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Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 08.02.2008
Aktenzeichen: 11 S 2915/07
Rechtsgebiete: VwGO
Vorschriften:
VwGO § 57 | |
VwGO § 60 | |
VwGO § 67 Abs. 1 | |
VwGO § 117 Abs. 2 | |
VwGO § 119 | |
VwGO § 124a Abs. 2 |
Die Berichtigung eines Urteils nach § 119 VwGO hat auf den Beginn und Lauf der Berufungsfrist grundsätzlich keinen Einfluss. Etwas anderes gilt nur dann, wenn das zugestellte Urteil - ohne die spätere Berichtigung - eine Entscheidung der jeweiligen Beteiligten über die Berufungseinlegung nicht ermöglicht.
Eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine Behörde genügt den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Organisation dann nicht, wenn sie für die Einlegung der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung auf die Beachtung des Vertretungszwangs verzichtet. Dies gilt auch dann, wenn sie sich bei diesem Verzicht auf eine entsprechende Auffassung in einem gängigen Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung stützen kann, dieser Kommentar jedoch erkennen lässt, dass die konkrete Frage streitig ist und zusätzlich aus der Rechtsmittelbelehrung des anzufechtenden Urteils zu ersehen ist, dass das Gericht von der Geltung des Vertretungszwangs ausgeht.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss
In der Verwaltungsrechtssache
wegen Rücknahme der Ausweisung
hat der 11. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg
am 8. Februar 2008
beschlossen:
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 1. Oktober 2007 - 1 K 893/06 - wird verworfen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Beklagte wendet sich mit der Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg, mit welchem er verpflichtet wurde, die gegenüber dem Kläger verfügte, bestandskräftige Ausweisung zurückzunehmen.
Der 1961 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er zog 1972 zu seinen Eltern in das Bundesgebiet nach, die sich hier als türkische Arbeitnehmer aufhielten. 1984 heiratete er eine türkische Staatsangehörige, mit der er vier, zwischen 1986 und 1993 geborene Kinder hat und die ihm 1989 aus der Türkei nach Deutschland folgte und sich seitdem im Bundesgebiet aufhält. Der Kläger war seit 1988 im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis.
Mit Bescheid des Regierungspräsidiums F. vom 22.01.1999 wurde der Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen, nachdem er in den Jahren 1989 bis 1998 mehrfach wegen Körperverletzung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Trunkenheit im Straßenverkehr zu Geld- und Freiheitsstrafen verurteilt worden war. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums F. vom 11.02.1999 zurückgewiesen. Die daraufhin erhobene Klage vor dem Verwaltungsgericht Freiburg blieb erfolglos (Urteil vom 2.11.1999 - 9 K 307/99 -; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 28.05.2001 - 11 S 2940/99 -). Die Verfassungsbeschwerde des Klägers wurde nicht zur Entscheidung angenommen BVerfG, Beschluss vom 15.02.2002 - 2 BvR 1155/01 -).
Mit Urteil vom 27.10.2005 (- 32231/02 -, InfAuslR 2006, 3) stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte fest, dass die Ausweisung des Klägers Artikel 8 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - verletze. Zwar sei die Ausweisung an sich möglich gewesen, allerdings würden die Rechte des Klägers auf Achtung seines Privat- und Familienlebens aus Art. 8 EMRK durch die "unbefristete Versagung der Wiedereinreise in das Bundesgebiet" verletzt.
Am 23.12.2005 beantragte der Kläger, der seit seiner zweiten Abschiebung im August 2003 unter einfachsten Verhältnissen in Istanbul lebt, die Aufhebung der Ausweisung und die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
Diese Anträge wurden mit Bescheid des Regierungspräsidiums F. vom 17.07.2007 abgelehnt. Zuvor hatte das Regierungspräsidium F. die Wirkungen der Ausweisung und der Abschiebungen mit Bescheid vom 28.03.2006 auf den 03.04.2006 befristet.
Auf die bereits am 03.05.2006 in der Form einer Untätigkeitsklage erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Freiburg das beklagte Land mit Urteil vom 01.10.2007 - 1 K 893/06 - unter Aufhebung der insoweit entgegenstehenden Nummern 1 und 2 des Bescheides des Regierungspräsidiums F. vom 17.07.2007 verpflichtet, die Ausweisungsverfügung vom 22.01.1999 und den Widerspruchsbescheid vom 11.02.1999 zurückzunehmen. Dabei hat das Verwaltungsgericht die Berufung gegen das Urteil zugelassen.
Das Urteil wurde dem Beklagten am 06.11.2007 zugestellt.
Auf Antrag des Klägers und nach Anhörung des Beklagten hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 3.12.2007 den Tatbestand des Urteils vom 01.10.2007 berichtigt. Die zunächst unter Berufung auf eine entsprechende Stellungnahme der Bundesregierung gegenüber dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte im Tatbestand getroffene Feststellung, dass die gegen die Ausweisung erhobene Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht innerhalb der Beschwerdefrist nur unvollständig eingegangen sei, wurde dahin ergänzt, dass der Kläger dieser Darstellung unter Vorlage eines entsprechenden Sendeberichts entgegengetreten sei und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte deshalb festgestellt habe, dass keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die Verfassungsbeschwerde nicht formgerecht eingelegt worden sei.
Der Berichtigungsbeschluss wurde dem Beklagten am 5.12.2007 zugestellt.
Am 21.11.2007 hat der Beklagte gegen das Urteil vom 01.10.2007 beim Verwaltungsgericht Freiburg Berufung eingelegt. Dabei ist die Berufungsschrift von der beim Regierungspräsidium F. beschäftigten Regierungsinspektorin K. unterschrieben, die die Befähigung zum Richteramt nicht besitzt. Am 21.12.2007 erklärte der Beklagte durch eine Beamtin mit Befähigung zum Richteramt gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof, dass man vorsorglich nochmals Berufung einlege. Am gleichen Tag legte der Beklagte die Begründung der Berufung vor.
Auf den mit Verfügung vom 21.12.2007 ergangenen Hinweis des Berichterstatters, die Berufung sei wegen der fehlenden Unterschrift eines Vertreters des Beklagten mit Befähigung zum Richteramt am 21.11.2007 möglicherweise nicht wirksam eingelegt worden und deshalb unzulässig, trägt der Beklagte vor, für die Einlegung einer - vom Verwaltungsgericht zugelassenen - Berufung bestehe kein Vertretungszwang. Dies ergebe sich daraus, dass in § 67 Abs. 1 Satz 2 VwGO der Vertretungszwang ausdrücklich nur für den Antrag auf Zulassung der Berufung vorgesehen sei. Auch sei die Berufung beim Verwaltungsgericht einzulegen gewesen, gegenüber dem kein Vertretungszwang bestehe. Im Übrigen sei die Frist zur Einlegung der Berufung mit der Berichtigung des Tatbestands erneut in Gang gesetzt worden, so dass die Frist mit dem Schriftsatz vom 21.12.2007 gewahrt sei.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 1. Oktober 2007 - 1 K 893/06 - zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zu verwerfen.
Zur Begründung trägt er vor, nach der ganz überwiegenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur erstrecke sich der Vertretungszwang des § 67 Abs. 1 VwGO auch auf die Einlegung einer zugelassenen Berufung. Durch die Berichtigung des Tatbestands sei die Rechtsmittelfrist nicht erneut eröffnet worden, da durch den Beschluss eine Beschwer des Beklagten weder eingetreten noch erstmals erkennbar geworden sei.
Dem Senat liegen die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts bezüglich der Verfahren - 1 K 893/06 - und - 1 K 1672/07 - sowie die Akten des Beklagten (5 Hefte) vor. Hierauf sowie auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.
II.
Die Berufung ist unzulässig und daher zu verwerfen (§ 125 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Diese Entscheidung ergeht nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss (§ 125 Abs. 2 Satz 2 VwGO).
1. Die vom Beklagten am 21.11.2007 beim Verwaltungsgericht eingelegte Berufung genügt nicht dem Vertretungserfordernis des § 67 Abs. 1 VwGO. Denn diese ist von einer Bediensteten des Beklagten eingelegt worden, die nicht die Befähigung zum Richteramt besitzt. Sie ist deshalb aufgrund der fehlenden Postulationsfähigkeit der Bediensteten unwirksam.
Nach § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO muss sich vor dem Oberverwaltungsgericht jeder Beteiligte, soweit er - wie der Beklagte als Berufungskläger - einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule als Bevollmächtigten vertreten lassen. Dabei können sich juristische Personen des öffentlichen Rechts wie der Beklagte nach § 67 Abs. 1 Satz 3 VwGO durch eigene Bedienstete vertreten lassen, sofern diese die Befähigung zum Richteramt besitzen oder als Diplomjuristen im höheren Dienst tätig sind. Dieser Vertretungszwang gilt auch für die Einlegung einer vom Verwaltungsgericht nach § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zugelassenen Berufung (so auch VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 04.10.2005 - 9 S 2089/03 -, NJW 2006, 250 = VBlBW 2006, 70; BayVGH, Beschluss vom 9.9.2002 - 1 BV 02.1100 -, juris und Beschluss vom 13.05.2002 - 11 CE 02.569 -, DVBl 2002, 1063; Geiger, BayVBl 2003, 65; Ziegelmeier, NJW 2005, 3466; Bader, in: Bader u.a., VwGO, 4. Aufl. 2007, § 67 Rn. 17 und § 124a Rn. 26; Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO Kommentar, Stand: Februar 2007, § 124a Rn. 15; Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 124a Rn. 26; Himstedt in: Fehling/Kastner/Wahrendorf, Hk-VwR, § 124a VwGO Rn. 77; BeckOK Posser/Wolff/Hartung, VwGO (Stand: 1.10.2007), § 67 Rn. 19).
Die vom Beklagten vertretene gegenteilige Auffassung überzeugt nicht. Zwar ist die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung nach § 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO beim Verwaltungsgericht und nicht beim Oberverwaltungsgericht einzulegen. Dennoch bleibt diese Prozesshandlung Teil des "vor dem Oberverwaltungsgericht" zu führenden Rechtsmittelverfahrens und wird deshalb unmittelbar von der Regelung des § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO erfasst. Dies ergibt sich neben der systematischen Stellung des § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO in den Allgemeinen Verfahrensbestimmungen der VwGO (hierzu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 04.10.2005, a.a.O.) vor allem daraus, dass die Notwendigkeit der Einlegung der Berufung beim Verwaltungsgericht nicht dazu dient, die Einlegung des Rechtsmittels über einen Verzicht auf den Vertretungszwang zu erleichtern. Vielmehr soll hierdurch im Interesse einer zügigen und effektiven Gestaltung der Abläufe des vor dem Oberverwaltungsgericht zu führenden Verfahrens sichergestellt werden, dass das Verwaltungsgericht unmittelbar von dem Rechtsmittel Kenntnis erhält und zugleich mit dessen Weiterleitung die Gerichts- und Behördenakten an das Berufungsgericht übersendet.
Der Einbeziehung der Einlegung einer Berufung nach § 124a Abs. 1 VwGO beim Verwaltungsgericht in den Vertretungszwang nach § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann auch nicht entgegengehalten werden, dass diese Verfahrenshandlung nicht in § 67 Abs. 1 Satz 2 VwGO genannt ist. Zwar wird mit dieser Norm der vor dem Oberverwaltungsgericht oder dem Bundesverwaltungsgericht geltende Vertretungszwang ausdrücklich auf bestimmte Anträge erstreckt, die zwar auf ein Verfahren vor diesen Gerichten bezogen sind, jedoch jeweils beim Ausgangsgericht zu stellen sind. Diese Regelung ist jedoch nicht in dem Sinne als abschließend anzusehen, dass alle dort nicht gesondert aufgeführten Prozesshandlungen, die beim Ausgangsgericht vorzunehmen sind, stets den jeweiligen Vertretungsregelungen vor dem Ausgangsgericht unterliegen (so aber Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 67 Rn. 18 und § 124a Rn. 19; Meissner in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO Kommentar, Stand: September 2007, § 67 Rn. 54a; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. § 67 Rn. 74; M.Redeker, in: Redeker/Oertzen, VwGO, 14. Aufl. 2004, § 67 Rn. 9e und § 124a Rn. 9). Jedenfalls wäre die fehlende Einbeziehung der Berufungseinlegung beim Verwaltungsgericht in § 67 Abs. 1 Satz 2 VwGO ein offensichtliches Versehen des Gesetzgebers, dem im Wege der hier getroffenen Auslegung Rechnung zu tragen wäre.
So bestand von Anbeginn der Neuregelung des Berufungsrechts durch das 6. VwGOÄndG vom 1.11.1996 (BGBl. I 1626) ein Vertretungszwang für alle Fälle der beim Verwaltungsgericht vorzunehmenden Rechtsmitteleinlegung. Die ausdrückliche Erstreckung des Vertretungszwangs auf den beim Verwaltungsgericht zu stellenden Antrag auf Zulassung der Berufung in § 67 Abs. 1 Satz 2 VwGO wurde nur als beispielhaft angesehen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.08.1997 - 1 B 145/97 - NVwZ 1997,1211 = DVBl. 1998, 233). An dieser Rechtslage sollte sich ersichtlich nichts ändern, als der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess vom 20.12.2001 - RmBereinVpG - (BGBl. I S. 3987) zum einen in § 124a VwGO die Möglichkeit der Zulassung der Berufung unmittelbar durch das Verwaltungsgericht schuf und er zum anderen über eine Erweiterung des § 67 Abs. 1 Satz 2 VwGO den Vertretungszwang auf alle zulassungsfreien Beschwerden und auf sonstige Nebenverfahren erstreckte, in denen in der Hauptsache Vertretungszwang besteht. Denn die Einführung der Berufungszulassung durch das Verwaltungsgericht sollte das System der Zulassungsberufung im Grundsatz bestätigen und die Ausweitung des Vertretungszwangs diente nach der Gesetzesbegründung zum 6. VwGOÄndG ausschließlich dem Ziel der weiteren Sicherstellung eines konzentrierten und zügigen Verfahrensablaufs vor den Oberverwaltungsgerichten (Bundestagsdrucksache 14/6854 S. 2 und 14/7744 S. 1; Seibert, NVwZ 2002, 265, 269). Hinzu kommt, dass die Berufung beim Verwaltungsgericht in Schriftform einzulegen ist (vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 124a Rn. 27) und dass der hierin liegende Verzicht auf die Möglichkeit der Erklärung einer Berufung auch zur Niederschrift des Urkundsbeamten in dem allgemeinen Grundsatz des Prozessrechts (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.03.1995 - 4 A 1/93 -, BVerwGE 98, 126, 128; Beschluss vom 14.10.1997 - 1 B 164/97 -, NVwZ 1998, 170, 171 m.w.N.) seine Entsprechung findet, dass Klagen und Rechtsmittel nur dann zur Niederschrift eines Urkundsbeamten erklärt werden können, wenn eine anwaltliche Vertretung nicht vorgeschrieben ist (hierzu auch Zieglmeier, a.a.O.). Schließlich spricht für die Geltung des Vertretungszwangs, dass der Gesetzgeber die Regelung des § 67 VwGO durch Art. 13 Nr. 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsgesetzes vom 12.12.2007 (BGBl. I S. 2840) mit Geltung ab dem 01.08.2008 neu gefasst und in § 67 Abs. 4 Satz 2 VwGO (n.F.) den Vertretungszwang in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht nunmehr ausdrücklich auch auf Prozesshandlungen erstreckt, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird (vgl. hierzu auch Bundestagsdrucksache Nr. 16/3655 S. 97).
2. Die Einlegung der Berufung wurde auch in der Folgezeit vom Beklagten nicht wirksam nachgeholt. Zwar hat der Beklagte durch eine Bedienstete des Regierungspräsidiums F. mit Befähigung zum Richteramt mit Schreiben vom 21.12.2007, welches dem Verwaltungsgerichtshof am selben Tag zugegangen ist, vorsorglich nochmals Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgericht Freiburg vom 1.10.2007 - 1 K 893/06 - eingelegt. Der Wirksamkeit dieser Prozesshandlung steht jedoch entgegen, dass die Berufung nicht beim Verwaltungsgerichtshof, sondern beim Verwaltungsgericht einzulegen gewesen wäre (§ 124a Abs. 2 VwGO). In jedem Fall aber wäre die Berufung nicht innerhalb der Berufungsfrist des § 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO eingelegt worden. Denn die Berufungsfrist begann mit der Zustellung der Urschrift des Urteils des Verwaltungsgerichts am 06.11.2007 und endete deshalb nach § 57 Abs. 1 und 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB am 06.12.2007.
Aus dem gleichen Grund scheidet auch eine Umdeutung der am 21.12.2007 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenen Berufungsbegründung in eine Berufungseinlegung aus.
Entgegen der Auffassung des Beklagten begann die Berufungsfrist nicht erst oder erneut mit der Zustellung des im Tatbestand berichtigten Urteils am 05.12.2007. Denn für den Beginn der Berufungsfrist nach § 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO kommt es ausschließlich auf den Zeitpunkt der Zustellung des "vollständigen Urteils" des Verwaltungsgerichts an, und eine solche Zustellung war bereits am 6.11.2007 erfolgt. So enthielt die dem Beklagten an diesem Tage zugestellte Ausfertigung des Urteils des Verwaltungsgerichts mit dem Rubrum, dem Tenor und dem Tatbestand sowie mit den Entscheidungsgründen, dem Hinweis auf die Unterschrift des Richters und der Rechtsmittelbelehrung alle nach § 117 Abs. 2 VwGO für ein vollständiges Urteil notwendigen Bestandteile (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.10.1997, a.a.O.; BGH, Beschluss vom 08.10.1986 - VIII ZB 25/86 -, NJW-RR 1987, 377; Kopp/Schenke, a.a.O., § 124a Rn. 40; Seibert, in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 124a Rn. 137; M.Redeker, in: Redeker/Oertzen, a.a.O., § 124a Rn. 21; Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 124a Rn. 30 und 77). Die erst mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 3.12.2007 nach § 119 VwGO berichtigte teilweise Unvollständigkeit des Tatbestandes berührte die bereits zuvor mit Blick auf den Lauf der Berufungsfrist maßgebliche Vollständigkeit der Urteilsausfertigung nicht. Denn der Fall der Urteilsberichtigung nach § 119 VwGO wird anders als eine Urteilsergänzung nach § 120 VwGO nicht von der über § 173 VwGO anzuwendenden speziellen Regelung des § 518 Satz 1 ZPO erfasst (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 13.01.1989 - 4 CB 24/88 -, NVwZ-RR 1989, 519; BGH, Beschluss vom 24.06.2003 - VI CB 10/03 -, NJW 2003, 2991), so dass über eine Berichtigung nach den Regelungen der §§ 118, 119 VwGO zu behebende inhaltliche Mängel eines Urteils für den Lauf der Berufungsfrist dann unerheblich sind, wenn das dem Beteiligten zugestellte Urteil trotz der Mängel die Entscheidung über die Rechtsmitteleinlegung ermöglicht (zu diesem Erfordernis Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 124a Rn. 32 sowie - zur Regelung des § 319 ZPO - BGH, Urteil vom 14.07.1994 - IX ZR 193/93 -, BGHZ 127, 74; Beschluss vom 12.02.2004 - V ZR 125/03 -, NJW-RR 2004, 712 m.w.N.). Dies war hier ohne weiteres der Fall. Denn die Ergänzung des Tatbestandes betraf allein die Frage der formgerechten Einlegung der Verfassungsbeschwerde des Klägers und damit eine Vorfrage der - letztlich von diesem Gericht bejahten - Zulässigkeit der Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Für die Begründung des verwaltungsgerichtlichen Urteils war diese Frage jedoch ohne jeden Belang, da das Verwaltungsgericht die Verpflichtung des Beklagten zur Rücknahme der Ausweisung des Klägers maßgeblich auf die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte festgestellte Verletzung der Rechte des Klägers durch die Ausweisung und die Verpflichtung des Beklagten zur Beseitigung einer fortwirkenden Konventionsverletzung gestützt hat und eine inzidente Überprüfung der Zulässigkeit der vor dem EGMR erhobenen Beschwerde angesichts der Bindungswirkung des Urteils des EGMR nicht notwendig war.
3. Dem Beklagten war wegen der Versäumung der Berufungsfrist auch nicht nach § 60 Abs. 1 und 2 Satz 3 VwGO von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Dabei kann offen gelassen werden, ob es ausreicht, dass die zuvor versäumte wirksame Einlegung der Berufung gegenüber dem nach § 60 Abs. 4 VwGO für die Entscheidung über die Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist zuständigen Berufungsgericht nachgeholt wurde, obwohl die Einlegung der Berufung wirksam nur gegenüber dem Verwaltungsgericht erfolgen kann (so etwa BVerwG, Beschluss vom 03.01.1961 - III ER 414.60 -, BVerwGE 11, 322, 323; Czybulka, in: Sodan/Ziekow , a.a.O., § 60 Rn. 108). Denn jedenfalls ist weder nach der Darlegung des Beklagten noch sonst erkennbar, dass der Beklagte ohne Verschulden daran gehindert war, bei Einlegung der Berufung beim Verwaltungsgericht den Vertretungszwang nach § 67 Abs. 1 VwGO zu beachten. Zwar wird - wie oben dargestellt - in der Kommentarliteratur zum Teil die Auffassung vertreten, dass der Vertretungszwang des § 67 Abs. 1 VwGO für die Einlegung der Berufung dann nicht gilt, wenn diese nach § 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO beim Verwaltungsgericht einzulegen ist. Auch genügt eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine Behörde ebenso wie ein Rechtsanwalt regelmäßig dann den Sorgfaltspflichten, wenn sie sich hinsichtlich der Anforderungen an die Berufung in einem gängigen Kommentar zur Verwaltungsprozessordnung vergewissert (vgl. zur Einlegung der Revision durch einen Bevollmächtigten BVerwG, Beschluss vom 12.06.2006 - 5 C 26.05 -, NJW 2006, 3081). Im konkreten Fall reichte es jedoch dennoch nicht aus, wenn der Beklagte - wie er vorträgt - unter Berufung auf die entsprechende Ansicht in dem Kommentar von Kopp/Schenke (a.a.O., § 67 Rn. 18) bei Einlegung der Berufung beim Verwaltungsgericht auf die Beachtung des Vertretungserfordernisses verzichtete. Denn auch wenn die Pflicht einer juristischen Person oder Behörde zur Sicherstellung der Einhaltung prozessualer Anforderungen genauso wenig überspannt werden darf wie dies bei Rechtsanwälten der Fall ist (vgl. zu diesen BVerwG, Beschluss vom 31.08.1999 - 4 B 171.99 -, Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 11), musste der Beklagte auch bei Hinzuziehung des Kommentars von Kopp/Schenke zur Verwaltungsgerichtsordnung erkennen, dass die Frage des Vertretungszwangs für die Einlegung einer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung streitig und vor allem in der Rechtsprechung im Sinne eines Vertretungszwangs beantwortet ist. Da auch in der Rechtsmittelbelehrung des Verwaltungsgerichts im dritten Absatz ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass der Vertretungszwang "auch für die Einlegung der Berufung beim Verwaltungsgericht (gilt)" und die - und sei es vorsorgliche - Einhaltung des Vertretungszwangs für den Beklagten auch keine unzumutbare Belastung mit sich gebracht hätte (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 02.05.1996 - 7 S 297/95 -, VBlBW 1996, 340), konnte es nur dann einer sorgfältigen Organisation der Behördenabläufe entsprechen, wenn durch diese die Beachtung der in der Rechtsmittelbelehrung ausdrücklich vorgegebenen Verfahrensweise gewährleistet wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Ein Grund nach § 132 Abs. 2 VwGO, die Revision zuzulassen, besteht nicht.
Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 63 Abs. 2 GKG. Insoweit ist der Beschluss nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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