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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 08.02.2007
Aktenzeichen: 4 S 45/07
Rechtsgebiete: BBesG, GKG, VwGO, LBG


Vorschriften:

BBesG § 2 Abs. 1
GKG § 52 Abs. 1
VwGO § 80 Abs. 2 Nr. 3
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 123
LBG § 53
LBG § 55 Satz 3
LBG § 91
1. Vorläufiger Rechtsschutz gegen die Einbehaltung von Dienstbezügen nach § 55 Satz 3 LBG ist nicht nach § 80 Abs. 5 VwGO, sondern nur nach § 123 VwGO statthaft.

2. Zu den Voraussetzungen eines Anordnungsanspruchs auf Weiterzahlung der vollen Dienstbezüge während des Zurruhesetzungsverfahrens.

3. Macht der Beamte geltend, die Einbehaltensregelung nach § 55 Satz 3 LBG sei auf Beamte nicht anwendbar, die während des Rechtsstreits über die Zurruhesetzung weiter Dienst tun, bemisst sich der Streitwert nach dem zwölffachen Betrag der einbehaltenen Monatsbezüge.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

4 S 45/07

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Einbehaltung von Dienstbezügen

hier: Antrag nach § 123 VwGO

hat der 4. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg am 08. Februar 2007

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 18. Dezember 2006 - 11 K 2753/06 - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert des Verfahrens in beiden Rechtszügen wird unter Änderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung auf jeweils 21.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.

Die Beschwerde gegen die Ablehnung ihres Begehrens, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr bis zur Entscheidung in der Hauptsache - nämlich der Anfechtungsklage gegen ihre Zurruhesetzung - die vollen aktiven Dienstbezüge zu zahlen, ist zulässig, da sie innerhalb der Frist des § 147 Abs. 1 VwGO beim Verwaltungsgericht eingelegt und innerhalb der - nicht verlängerbaren - Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO begründet worden ist, und insoweit, als sie sich unter Darlegung der Beschwerdegründe entsprechend den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO hinreichend mit der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts auseinandersetzt.

Die Beschwerde ist aber unbegründet.

Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass das Begehren der Antragstellerin als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO auf Zahlung der vollen aktiven Dienstbezüge und nicht als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft ist. Die (§ 44 Abs. 2 Satz 4 BBG nachgebildete) Regelung des § 55 Satz 3 LBG besagt, dass vom Ablauf des Monats, in dem dem Beamten die nicht auf seinen Antrag erfolgte Versetzung in den Ruhestand mitgeteilt worden ist, bis zu deren Unanfechtbarkeit der Teil der Dienstbezüge einbehalten wird, der die Versorgungsbezüge übersteigt; nach Satz 4 der Vorschrift werden die einbehaltenen Dienstbezüge nachgezahlt, falls die Zurruhesetzung unanfechtbar aufgehoben wird. Die Regelung greift also mit der Mitteilung der Zurruhesetzungsverfügung ein. Unterlässt es der Dienstherr wie im vorliegenden Streitfall, ihre sofortige Vollziehung anzuordnen (vgl. § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), entfaltet der Widerspruch aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 1 VwGO) mit der Folge, dass u.a. der Ruhestand nicht beginnt und der Beamte daher kein Ruhegehalt bekommt, sondern sein Anspruch auf Besoldung bestehen bleibt (vgl. § 59 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 LBG). Die Regelung über das Einbehalten eines Teils der Besoldung knüpft damit zwar an die Zurruhesetzungsverfügung als Verwaltungsakt (§ 35 LVwVfG) an und nicht mehr an eine Entscheidung ohne Verwaltungsaktsqualität (BVerwG, Urteil vom 27.06.1991, BVerwGE 88, 332), wie es die Fortführungsentscheidung der Vorgängerregelung war (vgl. § 55 Abs. 3 Satz 1 LBG a.F.; ebenso § 44 Abs. 4 Satz 1 BBG a.F.), so dass die ältere Rechtsprechung über die Form des einstweiligen Rechtsschutzes überholt ist (OVG Bremen, Beschluss vom 04.11.1988, NVwZ-RR 1990, 41; Niedersächs. OVG, Beschluss vom 14.02.1992, ZBR 1992, 287; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.05.1992, NVwZ-RR 1993, 315; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 27.02.2003, ZBR 2004, 327); sie wird auch nicht durch die in § 55 LBG genannte, hier unter dem 21.08.2006 ergangene Mitteilung bewirkt, denn diesem Vorgang fehlt die Rechtswirkung nach außen, weil die Einbehaltung bereits unmittelbar durch das Gesetz angeordnet ist und die Mitteilung hierüber nur einen Hinweis auf die Rechtslage und eine Ankündigung ihrer tatsächlichen kassentechnischen Vollziehung darstellt (so schon zu § 55 Abs. 4 Satz 1 LBG a.F. Beschluss des Senats vom 01.07.1985 - 4 S 979/85 -, Schütz/Maiwald, Beamtenrecht, ES/A 5.5 Nr. 8). Sie stellt gleichwohl keine Regelung über das Entfallen der aufschiebenden Wirkung i.S. von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO dar (so aber Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 6. Aufl., RdNr. 702a; lediglich "im praktischen Ergebnis gleichkommend": Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, BBG, § 44 RdNr. 14e). Der gesetzlichen Konzeption des vorläufigen Rechtsschutzes gegen belastende Verwaltungsakte liegt ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen aufschiebender Wirkung und sofortiger Vollziehung zugrunde; ihm wird u.a. dadurch Rechnung getragen, dass die Einschränkung "vorgeschrieben", der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung also ausdrücklich und eindeutig geregelt sein muss (Schoch, Vorläufiger Rechtsschutz und Risikoverteilung im Verwaltungsrecht, 1988, S. 1225 f.; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 80 RdNr. 65; jeweils m.w.N.). Die Einbehaltensregelung entspricht dem schon angesichts ihrer Terminologie nicht; es ist auch keine entsprechende Klarstellung durch den Gesetzeswortlaut erfolgt, so dass nicht angenommen werden kann, dass der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 55 LBG von der schon zum alten Recht vertretenen Auffassung von der materiellrechtlichen Qualität der Einbehaltensregelung (Beschluss des Senats vom 01.07.1985, a.a.O.; OVG Bremen, Beschluss vom 04.11.1988, a.a.O.) abweichen wollte. Dass das Gesetz im Gegenteil keinen rein verfahrensrechtlichen Zweck verfolgt, sondern eine materiell besoldungsrechtliche Regelung ist, kommt mit aller Deutlichkeit darin zum Ausdruck, dass es nicht, wie es bei einer Aussetzungsregelung geschehen müsste, den sofortigen Übergang auf die Versorgungsbezüge anordnet, sondern den Besoldungsanspruch dem Grunde nach unberührt lässt und nur seine Höhe vorübergehend absenkt. Ein weiterer Hinweis lässt sich schließlich der Zweckbestimmung der Einbehaltensregelung entnehmen. Sie wirkt nicht nur im öffentlichen Interesse dem Anreiz entgegen, Zwangspensionierungen lediglich zum Zwecke verlängerter Zahlung der vollen Dienstbezüge anzugreifen und die Staatskasse von Vorleistungen sowie vom Rückforderungsrisiko zu entlasten (vgl. die Begründungen zu den Gesetzentwürfen der Bundesregierung, BT-Drs. 14/4659 S. 53, und der Landesregierung, LT-Drs. 13/3783 S. 20), sondern sie verhindert auch im Interesse des Beamten für den Fall der Erfolglosigkeit seiner Anfechtung der Zurruhesetzung, dass er der Rückforderung der weitergewährten Bezüge und deren empfindlichen Auswirkungen auf seine Lebensführung und die seiner Familie ausgesetzt ist (so die Bundesregierung, BT-Drs. a.a.O.), was ihn umso härter träfe, als er nicht nur die Absenkung der Bezüge hinnehmen, sondern zusätzlich die Rückforderung bedienen müsste. Die vorläufige Einbehaltung des dem Erstattungsrisiko ausgesetzten Besoldungsanteils ist daher auch Ausdruck der Fürsorgepflicht des Dienstherrn (vgl. § 98 LBG). Auch dieser sachliche Gehalt der Regelung spricht daher für die Annahme, dass sie nicht primär verfahrensrechtlichen Zwecken dient, sondern dem materiellen Besoldungsrecht angehört (im Ergebnis ebenso: Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, a.a.O. RdNrn. 14e, 17a; Müller/Beck, Das Beamtenrecht in Baden-Württemberg, § 55 RdNr. 12). Für den einstweiligen Rechtsschutz bedeutet dies, dass er, weil er nicht an einen kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Verwaltungsakt anknüpfen kann, nach § 123 Abs. 5 VwGO in der Form des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu gewähren ist, wenn der Dienstherr nicht nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO den Sofortvollzug der Zurruhesetzungsverfügung angeordnet hat (ebenso Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, a.a.O.; Müller/Beck, a.a.O.; wohl auch Summer in: Fürst, GKÖD, K § 44 RdNr. 15; unklar und unter Bezugnahme auf Rspr. zur alten Rechtslage: Battis, BBG, 3. Aufl., § 44 RdNr. 10).

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V. mit § 920 Abs. 2 ZPO voraus, dass der Antragsteller einerseits die Gründe glaubhaft macht, die eine gerichtliche Eilentscheidung erforderlich machen (Anordnungsgrund), und dass er andererseits einen Anspruch glaubhaft macht, dessen vorläufiger Sicherung die begehrte Anordnung dienen soll (Anordnungsanspruch). Ob das Verwaltungsgericht den Antrag zu Recht auch wegen Fehlens eines Anordnungsgrunds abgelehnt hat, mag zweifelhaft sein, weil man der Antragstellerin von ihrem Rechtsstandpunkt aus, wonach ihre Anfechtung zum Erfolg führen muss, weil ihre Zurruhesetzung rechtswidrig ist, ein Interesse an der Fortzahlung ihrer vollen Dienstbezüge schwerlich unter Verweis auf eine nur vorübergehende Einschränkung des Lebensstandards und die spätere Nachzahlung der einbehaltenen Bezüge absprechen kann; denn der Zeitraum kann erheblich und die verbleibenden Bezüge können gering sein. Jedoch bedarf die Frage keiner Vertiefung und Entscheidung, weil jedenfalls die mit der Beschwerde dargelegten Gründe, auf die die Prüfung durch den Senat grundsätzlich beschränkt ist (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), nicht geeignet sind, die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Hinblick auf den von ihm verneinten Anordnungsanspruch in Frage zu stellen.

Dem Verwaltungsgericht ist beizupflichten, wenn es an den Anordnungsanspruch hohe Anforderungen stellt. Schon im Beschluss vom 01.07.1985, a.a.O. hat der Senat wie erwähnt die Auffassung vertreten, dass die Rechtsfolge der Einbehaltung unmittelbar kraft Gesetzes eintritt. Dies gilt auch für die Regelung in ihrer jetzigen Fassung, denn sie setzt anstelle einer Fortführungsentscheidung lediglich die Existenz einer Zurruhesetzungsverfügung, aber nicht auch die Dienstunfähigkeit selbst voraus. Da sie eine besoldungsrechtliche Regelung darstellt, steht der Antragstellerin ein Zahlungsanspruch schon deshalb nicht zu, weil es an der hierfür erforderlichen gesetzlichen Grundlage fehlt. Besoldungsleistungen unterliegen nach § 2 Abs. 1 BBesG, der mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG im Einklang steht, dem Vorbehalt des Gesetzes, sie dürfen also nur zugesprochen werden, wenn und soweit sie gesetzlich vorgesehen sind. Nach alter Rechtslage wurde die Einbehaltensregelung daher teilweise als unmittelbar zwingend angesehen und daher der Rechtsschutz versagt (OVG Bremen, a.a.O.; Niedersächs. OVG, a.a.O.); denn § 2 Abs. 1 BBesG hindert die Gerichte, die zuständige Behörde zu verpflichten, dem Beamten Geldleistungen als Besoldung zu gewähren, für die keine gesetzliche Grundlage vorhanden ist (BVerfG, Kammerbeschluss vom 16.11.1993 Aktenzeichen - 2 BvR 1587/92 -, Juris). Ob dieser Rechtsprechung zu folgen wäre, die in der Konsequenz bedeuten könnte, dass es für die gesamte Dauer des Verfahrens bis zum Abschluss des Streits über die Zurruhesetzung keinen wirksamen Rechtsschutz gegen die Besoldungsabsenkung gibt, kann offen bleiben. Denn auch nach der Auffassung, nach der der Gesetzgeber dem Beamten den Nachteil grundsätzlich zumutet, die aber im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG Rechtsschutz gewährt, ist dieser auf Ausnahmefälle beschränkt, etwa wenn die Zurruhesetzung rechtsmissbräuchlich oder aus der Luft gegriffen erscheint (OVG Mecklenburg-Vorpommern, a.a.O.; zur neuen Rechtslage Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, a.a.O. RdNr. 17a: ggf. Anspruch auf vorschussweise Zahlung der nach aller Wahrscheinlichkeit nachzuzahlenden Beträge). Auch danach hat die Antragstellerin keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Das hat das Verwaltungsgericht überzeugend ausgeführt. Die Beschwerdegründe rechtfertigen keine andere Entscheidung.

Der Antragstellerin kann nicht darin gefolgt werden, dass das amtsärztliche Zeugnis vom 23.09.2005 unbrauchbar sei, weil sie nicht nur wenige Meter laufen könne, sondern trotz ihrer Erkrankung seit mehr als vier Jahren bis in die Gegenwart nur zur Hälfte sitzend, zur anderen Hälfte aber stehend und gehend habe tätig sein können, und dass sie in der Lage sei, ohne Gehhilfe durch das Anstaltsgebäude zu gehen und Treppen zu steigen. Damit setzt sie sich in Widerspruch zu ihrem eigenen Vortrag, wonach die nur zur Hälfte sitzende Tätigkeit auf Dauer beschwerlich sei, was zu Erschöpfungszuständen und Fehlzeiten geführt habe, und dass zur vollen Erfüllung ihrer Dienstpflichten eine Umgestaltung ihres Arbeitsplatzes notwendig sei (VG-Akte S. 19, 21). Sie erwähnt auch nicht, dass die Krankheit nach ärztlichem Urteil mit erheblicher Stolpergefahr verbunden ist. Nach der Darstellung im Widerspruchsbescheid, die sie soweit ersichtlich nicht bestritten hat, hat sie sich aus diesem Grund bei Stürzen häufig verletzt, was ebenfalls zu Fehlzeiten geführt hat, und sie war letztmals ab 07.08.2006 wegen eines Sturzes im privaten Bereich krankgeschrieben. Insgesamt soll sie in den Jahren seit 2003 jährlich an 122, 104, 86 bzw. 45 (Stand: 20.08.2006) Tagen krankheitsbedingt nicht zum Dienst erschienen sein.

Ohne Erfolg bestreitet die Antragstellerin auch, ihre Leistungen der letzten Jahre seien in dem Ausmaß zurückgegangen, wie es in den zurückliegenden dienstlichen Beurteilungen festgehalten sei. Mit ihren Behauptungen, die angebliche Verschlechterung sei nicht nachvollziehbar, sie sei noch ebenso leistungsfähig wie vor ihrer Erkrankung und es gebe keine mit konkreten Einzelfällen belegten oder aktenmäßig festgehaltenen Fehler oder Beanstandungen, vermag sie eine offensichtliche Unhaltbarkeit der Zurruhesetzung nicht glaubhaft zu machen.

Der Einwand der Antragstellerin, ihr stehe die volle aktive Besoldung zu, weil sie in atypischer Weise weiterhin ihren Dienst leiste, und der auf die Rechtsauffassung hinausläuft, in solchen Fällen sei § 55 Satz 3 LBG nicht anwendbar, setzt sich schon nicht mit der Begründung des Verwaltungsgerichts auseinander, weshalb die Dienstleistung nach Versetzung in den Ruhestand nicht den vollen Besoldungsanspruch verleiht. Abgesehen davon kann von einer Atypik nicht die Rede sein. Aufgrund der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Zurruhesetzung werden die Umwandlung des Beamtenverhältnisses in das Ruhestandsbeamtenverhältnis und damit auch der Fortfall der Dienstleistungspflicht und des Anspruchs auf amtsangemessene Beschäftigung (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.06.2006, ZBR 2006, 344) suspendiert; eine Zwangsbeurlaubung ist nur vorübergehend und unter engen - hier nicht erkennbar gegebenen - Voraussetzungen zulässig (vgl. §§ 78 Abs. 1 LBG, 89 LDO). Grundsätzlich darf der Beamte daher nur mit Genehmigung des Dienstvorgesetzten oder bei Dienstunfähigkeit infolge Krankheit dem Dienst fernbleiben (§ 91 Satz 1 und 2 LBG). Allerdings unterscheidet sich der Begriff der Dienstunfähigkeit nach § 53 Abs. 1 LBG von dem nach § 91 LBG. Der beschließende Senat hat in seinem Urteil vom 10.10.1995 - 4 S 2594/94 -, IÖD 1996, 163 und später entschieden, dass Dienstunfähigkeit i.S. von § 53 Abs. 1 LBG ein beamtenrechtlicher und kein medizinischer Begriff ist. Durch ihn wird eine Beziehung hergestellt zwischen der körperlichen, geistigen und seelischen Verfassung des Beamten einerseits und den Eigenschaften und Fähigkeiten andererseits, die zu einer mindestens ausreichenden Wahrnehmung der Dienstaufgaben erforderlich sind, die dem Beamten gemäß seiner Laufbahn und seinem Amt im statusrechtlichen Sinne übertragen sind. Sind diese Eigenschaften und Fähigkeiten nicht mehr gegeben, ist der Beamte dienstunfähig. In der Regel wird dieser Zustand mit der Feststellung einer Krankheit oder Krankheitsanlage einhergehen. Jedoch ist dies nicht zwingend. Selbst eine Normabweichung von den Fähigkeiten und Eigenschaften eines Durchschnittsmenschen ist nicht erforderlich, wenn das Amt des Beamten besondere Anforderungen stellt. Letztlich erfasst der Begriff der Dienstunfähigkeit jeden in der Konstitution des Beamten gegründeten Zustand, der ihn außer Stande setzt, seine Dienstpflichten zu erfüllen mit Ausnahme des disziplinarrechtlich zu verfolgenden Falles, dass die Nichterfüllung der Dienstpflichten allein in die freie Willensphäre des Beamten fällt (Abgrenzung zwischen nicht wollen und nicht können). Hieraus folgt ferner, dass im Hinblick auf die Feststellung von Krankheiten oder erheblichen Normabweichungen im psychologischen Sinne der ärztliche oder psychologische Befund nicht allein ausschlaggebend sein muss, sondern dass auch insoweit die dienstlichen Anforderungen und die Auswirkungen der dem Beamten noch möglichen Dienstleistung auf den Dienstbetrieb zu berücksichtigen sind. Diese Definition entspricht ihrerseits der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Beschluss vom 25.10.1988, Buchholz 232 § 42 BBG Nr. 17; Urteil vom 16.10.1997, BVerwGE 105, 267). An diesem Dienstunfähigkeitsbegriff hat sich auch durch die Neufassung des § 53 Abs. 1 Satz 1 LBG durch Art. 1 des Gesetzes vom 03.05.2005 (GBl. S. 321) nichts geändert; damit wurde das Beamtenrecht des Landes an § 26 Abs. 1 Satz 1 BRRG angeglichen und dem Regelungsgehalt sprachlich eine zeitgemäße Formulierung gegeben (vgl. Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, a.a.O., § 42 RdNr. 1). Nach alledem bedeutet der Befund des Dienstherrn, ein Beamter sei dauernd dienstunfähig, nicht zugleich zwingend, dass dieser zu überhaupt keiner Dienstleistung mehr in der Lage und daher auch nicht verpflichtet wäre, dienstliche Aufgaben zu erfüllen, vielmehr hängt dies von den jeweiligen Umständen ab. Im Fall der Antragstellerin ist nicht zweifelhaft, dass sie an einer Muskelerkrankung leidet, die ihre uneingeschränkte Verwendung als Justizvollzugsbeamtin auf Dauer nicht zulässt, dass sie aber auf einem eigens nach ihren Bedürfnissen eingerichteten, behindertengerechten Arbeitsplatz eingesetzt werden könnte. Aus medizinischer Sicht des Amtsarztes kann sie ganztägig Dienst tun, jedoch nur sitzend; auch der Antragsgegner hält sie nicht schon allein wegen ihrer Erkrankung für dienstunfähig, sondern wegen Mangels an einem geeigneten Dienstposten und zusätzlich wegen ungenügender Leistungen. Dass sie bei dieser Sachlage - und offenbar auf eigenen Wunsch, da sie sich für voll dienstfähig hält - weiterhin, wenn auch nach Meinung des Antragsgegners unzulänglich, Dienst tut, entspricht somit der Rechtslage und bietet deshalb keinen Ansatzpunkt, sie von der Einbehaltensregelung auszunehmen.

Soweit sie geltend macht, die behauptete Rechtsfolge ergebe sich bereits nach den Grundsätzen über den faktischen Arbeitsvertrag, der ungerechtfertigten Bereicherung und aus Billigkeitsgesichtspunkten, setzt sie sich nicht wie prozessrechtlich erforderlich mit den einschlägigen Ausführungen des Verwaltungsgerichts auseinander. Abgesehen davon ist diese Rechtsauffassung auch in der Sache offenkundig nicht tragfähig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren und die Änderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung beruhen auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 63 Abs. 3 Satz 1 GKG. Der Antrag ist darauf gerichtet, die Antragstellerin von der in § 55 Satz 3 LBG vorgesehenen Absenkung auszunehmen und die aktiven Dienstbezüge bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Zurruhesetzung in voller Höhe und unter Ausschluss einer späteren Rückzahlungsverpflichtung weiter gewähren zu lassen. Einschlägig ist damit - anders als in dem mit Beschluss des Senats vom 20.02.2004 - 4 S 2381/03 -, NVwZ-RR 2004, 619 entschiedenen Fall - die in Anwendung des § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F. ergangene und auch für § 52 Abs. 1 GKG n.F. einschlägige Streitwertrechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den als Teilstatus bezeichneten Rechtspositionen, deren Wert in der Höhe des pauschalierten Zweijahresbetrages der Differenz zwischen dem Teilstatus, den der Beamte innehat, und dem Teilstatus, den er erstrebt, bemessen wird. Zu diesen als Teilstatus zu verstehenden Rechtspositionen gehören etwa Ansprüche auf erhöhtes Unfallruhegehalt oder auf Unfallausgleich, auf eine sonstige erhöhte Versorgung, Besoldung oder auf Anrechnungs- und Ruhensbeträge. Voraussetzung ist, dass der Streit um die Frage geführt wird, ob der Beamte dem Grunde nach Anspruch auf die begehrte Zahlung hat (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 13.09.1999, NVwZ-RR 2000, 188; Beschluss vom 07.04.2005 - 2 KSt 1.05 -, Juris; Senatsbeschluss vom 08.03.2006 - 4 S 1566/05 -; Streitwertkatalog 2004, NVwZ 2004, 1327, Nr. 10.4). In derartigen Fällen sind die Berechnungsregeln des § 42 GKG nicht anwendbar. Einen solchen Anspruch auf eine dem Grunde nach höhere Besoldung macht die Klägerin geltend, indem sie den Rechtsstandpunkt vertritt, auf Beamte, die während des Streits über die Zurruhesetzung weiter Dienst tun, sei die Einbehaltensregelung des § 55 Satz 3 LBG nicht anwendbar. Allerdings erscheint ein Zweijahreszeitraum hier überhöht. Der Senat hält auf der Grundlage des ihm in § 52 Abs. 1 GKG eingeräumten Ermessens bei der Bestimmung des wirtschaftlichen Interesses stattdessen einen Einjahreszeitraum für angemessen, weil die begehrte Nichtanwendung von vornherein auf die Dauer des Rechtsstreits über die Zurruhesetzung beschränkt ist, die nicht zuverlässig bestimmt werden kann, aber andererseits auch nicht typischerweise zwei Jahre oder mehr beträgt. Ausgehend vom Antrag und den Angaben der Antragstellerin (vgl. § 61 GKG) ergibt sich ein Wert von 21.000 EUR (abgerundete Differenz zwischen den begehrten monatlichen Bezügen in Höhe von monatlich 2.873,19 EUR und den nach Einbehaltung verbleibenden Bezügen von 39 % hieraus = 1.120,54 EUR x 12, wobei davon ausgegangen wird, dass der angegebene Bezug die monatliche Sonderzahlung einschließt). Da der Antrag auf die Vorwegnahme einer Entscheidung in der Sache gerichtet ist, erscheint es nicht gerechtfertigt, den Streitwert lediglich mit der Hälfte des für ein entsprechendes Hauptsacheverfahren anzunehmenden Werts anzusetzen (vgl. Streitwertkatalog Nr. 1.5).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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