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Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 08.04.2002
Aktenzeichen: 5 S 378/02
Rechtsgebiete: GVG, VwGO
Vorschriften:
GVG § 17a Abs. 2 | |
GVG § 17a Abs. 4 | |
VwGO § 40 Abs. 1 Satz 1 | |
VwGO § 123 Abs. 1 | |
VwGO § 173 |
2. Die einem Eilverfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO zugrunde liegende Streitigkeit ist i. S. des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO öffentlich-rechtlich, wenn das zu sichernde Recht in der Hauptsache dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist.
3. Abwehransprüche des Eigentümers eines Anliegergrundstücks, die aus dem Bau einer Gemeindestraße resultieren, sind öffentlich-rechtlicher Natur.
5 S 378/02
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss
In der Verwaltungsrechtssache
wegen
Straßenbau; einstweilige Anordnung hier: Verweisung an das Amtsgericht Schwäbisch Gmünd
hat der 5. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Lutz und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Schefzik und Harms
am 8. April 2002
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerden der Antragsteller wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12. Dezember 2001 - 15 K 4509/01 - aufgehoben. Der Verwaltungsrechtsweg ist zulässig.
Gründe:
Die Beschwerden der Antragsteller haben Erfolg.
Die Beschwerden sind in entsprechender Anwendung von § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG statthaft und auch sonst zulässig. Zwar gelten die Bestimmungen über das besondere Zwischenverfahren der Rechtswegverweisung in Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht unmittelbar. Sie sind in diesen Verfahren jedoch nach § 173 VwGO in Verbindung mit § 17a GVG entsprechend anzuwenden (BVerwG, Beschl. v. 15.11.2000 - 3 B 10/00 - Buchholz § 40 VwGO Nr. 286; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 26.03.1991 - 9 S 812/91 -BWVPr. 1991, 163; Beschl. v. 15.02.1993 - 10 S 329/93 - VBlBW 1993, 219; Beschl. v. 12.03.1993 - 8 S 2555/93 -; Beschl. v. 05.08.1993 - 1 S 1570/93 -VBlBW 1993, 468).
Die Beschwerden sind auch begründet. Der Verwaltungsrechtsweg ist entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts zulässig. Denn das vorliegende Eilverfahren nach § 123 VwGO betrifft eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art im Sinne von § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich ist, richtet sich, wenn eine ausdrückliche gesetzliche Rechtswegzuweisung fehlt, nach der sich aus dem Tatsachenvortrag des Klägers ergebenden wahren Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der im Rechtsstreit geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird (GmSOGB, Beschl. v. 10.04.1986 - GmS-OGB 1/85 -BVerwGE 74, 368; Rennert in Eyermann, VwGO, 11. Auflage, § 40 Rn. 32 f. m. w. Nachw.). Im Eilverfahren nach § 123 VwGO kommt es insoweit auf das zu sichernde Recht in der Hauptsache an (vgl. Happ in Eyermann, a. a. O., § 123 Rn. 27). Für die Rechtsnatur der vorliegenden Streitigkeit ist daher entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts unerheblich, ob das Verlangen der Antragsgegnerin nach Beseitigung des auf ihrem Grundstück stehenden Zauns privatrechtlicher Natur ist. Entscheidend ist vielmehr die Rechtsnatur des nach dem Tatsachenvortrag der Antragsteller von ihnen selbst in der Hauptsache geltend gemachten Anspruchs, der mit der begehrten einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO gesichert werden soll. Dieser Anspruch ist dem öffentlichen Recht zuzuordnen.
Die Antragsteller begehren den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit welcher der Antragsgegnerin aufgegeben wird, es zu unterlassen, einen auf dem Grundstück der Antragsgegnerin vorhandenen Zaun zu entfernen, "bis über den Antrag auf Aufhebung bzw. Verlegung der Wendeplatte rechtskräftig entschieden ist." Wie der Begründung des Eilantrags zu entnehmen ist, geht es den Antragstellern damit um die vorläufige Sicherung eines Rechts, das sie in der Hauptsache mit einem von ihrem Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 05.11.2001 bei der Antragsgegnerin gestellten "Antrag auf Aufhebung bzw. Verlegung der Wendeplatte" verfolgen. Mit diesem Antrag begehren die Antragsteller, dass die Antragsgegnerin den beabsichtigten Bau einer Wendeplatte als Teil einer Gemeindestraße auf einem gemeindeeigenen Grundstück unterlässt und dass sie die Wendeplatte an anderer Stelle baut, weil die Wendeplatte an der vorgesehenen Stelle die landwirtschaftliche Nutzung eines angrenzenden Grundstücks der Antragsteller einschränke und dadurch ihr Eigentumsrecht an diesem Grundstück verletze. Das haben die Antragsteller mit ihrem Vortrag im Beschwerdeverfahren nochmals bekräftigt und verdeutlicht. Da Gemeindestraßen auf der Grundlage öffentlich-rechtlicher Vorschriften geplant und gebaut werden (vgl. §§ 9, 36, 44 StrG), sind daraus resultierende Abwehransprüche des Eigentümers eines Anliegergrundstücks öffentlich-rechtlicher Natur. Solche Ansprüche machen die Antragsteller mit ihrem Antrag vom 05.11.2001 geltend, indem sie sich gegenüber der Antragsgegnerin darauf berufen, der Bau der Wendeplatte schränke - mittelbar - die Nutzung ihres Grundeigentums ein. Ob diese Ansprüche begründet sind, ist für ihre Rechtsnatur ebenso unerheblich wie die Frage, ob die mit den Eilanträgen erstrebte Unterlassung der Beseitigung des Zauns auf dem gemeindeeigenen Grundstück überhaupt geeignet und erforderlich wäre, die in der Hauptsache verfolgten Rechtsansprüche zu sichern.
Der Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts ist folglich aufzuheben. Da die Antragsgegnerin bereits in erster Instanz mit Schriftsatz vom 10.12.2001 die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs gerügt hat, ist nach § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG zugleich die Zulässigkeit des beschrittenen Verwaltungsrechtswegs auszusprechen.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Zwar ist grundsätzlich über die Kosten der Rechtsmittel im Verfahren über die Zulässigkeit des Rechtsweges gemäß § 17a Abs. 4 GVG nach §§ 154 ff VwGO zu befinden (vgl. BGH, Beschl. v. 17.06.1993 - V ZB 31/92 - NJW 1993, 2541/2542; Rennert, a. a. O., § 41 Rn. 45). Das gilt bei erfolgreichem Rechtsmittel jedoch nur, soweit eine Gegenpartei vorhanden ist, der Kosten auferlegt werden können (vgl. BGH, Beschl. v. 03.07.1997 - IX ZB 116/96 - NJW 1998, 231; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 02.05.2001 - 4 S 667/01 - InfAuslR 2001, 382). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt, weil die Antragsgegnerin kein Gegner im Beschwerdeverfahren ist. Die Entscheidung über die Kosten der ersten Instanz bleibt dem Verwaltungsgericht vorbehalten.
Der Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Die Vorschrift des § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG über die zulassungsgebundene - weitere - Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht anzuwenden (VGH Bad.-Württ., Beschl. 26.03.1991, a. a. O.).
Ende der Entscheidung
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