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Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 28.05.2008
Aktenzeichen: 13 S 936/08
Rechtsgebiete: AufenthG, VwGO
Vorschriften:
AufenthG § 59 | |
VwGO § 113 |
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil
In der Verwaltungsrechtssache
wegen Ausweisung und Abschiebungsandrohung
hat der 13. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg
am 28. Mai 2008
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 16. November 2007 - 6 K 383/06 - geändert; die Klage wird auch hinsichtlich der gegen den Kläger ergangenen Abschiebungsandrohung abgewiesen.
Unter entsprechender Änderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung trägt der Kläger auch das vom Verwaltungsgericht dem Beklagten auferlegte Achtel der erstinstanzlichen Kosten sowie die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der im September 1965 geborene Kläger - Staatsangehöriger von Gambia -reiste im März 1989 in das Bundesgebiet ein und heiratete im Jahr 1990 eine deutsche Staatsangehörige. Im April 1992 kam es zur Trennung von Ehefrau und dem inzwischen geborenen Kind, am 21.10.1992 zur Scheidung der Ehe. Eine zweite Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen (1997) wurde im September 1998 geschieden; inzwischen ist der Kläger erneut mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet (Eheschließung am 31.5.1999). Nach mehreren Verurteilungen des Klägers wegen Sachbeschädigung in Tateinheit mit Körperverletzung, wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte, wegen Diebstahls und schließlich durch das Landgericht Stuttgart wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Widerstandes gegen die Vollstreckungsbeamte sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Urteil des Landgerichts vom 14.12.2005: Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren) wurde der Kläger durch Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29.9.2006 ausgewiesen; außerdem wurde die Abschiebung nach Gambia angedroht. Die Ausweisung wurde nicht nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO mit Sofortvollzug versehen. Der Kläger war zum Zeitpunkt der Ausweisung im Besitz einer bis zum 6.11.2006 befristeten Aufenthaltserlaubnis.
Im Klageverfahren hat das Verwaltungsgericht Stuttgart die gegen die Ausweisungsverfügung erhobene Klage abgewiesen; insofern ist das Urteil rechtskräftig. Hinsichtlich der Abschiebungsandrohung, die ebenfalls Streitgegenstand war, hat das Verwaltungsgericht der Anfechtungsklage stattgegeben; zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, die gesetzlichen Voraussetzungen seien nicht gegeben gewesen, da der Kläger im Zeitpunkt der angefochtenen Verfügung nicht vollziehbar ausreisepflichtig gewesen sei. Die Ausweisung sei nämlich ohne Anordnung der sofortigen Vollziehung verfügt worden, so dass die hiergegen gerichtete Klage aufschiebende Wirkung entfaltet habe. Die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht sei gesetzliche Voraussetzung für den Erlass der Abschiebungsandrohung.
Auf den Antrag des Beklagten hin hat der Senat die Berufung mit Beschluss vom 2.4.2008 zugelassen; zur Begründung hat er ausgeführt, die Frage der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht als Voraussetzung einer Abschiebungsandrohung werde in Literatur und Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet. Hiervon abgesehen könne es darauf ankommen, welcher Zeitpunkt für die Überprüfung einer Abschiebungsandrohung maßgebend sei.
Der Beklagte hat nach Zustellung des Zulassungsbeschlusses (14.4.2008) mit Schriftsatz vom 15.4.2008 die Berufung unter Bezugnahme auf den Zulassungsantrag begründet. Die Begründung führt aus, das Gesetz verlange die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht zum Erlass einer rechtmäßigen Abschiebungsandrohung nicht. Abgesehen hiervon lasse sich mit guten Gründen die Auffassung vertreten, nicht nur bei Ausweisungen, sondern auch bei der mit einer Ausweisung verbundenen Abschiebungsandrohung sei auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung der Tatsachengerichte abzustellen. Es mache keinen Sinn, eine Klage gegen eine Abschiebungsandrohung abzuweisen, wenn nach deren Erlass Abschiebungshindernisse eingetreten seien. Es entspreche dem Grundsatz der Rechtsklarheit und der Durchsetzung des Europäischen Rechts, Umstände, die nach Erlass einer Abschiebungsandrohung eingetreten seien, von den Verwaltungsgerichten würdigen zu lassen. Dies ergebe sich auch aus dem rechtlichen Zusammenhang der Abschiebungsandrohung mit der hier zugrunde liegenden Ausweisungsverfügung.
Der Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 16.11.2007 zu ändern und die Klage auch hinsichtlich der Abschiebungsandrohung abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, auf eine vollziehbare Ausreisepflicht könne nicht aus einfachen prozessökonomischen Gründen verzichtet werden. Es widerspreche nicht dem Gesetz, wenn in den von dem Beklagten angeführten Beispielsfällen die Unanfechtbarkeit der Ausgangsverfügung abgewartet werde. Auch enthalte das Aufenthaltsgesetz keine Regelung mehr, wonach die Androhung der Abschiebung und der Grundverwaltungsakt verbunden werden könnten. Aus den gleichen Gründen komme auch keine "Heilung" bis zur letzten mündlichen Verhandlung in Betracht. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum maßgebenden Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in Ausweisungsfällen beruhe auf einer grund- und menschenrechtlichen Sicht zugunsten des Betroffenen und beziehe sich ausschließlich auf die Rechtmäßigkeit einer Ausweisungsverfügung; eine Berücksichtigung dieser Rechtsprechung zu Lasten des Betroffenen komme nicht in Betracht, zumal die Behörde späteren Umständen ohnehin durch die Änderung ihrer Verfügung Rechnung tragen könne.
Beide Beteiligte haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Dem Senat liegen die den Kläger betreffenden Behördenakten des Regierungspräsidiums Stuttgart und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts vor; auf ihren Inhalt wird verwiesen. Sie waren Gegenstand der Beratung.
Entscheidungsgründe:
Es konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten damit einverstanden sind (siehe § 101 Abs. 2 i.V.m. § 125 Abs. 1 VwGO).
Die nach der Zulassung durch den Senat zulässige, insbesondere rechtzeitig und ausreichend substantiiert begründete Berufung des Beklagten (§ 124a Abs. 6 i.V. mit Abs. 3 Satz 4 VwGO) hat sachlich Erfolg; sie führt zur Änderung des angefochtenen Urteils, weil die gegen den Kläger ergangene Abschiebungsandrohung rechtmäßig ist und ihn daher nicht in seinen Rechten verletzt (siehe § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Der Senat kann offenlassen, ob die Argumentation des Verwaltungsgerichts zur Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht als Voraussetzung einer Abschiebungsandrohung in der Sache zutrifft oder nicht; diese Frage ist in Literatur und Rechtsprechung streitig (zur Vollziehbarkeit als Voraussetzung siehe Renner, AuslR, § 59 AufenthG Rn 5 und die weiteren Nachweise auch aus der Rechtsprechung des erkennenden Senats bei Hailbronner, AuslR, Rn 13 zu § 59; a.A. Funke-Kaiser in GK-AufenthG, § 59 Rn 25 ff.; Hailbronner a.a.O. Rn 13 ff. u VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29.4.2003 - 11 S 1188/02 -, VBlBW 2003, 445; offengelassen von VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 15.1.2008 - 11 S 2589/07 -). Einer Entscheidung bedarf es deswegen nicht, weil die angefochtene Abschiebungsandrohung sich selbst bei der bisher auch vom erkennenden Senat vertretenen strengen Betrachtungsweise (Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht als Voraussetzung) als rechtmäßig herausstellt. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 15.11.2007 - 1 C 45.06 -, JZ 2008, 512 mit Anmerkung Hailbronner), der sich der Senat inzwischen angeschlossen hat, kommt es bei der Beurteilung einer Ausweisungsverfügung nicht auf den Zeitpunkt des Erlasses dieser Verfügung oder der letzten Behördenentscheidung (Widerspruchsbescheid) , sondern auf den Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung an; diese Rechtsprechung wird - soweit ersichtlich - inzwischen in der obergerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur jedenfalls im Ergebnis akzeptiert (vgl. dazu Hailbronner a.a.O. S. 515/516 und Funke-Kaiser in GK-AufenthG, RN 160 zu § 59, speziell zu Abschiebungsandrohungen nach dem AufenthG). Wendet man diese Grundsätze nicht nur auf Ausweisungsverfügungen, sondern auch auf wie im vorliegenden Fall mit einer Ausweisung verbundene Abschiebungsandrohungen an - wovon der Senat im folgenden ausgeht (1) -, dann ergibt sich, dass bereits zum Zeitpunkt des verwaltungsgerichtlichen Urteils und auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats sämtliche Voraussetzungen einer Abschiebungsandrohung einschließlich einer vollziehbaren Ausreisepflicht gegeben waren bzw. sind (2). Die Aufhebung der Abschiebungsandrohung kann damit anders als im angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts nicht damit begründet werden, die Klage gegen die Ausweisungsverfügung habe aufschiebende Wirkung gehabt daher und keine vollziehbare Ausreisepflicht ausgelöst. Im einzelnen:
1. Was die Gründe angeht, aus denen das Bundesverwaltungsgericht unter Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung entschieden hat, für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Ausweisung sei bei allen Ausländergruppen einheitlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts maßgeblich, so verweist das Bundesverwaltungsgericht auf die nach dem Inkrafttreten des sog. Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 19.8.2007 (BGBl. I 2007, 170) geänderte materielle Rechtslage; in seine Überlegungen "im Wege einer Gesamtschau" (a.a.O. S. 513) bezieht das Bundesverwaltungsgericht zusätzlich die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (siehe zuletzt Urteil vom 28.6.2007 - Kaya, Nr. 31753/02, InfAuslR 2007, 325), des Bundesverfassungsgerichts (insbesondere Beschluss vom 10.8.2007 - 2 BvR 535/06 - NVwZ 2007, 1300), des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 29.4.2004 - C 482/01 - und - C 493/01 -, Orfanopoulos und Oliveri, InfAuslR 2004, 268; im Anschluss hieran BVerwG, Urteile vom 3.8.2004 - 1 C 30.02 -, BVerwG 121, 297, und - 1 C 29.02 -, BVerwG 121, 315) sowie neues sekundäres Gemeinschaftsrecht (Art. 27 Abs. 2 RL 2004/38/EG und Art. 12 Abs. 1 RL 2003/109/EG) mit ein. Für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits kommt es nicht darauf an, welche der im einzelnen aufgezählten Gründe die entscheidenden waren (vgl. dazu Hailbronner a.a.O. S. 515); es stellt sich lediglich die Frage, ob und auf welche anderen ausländerrechtlichen Fallgestaltungen die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts neu entwickelten Grundsätze zur Überprüfung von Ausweisungen übertragbar sind.
Dabei geht der Senat mit der Literatur (Hailbronner a.a.O. S. 516) davon aus, dass jedenfalls die mit einer Ausweisungsverfügung verbundene Abschiebungsandrohung nach den gleichen rechtlichen Grundsätzen wie diese zu beurteilen ist. Sowohl die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte als auch diejenige des EuGH, die die Argumentation des Bundesverwaltungsgerichts maßgeblich prägen, entwickelt nämlich hinsichtlich der Aufenthaltsbeendigung von Ausländern eine eigene (autonome) Begrifflichkeit, wonach es nicht unbedingt auf die Bezeichnung einer Verfügung als Ausweisung oder Abschiebungsmaßnahme ankommt (siehe dazu etwa EGMR, Urteil vom 5.7.2005 - 46410/99 - , Üner, InfAuslR 2005, 450, Urteil vom 16.6.2005 - 60654/00 -, Sisojeva, InfAuslR 2005, 349 und Urteil vom 1.7.2002 - 56811/00 -, Amrollaha, InfAuslR 2004, 180; vgl. auch BayVGH, Beschluss vom 28.1.2008 - 19 Cs 06.15712 -, juris mit Hinweis auf EGMR, Urteil vom 5.10.2006 - 14.139/03 -, Bolat). Auch in der Literatur wurde schon frühzeitig gesehen, dass die z.B. vom Europäischen Gerichtshof in der Entscheidung Orfanopoulos (a.a.O.) entwickelten Grundsätze zur Berücksichtigung nachträglich eingetretener Tatsachen auch auf andere aufenthaltsbeschränkende Verfügungen als Ausweisungen anzuwenden sind (siehe Renner ZAR 2004, 196). Auch sonst kennt das deutsche Ausländerrecht jedenfalls für bestimmte Ausländergruppen neben der Ausweisung sonstige zur Ausreise führende oder die Ausreisepflicht vollstreckende Verfügungen, die zwar keine Ausweisungen im Sinn des nationalen Rechts sind, auf die aber gleichwohl die Grundsätze der Relevanz einer neuen Sach- oder Rechtslage anzuwenden sind (siehe etwa §§ 6 Abs. 1, 7 Abs. 1 FreizügG/EU), und auch Europäisches Sekundärrecht knüpft nicht nur an Ausweisungen im eigentlichen Sinn an (vgl. etwa Art. 32 der sog. Unionsbürgerrichtlinie 2004/38/EG vom 29.4.2004, ABL 158 S. 77 und Erwägungsgründe 16 und 23: "Ausweisungsmaßnahmen"). Ist daher in dem hier interessierenden Zusammenhang keine formale Betrachtungsweise geboten, sondern materiell auf Umfang und Intensität der Rechtsbeeinträchtigung abzustellen (so auch Hailbronner a.a.O. S. 516), so unterliegt es für den Senat keinem Zweifel, dass jedenfalls die mit einer Ausweisung verbundene Abschiebungsandrohung als Vollstreckungsmaßnahme im Sinn der §§ 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO, 12 LVwVfG bei der gerichtlichen Prüfung den gleichen Grundsätzen zu folgen hat wie die Ausweisungsverfügung selbst (zur Einbeziehung nachträglicher Umstände bei "isolierten" Abschiebungsandrohungen siehe BayVGH a.a.O.)
Es ist nicht nur eine Frage der verwaltungsverfahrensrechtlichen oder der Prozessökonomie, Ausweisungsverfügung und Abschiebungsandrohung hinsichtlich des maßgebenden Zeitpunkts den gleichen Regeln zu unterwerfen, sondern ergibt sich zudem auch aus dem dogmatischen Zusammenhang zwischen "Grundverfügung" und Vollstreckungsverfügung: Eine Ausweisungsverfügung kann wegen der mit ihr verbundenen Wirkungen (siehe §§ 51 Abs. 1 Nr. 5, 11 AufenthG) die Ausreisepflicht eines Ausländers nach § 50 Abs. 1 AufenthG und auch deren Vollziehbarkeit nach § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG begründen, also gerade die rechtliche Situation schaffen, die mit der Abschiebungsandrohung im Vollstreckungsweg durchgesetzt wird, und es ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, einen nachträglichen, dem Erlass der "Grundverfügung" entgegenstehenden Umstand bei der gerichtlichen Prüfung der Abschiebungsandrohung als Vollstreckungsakt außer acht zu lassen. Es entspricht nämlich einem allgemeinen, in mehreren gesetzlichen Regelungen zum Ausdruck kommenden rechtsstaatlichen Grundsatz, dass eine Grundverfügung nicht mehr vollstreckt werden darf, wenn sie nachträglich rechtswidrig geworden ist und die Vollstreckung daher einen rechtswidrigen Zustand schaffen würde (vgl. § 767 Abs. 2 ZPO, § 79 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG und allgemein VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 2.6.1997 - 8 S 577/97 -, VBlBW 1998, 19 m.w.N.).
Ebenso wenig geht es an, umgekehrt bei einer für den Ausländer nachteiligen Veränderung der Umstände eine Ausweisungsverfügung zwar zu bestätigen, die beigefügte Abschiebungsandrohung aber unter Zugrundelegung eines früheren Beurteilungszeitpunktes aufzuheben. In diesem Fall stellt die Vollstreckung nämlich gerade denjenigen Rechtszustand her, der dem materiellen Recht (Ausreisepflicht) entspricht.
Dass das AufenthG in § 59 Abs. 1 anders als die frühere Regelung des AuslG (§ 50 Abs. 1 Satz 2) nicht mehr ausdrücklich bestimmt, die Abschiebungsandrohung solle mit dem die Ausreisepflicht begründenden Verwaltungsakt verbunden werden, ändert hieran nichts; die Verbindungsmöglichkeit ergibt sich bereits aus allgemeinem Verwaltungsverfahrens- und Vollstreckungsrecht (vgl. etwa § 20 Abs. 2 LVwVG BW) und war daher bundesrechtlich entbehrlich (siehe Hailbronner, AuslR, Rn 1 § 59 mit Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des AufenthG). Ebenso wenig kommt es im hier interessierenden Zusammenhang darauf an, ob die nachträgliche Sachverhalts- oder Rechtsänderung, die bei Ausweisung oder Abschiebungsandrohung jeweils zu berücksichtigen ist, für den Ausländer im Ergebnis günstig oder ungünstig ist; dies ergibt sich bereits daraus, dass die wohl den "Anstoß" zu der vom Bundesverwaltungsgericht nachgezeichneten Entwicklung zum maßgeblichen Zeitpunkt gebende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Verfahren Orfanopoulos (a.a.O.) verlangt, die jeweilige Prognose über eine Rückfallwahrscheinlichkeit müsse jedenfalls auf aktuellen Erkenntnissen und Grundlagen beruhen. Nach Günstigkeit oder Ungünstigkeit der nach Erlaß der Verfügung entstandenen Umstände für den Ausländer wird hier nicht differenziert. Auch der Gedanke der Effektivität des Rechtsschutzes im Gemeinschaftsrecht, der damals für den EuGH entscheidend war, stellt auf den Einzelcharakter der jeweils einzubeziehenden neuen Umstände nicht als Kriterium ab.
Ob bereits das bisherige materielle Ausländerrecht wegen der Spezialregelung des § 59 Abs. 4 AufenthG im hier vertretenen Sinn hätte ausgelegt werden können (vgl. dazu Funke-Kaiser a.a.O. RN 160.1 zu § 59), kann daher offenbleiben.
2. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, dass sowohl zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts als auch in dem des Senats eine vollziehbare Ausreisepflicht des Klägers bereits gegeben war bzw. ist. Der Kläger hat nach dem Ablauf seiner Aufenthaltserlaubnis am 6.11.2006 (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) keine neue Aufenthaltserlaubnis mehr beantragt, so dass seine Ausreisepflicht (§ 50 Abs. 1 AufenthG) vollziehbar wurde (§ 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG). Auch ist die Ausweisung inzwischen bestandskräftig geworden (siehe § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG und Funke-Kaiser in GK-AufenthG, RN 21 zu § 58). Da auch die sonstigen Voraussetzungen einer Abschiebungsandrohung nach § 59 AufenthG unproblematisch vorliegen, hätte das Verwaltungsgericht bei Berücksichtigung der neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum maßgeblichen Zeitpunkt bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen die Klage auch hinsichtlich der Abschiebungsandrohung abweisen müssen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist. Insbesondere fehlt es am Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), da sich die Rechtsfrage nach dem maßgebenden Zeitpunkt bei Abschiebungsandrohungen, die mit Ausweisungsverfügungen verbunden sind, unmittelbar aus der Anwendung des Gesetzes - in Verbindung mit der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung - lösen lässt (siehe dazu Sodan/Ziekow, VwGO, Rn 56 zu § 132 m.w.N.).
Beschluss vom 28. Mai 2006
Der Streitwert wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 2 GKG).
Ende der Entscheidung
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