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Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 26.06.2002
Aktenzeichen: 8 S 1242/02
Rechtsgebiete: VwGO, LuftVG, BADV
Vorschriften:
VwGO § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 | |
LuftVG § 19 c | |
BADV § 7 Abs. 1 | |
BADV § 7 und 5 |
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss
In der Verwaltungsrechtssache
wegen Erbringung von Bodenabfertigungsdiensten auf dem Flughafen Stuttgart
hat der 8. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Prof. Dr. Schmidt sowie die Richter am Verwaltungsgerichtshof Schenk und Rieger
am 26. Juni 2002
beschlossen:
Tenor:
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg erklärt sich für sachlich unzuständig. Der Rechtsstreit wird an das Verwaltungsgericht Stuttgart verwiesen.
Gründe:
Für den vorliegenden Rechtsstreit ist eine erstinstanzliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg nicht gegeben. Erstinstanzlich zuständig ist stattdessen das Verwaltungsgericht Stuttgart. Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten verweist der Senat den Rechtsstreit deshalb gemäß § 83 S. 1 VwGO in Verbindung mit § 17 a Abs. 2 S. 1 GVG an dieses Gericht.
Nach der im vorliegenden Fall allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 VwGO entscheidet der Verwaltungsgerichtshof im ersten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten, die das Anlegen, die Erweiterung oder Änderung und den Betrieb von Verkehrsflughäfen und von Verkehrslandeplätzen mit beschränktem Bauschutzbereich betreffen. Um eine solche Streitigkeit geht es im vorliegenden Fall entgegen der übereinstimmenden Ansicht der Beteiligten nicht.
Die Klägerinnen wenden sich mit ihrer Klage gegen einen vom Ministerium für Umwelt und Verkehr am 22.4.2002 erlassenen Bescheid, mit dem - gestützt auf § 7 Abs. 1 und 5 der Verordnung über Bodenabfertigungsdienste auf Flugplätzen vom 10.12.1997, BGBl. I S. 2885, BADV) - an Stelle der Klägerinnen die L. Airport Service GmbH ausgewählt wurde, auf dem Flughafen Stuttgart eine Reihe von näher bestimmten Bodenabfertigungsdiensten zu erbringen. Das Ministerium steht dabei auf dem Standpunkt, dass die zuvor mit diesen Diensten betrauten Klägerinnen ihre Geschäftstätigkeit auf Dauer eingestellt hätten, weshalb es nach § 7 Abs. 5 BADV erforderlich sei, sie durch einen anderen Dienstleister zu ersetzen. Die Klägerinnen sind demgegenüber der Ansicht, dass die Voraussetzungen für eine Neuausschreibung und -vergabe der betreffenden Bodenabfertigungsdienste nicht gegeben seien. Der über diese Frage geführte Rechtsstreit betrifft nicht oder allenfalls vordergründig den Betrieb des Flughafens Stuttgart. Zwar lässt sich nicht bestreiten, dass ohne Bodenabfertigungsdienste ein Flughafen nicht betrieben werden kann. Das ist jedoch entgegen der Kommentierung von Hofmann/Grabherr (Luftverkehrsgesetz, Stand: November 1997, § 19 c, Rn. 52; ebenso HessVGH, Beschl. v. 27.5.1999 - 2 Q 4634/98 - ZLW 1999, 559; OVG Lüneburg, Beschl. v. 24.6.1999 - 12 M 2094/99 - NVwZ 1999, 1130; BayVGH, Urt. v. 21.7.1999 - 20 AS 99.40032 - NVwZ 1999, 1131) kein hinreichendes Argument, um die Anwendbarkeit des § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 VwGO auf Klagen zu bejahen, mit denen sich ein Dienstleister gegen die Auswahl eines seiner Konkurrenten für die Erbringung von Bodenabfertigungsdiensten wendet. Denn gestritten wird in einem solchen Fall weder über die Zulässigkeit dieser Dienste überhaupt noch über den zulässigen oder notwendigen Umfang oder die Art und Weise ihrer Erbringung, sondern allein über die Frage, wer mit der Erbringung dieser Dienste betraut wird. Der Rechtsstreit wird damit - anders ausgedrückt - um den Zugang zum Markt der Bodenabfertigungsdienste geführt, dessen Öffnung mit dem am 11.11.1997 erlassenen Gesetz über Bodenabfertigungsdienste auf Flugplätzen - BADG - und der zur Ausführung dieses Gesetzes ergangenen BADV angestrebt wird. Der Betrieb des betreffenden Flughafens ist von diesem Rechtsstreit nur indirekt betroffen. Im vorliegenden Fall gilt dies umso mehr, als die ausgeschriebenen Bodenabfertigungsdienste auch von der Flughafen Stuttgart GmbH angeboten werden, so dass unabhängig von der Frage, wer neben ihr mit diesen Diensten betraut wird, in jedem Fall ein zuverlässiger, finanziell leistungsfähiger und fachlich geeigneter Anbieter zur Verfügung steht, mithin also der Betrieb als solcher nicht in Frage gestellt ist. Ein solcher nur indirekter Zusammenhang zwischen dem Rechtsstreit und dem Betrieb eines Flughafens kann für die Anwendung des § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 VwGO nach dem mit dieser Vorschrift verfolgten Zweck nicht genügen.
§ 48 Abs. 1 VwGO erweitert die ursprünglich nur für Vereinsverbote vorgesehene erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberverwaltungsgerichte, um in bestimmten Fällen die als überlang empfundene Dauer verwaltungsgerichtlicher Verfahren durch eine Konzentration des Verfahrens auf nur eine Tatsacheninstanz zu verkürzen. In der Begründung des Gesetzes zur Beschleunigung verwaltungs- und finanzgerichtlicher Verfahren vom 4.7.1985 (BT-Drs. 10/171, S. 7 ff.), auf das diese Regelung zurückgeht, werden die von ihr erfassten Katalogfälle dadurch charakterisiert, dass es sich um Vorhaben von großer Tragweite handele, und hinzugefügt, dass durch die überlange Dauer verwaltungsgerichtlicher Verfahren wegen solcher Großprojekte der Rechtsschutz gemindert und zudem die Planungstätigkeit der Behörden und die Investitionstätigkeit der Wirtschaft erschwert werde. Der mit der Vorschrift verfolgte Zweck erfordert es, diese eng auszulegen. Eine erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberverwaltungsgerichte nach § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 VwGO ist hiervon ausgehend nur dann gegeben, wenn der Rechtsstreit über den Betrieb eines Flughafens als solchen geführt wird, nicht aber auch in den Fällen, in denen ein nur indirekter Zusammenhang zwischen der Streitigkeit und dem Flughafenbetrieb gegeben ist. Wollte man dies anders sehen, so müsste beispielsweise auch bei Streitigkeiten über die Frage, welchen Personen gemäß § 29 d Abs. 1 LuftVG die Berechtigung zum Zugang zu den nicht allgemein zugänglichen oder sicherheitsempfindlichen Bereichen und Anlagen eines Flughafens zu erteilen ist, oder bei Streitigkeiten über die Erhebung von Luftsicherheitsgebühren entgegen der - soweit ersichtlich - einhelligen Meinung sowie entgegen der mit § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VwGO verfolgten Zielsetzung von der erstinstanzlichen Zuständigkeit der Oberverwaltungsgerichte ausgegangen werden, da auch hier ein gewisser Bezug zum Betrieb des Flughafens nicht zu leugnen ist.
Die den Katalog des § 48 Abs. 1 S. 1 VwGO ergänzende Bestimmung in S. 2 dieser Vorschrift spricht ebenfalls dafür, den Anwendungsbereich dieser Vorschrift auf die Fälle zu beschränken, in denen über den Betrieb des Flughafens selbst gestritten wird. § 48 Abs. 1 S. 2 VwGO stellt klar, dass die sich aus Abs. 1 S. 1 ergebende erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberverwaltungsgerichte auch gegeben ist für Streitigkeiten über Genehmigungen, die anstelle einer Planfeststellung erteilt werden, sowie für Streitigkeiten über sämtliche für das Vorhaben erforderlichen Genehmigungen und Erlaubnisse, auch soweit sie Nebeneinrichtungen betreffen, die mit ihnen in einem räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehen. Die Vorschrift erstreckt die erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberverwaltungsgerichte somit entgegen der Darstellung des beklagten Landes in seinem Schriftsatz vom 20.6.2002 nicht auf Streitigkeiten über alle mit dem Flughafen räumlich und betrieblich zusammenhängenden Maßnahmen, sondern nur auf Streitigkeiten über die für das Vorhaben erforderlichen Genehmigungen und Erlaubnisse und weist damit ebenfalls darauf hin, dass mit Streitigkeiten im Sinn des § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 VwGO nur solche gemeint sind, in denen der Betrieb des Flughafens im Streit steht.
Der Beschluss ist gemäß § 83 S. 2 VwGO unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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