesminister, sondern (nur) die Bundesregierung als Kollegialorgan zum Erlass "allgemeiner Verwaltungsvorschriften" ermächtigt (ebenso die ganz h.M. der Literatur, siehe Hermes in Dreier, GG, Band 3, 2008, Rn 82 zu Art. 84 m.w.N.). Bei der StAG-VwV handelt es sich um eine solche allgemeine Verwaltungsvorschrift (Marx und Renner, jeweils a.a.O.). Die gegenseitige "Sicherung" der Verwaltungskompetenzen von Bund und Ländern, die in Art. 84 Abs. 2 GG festgelegt worden ist, wird beim Erlass von allgemeinen Verwaltungsvorschriften durch einen Einzelminister (anstelle der gesamten Bundesregierung) verletzt; hieraus folgt, dass die Länder hieran nicht gebunden sind (vgl. Hermes a.a.O. Rn 17 und 82zu Art. 84; differenzierend Tschentscher JZ 1999, 994). Der sonst bestehende Vorrang bundesrechtlicher Verwaltungsvorschriften (Hermes a.a.O.. Rn 78 m.w.N.) greift bei einem Verstoß gegen Art. 84 Abs. 2 GG nicht. Der Gesetzgeber hat im übrigen aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 2.3.1999 auch (späte) Konsequenzen gezogen; § 39 StAG, der in seiner damaligen Fassung noch allein den Bundesminister des Inneren zum Erlass der Verwaltungsvorschriften ermächtigte, wurde mit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes als "obsolet" aufgehoben (siehe BT-Drs. 15/420, S. 117, abgedruckt bei Marx a.a.O.. vor § 39; siehe auch Renner a.a.O., Rn 3 zu §39). Bei der danach wohl fehlenden Bindung der Bundesländer an die StAR-VwVwürde sich für den Senat ergeben, dass unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung die Praxis des nach Art. 83 GG mit der Ausführung des Gesetzes als eigene Angelegenheit betrauten jeweiligen Bundeslandes entscheidend wäre.Was diese angeht, so hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, dass die Verwaltungsbehörden in Baden-Württemberg im Rahmen der Ermessensausübung nach § 8 StAG Duldungszeiten bisher grundsätzlich nicht angerechnet haben. Bereits dies stellt daher einen Anspruch des Klägers auf (erstmalige) Anrechnung der im Rahmen des § 26 Abs. 4 AufenthG bereits berücksichtigten Duldungszeiten in Frage.

2.2.2. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die bundesrechtlichen Verwaltungsvorschriften im hier interessierenden Punkt inzwischen erheblich eingeschränkt worden sind. Die Kommentarliteratur hatte teilweise bereits aus dem 2005 eingefügten Tatbestandserfordernis des(aktuellen) "rechtmäßigen" Aufenthalts (anstelle des früher verwendeten Begriffs der "Niederlassung") abgeleitet, dass die Verwaltungsvorschrift zur Anrechnung von Duldungszeiten (Nr. 8.1.2..3Abs. 2 StaR-VwV) durch eine abweichende (strengere) Verwaltungspraxis obsolet werden könne (siehe insbes. Marx a.a.O. Rn 42.1 zu § 8). Selbst wenn dies mit guten Gründen bestritten werden könnte, weil der Gesetzgeber in § 8 Abs. 1 StAG nur die jeweils aktuell zu prüfenden Anforderungen an den Einbürgerungsbewerber festgelegt hat (siehe oben 2), so ist doch aus anderen Gründen zu dem für den Senat maßgebenden Zeitpunkt der Entscheidung die Anrechung bestimmter Duldungszeiten nicht mehr im gleichen Umfang vorgesehen. Nr. 8.1.2.3 Abs. 2 der Vorläufigen Anwendungshinweise vom 19.10.2007 bestimmt nunmehr, "bei der Regelung in Nr. 8.1.2.3 Abs. 2 der StAR-VwV (Anrechnung von Zeiten einer Duldung auf die geforderte Aufenthaltsdauer) ... (sei) das Urteil des BVerwG vom 29.3.2007 - 5 C 8.06 - zu beachten, das sich gegen die Anrechnung von Gestattungszeiten bei einem erfolglosem Asylverfahren ausspricht". "In Konsequenz dieser Entscheidung" beschränken die bundesrechtlichen Vorläufigen Anwendungshinweisedie Anrechnung auf "Härtefälle". Die Bezugnahme der VAH auf Nr. 8.1.2.3 StAR-VwV ergibt, dass es hier nicht um Gestattungszeiten, sondern um Duldungszeiten geht und dass das BMI - ebenso wie der Senat (s. oben 2.1) - insofern die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts auch als Hinweis zur Unzulässigkeit einer Anrechung von Duldungszeiten nach § 102 Abs. 2 AufenthG versteht. Damit ist unter dem maßgebenden Gesichtspunkt der Verwaltungspraxis der Bundesländereine neue Situation gegeben; der für Einbürgerungsbewerber nach der StAR-VwV früher bestehende günstigere Rechtszustand ist auf wenige Anwendungsfälle (Härtefälle) reduziert worden.

Diese Änderung betrifft auch den hier vorliegenden Fall. Der Senat hat bei der berufungsgerichtlichen Überprüfung des geltend gemachten Anspruchs aus Art. 3 Abs. 1 GG vom Zeitpunkt seiner Entscheidung als maßgebendem Zeitpunktauszugehen (vgl. Marx a.a.O. Rn 337 zu § 8 m.w.N.) und daher inzwischen eingetretene Änderungen zu berücksichtigen, soweit es um die Frage geht, ob aus Rechtsgründen eine begehrte Vergünstigung zu erteilen ist oder nicht (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 26.2.1997 - 1 B 5.97 -, Buchholz 402.240 § 45 AuslG 1990 Nr. 8 und st. Rspr.). Auch inhaltlich ist die Änderung der Verwaltungsvorschrift (und einer auf ihr beruhenden Praxis) bedenkenfrei. Dass eine bestimmte auf ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften beruhende Verwaltungspraxis "aus sachgerechten Gründen" jederzeit geändert werden kann - auch wenn damit eine Schlechterstellung der Betroffenen verbunden ist - und dass in einem solchen Fall die Berufung auf eine Selbstbindung der Verwaltung nicht weiterhilft, ist in der Rechtsprechung anerkannt (siehe BVerwG, Beschluss vom 28.5.2008 a.a.O.; Beschluss vom 26.6.2007 - 1 WB 12/07 -, Buchholz 449.2 § 40 SLV 2002 Nr. 3 und Urteil vom 23.4.2003 - 3 C 25/02 -, NVwZ 2003, 1384). Solche sachgerechten Gründe liegen hier in der Entscheidung, die vom Bundesverwaltungsgericht zu § 26 Abs. 4 Satz 3 AufenthG und seiner Unübertragbarkeit auf das Staatsangehörigkeitsrecht entwickelten Gedanken auch für die Anrechnung von Duldungszeiten nach § 102 Abs. 2 AufenthG zu übernehmen. Da es im hier interessierenden Zusammenhang anders als bei § 10 StAG nicht um gebundenes Recht, sondern um die Ausgestaltung von Ermessensanforderungen nach § 8 StAG geht, ist die Verwaltung ohnehin "freier". Wenn - nach wie vor (siehe Nr. 8.1.2.3. Abs. 1 VAH) -an der Rechtmäßigkeit des grundsätzlich erforderlichen 8-jährigen Aufenthalts als Voraussetzung festgehalten wurde, so lag es sachlich ohnehin nahe, Duldungszeiten nicht anzurechnen. Der Ausschluss der Anrechnung von Duldungszeiten im Staatsangehörigkeitsrecht ist jedenfalls nicht sachwidrig (a.A. Oberhäuser in Hofmann/Hoffmann a.a.O. Rn 24). Andernfalls würden nämlich Duldungszeiten einem Einbürgerungsbewerber gewissermaßen doppelt zugute kommen; aufenthaltsrechtlich würden sie ihm die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ermöglichen (§ 26 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 102 Abs. 2 AufenthG), und staatsangehörigkeitsrechtlich wären sie ihm zudem als "rechtmäßiger" Aufenthalt anzurechnen. Da asylrechtliche Gestattungszeiten nach § 55 Abs. 1 AsylVfG für eine solche Anrechnung nicht in Betracht kämen (siehe BVerwG, Urteil vom 29.3.2007 a.a.O.), wären Duldungszeiten gegenüber der immerhin einen Rechtstitel darstellenden Aufenthaltsgestattung privilegiert. Eine solche "Aufwertung" der ausländerrechtlichen Duldung würde dem unterschiedlichen Gewicht dieser beiden ausländerrechtlichen Institute nicht gerecht.

Bei der damit im Sinn der Beklagten noch durchaus offenen Ermessensentscheidung wird diese zu prüfen haben, ob sie zugunsten des Klägers von einem "Härtefall" im Sinn von Nr. 8.1.2.3 Abs. 2 VAH ausgeht oder ob sonstige Ermessensgesichtspunkte eine Abweichung von dem Erfordernis eines achtjährigen (rechtmäßigen) Aufenthalts rechtfertigen könnten; in diesem Zusammenhang könnte etwa von Bedeutung sein, ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels behördlich verzögert wurde. Die vom Verwaltungsgericht angenommene Ermessensreduzierung auf nur eine dem Kläger günstige Entscheidung liegt jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Ende der Entscheidung

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