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Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 17.07.2001
Aktenzeichen: 13 S 221/01
Rechtsgebiete: AuslG, Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz 1993, BGB
Vorschriften:
AuslG § 19 | |
AuslG § 23 Abs. 1 Nr. 3 | |
Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz 1993 § 4 | |
BGB § 1593 a.F. |
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss
In der Verwaltungsrechtssache
wegen
Aufenthaltsgenehmigung; vorläufiger Rechtsschutz
hat der 13. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Stumpe und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Blüm und Jaeckel-Leight
am 17. Juli 2001
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22. August 2000 - 17 K 2300/00 - wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf DM 8.000,-- festgesetzt.
Gründe:
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde bleibt erfolglos. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ist der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 15.2.2000, mit der ihr die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis versagt und die Abschiebung in die Türkei angedroht worden ist, nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig und insbesondere fehlt dem Antrag nicht deswegen das Rechtsschutzinteresse, weil die Antragstellerin den Widerspruch nicht innerhalb der Monatsfrist des § 70 Abs. 1 VwGO eingelegt hat. Die Antragstellerin hat glaubhaft versichert, dass sie eine Benachrichtigung über die Niederlegung in ihrem Briefkasten nicht vorgefunden hat, obwohl dieser durch Namensangabe gekennzeichnet war. Nach den konkreten Umständen des Falls ist der Senat davon überzeugt, dass die Benachrichtigung über die Niederlegung vom Postboten in einen anderen Briefkasten eingelegt worden ist. Bei dieser Sachlage kann nicht von der Verfristung des Widerspruchs ausgegangen werden.
In der Sache hat das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs zu Recht abgelehnt. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis. Das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug des die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis versagenden Bescheids überwiegt daher das private Interesse der Antragstellerin, bis zur Entscheidung in der Hauptsache von Vollzugsmaßnahmen verschont zu bleiben.
In tatsächlicher Hinsicht geht der Senat davon aus, dass die Antragstellerin mit ihrem zwischenzeitlich geschiedenen deutschen Ehemann von Anfang an nicht in ehelicher Gemeinschaft zusammengelebt hat. Der Senat hält die dahingehenden Angaben ihres Ehemanns für glaubhaft. Der rechtlichen Beurteilung ist daher zugrunde zu legen, dass die Antragstellerin am 17.2.1992 mit ihrem deutschen Ehemann eine Scheinehe eingegangen ist. Die Antragstellerin hat damit nach § 19 AuslG, gleichviel welche Fassung der nach ihrem Inkrafttreten zweimal geänderten Vorschrift der Beurteilung zugrunde zu legen ist, nach der Scheidung ihrer Ehe durch das Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt am 23.6.1999 ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nicht erworben. Es fehlte von Anfang an an der für den Erwerb eines eigenständigen Aufenthaltsrechts erforderlichen Voraussetzung, dass überhaupt eine eheliche Lebensgemeinschaft rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat.
Die Antragstellerin hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis als ausländischer Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 AuslG; denn ihr Sohn ist kein deutscher Staatsangehöriger. Zwar war die Antragstellerin zum Zeitpunkt der Geburt ihres Sohnes am 18.4.1995 noch mit ihrem deutschen Ehemann verheiratet. Gleichwohl greifen die Vorschriften der hier an sich noch anwendbaren §§ 1591, 1592 BGB a.F. über die Ehelichkeitsvoraussetzungen und die Vaterschaftsvermutung, wonach von der Vaterschaft des ehemaligen deutschen Ehemannes der Antragstellerin auszugehen gewesen wäre, nicht ein. Denn der geschiedene Ehemann der Antragstellerin hat nach dem rechtskräftigen Feststellungsurteil des Amtsgerichts Stuttgart-Bad Cannstatt vom 20. Juni 1997 die Ehelichkeit dieses Kindes erfolgreich angefochten. Der Standesbeamte hat durch Randvermerk vom 1.12.1997 das Geburtenbuch entsprechend berichtigt. Nach § 1593 BGB a.F. gelten damit die Vorschriften der §§ 1591 und 1592 BGB a.F. nicht. Mit der Stattgabe der Anfechtungsklage des geschiedenen Ehemanns der Antragstellerin wurde das bisherige Vater-Kind-Verhältnis mit Rückwirkung auf den Tag der Geburt aufgehoben. Der aus der Ehe hervorgegangene Sohn gilt damit abstammungsrechtlich als vaterlos und kann einen neuen Vater nur aufgrund der Anerkennung der Vaterschaft durch einen anderen Mann oder durch gerichtliche Feststellung der Vaterschaft eines anderen Mannes bekommen (vgl. § 1600a BGB a.F.). Die rückwirkende Aufhebung des Vater-Kind-Verhältnisses hat auch staatsangehörigkeitsrechtliche Auswirkungen. Nach dem im vorliegenden Fall noch anzuwendenden § 4 Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz in der vom 1.7.1993 bis zum 30.6.1998 geltenden Fassung (zur Entstehungsgeschichte der Norm vgl. Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 3. Aufl., § 4 StAG RdNr. 1 f.) erwarb das eheliche Kind durch Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besaß und das nichteheliche Kind, wenn seine Mutter deutsche Staatsangehörige war, oder - bei deutscher Staatsangehörigkeit des Vaters - wenn die Vaterschaft wirksam festgestellt war. Nach § 1593 BGB a.F. ist das Kind der Antragstellerin von Anfang an als nichteheliches Kind anzusehen. Die Antragstellerin selbst hat nicht die deutsche, sondern die türkische Staatsangehörigkeit. Dies ist bei der Feststellung der Staatsangehörigkeit des Kindes zu beachten. Denn das insoweit maßgebliche deutsche Sachrecht über die eheliche oder nichteheliche Abstammung eines Kindes (vgl. §§ 1591 bis 1593 und 1600a BGB a.F.) war auch für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 4 RuStAG 1993 maßgeblich (vgl. dazu Hailbronner/Renner, StAngR, 2. Aufl., § 4 RdNr. 19), d.h. die deutsche Staatsangehörigkeit eines Kindes entfiel auch unter der Geltung der §§ 4 Abs. 1 RuStAG 1993, 1593 BGB a.F., wenn die Ehelichkeit des Kindes der ausländischen Mutter vom deutschen Vater erfolgreich angefochten wurde (ebenso für die Rechtslage ab 1.7.1993 Marx in GK-StAR IV-2 § 4 StAG RdNr. 27; anders wohl noch für die Rechtslage vor diesem Stichtag, wonach bei Anwendung des § 4 Abs. 1 RuStAG auch im Fall der nachträglichen Feststellung der Nichtehelichkeit das Kind die durch die Geburt zunächst als eheliches Kind vermittelte Staatsangehörigkeit behalten sollte; vgl. a.a.O. RdNr. 52; wie hier im Übrigen Hailbronner/Renner a.a.O. § 4 RuStAG RdNr. 19; Makarov/von Mangoldt, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, § 4 RuStAG RdNr. 13 und VG Düsseldorf, Urteil vom 10.9.1985, NJW 1986, 676).
Die Antragstellerin hat schließlich auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AuslG. Insoweit fehlt es bereits an der Voraussetzung des Abs. 1 Nr. 1, wonach eine Aufenthaltserlaubnis unbefristet zu verlängern ist, wenn der Ausländer die Aufenthaltserlaubnis seit fünf Jahren besitzt. Dies ist bei der Antragstellerin nicht der Fall. Die der Antragstellerin nach Eingehen der Ehe mit ihrem geschiedenen Ehemann am 12.1.1993 erteilte befristete Aufenthaltserlaubnis wurde von der Antragsgegnerin mit bestandskräftig gewordener Verfügung vom 12.7.1994 auf den Zeitpunkt der Erteilung zurückgenommen. Die der Antragstellerin sodann am 18.1.1996 als Mutter eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte, bis zum 17.1.1997 befristete und danach auf ihren rechtzeitigen Antrag vom 19.12.1996 am 13.3.1997 bis zum 12.3.1999 verlängerte Aufenthaltserlaubnis erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 Nr. 1 AuslG, da sie lediglich etwas mehr als drei Jahre Bestand hatte. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass der am 11.3.1999 rechtzeitig gestellte und mit der Verfügung vom 15.2.2000 abgelehnte Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis bis zur Ablehnung nach § 69 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AuslG die Fiktion eines erlaubten Aufenthalts bewirkte. Abgesehen davon, dass auch insoweit die Fünfjahresfrist des § 24 Abs. 1 Nr. 1 AuslG nicht eingehalten wäre, könnte die Zeit des fiktiven Aufenthalts nur dann bei der Fünfjahresfrist berücksichtigt werden, wenn die Aufenthaltserlaubnis nicht versagt, sondern erteilt worden wäre. Das ist nicht der Fall.
Rechtliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung sind weder geltend gemacht noch ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus den §§ 13 Abs. 1 Sätze 1 und 2, 20 Abs. 3 und 25 Abs. 2 Satz 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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