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Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 20.11.2007
Aktenzeichen: A 10 S 70/06
Rechtsgebiete: GG, AufenthG, EGRL 04/83


Vorschriften:

GG Art. 16a
AufenthG § 60 Abs. 1
EGRL 04/83
1. Die Bestimmungen der RL 2004/83/EG beeinflussen nicht unmittelbar die Auslegung des Asylgrundrechts nach Art. 16a GG.

2. Angehörige der Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya sind in Pakistan nach wie vor keiner asylgrundrechtlich erheblichen Gruppenverfolgung ausgesetzt.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

A 10 S 70/06

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Anerkennung als Asylberechtigter

hat der 10. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 10. Juni 2005 - A 10 K 12171/03 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten, die dieser selbst trägt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1977 geborene Kläger ist pakistanischer Staatsangehöriger und laut einer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Bescheinigung vom 01.02.2005 Angehöriger der Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya.

Der Kläger reiste nach seinen eigenen Angaben am 06.08.2003 aus Islamabad kommend über den Flughafen Frankfurt/Main in das Bundesgebiet ein und stellte am 13.08.2003 einen Asylantrag. In diesem Zusammenhang legte er die Kopie eines pakistanischen Reisepasses sowie die Kopie einer in Pakistan aufgenommenen polizeilichen Anzeige (FIR) vom 05.02.2003 vor.

Am 27.08.2003 wurde der Kläger persönlich vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf die Niederschrift vom gleichen Tag verwiesen.

Mit Bescheid vom 08.09.2003 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG nicht vorliegen und gleichfalls keine Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG gegeben sind. Des Weiteren wurde dem Kläger die Abschiebung nach Pakistan angedroht. Zur Begründung wurde ausgeführt: Der Kläger habe schon nicht glaubhaft machen können, dass er auf dem Luftweg über den Flughafen Frankfurt/Main eingereist sei, weshalb dem Begehren auf Anerkennung als Asylberechtigter die Drittstaatenregelung des Art. 16a Abs. 2 GG entgegenstehe. Auch die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG lägen nicht vor. Der Kläger habe nicht glaubhaft machen können, dass er vorverfolgt ausgereist sei. Sein Sachvortrag sei insgesamt nicht geeignet, den Eindruck einer lebensechten Schilderung zu erwecken. Insbesondere sei auch zu bezweifeln, ob die vorgelegte Anzeige (FIR) ein echtes Dokument darstelle, da derartige Schriftstücke ohne Weiteres in Pakistan gegen entsprechendes Geld erhältlich seien. Im Übrigen unterlägen die Angehörigen der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft keiner unmittelbaren Gruppenverfolgung in Pakistan. Der Bescheid wurde dem Kläger am 12.09.2003 persönlich zugestellt.

Am 19.09.2003 hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben, ohne diese zu begründen. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung persönlich angehört (vgl. die Anlage zur Niederschrift). Des Weiteren hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung einen Beweisantrag gestellt, aufgrund dessen durch die Einholung einer schriftlichen Auskunft des Auswärtigen Amtes die Echtheit der vorgelegten polizeilichen Anzeige vom 05.02.2003 überprüft werden sollte.

Nach Ablehnung des Beweisantrags hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe die Klage durch Urteil vom 10.06.2005 - A 10 K 12171/03 - abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Gericht habe sich nicht davon überzeugen können, dass der Kläger vorverfolgt aus Pakistan ausgereist sei. Es sei insbesondere nicht notwendig gewesen, über die Echtheit der vorgelegten Anzeige Beweis zu erheben. Denn das Gericht sei aufgrund zahlreicher Erkenntnismittel selbst ausreichend sachkundig, um die Beurteilung der Echtheit oder Unechtheit selbst vornehmen zu können. Hiernach müsse davon ausgegangen werden, dass es sich um eine Fälschung handele, da die Anzeige kein korrektes Aktenzeichen trage. Im Übrigen seien Angehörige der Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya nicht generell verfolgt und unterlägen weder einer unmittelbaren noch mittelbaren staatlichen Gruppenverfolgung. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf den hilfsweise begehrten Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG.

Auf den Antrag des Klägers hat der Senat durch Beschluss vom 13.01.2006 die Berufung zugelassen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 10. Juni 2005 - A 10 K 12171/03 - zu ändern, den Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 08.09.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen sowie seine Flüchtlingseigenschaft festzustellen, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG vorliegen.

Zur Begründung wird vorgetragen: Er sei, wie durch die vorgelegte polizeiliche Anzeige nachgewiesen, vorverfolgt ausgereist. Auch sei mittlerweile davon auszugehen, dass die Angehörigen der Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya einer asylerheblichen Gruppenverfolgung unterlägen. Insbesondere sei im Gegensatz zu früheren gerichtlichen Feststellungen aufgrund eines Gutachtens des Orientinstituts Hamburg davon auszugehen, dass nur noch ca. 500.000 Ahmadis in Pakistan lebten, wodurch die festgestellten Einzelvorfälle in Pakistan ein völlig neues Gewicht bekämen. Im Übrigen habe sich im Hinblick auf Art. 10 Abs. 1 lit. b der Qualifikationsrichtlinie die Rechtslage dahingehend geändert, dass der Verfolgungsgrund der Religion nunmehr auch Glaubensausübungen im öffentlichen Bereich umfasse und die insoweit hieran anknüpfenden Maßnahmen gegenüber den Angehörigen der Ahmadiyya-Glaubensgemeinschaft eine schwere Menschenrechtsverletzung darstellen würden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der beteiligte Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten hat sich nicht geäußert.

Der Senat hat zur Frage der Echtheit der vorgelegten Anzeige vom 05.02.2003 Beweis erhoben durch Einholung einer amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amtes. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 01.09.2006 Bezug genommen.

Der Kläger wurde in der mündlichen Verhandlung durch den Senat informatorisch angehört.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Dem Senat lagen die Verwaltungsakten der Beklagten (2 Bde.) sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vor.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere fristgerecht und ordnungsgemäß begründete Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG (I.) noch kann er von der Beklagte die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG (II.) beanspruchen. Schließlich stehen seiner Aufenthaltsbeendigung auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG entgegen (III.).

I. Das Verwaltungsgericht ist im angegriffenen Urteil zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger unter dem Aspekt einer Anerkennung als Asylberechtigter Pakistan unverfolgt verlassen hatte und ihm auch im Falle seiner Rückkehr dorthin keine asylerhebliche Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.

1. In Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs sowie der anderen Oberverwaltungsgerichte hat es seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass den Angehörigen der Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya bei der Ausreise des Klägers ebenso wenig wie zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung eine asylerhebliche Gruppenverfolgung gedroht hat. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die diesbezüglichen Ausführungen im angegriffenen Urteil (vgl. § 130b S. 2 VwGO). Hieran ist auch nach dem aktuellen Erkenntnisstand festzuhalten. Die vom Senat verwerteten aktuellen Erkenntnismittel zeichnen, v.a. was den hier in erster Linie in den Blick zu nehmenden Aspekt der Verfolgungsdichte betrifft, kein grundlegend anderes Bild als dies bislang der Fall war (vgl. hierzu AA Lagebericht vom 30.05.2007; Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan vom 20.04.2007 und vom 27.10.2006; U.S. Department of State, Pakistan vom 14.09.2007 und vom 06.03.2007; Human Rights Commission of Pakistan vom 01.02.2006; Freedom House, Pakistan, 2006; ai Lagebericht Pakistan 2007). Nachdem nach wie vor die Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya in Pakistan selbst davon ausgeht, dass sie insgesamt etwa vier Millionen Angehörige zählt, darunter etwa 500.000 bis 600.000 bekennende Mitglieder (vgl. AA Lagebericht vom 30.05.2007, S. 16), sieht der Senat gegenwärtig keine ausreichende Grundlage dafür, dass die aktuelle Zahl in einem so signifikanten Maße darunter liegen könnte, dass eine vollständige Neubewertung des Bedrohungsszenarios erfolgen müsste (vgl. auch Home Office vom 30.04.2007, Ziffer 18.31, wonach nach eigenen Angaben allein in Chenab Nagar, Punjab, mindestens zwei Millionen Ahmadis lebten).

Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass die durch die Richtlinie 2004/83/EG vom 29.04.2004 (sog. Qualifikationsrichtlinie - QRL) erfolgte teilweise Neubestimmung des Schutzbereichs bzw. des Verfolgungsgrundes der Religion (vgl. hierzu im Folgenden unter II) die Auslegung des Grundrechts nach Art. 16a GG, wie sie insbesondere in der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ihren Ausdruck gefunden hat, nicht unmittelbar berührt (so aber offenbar HessVGH, U.v. 12.07.2007 - 8 UE 3339/04.A - juris). Die Qualifikationsrichtlinie hat nicht ein nationales Asylgrundrecht im Auge und ist vom Regelungsgegenstand nicht hierauf bezogen, sondern betrifft allein den nationalen Flüchtlingsschutz der Mitgliedstaaten, wie er in Anwendung der völkervertraglichen Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention gewährt wird (vgl. die 3. und 7. Begründungserwägung sowie Art. 1 i.V.m. Art. 2 lit. b und c QRL). Eine andere Frage ist die, ob nach einer - längeren - Phase der Konsolidierung und einer konsensualen Anwendung durch die Mitgliedstaaten, insbesondere auch aufgrund einer entsprechenden Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs, das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung einen möglicherweise eingetretenen Bedeutungswandel des Asylgrundrechts anerkennen und diesem Rechnung tragen wird.

2. Der Kläger ist auch nicht wegen individueller asylerheblicher Verfolgungsgründe ausgereist. Ebenso wenig droht ihm wegen solcher im Falle der Rückkehr politische Verfolgung. Denn das Vorbringen des Klägers hierzu ist in jeder Hinsicht unglaubhaft.

Das Gericht muss die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten individuellen Schicksals und von der Richtigkeit der Prognose drohender politischer Verfolgung oder menschenrechtswidriger Behandlung gewinnen (BVerwG, U. v. 16.04.1985 - 9 C 109.84 - BVerwGE 71, 180 ff.). Allerdings kann es sich - die Schlüssigkeit des Vortrags des oder der Asylsuchenden vorausgesetzt - angesichts der Beweisschwierigkeiten, in denen sich Schutzsuchende hinsichtlich der asyl- oder flüchtlingsschutzbegründenden Vorgänge im Heimatland regelmäßig befinden, mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig auszuschließen sind.

Dabei kommt dem persönlichen Vorbringen des Schutzsuchenden besondere Bedeutung zu. Ihm obliegt es im Rahmen seiner gesetzlichen Mitwirkungspflichten (vgl. § 15 Abs. 1, § 25 Abs. 1 und 2 AsylVfG) mithin, seine Gründe für das Vorliegen politischer Verfolgung folgerichtig, substantiiert und, soweit ihm dies möglich und zumutbar ist, unter Angabe genauer Einzelheiten vorzutragen. Ist die Schilderung des persönlichen Schicksals hingegen in wesentlichen Punkten unzutreffend oder in nicht aufklärbarer Weise widersprüchlich, so ist das Begehren des Schutzsuchenden ohne - weitere - Beweiserhebung abzuweisen (vgl. BVerfG, Kammerb. v. 26.05.1994 - 2 BvR 1183/92 - NVwZ-Beil. 1994, 50; v. 10.03.1997 - 2 BvR 323/97 - juris; BVerwG, B.v. 26.10.1989 - 9 B 405.89 - NVwZ - RR 1990, 379).

Die danach erforderliche Überzeugungsgewissheit konnte sich der Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sowie aufgrund der mündlichen Verhandlung nicht bilden. Nach der eingeholten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 01.09.2006 hat sich der vom Kläger vorgelegte FIR als Totalfälschung erwiesen. Nimmt man hinzu, dass der Kläger auch bei seiner Anhörung durch das Bundesamt am 27.08.2003 - teilweise trotz mehrfacher Nachfrage - völlig ungenügende, weil vage und oberflächliche Angaben zu dem zugrunde liegenden Lebenssachverhalt, nämlich dem behaupteten öffentlichen Werben für seinen Glauben, gemacht hatte, so ist der Senat überzeugt, dass der Kläger hier die Unwahrheit gesagt hat und auch weiterhin sagt, wenn er in der mündlichen Verhandlung nach wie vor behauptet hat, dass er sich die Auskunft des Auswärtigen Amtes nicht erklären könne, vielmehr die Polizei nach wie vor nach ihm suche und er tatsächlich öffentlich für seinen Glauben geworben habe (vgl. auch bereits die zutreffende Bewertung im Bescheid des Bundesamts vom 08.09.2003, S. 5). Der Senat hat - nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der Kläger in wesentlichen Punkten unwahre Angaben gemacht hat - im Übrigen aufgrund der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben zu seiner inneren Beziehung zum Glauben der Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya sowie seiner Glaubensbetätigung in Pakistan bzw. auch in der Bundesrepublik Deutschland nicht die Überzeugung gewinnen können, dass er sich innerlich dem Glauben überhaupt verbunden fühlt und diesem entsprechend handelt bzw. im Falle seiner Rückkehr handeln wird, namentlich auch in öffentlichen Bezügen. Er hat sich, wie auch schon in vergleichbarer Weise beim Bundesamt, im Wesentlichen darauf beschränkt, Allgemeinplätze vorzubringen, insbesondere zum Inhalt seiner angeblichen "Predigten", ohne diese durch die Mitteilung von Einzelheiten plausibel und anschaulich zu machen. Charakteristisch für seinen Vortrag war auch, dass er zwar davon sprach, dass man am Freitag in die Moschee zum Beten gehe, wobei nicht einmal ausdrücklich davon die Rede war, dass auch er sich daran beteilige, andererseits ihm erst nach zweimaliger Nachfrage einfiel, dass Ahmadis und auch er selbst fünf Mal am Tag beteten. Auch seine hiesige Betätigung (als stellvertretender Leiter einer Jugendgruppe) blieb nach Zeit, Ort und konkretem Inhalt unklar und plakativ. Aus diesen Gründen war auch dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag, durch Einholung einer Auskunft der Ahmadhiyya-Muslim Jamaat Zentrale in Frankfurt Beweis zu erheben zu der Behauptung des Klägers, er sei "ein aktives Mitglied der Ahmadiyya-Gemeinde und nehme am Gemeinschaftsleben teil, wie er dies auch in Pakistan getan habe" wegen mangelnder Substantiierung des Beweisthemas nicht nachzugehen. Abgesehen davon stand einer derartigen Beweisaufnahme auch entgegen, dass bei Einholung einer erst zu erstellenden Auskunft die Grundsätze des Zeugenbeweises sowie die eingeschränkten Möglichkeiten einer schriftlichen Aussage (vgl. § 98 VwGO i.V.m. § 377 Abs. 3 ZPO) umgangen würden. Nur zur Abrundung weist der Senat noch daraufhin, dass es immerhin bemerkenswert ist, dass der Kläger beim Bundesamt auf eine entsprechende Frage, welcher Gruppe der Ahamadis er angehöre, nicht davon wusste, dass es deren zwei gibt. Wenn der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung insoweit eingewandt hat, dass die sog. "Lahore-Gruppe" faktisch weitgehend zu existieren aufgehört habe, weshalb die jüngeren Leute von dieser nichts mehr wüssten, so finden sich hierzu in den verwertenden Erkenntnismitteln keine hinreichenden Anhaltspunkte (vgl. etwa Home Office vom 27.10.2007 Ziffern 18.26 ff.).

3. Unabhängig hiervon steht einer Anerkennung als Asylberechtigter auch entgegen, dass der Kläger nicht den erforderlichen Nachweis führen konnte, dass er nicht über einen sicheren Drittstaat, sondern auf dem Luftweg eingereist ist (vgl. Art. 16a Abs. 2 GG; vgl. zur materiellen Beweislast GK-AsylVfG § 26a Rdn. 76 ff. m.w.N.). Dies hatte das Bundesamt bereits ausführlich und zutreffend in seinem Bescheid vom 08.09.2003 (Seite 2), auf den der Senat ausdrücklich zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt, ausgeführt, ohne dass der Kläger dessen Bewertungen und Schlussfolgerungen überhaupt aufgegriffen, geschweige denn substantiiert in Frage gestellt hätte.

II. Der Kläger kann auch nicht von der Beklagten die Feststellung seiner Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG beanspruchen.

Der Kläger war weder zum Zeitpunkt seiner Ausreise noch ist er heute Flüchtling im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. Art. 2 lit. c der maßgeblich zu dessen Auslegung heranzuziehenden Richtlinie 2004/83/EG vom 29.04.2004 (sog. Qualifikationsrichtlinie - QRL) sowie Art. 1 A Abs. 2 GFK.

Art. 10 QRL definiert in Anknüpfung an Art. 2 lit. c QRL die flüchtlingsschutzrelevanten Verfolgungsgründe. Im vorliegenden Zusammenhang ist Art. 10 Abs. 1 lit. b QRL maßgeblich. Hiernach umfasst der Begriff der Religion insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme beziehungsweise Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder der Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind. Dabei sind unter religiösen Riten die in einer Religionsgemeinschaft üblichen oder geregelten Praktiken oder Rituale zu verstehen, die der religiösen Lebensführung dienen, insbesondere Gottesdienste, kulturelle Handlungen und religiöse Feste.

Art. 10 Abs. 1 lit. b QRL gewährleistet für den Einzelnen einen sehr weitgehenden Schutz, wenn er sowohl die Entscheidung, aus innerer Überzeugung religiös zu leben, wie auch die Entscheidung, aufgrund religiösen Desinteresses jegliche religiöse Betätigung zu unterlassen, schützt und dem Einzelnen zubilligt, dass er sich zu seiner religiösen Grundentscheidung auch nach außen bekennen darf, insbesondere auch die Teilnahme an religiösen Riten im öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen erfasst wird. Die Vorschrift geht damit ihrem eindeutigen Wortlaut nach über den Schutz hinaus, der nach der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Art. 16a Abs. GG unter dem Aspekt der religiösen Verfolgungsgründe eingeräumt wurde (vgl. grundlegend BVerfG, B.v. 01.07.1987 - 2 BvR 478/86 - BVerfGE 76, 143 <158>; BVerwG, U.v. 25.01.1995 - 9 C 279.94 - NVwZ 1996, 82).

Damit zeichnet der supranationale Normgeber auch für den Bereich des vergemeinschafteten Flüchtlingsschutzes die universelle menschenrechtliche Anerkennung gerade auch der öffentlichen Glaubensausübung bzw. -betätigung nach und bekennt sich zu dieser (vgl. auch die 10. Begründungserwägung, in der sich die Gemeinschaft zur Achtung der Grundrechte bekennt). So gewährleistet Art. 18 des Internationalen Paktes vom 19.12.1966 über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) die private und die öffentliche Glaubenspraxis, das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, die Freiheit, eine Religion oder eine Weltanschauung eigener Wahl zu haben oder anzunehmen, und die Freiheit, seine Religion oder eine Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Beachtung religiöser Bräuche, Ausübung und Unterricht zu bekunden. Des Weiteren wird die Ausübung der Religionsfreiheit auch in der Öffentlichkeit durch Art. 9 EMRK gewährleistet, wenn hiernach die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu wechseln, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder gemeinsam mit anderen öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Unterricht oder Praktizieren von Bräuchen und Riten zu bekennen, geschützt wird. Schließlich ist auch auf Art. 1 der Erklärung Nr. 36/55 der Generalversammlung der Vereinten Nationen über die Beseitigung aller Formen von Intoleranz und Diskriminierung aufgrund der Religion und der Überzeugung vom 25.11.1981 hinzuweisen, in der gleichfalls zum Ausdruck kommt, dass das Recht auch auf öffentliche Religionsausübung und religiöse Praxis als fundamentales Menschenrecht allgemein anerkannt ist (vgl. zu den verschiedenen Formen öffentlicher religiöser Praktiken Marx, Handbuch für die Flüchtlingsanerkennung, § 17 Rdn. 12).

Ist hiernach der Schutzbereich der Religion weit zu verstehen, so bietet die Vorschrift keinen Anhalt für ein von vornherein einengendes Verständnis, wonach nicht jede Form der öffentlichen Glaubensbetätigung geschützt sei, sondern nur die aus dem jeweiligen religiösen Verständnis glaubensprägenden beziehungsweise unverzichtbar gebotenen und existentiellen Betätigungen gemeint sein könnten. Dies folgt insbesondere nicht aus dem den Art. 10 Abs. 1 lit. b QRL abschließenden Satzteil "...die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind." Das Gegenteil folgt schon aus der Weite des Begriffs "sich auf eine religiöse Überzeugung stützen", der - insoweit nahe liegend - verlangt, dass die jeweils zu beurteilende Betätigung auf einer religiösen Überzeugung beruhen muss bzw. auf diese zurückgeführt werden kann, ohne aber zwingenden Charakter derart haben zu müssen, dass der oder die Betreffende im Falle des Unterlassens Gewissensnot erleiden oder sündig werden würde. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass Art. 10 Abs. 1 lit. b QRL ausdrücklich etwa auch die Nichtteilnahme an religiösen Riten schützt, somit die Entscheidung, sich religiöser Betätigungen gerade zu enthalten, indem Handlungen, die die Religion als Verhaltensweise zu bestimmten Anlässen vorgibt, gerade unterlassen werden (in diesem Sinne auch SaarlOVG, U.v. 26.06.2007 - 1 A 222/07 - juris).

Allerdings sind die vorgenannten menschenrechtlichen Gewährleistungen nicht schrankenlos eingeräumt. Sowohl Art. 18 IPbpR als auch Art. 9 EMRK differenzieren zwischen der grundsätzlich nicht beschränkbaren Freiheit, eine Religion eigener Wahl zu haben oder anzunehmen einerseits, sowie der Beschränkbarkeit der freien Religionsausübung (d.h. des Bekenntnisses) andererseits. Nach Art. 9 Abs. 2 EMRK (wie auch vergleichbar nach Art. 18 Abs. 3 IPbpR) darf die religiöse Betätigung Einzelner oder der Gemeinschaft allerdings nur zum Schutz der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung, der Gesundheit, der Sittlichkeit (Moral) und der Rechte und Freiheiten anderer verboten oder reglementiert werden, sofern dieses gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist. Dabei muss das verbietende bzw. einschränkende Gesetz allgemeiner Natur sein, d.h. es muss für alle Staatsbürger - gleich welcher religiösen Ausrichtung sie angehören - gleichermaßen Geltung beanspruchen, darf daher nicht auf bestimmte religiöse Gruppen zielen und ausschließlich für diese Einschränkungen vorsehen und muss v.a. einen angemessenen und verhältnismäßigen Ausgleich herbeiführen. Den jeweiligen Staaten wird dabei aber regelmäßig ein nicht unerheblicher Beurteilungsspielraum zugebilligt (vgl. zu alledem Meyer-Ladewig, EMRK, 2. Aufl., Art. 9 Rdn. 8 m.w.N. vgl. zu den jeweiligen Schrankenvorbehalten auch Marx, Handbuch des Flüchtlingsrechts § 17 Rdn. 24 f.).

Ausgehend hiervon liegt es nahe, diese universal anerkannten Grenzen der Religionsausübungsfreiheit auch zur Konkretisierung des Art. 10 lit. b QRL und seiner Grenzen sinngemäß heranzuziehen.

Die Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes setzt darüber hinaus voraus, dass eine flüchtlingsschutzrelevante Verfolgungshandlung des maßgeblichen Verfolgers (vgl. hierzu Art. 6 f. QRL) festgestellt werden kann, die allein oder in der Gesamtheit mit anderen Verfolgungshandlungen eine schwerwiegende Verletzung eines grundlegenden Menschenrechts ausmacht (vgl. Art. 9 Abs. 1 lit. a oder b QRL), wobei in Art. 9 Abs. 2 QRL beispielhaft verschiedene in Betracht zu ziehende Verfolgungshandlungen benannt werden. Erst an dieser Stelle erweist sich im jeweils konkreten Einzelfall, sofern auch die nach Art. 9 Abs. 3 QRL erforderliche Verknüpfung zwischen Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund festgestellt werden kann, ob der oder die Betreffende die Flüchtlingseigenschaft besitzt.

Auch wenn hiernach formal betrachtet gewissermaßen eine "bloße" oder "einfache" Beeinträchtigung eines Menschenrechts nicht schutzbegründend sein kann, so darf andererseits, wie dargelegt, nicht aus dem Auge verloren werden, dass Art. 10 Abs. 1 lit. a QRL Ausdruck einer Anerkennung bzw. eines Bekenntnisses zu dem grundlegenden Menschenrecht einer gerade auch öffentlichen Glaubensbetätigung ist. Deshalb wäre es nach Auffassung des Senats verfehlt, kurzschlüssig von einer flüchtlingsschutzrelevanten Verfolgungshandlung nur dann auszugehen, wenn die bisher im asylrechtlichen Kontext relevanten Kriterien eines asylerheblichen Eingriffs in das religiöse Existenzminimum erfüllt sind (vgl. etwa VG Sigmaringen, B.v. 24.10.2007 - A 6 K 1566/07). Bei dieser Sichtweise würde sich die Anerkennung dieses Menschenrechts in der Rechtswirklichkeit nicht durchsetzen und bliebe wirkungs- und folgenlos.

Daraus folgt, dass jedenfalls Beschneidungen bzw. Verbote öffentlicher Glaubensbetätigungen bzw. Praktiken, die nach dem Verständnis der jeweiligen Religion bzw. Weltanschauung, aber auch nach dem des einzelnen Flüchtlings von grundlegender Bedeutung sind, zur Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft führen können, sofern sie nicht in völkerrechtskonformer Ausübung der jeweiligen Schrankenregelungen erfolgen. Insbesondere kann hiernach den Betroffenen nicht angesonnen werden, diese zu unterlassen, um keine entsprechend vorgesehenen Sanktionen herauszufordern. Die Beschränkung auf lediglich grundlegende Betätigungen bzw. Äußerungen hat ihren Grund darin, dass, wie ausgeführt, nicht jede Beeinträchtigung des Menschenrechts die Qualität einer flüchtlingsschutzrelevanten Verfolgungshandlung erlangt, sondern nur eine solche schwerwiegender Art.

Ausgehend hiervon kann der Senat offen lassen, ob etwa die in Pakistan ausschließlich zu Lasten der Ahmadis geltenden strafbewehrten Verbote, sich in der Öffentlichkeit als Muslime zu bezeichnen und anderweitige in diesem Zusammenhang bestehende und hieran anknüpfende Diskriminierungen (vgl. hierzu etwa AA Lagebericht vom 30.05.2007, S. 14 ff. mit dem Hinweis auf über 1000 anhängige sog. Blasphemieverfahren; U.S. Department of State, Pakistan vom 14.09.2007, S. 2), das seit 1983 für Ahmadis geltende Verbot öffentliche Veranstaltungen, Konferenzen, Tagungen etc. durchzuführen sowie als Ahmadi an der Hajj nach Mekka teilzunehmen (vgl. U.S. Department of State, Pakistan vom 14.09.2007, S. 4 f.), das Verbot, in der Öffentlichkeit für den eigenen (islamisch begründeten) Glauben (friedlich) zu werben und diesen als solchen zu verkünden (vgl. U.S. Department of State, Pakistan vom 14.09.2007, S. 4) und die damit im Zusammenhang stehenden Verbote zahlreicher Publikationsorgane der Ahmadis (vgl. Home Office, Country of Origin Information Report Pakistan vom 20.04.2007, Ziffer 18.42) jedenfalls in ihrer Gesamtheit als flüchtlingsschutzbegründende Verfolgungshandlungen zu begreifen sind. Relevante Verfolgungshandlungen könnten sich in diesem Zusammenhang im Übrigen teilweise schon daraus ergeben, dass hier an die Religion anknüpfende, in die physische Freiheit eingreifende Strafsanktionen vorgesehen sind (vgl. BVerwG, U.v. 13.05.1993 - 9 C 49.92 - NVwZ 1993, 278), wobei allerdings für den Fall der Rückkehr einem nicht Verfolgten zur Vermeidung einer Strafsanktion zugemutet werden kann, nicht grundlegend bedeutsame öffentliche Betätigungen zu unterlassen (vgl. auch BVerfG, B.v. 01.07.1987 - 2 BvR 478/86 - BVerfGE 76, 143 <163 f.>.

Denn - nicht anders als im Falle des Asylgrundrechts (vgl. BVerfG, B.v. 01.07.1987 - E 76, 143 <160>) - gilt auch im vorliegenden Kontext, dass eine pauschale Betrachtung aller Angehörigen einer Religionsgemeinschaft nicht sachgerecht sein kann und daher ausscheiden muss. Es leuchtet unmittelbar ein, dass nach Maßgabe der jeweiligen religiösen Bindungen des einzelnen Asylsuchenden die Betroffenheit in dem Menschenrecht und daher dessen Beeinträchtigung überhaupt, jedenfalls aber deren Schwere völlig unterschiedliches Gewicht haben können.

Wie bereits unter II 2 ausgeführt, ist der Senat aber zu der Überzeugung gelangt, dass beim Kläger über seine bloße Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft hinaus engere und tiefer gehende Bindungen nicht vorhanden sind, weshalb er, wenn überhaupt, von den vorgenannten Verboten etc. nicht in einer schwer wiegenden Art und Weise betroffen ist. Mit Rücksicht auf diese Ausgangslage bestand für den Senat auch keine Veranlassung, dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag zu folgen, wonach die überwiegende Zahl der Ahmadis sich nur deshalb nicht in der Öffentlichkeit artikuliert, weil die angesprochenen Verbote bestehen. Der Senat hat keinen Anhalt dafür, dass der Kläger zu diesem Personenkreis rechnen könnte.

III. Da dem Kläger individuelle Verfolgungsgründe nicht geglaubt werden können, ist auch nicht erkennbar, dass ihm im Falle der Rückkehr Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG konkret drohen könnten.

Da auch der Senat von einer Mitgliedschaft des Klägers bei der Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya ausgeht, besteht keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung deshalb wieder zu eröffnen, weil dem Prozessbevollmächtigten die auf im Einzelnen nicht nachvollziehbarem Weg zu den Akten des Verwaltungsgerichts gelangte Bescheinigung über die Mitgliedschaft vom 01.02.2005 nicht bekannt war.

Die Berufung war daher insgesamt zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und einer entsprechenden Anwendung des § 162 Abs. 3 VwGO. Das Verfahren ist gem. § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Ende der Entscheidung

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