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Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 26.05.2008
Aktenzeichen: 2 S 2359/07
Rechtsgebiete: LVwVfG
Vorschriften:
LVwVfG § 80 Abs. 1 Satz 5 |
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss
In der Verwaltungsrechtssache
wegen Abwassergebühren 1997 (Kostenlastentscheidung)
hier: Antrag auf Zulassung der Berufung
hat der 2. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg
am 26. Mai 2008
beschlossen:
Tenor:
Die Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 27. Juli 2007 - 1 K 1849/04 - wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 177,60 € festgesetzt.
Gründe:
Der Antrag ist unbegründet. Entgegen der Ansicht des Klägers bestehen an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts keine ernstlichen Zweifel.
Das Verwaltungsgericht hat die mit Schriftsatz vom 18.1.2005 vorgenommene Klageänderung als nicht sachdienlich und damit als unzulässig angesehen, da für die Entscheidung über die Kostenlast im Widerspruchsverfahren nicht die beigeladene Gemeinde, sondern das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis zuständig sei, dem die Beigeladene den Widerspruch am 14.2.2000 vorgelegt und das am 28.7.2004 bereits über die Kostenlast entschieden habe. Einwendungen hiergegen werden vom Kläger in der Begründung seines Zulassungsantrags nicht erhoben.
Den ursprünglich gestellten und vom Kläger in seinem Schriftsatz vom 18.1.2005 hilfsweise aufrechterhaltenen Klageantrag, mit dem dieser die Verpflichtung des Beklagten begehrt, über die Kosten des Widerspruchsverfahrens erneut zu entscheiden, hat das Verwaltungsgericht als unbegründet abgewiesen, da die vom Landratsamt am 28.7.2004 getroffene Entscheidung ermessensfehlerfrei sei. Nach § 80 Abs. 1 S. 5 LVwVfG sei in Fällen, in denen sich der Widerspruch - wie hier - auf andere Weise erledigt habe, über die Kosten des Widerspruchsverfahrens nach billigem Ermessen zu entscheiden. Von diesem Ermessen habe das Landratsamt fehlerfrei Gebrauch gemacht. Hiergegen wendet sich der Kläger ohne Erfolg.
Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Ausübung des der Widerspruchsbehörde durch § 80 Abs. 1 S. 5 LVwVfG eingeräumten Ermessens gemäß § 114 S. 1 VwGO nur daraufhin überprüfbar ist, ob die Widerspruchsbehörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Das Verwaltungsgericht hat bei dieser Überprüfung ferner zu Recht die mit dem Schriftsatz des Landratsamts vom 21.6.2005 nachgeschobenen Ermessenserwägungen berücksichtigt. Dies wird auch vom Kläger nicht in Zweifel gezogen. Das Landratsamt hat in seinem Schriftsatz vom 21.6.2005 die vom Kläger angegriffene Entscheidung damit gerechtfertigt, dass der Kläger das Widerspruchsverfahren nach dem Erlass der neuen Abwassersatzung der Beigeladenen nicht unmittelbar für erledigt erklärt, sondern das Verfahren zunächst fortgeführt habe. Damit habe er ein ihm zurechenbares neues Verfahrensrisiko übernommen, das sich im Fall einer Sachentscheidung zu seinen Lasten wirken würde. Gegen diese Überlegungen bestehen auch nach Ansicht des Senats keine Bedenken.
In Fällen, in denen die eine Abgabe erhebende Gemeinde während des Widerspruchsverfahrens eine neue Abgabensatzung erlässt, um dadurch den mit dem Widerspruch angefochtenen Bescheid zu "heilen", hat der Widerspruchsführer zu entscheiden, ob er das Widerspruchsverfahren im Hinblick auf die neue Situation für erledigt erklären oder seinen Widerspruch trotz der veränderten Rechtslage aufrechterhalten will. Diese Entscheidung hängt davon ab, ob er seine gegen den angefochtenen Abgabenbescheid erhobenen Einwendungen durch den Erlass der neuen Satzung als ausgeräumt ansieht oder ob er den Bescheid weiterhin für rechtswidrig hält. Eine bestimmte zeitliche Grenze ist ihm dabei nicht gesetzt. Im Hinblick auf eine möglicherweise missverständliche Formulierung in dem den Beteiligten bekannten Beschluss des Senats vom 10.7.2006 - 2 S 1750/05 - ist insbesondere klarzustellen, dass der Widerspruchsführer seine Erledigungserklärung nicht in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Erlass der neuen Satzung abgeben muss. Er kann dies vielmehr auch noch zu einem späteren Zeitpunkt tun, solange das Verfahren nicht durch eine Entscheidung der Widerspruchsbehörde über den Widerspruch abgeschlossen ist (vgl. zur Erledigungserklärung während eines Verwaltungsrechtsstreits BVerwG, Urt. v. 22.1.1993 - 8 C 40.91 - NVwZ 1993, 979). Darüber besteht auch zwischen den Beteiligten kein Streit.
Eine andere Frage ist, ob die Widerspruchsbehörde berechtigt ist, eine erst mit einem größeren zeitlichen Abstand abgegebene Erledigungserklärung im Rahmen der ihr gemäß § 80 Abs. 1 S. 5 LVwVfG obliegenden Ermessensentscheidung zum Nachteil des Widerspruchsführers zu werten. Wie der Senat in seinem Urteil vom 5.1.2005 - 2 S 1552/03 - (VBlBW 2005, 281) entschieden hat, entspricht es in Fällen, in denen der Abgabenschuldner nach dem Erlass einer neuen Abgabensatzung auf die Verfolgung weiterer materiell-rechtlicher Einwendungen gegen den angefochtenen Abgabenbescheid verzichtet, regelmäßig billigem Ermessen, den Abgabengläubiger mit den Kosten des Verfahrens deshalb zu belasten, weil die nachträgliche Heilung der angefochtenen Bescheids ausschließlich seinem Verantwortungsbereich zuzuordnen ist. Nach der Rechtsprechung des Senats gilt dies jedoch dann nicht, wenn die Widerspruchsbehörde aus dem Verhalten des Widerspruchsführers nach dem Erlass der neuen Satzung den Eindruck gewinnen muss, dass dieser trotz der veränderten Rechtslage an seinem Rechtsschutzbegehren festhalten will (Beschl. v. 12.6.2006 - 2 S 2558/05 - ; Beschl. v. 10.7.2006 - 2 S 1750/05 -). Da der Widerspruchsführer damit ein neues eigenständiges Verfahrensrisiko eingegangen ist, kann die Widerspruchsbehörde dies zum Anlass nehmen, dem Widerspruchsführer und nicht dem Abgabengläubiger die Kosten des Widerspruchsverfahrens aufzuerlegen.
Die zum Nachteil des Klägers getroffene Kostenentscheidung des Landratsamts ist danach nicht zu beanstanden. Der Kläger hat vor der Abgabe seiner Erledigungserklärung gegenüber dem Landratsamt mit Schreiben vom 2.10.2003 geäußert, die bisherige Widerspruchsbegründung werde aufgegeben und der Widerspruch stattdessen damit begründet, dass die satzungsrechtliche Grundlage, auf die sich der angefochtene Bescheid stütze, nichtig sei. Der Kläger hat ferner mit Schreiben vom 14.10.2003 erklärt, dass er die Möglichkeit haben müsse, die neue Satzung auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen, sofern die Beigeladene den Bescheid nunmehr auf die Satzung vom 5.7.2001 stützen wolle. Hinzukommt, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 5.2.2002 beantragt hat, das Widerspruchsverfahren bis zum Abschluss eines parallel gelagerten Verfahrens ruhen zu lassen, und nach der Darstellung der Beigeladenen in diesem Verfahren mehrere Einwände gegen die Rechtmäßigkeit der neuen Satzung erhoben hat. Dieser Darstellung hat der Kläger nicht widersprochen. Das Landratsamt musste hieraus den Schluss ziehen, dass der Kläger seine gegen den angefochtenen Gebührenbescheid erhobenen Einwendungen durch den Erlass der neuen Satzung nicht als ausgeräumt ansieht und das Widerspruchsverfahren deshalb fortführen möchte.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 und 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 47 Abs. 3, 52 Abs. 3 GKG.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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