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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 25.11.2003
Aktenzeichen: 9 S 2526/03
Rechtsgebiete: GG, BÄO, VwGO


Vorschriften:

GG Art. 19 Abs. 4
BÄO § 6 Abs. 1 Nr.1
VwGO § 80
VwGO § 123
Vorbeugender Rechtsschutz im Wege der einstweiligen Anordnung zur Verhinderung einer angekündigten Anordnung des Ruhens der Approbation mit Sofortvollzug kommt grundsätzlich nicht in Betracht. Dem betroffenen Arzt ist es regelmäßig zuzumuten, den Erlass der Ruhensanordnung abzuwarten und nachträglichen (vorläufigen) Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

9 S 2526/03

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Ruhens der Approbation

hier: vorläufiger Rechtsschutz

hat der 9. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Schwan, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Gaber und die Richterin am Verwaltungsgericht Wilke

am 25. November 2003

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20. Oktober 2003 - 4 K 3886/03 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Mit Recht hat es das Verwaltungsgericht abgelehnt, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die sofortige Vollziehung einer möglicherweise gegen den Antragsteller zu erlassenden Entscheidung über das Ruhen seiner Approbation wegen Unzuverlässigkeit und/oder Unwürdigkeit im Zusammenhang mit Vorwürfen, die Gegenstand des gegen ihn bei der Staatsanwaltschaft Ellwangen anhängigen Ermittlungsverfahrens sind, anzuordnen.

Die einstweilige Anordnung als sogenannte Sicherungsanordnung soll der Veränderung eines bestehenden Zustandes vorbeugen (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO), als sogenannte Regelungsanordnung dient sie dagegen der Regelung eines einstweiligen Zustandes, ist also auf eine Veränderung des Status quo gerichtet (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Sie ist im System des verwaltungsgerichtlichen vorläufigen Rechtsschutzes dem Institut der Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage nach §§ 80, 80a VwGO nachgeordnet (§ 123 Abs. 5 VwGO; vgl. auch Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 123 Rdnr. 4). Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist demnach unstatthaft, wenn vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO gewährt werden kann. Der Vorrang des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO kann nicht dadurch umgangen werden, mittels eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die Behörde zu hindern, den Sofortvollzug eines Verwaltungsaktes anzuordnen (vgl. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). Unabhängig davon, ob die Vollziehungsanordnung als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist oder nicht (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 Rdnr. 140 m.w.N.; Kopp/ Schenke, a.a.O., § 80 Rdnr. 78) stellt die Verwaltungsgerichtsordnung jedenfalls als Rechtsbehelfe sowohl gegen die Anordnung des Sofortvollzugs als auch gegen deren Ablehnung keine Klagemöglichkeit, sondern nur die Vorgehensweise nach § 80, § 80a VwGO zur Verfügung.

Die Hauptsacheklage, die der begehrten einstweiligen Anordnung entsprechen würde, müsste darauf gerichtet sein, dem Antragsgegner den Erlass eines Verwaltungsaktes (Anordnung des Ruhens der Approbation) oder zumindest die Anordnung der sofortigen Vollziehung dieses Verwaltungsaktes zu untersagen. Dies wäre vorbeugender Rechtsschutz, der im Grundsatz dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren fremd ist; die Verwaltungsgerichtsordnung hält grundsätzlich nachträglichen Rechtsschutz für angemessen und ausreichend (vgl. BVerwG, Urteil vom 08.09.1972 - IV C 17.71 - BVerwGE 40, 323; Urteil vom 03.06.1983 - 8 C 43.81 - Buchholz 310, § 113 VwGO Nr. 130; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 10.06.1987 - 6 S 3383/86 - VBlBW 1988, 74; Urteil vom 14.01.1993 - 2 S 1040/91 -, Beschluss vom 07.12.1993 - 1 S 2702/93 -, vgl. auch Bayr. VGH, Beschluss vom 28.04.1992 - 21 CE 92.949 -, NVwZ-RR 1993, 54 ff.). Vorbeugender Rechtsschutz kommt nur dann in Betracht, wenn ein besonders qualifiziertes, d.h. gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse vorhanden ist, wenn also aus Gründen der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) dem Betroffenen schlechthin nicht angesonnen werden kann, den belastenden Verwaltungsakt abzuwarten und sich hiergegen mittels Widerspruch und Klage zu wehren und im Falle der Anordnung der sofortigen Vollziehung Eilrechtsschutz gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zu suchen. Dies ist hier nicht der Fall.

Der Antragsteller behauptet in seiner dem Verwaltungsgericht vorgelegten eidesstattlichen Versicherung vom 18.09.2003, dass bereits im gegenwärtigen Stadium des gegen ihn eingeleiteten Strafverfahrens seine Umsätze drastisch zurückgegangen seien und dies daran liege, dass die Eltern des verstorbenen Kindes im Fernsehen, in der Presse und im Rundfunk behauptet hätten, dass eine Narkose zum Tod des Mädchens geführt habe, obwohl dies bis heute nicht bewiesen sei. Beim sofortigen Vollzug der Entscheidung über das Ruhen seiner Approbation sei seine berufliche und wirtschaftliche Existenz vernichtet, selbst wenn ihm diese nur kurzfristig entzogen würde, wie er im Beschwerdeverfahren betont. Aus diesen Äußerungen kann der Senat indes keinen irreparablen Schaden des Antragstellers herleiten, der allein durch die Dauer eines vorläufigen Rechtsschutzverfahrens auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Verfügung der Antragsgegnerin, die Approbation ruhen zu lassen, sollte sie ergehen und für sofort vollziehbar erklärt werden, zurückzuführen wäre. Solche Verfahren werden mit der gebotenen Eile von den Verwaltungsgerichten betrieben. Eine erstinstanzliche Verfahrensdauer, die wesentlich länger ist, als eine denkbare Urlaubs- oder Krankheitsabwesenheit des Antragstellers, die ihn an seiner Berufsausübung hindert, ist nicht zu erkennen. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass es bei einem entsprechenden Hinweis des Antragstellers auf die besondere Eilbedürftigkeit darauf hinwirken wird, vom Antragsgegner unmittelbar nach Eingang seines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO eine Erklärung zu erhalten, wonach dieser bis zur gerichtlichen Entscheidung von Vollstreckungsmaßnahmen absieht. Sollte diese - im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO übliche - Erklärung vom Beklagten nicht abgegeben werden, dürften dem Antragsteller gleichwohl keine irreparablen Nachteile drohen, denn in diesem Fall kann das Verwaltungsgericht (gegebenenfalls durch den Vorsitzenden, vgl. § 80 Abs. 8 VwGO) ohne weitere Sachprüfung die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung des Gerichts wiederherstellen (vgl. Jörg Schmidt in Eyermann, VwGO, 11. Aufl., § 80 Rdnr. 111 und Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 123 Rdnr. 3). Einen solchen "Hängebeschluss" kann der Antragsteller auch zusammen mit seinem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO beantragen oder anregen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus §§ 25 Abs. 2, 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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