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Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 16.09.2004
Aktenzeichen: A 2 S 471/02
Rechtsgebiete: GG, AuslG
Vorschriften:
GG Art. 16 a Abs. 1 | |
AuslG § 51 Abs. 1 | |
AuslG § 53 Abs. 6 |
2. Die Gefahr einer an die (Vor-)Verfolgung durch das frühere irakische Regime anknüpfenden erneuten politischen Verfolgung durch die jetzige Regierung des Iraks ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auszuschließen. Politische Verfolgung wegen ungenehmigter Ausreise oder Asylantragstellung droht Betroffenen daher nicht (mehr).
3. Mit den Erlässen des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 21.11.2003 und 29.7.2004, wonach irakischen Staatsangehörigen Duldungen zu erteilen bzw. erteilte Duldungen zu verlängern sind, ist eine der Vorgabe in § 54 AuslG vergleichbare Erlasslage entstanden, die eine verfassungskonforme Anwendung von § 53 Abs. 6 AuslG ausschließt.
4. Die Gewährung von Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung von § 53 Abs. 6 AuslG ist auch nicht deshalb geboten, weil sich die Sicherheitslage und die Versorgungslage im Irak derzeit als äußerst angespannt darstellt. Denn eine dabei bestehende Gefährdung ist, auch wenn sie sich als außergewöhnlich ("extrem") darstellt, jedenfalls nicht landesweit gegeben.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil
In der Verwaltungsrechtssache
wegen Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG
hat der 2. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Strauß, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Vogel und die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schmitt-Siebert auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16. September 2004
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten und der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 19. März 2002 - A 12 K 10694/01 - teilweise geändert. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der Kosten des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten im ersten Rechtszug, die dieser selbst trägt. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger ist nach seinen Angaben am 11.2.1982 in Makhmour/Zentralirak geboren und irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Bei seiner Asylantragstellung am 1.3.2001 gab er an, nicht im Besitz von Personalpapieren zu sein.
Am 14.3.2001 wurde der Kläger beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge persönlich angehört. Er gab an, auf dem Landweg über die Türkei in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Der Schlepper habe ihm seinen Personalausweis in Istanbul abgenommen. Für die gesamte Ausreise habe er 3.500,-- Dollar bezahlt. Er habe den Irak verlassen müssen, weil ihm Verhaftung gedroht habe. Er habe zusammen mit einem Freund ein Geschäft betrieben, in dem Fenster, Türen und Wagen hergestellt worden seien. Sein Freund habe ohne sein Wissen über einen Offizier Eisenteile aus Armeebeständen und aus der Stromwirtschaft bezogen. Nachdem dies entdeckt worden sei, seien beide festgenommen worden und spurlos verschwunden. Auch gegen ihn sei ein Haftbefehl erlassen worden. Nachdem sein Vater am 15. oder 16.1.2001 festgenommen worden sei, hätten seine Verwandten Geld gesammelt und seine Ausreise ermöglicht. Sein Vater sei noch im Gefängnis des Geheimdienstes von Makhmour.
Mit Bescheid vom 10.5.2001 wurde der Asylantrag des Klägers abgelehnt und festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Zugleich wurde der Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen und ihm für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung in den Irak angedroht.
Der Kläger hat am 28.5.2001 Klage erhoben mit dem Antrag, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 10.5.2001 zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG - hilfsweise: Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG - vorliegen. Den angekündigten Antrag auf Verpflichtung der Beklagten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen, hat er in der mündlichen Verhandlung nicht wiederholt.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Der beteiligte Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten hat sich nicht geäußert.
Mit Urteil vom 19.3.2002 - A 12 K 10694/01 - hat das Verwaltungsgericht das Verfahren eingestellt, soweit die Klage hinsichtlich des Begehrens auf Asylanerkennung zurückgenommen worden war. Weiter hat es die Nrn. 2 und 4 des Bescheids des Bundesamts vom 10.5.2001 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Iraks festzustellen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne offen bleiben, ob der Kläger vorverfolgt ausgereist sei. Denn ihm drohe auf Grund von Nachfluchtgründen, nämlich seiner illegalen Ausreise aus dem Irak und der Asylantragstellung im Bundesgebiet, im Falle der Rückkehr in den Irak mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung. Auf die Schutzzone im Nordirak könne er nicht verwiesen werden, denn er stamme nicht von dort und habe dort auch keine Familienangehörigen, weshalb das wirtschaftliche Existenzminimum für ihn nicht gewährleistet sein würde. Auf die Möglichkeit der Aufnahme in ein vom UNHCR betriebenes Lager im Nordirak könne er nicht verwiesen werden, weil seine Existenz dort nicht gesichert sein würde.
Auf Antrag der Beklagten und des Beteiligten hat der Senat mit Beschluss vom 10.6.2002 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, soweit es die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und die angefochtene Abschiebungsandrohung betrifft.
Die Beklagte und der Beteiligte beantragen,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 19.3.2002 - A 12 K 10694/01 - zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung angehört worden. Wegen seiner Angaben wird auf die Anlage zur Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen. Dem Senat liegen die angefallenen Akten des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und die des Verwaltungsgerichts vor. Auf sie und auf die den Beteiligten überlassene Liste von Erkenntnismitteln und die in der mündlichen Verhandlung erfolgten ergänzenden Hinweise (s. Sitzungsniederschrift vom 16.9.2004) wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die vom Senat zugelassene Berufung der Beklagten und des beteiligten Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten, über die der Senat in deren Abwesenheit entscheidet (vgl. § 125 Abs. 1, § 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig (vgl. auch § 87b AsylVfG i. d. F. des Art. 3 Nr. 48 des Zuwanderungsgesetzes) und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen; denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten festzustellen, dass bei ihm die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen (dazu 1.), oder hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG (dazu 2.) vorliegen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
(1) Nach § 51 Abs. 1 AuslG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Der Begriff des Verfolgten im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG ist , was die Verfolgungsmaßnahmen, die geschützten Rechtsgüter und den politischen Charakter der Verfolgung angeht, mit dem entsprechenden Begriff in Art. 16a Abs. 1 GG identisch (vgl. BVerwG, Urteile vom 18.2.1992, Buchholz 402.25 § 7 AsylVfG Nr. 1 und vom 18.4.1994, NVwZ 1994, 497; vgl. ferner etwa Kanein/Renner, Ausländerrecht, 6. Aufl., § 51 AuslG RdNr. 9). Politische Verfolgung im Sinne vom Art. 16a Abs. 1 GG ist grundsätzlich staatliche Verfolgung durch Zufügung gezielter Rechtsverletzungen, die den Betroffenen ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989, BVerfGE 80, 315, 345; BVerwG, Urteil vom 22.3.1994, NVwZ 1994, 1112). Der Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG greift weitergehend aber auch dann ein, wenn etwa politische Verfolgung wegen eines unbeachtlichen Nachfluchtgrunds droht oder ein Asylanspruch an einer früher erlangten anderweitigen Sicherheit vor Verfolgung gemäß § 27 AsylVfG oder der Einreise aus einem sicheren Drittstaat nach § 26a AsylVfG scheitert (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.3.1992, Buchholz 402.25 § 5 AsylVfG Nr. 10).
Bei unverfolgt aus dem Heimatstaat ausgereisten Schutzsuchenden gilt der allgemeine Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im Abschiebungsverfahren nach § 51 Abs. 1 AuslG ebenso wie im Anerkennungsverfahren nach Art. 16a Abs. 1 GG (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.11.1992, InfAuslR 1993, 150). Dieser Prognosemaßstab enthält neben dem Element der Eintrittswahrscheinlichkeit auch das Element der zeitlichen Nähe des befürchteten Eingriffs (BVerwG, Urteil vom 14.12.1993, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 166). Von einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden oder - was gleichbedeutend ist - unmittelbaren Verfolgung ist dann auszugehen, wenn die für die Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 5.11.1991, BVerwGE 89, 162, 169 ff.). Dabei ist eine rein quantitative oder statistische Betrachtung nicht angezeigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.7.1991, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 146). Maßgebend ist letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit einer Rückkehr in den Heimatstaat; dieser bildet das vorrangige qualitative Kriterium, das bei der Beurteilung anzulegen ist, ob die Wahrscheinlichkeit einer Gefahr "beachtlich" ist. Die Möglichkeit einer Verfolgung im Heimatland muss derart greifbar sein, dass ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr nicht auf sich nimmt, wobei auch die Schwere des befürchteten Eingriffs in gewissem Umfang zu berücksichtigen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 5.11.1991, a.a.O.).
Wer demgegenüber bereits vor der Flucht vom Verfolgungsmaßnahmen betroffen oder unmittelbar damit bedroht war, ist nur dann nicht als politisch verfolgt anzusehen, wenn die Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen im Fall einer Rückkehr mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 2.7.1980, BVerfGE 54, 341, und vom 10.7.1989, BVerfGE 80, 315, 345; BVerwG, Urteil vom 25.9.1984, BVerwGE 70, 169, 171).
Der Kläger unterlag nach Überzeugung des Senats in seinem Heimatland bis zu seiner Ausreise nicht politischer Verfolgung.
Geht man von seinen Angaben aus, so geht der Entschluss des Klägers, sein Heimatland zu verlassen, auf die Befürchtung zurück, wegen von seinem ehemaligen Geschäftspartner zum Nachteil des irakischen Staates begangener Eigentumsdelikte ebenfalls bestraft zu werden. Der befürchteten Sanktion wäre schon kein Verfolgungscharakter zugekommen, der die Annahme einer sog. Vorverfolgung tragen könnte, denn sie hätte sich ausschließlich als staatliche Verfolgung kriminellen Unrechts dargestellt. Der Unrechtsgehalt der vorgeworfenen Tat wäre nicht durch einen Angriff auf ein politisches Rechtsgut geprägt gewesen.
Dem nach allem unverfolgt ausgereisten Kläger steht auch ein nach § 51 Abs. 1 AuslG zu berücksichtigender Nachfluchtgrund nicht zu. Denn für den Fall einer Rückkehr in den Irak drohen ihm asylrechtlich erhebliche Maßnahmen mit der zu fordernden beachtlichen Wahrscheinlichkeit nicht. Derzeit und für die nächste Zukunft ist eine politische Verfolgung des Klägers bei einer Rückkehr in den Irak ausgeschlossen.
Zwar kann mittlerweile nicht mehr davon die Rede sein, es fehle an einer irakischen Staatsmacht, die politische Verfolgung zurechenbar veranlassen könnte (so noch der Senat im Beschluss vom 26.4.2004 - A 2 S 172/02 -). Im jetzigen Zeitpunkt (vgl. dazu auch § 77 AsylVfG) und damit für das anhängige Asylverfahren ist von dem Vorhandensein einer staatlichen Macht im Irak auszugehen.
Staatlichkeit (und "Quasi-Staatlichkeit") im Sinne vom Art. 16a Abs. 1 GG ist im Zusammenhang mit dem Begriff des "politisch" Verfolgten zu betrachten und daher in Beziehung zu setzen zu der Frage, ob eine Maßnahme den Charakter einer politischen Verfolgung im Sinne des Art. 16a GG aufweist, vor der dem davon Betroffenen Schutz gewährt werden soll. Politische Verfolgung geht demnach von einem Träger überlegener, in der Regel hoheitlicher Macht aus, der der Verletzte unterworfen ist; politische Verfolgung ist demnach grundsätzlich staatliche Verfolgung (BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989, a.a.O., 333 ff.). Maßgeblich für die Bewertung einer Maßnahme als politische Verfolgung ist, dass der Schutzsuchende einerseits in ein übergreifendes, das Zusammenleben in der konkreten Gemeinschaft durch Befehl und Zwang ordnendes Herrschaftsgefüge eingebunden ist, welches den ihm Unterworfenen in der Regel Schutz gewährt, andererseits aber wegen asylerheblicher Merkmale von diesem Schutz ausgenommen und durch gezielt zugefügte Rechtsverletzungen aus der konkreten Gemeinschaft ausgeschlossen wird, was ihn in eine ausweglose Lage bringt, der er sich nur durch Flucht entziehen kann. Mit Blick auf eine Bürgerkriegssituation hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass sich die Frage, ob nach dem Fortfall der bisherigen Staatsgewalt von einer Kriegspartei politische Verfolgung ausgehen kann, maßgeblich danach beurteilt, ob diese zumindest in einem "Kernterritorium" ein solches Herrschaftsgefüge von gewisser Stabilität - im Sinne einer "übergreifenden Friedensordnung" (BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989, a.a.O., 334 ff.) -tatsächlich errichtet hat (so BVerfG, Beschluss vom 10.8.2000 - 2 BvR 260/98, 1353/98 -). Dieser rechtliche Ansatz, mit dem einem mehr staatsrechtlichen Verständnis (so BVerwG, Urteil vom 4.11.1997, BVerwGE 105, 306) entgegengetreten wird, ist auch in Übergangssituationen maßgeblich, in denen sich - wie hier - nach Auflösung der bisherigen Staatsmacht eine neue Herrschaftsordnung bildet. Auch Letztere ist danach zu beurteilen, ob sie eine im genannten Sinne "übergreifende Friedensordnung" geschaffen hat. Dies ist im Falle des Iraks zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) anzunehmen.
Die staatliche Macht, wie sie sich derzeit darstellt, ist nach Beendigung des Saddam-Regimes und einem zwischenzeitlichen "Machtvakuum" neu entstanden. Das ehemalige Regime hat seine politische und militärische Herrschaft durch die am 20.03.2003 unter der Führung der USA begonnenen Militäraktionen endgültig verloren (Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 06.11.2003 und vom 7.5.2004; Senat, Beschl. vom 27.01.2004 - A 2 S 1079/02 -; HessVGH, Beschl. vom 21.11.2003 - 10 UZ 984/03.A -; OVG Sachsen, Beschl. vom 28.08.2003 - A 4 B 573/02 -). Die Militäraktionen führten zur Auflösung der staatstragenden Organisationen und Institutionen dieses Regimes wie beispielsweise der Baath-Partei, der Armee und der Geheimdienste. Saddam Hussein selbst wurde festgesetzt, die meisten der an der Regierungsausübung beteiligten Angehörigen und eine Vielzahl an Funktionsträgern sind entmachtet. Nach Abschluss der Militäraktionen wurde eine "provisorische Behörde" (Coalition Provisional Authority - CPA) gebildet, die sich auf Kräfte der amerikanischen und britischen Armee sowie auf Militär- und Polizeikontingente weiterer 36 Staaten stützte (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 6.11.2003). Diese Behörde begann mit dem Neuaufbau einer Verwaltung, um die öffentliche Sicherheit und die Grundversorgung der Bevölkerung zu gewährleisten (Auswärtiges Amt, a.a.O.).
Als erster Schritt zum Aufbau einer Übergangsregierung wurde ein Regierungsrat (Transitory Governing Council) berufen, der sich aus Vertretern aller Bevölkerungsschichten, Ethnien und Glaubensrichtungen zusammensetzte und von einer unter den Ratsmitgliedern rotierenden Präsidentschaft geführt wurde. Der Übergangsrat hatte unter anderem die Aufgabe, eine neue Verfassung auszuarbeiten sowie allgemeine freie Wahlen vorzubereiten (dazu Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Berichte vom 7.8. und 6.12.2003.). Anfang September 2003 kam es zur Bildung eines 25-köpfigen Interimskabinetts, das dem politischen und religiösen Anteil des Übergangsrats entsprach. Dieser vereinbarte mit der CPA am 15.11.2003 die "Beschleunigung des politischen Prozesses", wobei u.a. die Verpflichtung der Vereinigten Staaten zur Beendigung der Besatzung zum 1.7.2004 vorgesehen wurde.
Mittlerweile ist am 1.7.2004 die irakische Übergangsregierung eingesetzt und eine Nationalversammlung einberufen, die ein künftiges Parlament bestimmen und Wahlen für Januar 2005 vorbereiten soll (FAZ vom 16.8.2004). Die Regierung Allawi hat die Geschäfte einer Übergangsregierung übernommen und leitet die Verwaltung des Landes - wenn auch dies alles im Rahmen einer noch nicht abgeschlossenen Anlaufphase erfolgt. Namentlich die staatliche Ordnungsmacht muss sich noch auf die Koalitionstruppen stützen, um den um die Teilhabe an der Macht kämpfenden Gruppierungen im Land zu begegnen. Der Übergangsrat hat sich Anfang Juni 2004 aufgelöst, nachdem er sich am 01.03.2004 auf eine Übergangsverfassung geeinigt hatte, die am 8.3.2004 unterzeichnet worden ist. In ihr bekennt sich der irakische Staat zu demokratischen Grundwerten, darunter Meinungs- und Religionsfreiheit (BNN vom 09.03.2004), und regelt u.a. die Staatsbürgerschaft, das Recht auf Wiedereinbürgerung (Art. 11) und Abschiebungsschutz für Flüchtlinge (Art. 19).
Die staatliche Souveränität ist - auch nach außen - gestärkt durch den einstimmigen Beschluss des UN-Sicherheitsrats vom 8.6.2004, der die Machtübergabe an eine souveräne Übergangsregierung im Irak zum 30.6.2004 hervorhebt und die Erklärung enthält, dass die neue Regierung des Iraks jederzeit die internationalen Truppen zum Abzug aufzufordern darf. Zwar ist ein Veto-Recht gegen US-geführte Militäreinsätze nicht vorgesehen, das Mandat hierfür läuft jedoch entsprechend der Resolution auf jeden Fall Ende Januar 2006 aus (NZZ vom 9.6.2004 und BNN vom 10.6.2004). Am 28.6.2004 hat die amerikanisch geführte Zivilverwaltung ihre Befugnisse an die irakische Übergangsregierung Allawi abgetreten. Diese nimmt die staatlichen Befugnisse nach Auflösung des Übergangsrats Anfang Juni 2004 auch wahr. So wurde u.a. (Die Welt vom 9.8.2004) am 7.8.2004 ein Amnestiegesetz unterzeichnet, das Straffreiheit für geringfügige Delikte regelt; ausgenommen sind Tötungsdelikte. Auch wurde (so Die Welt a.a.O.) die Todesstrafe wieder eingeführt für Morddelikte und Delikte gegen die Sicherheit des Landes. Ein bereits am 7.7.2004 unterzeichnetes Notstandsgesetz gibt der Regierung umfangreiche Vollmachten und namentlich die Möglichkeit, das Kriegsrecht zu verhängen (BZ vom 8.7.2004). Der Aufbau einer Ordnungsmacht ist in vollem Gang und Polizeikräfte des Iraks nehmen umfangreiche Ordnungs- und Sicherheitsmaßnahmen wahr, wie die Auseinandersetzung um die Stadt Nadjaf im August 2004 belegt. Die irakische Armee verfügt derzeit über sieben ausgebildete und einsatzbereite Bataillone (FAZ vom 16.8.2004). Nachdem auch formal als Folge der o.a. UN-Resolution eine Besetzung des Iraks seit dem 1.7.2004 nicht mehr gegeben ist, ist bei einer Gesamtwürdigung der aufgezeigten derzeitigen Verhältnisse im Irak insgesamt die Herausbildung einer irakischen Staatsgewalt als Grundvoraussetzung für eine ihr zurechenbare politische Verfolgung gegeben.
Diese Entwicklung darf der Senat auf der Grundlage der o.a. Erkenntnisse, auch soweit sie allgemeinkundige Tatsachen betreffen, hier verwerten. Denn es geht bei Letzteren um Tatsachen, von denen verständige und erfahrene Menschen in der Regel ohne weiteres Kenntnis haben oder von denen sie sich doch jederzeit durch Benutzen allgemein zugänglicher Quellen unschwer überzeugen können (zu dieser Voraussetzung BVerwG, Urteil vom 13.7.1982, NVwZ 1983, 99; Urteil vom 20.10.1992, BVerwGE 91, 104, 108 = NVwZ 1993, 275; vgl. auch BVerfG, Beschl. vom 7.11.1990 - 2 BvR 1566/87 -, InfAuslR 1991, 100, 102). Zwar ist eine Tatsache nicht schon dann allgemeinkundig, wenn sie in allgemein zugänglichen Medien - namentlich der Presse - veröffentlicht wird (dazu BVerfG, Beschl. vom 4.12.1991 - 2 BvR 675/91 -, NVwZ 1992, 561, 562). Indes ist hier zu berücksichtigen, dass sich der Zugang zu diesen Quellen angesichts des konkreten Bezugs der Beteiligten zur anstehenden Problematik nahezu aufdrängt. In Ergänzung dessen ist den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung zudem auch eine Presseübersicht aus neuerer Zeit ausgehändigt worden.
Dass sich mit Blick auf die aufgezeigte Entwicklung eine Wahrscheinlichkeit für eine politische Verfolgung des Klägers durch die irakische Staatsgewalt ergeben könnte, ist nicht erkennbar. Selbst wenn man zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass er den Irak als Vorverfolgter verlassen hat, wäre ihm Abschiebungsschutz grundsätzlich nur dann zu versagen, wenn eine Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen wäre (sog. herabgestufter Prognosemaßstab, vgl. BVerwG, Urt. vom 5.7.1994, NVwZ 1994, 500). Eine solche Wiederholung steht aber nicht in Rede. Sie und der damit anzuwendende Prognosemaßstab setzen eine Verknüpfung zwischen erlittener und künftig drohender Verfolgung für die Frage der Schutzgewährung voraus (vgl. OVG NW, Urt. vom 14.8.2003 - 20 A 430/02. A -). Eine situationsbedingte Vorverfolgung führt nur bei der Gefahr der Wiederholung einer gleichartigen Verfolgung zur Anwendung des herabgestuften Maßstabs. Der herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist nur dann anzuwenden, wenn bei einer am Gedanken der Zumutbarkeit der Rückkehr ausgerichteten wertenden Betrachtung ein innerer Zusammenhang zwischen erlittener Vorverfolgung und der mit dem Asylbegehren geltend gemachten Gefahr erneuter Verfolgung dergestalt besteht, dass bei Rückkehr des Asylsuchenden mit einem Wiederaufleben der bereits einmal erlittenen Verfolgung zu rechnen ist oder nach den gesamten Umständen das Risiko der Wiederholung einer gleichartigen Verfolgung besteht. Ist die (vermutete) politische Überzeugung oder Gesinnung des Asylsuchenden Anknüpfungspunkt der Verfolgung, ist zu prüfen, ob eine darauf beruhende Vorverfolgung auch unter veränderten politischen Verhältnissen - wie etwa bei einem Regimewechsel - ein Wiederholungsrisiko indiziert (BVerwG, Urt. vom 18.2.1997, BVerwGE 104, 97).
Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Vor einer Verfolgungswiederholung aus Gründen, die den Anlass zu der behaupteten Vorverfolgung gegeben haben sollen, ist der Kläger hinreichend sicher. Es sind keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Kläger im Falle einer Rückkehr in den Irak in Anknüpfung an die ihm zur Last gelegten Vorgänge - ihren "politischen" Charakter als gegen das Regime Saddam Husseins gerichtetes oder von diesem so gewertetes Verhalten unterstellt - von der neu gebildeten Staatsgewalt Übergriffe zu besorgen hätte. Vielmehr ist es mehr als überwiegend wahrscheinlich, dass dem Kläger in Anknüpfung an das bisher Vorgetragene durch die jetzige Staatsgewalt keine asylrelevanten Nachteile drohen, eine Wiederholungsgefahr mithin mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist (vgl. dazu auch BVerwG, Urteil vom 11.2.2004 - 1 C 23.02 -; Urteil vom 24.2.2004 -1 C 24.02 -). Gleiches gilt für die Bewertung des ungenehmigten Auslandsaufenthaltes und der Asylantragstellung. Es ist nicht zu erkennen, dass der irakische Staat in seiner jetzigen Herrschaftsform diese Umstände zum Anlass für asyl- bzw. abschiebungsrelevante Verfolgungsmaßnahmen nehmen wird (vgl. dazu auch Nds.OVG, Beschl. vom 30.3.2004, AuAS 2004, 13, 14). Etwa drohende strafrechtliche Ermittlungen oder die Ahndung kriminellen Unrechts in Anknüpfung an Vorgänge vor der Ausreise wären in diesem Zusammenhang - wie oben dargelegt - ohnehin bedeutungslos.
(2) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG.
Ein Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 1 bis Abs. 4 AuslG erfordert eine von einem Staat oder einer staatsähnlichen Organisation ausgehende konkret-individuell drohende Gefahr. Daran fehlt es, da - wie oben dargelegt -Anhaltspunkte für vom irakischen Staat ausgehende Gefahren im Sinne der genannten Bestimmungen (vgl. BVerwG, Urt. vom 27.4.1998, NVwZ 1998, 973 und vom 15.4.1997, BVerwGE 104, 265) nicht gegeben sind.
Dem Kläger drohen bei einer unterstellten Rückkehr auch keine landesweiten Gefahren, die ein Abschiebungshindernis unmittelbar nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG begründen. Danach kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Für die Annahme einer solchen Gefahr genügt nicht die lediglich denkbare Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in die genannten Rechtsgüter zu werden. Gefordert ist vielmehr die beachtliche Wahrscheinlichkeit eines derartigen Eingriffs. Die Annahme einer "konkreten" Gefahr setzt - wie durch Satz 2 der Bestimmung deutlich wird - eine einzelfallbezogene, individuell bestimmte und erhebliche Gefährdungssituation voraus, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie vom Staat ausgeht oder ihm zugerechnet werden muss (vgl. BVerwG, Urt. vom 17.10.1995, BVerwGE 99, 324; Urt. vom 12.7.2001, BVerwGE 115, 1, 7 ff. und neuerdings Urt. vom 16.6.2004 - 1 C 27.03 -). Einen solchermaßen bestimmten Sachverhalt, der ein Abschiebungshindernis nach diesen Voraussetzungen erfüllen könnte, hat der Kläger nicht vorgetragen.
Auch bei der allgemeinen unsicheren Lage, den terroristischen Anschlägen und den wirtschaftlich schlechten Lebensumständen, handelt es sich um Gefahren allgemeiner Art, die nicht zum Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 AuslG führen, weil ihnen die gesamte Bevölkerung des betroffenen Landes -wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - ausgesetzt ist. Individuelle Gefährdungen des Ausländers, die sich aus allgemeinen Gefahren im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG ergeben, können auch dann nicht als Abschiebungshindernis unmittelbar nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG berücksichtigt werden, wenn sie durch Umstände in der Person oder in den Lebensverhältnissen des Ausländers begründet oder verstärkt werden, aber nur typische Auswirkungen der allgemeinen Gefahrenlage sind (BVerwG, Urt. vom 8.12.1998, BVerwGE 108, 77).
Handelt es sich um allgemeine Gefahren, denen aber die gesamte Bevölkerung ausgesetzt ist, können sie im Grundsatz nur entsprechend der Regelung in § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG aufgrund einer Entscheidung der obersten Landesbehörde nach § 54 AuslG zur Aussetzung der Abschiebung führen. Mit dieser Regelung soll nach dem Willen des Gesetzgebers erreicht werden, dass dann, wenn eine bestimmte Gefahr der ganzen Bevölkerung oder einer Bevölkerungsgruppe (als abgrenzbarer Teil der Bevölkerung) gleichermaßen droht, über deren Aufnahme oder Nichtaufnahme nicht im Einzelfall durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) und eine Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde, sondern für die ganze Gruppe der möglicherweise Betroffenen einheitlich durch eine politische Leitentscheidung der obersten Landesbehörden, gegebenenfalls im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, entschieden wird (vgl. BVerwG, Urt. vom 17.10.1995, BVerwGE 99, 324, 327; Urt. vom 27.4.1998, NVwZ 1998, 973 und Urt. vom 8.12.1998, BVerwGE 108, 77, 80). Diese gesetzgeberische Kompetenzentscheidung ist für das genannte Bundesamt und die Verwaltungsgerichte wegen der verfassungsrechtlichen Vorgabe in Art. 20 Abs. 3 GG regelmäßig bindend (vgl. BVerwG, Urt. vom 12.7.2001, BVerwGE 114, 379).
Auch ein Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses auf der Grundlage einer verfassungskonformen Anwendung von § 53 Abs. 6 AuslG besteht nicht.
Ausnahmsweise dürfen das Bundesamt und die Verwaltungsgerichte im Einzelfall Ausländern, die zwar einer gefährdeten Gruppe im Sinne von § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG angehören, für welche aber ein Abschiebestopp nach § 54 AuslG nicht besteht, Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Handhabung des § 53 Abs. 6 AuslG zusprechen, wenn die Abschiebung wegen einer außergewöhnlichen Gefahrenlage im Zielstaat Verfassungsrecht verletzen würde. Das ist der Fall, wenn der Ausländer in Folge einer Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde. Dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 GG als Ausdruck eines menschenrechtlichen Mindeststandards, jedem betroffenen Ausländer trotz Fehlens einer Ermessensentscheidung nach §§ 53 Abs. 6 Satz 2, 54 AuslG Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zu gewähren. Gleiches folgt mit Rücksicht auf das gesetzliche Schutzkonzept auch dann, wenn der Abschiebung zwar anderweitige - nicht unter § 53 Abs. 1, 2, 4 und Abs. 6 Satz 1 AuslG oder § 54 AuslG - fallende Hindernisse entgegenstehen, diese aber keinen gleichwertigen Schutz bieten.
Gleichwertig ist ein anderweitiger Schutz nur, wenn er dem entspricht, den der Ausländer bei Vorliegen eines Erlasses nach § 54 AuslG hätte oder den er bei Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG erreichen könnte. Anderweitiger vergleichbarer Schutz vor Abschiebung besteht ferner dann, wenn der Ausländer im entscheidungserheblichen Zeitpunkt bereits im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung als eines weiterreichenden Titels zum legalen Aufenthalt oder zumindest einer Duldung ist, die aus asylverfahrensunabhängigen Gründen erteilt worden ist und deren Schutzwirkung nicht hinter der einer gesetzlichen Duldung nach § 41 AsylVfG zurückbleibt. Dies dient auch der Verfahrens- und Prozessökonomie, das Bundesamt und die Gerichte von der -u.U. aufwändigen - Prüfung einer extremen Gefahrenlage zu entlasten, wenn der Aufenthalt des Ausländers wegen eines anderweitigen Bleiberechts oder Abschiebungshindernisses ohnehin nicht in engem zeitlichem Zusammenhang mit dem negativen Abschluss des Asylverfahrens beendet werden kann.
Ein Durchbrechen der Sperrwirkung des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG ist unter dem Gesichtspunkt der Gleichwertigkeit demnach nicht zulässig, wenn ebenso wie bei einem Erlass nach § 54 AuslG eine entsprechende sonstige Erlasslage besteht. Für diese ist ebenso wie bei § 54 AuslG nur maßgebend, ob sie besteht und anwendbar ist. Ein Durchbrechen der o.g. Sperrwirkung ist ferner nicht zulässig, wenn der Betroffene einen Abschiebungsschutz besitzt, den er bei unmittelbarer Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG erreichen könnte. Wird ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG festgestellt, ist die Abschiebung in den betreffenden Staat - ohne Aufhebung der Androhung und der Ausreispflicht -in widerruflicher Weise für die Dauer von zunächst drei Monaten ausgesetzt (§ 41 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 AsylVfG); nach Ablauf von drei Monaten entscheidet die Ausländerbehörde - unter Beachtung der Bindungswirkung der Entscheidung zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG nach § 42 AsylVfG - über die Erteilung einer Duldung (§ 41 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG) (zum Ganzen vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 12.7.2001, BVerwGE 114, 379 f. = NVwZ 2001, 1420 f., m.w.N. zur Rspr. des Gerichts).
Ein danach gleichwertiger Abschiebungsschutz besteht im Falle des Klägers auf der Grundlage der baden-württembergischen Erlasslage. Nach dem Beschluss der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren vom 21.11.2003 (abgedruckt u.a. in Asylmagazin 2003, 15) hat eine freiwillige Rückkehr in den Irak Vorrang vor der zwangsweisen Rückführung dorthin, von der erst nach Schaffung eines abgestimmten Konzepts des Bundes mit den Ländern Gebrauch gemacht werden soll. Dem Rechnung tragend hat das Innenministerium Baden-Württemberg durch Erlass vom 27.11.2003 (4-13-IRK/12) entschieden, dass irakischen Staatsangehörigen Duldungen erteilt werden bzw. ausgesprochene Duldungen verlängert werden.
Einen entsprechenden Beschluss hat die Konferenz der Innenminister und -senatoren in ihrer Sitzung vom 7. und 8. Juli 2004 gefasst, für dessen Umsetzung das Innenministerium Baden-Württemberg mit Erlass vom 29.7.2004 (4-13-IRK/12) eine weitere Regelung getroffen hat. Danach ist eine freiwillige Rückkehr in den Irak grundsätzlich möglich und zumutbar und es kommt daher die Erteilung und Verlängerung von Aufenthaltsbefugnissen nach § 30 Abs. 3 und Abs. 4 AuslG in der Regel nicht mehr in Betracht. Jedoch können Duldungen weiterhin für jeweils drei Monate verlängert werden. Sobald Rückkehrmöglichkeiten gegeben seien, wird das Innenministerium darüber informieren. Da sich die Frage nach der Gleichwertigkeit auf den Abschiebungsschutz bezieht (und beschränkt), ist es rechtlich unerheblich, dass die Erlasslage auch von der Möglichkeit der freiwilligen Rückkehr der Betroffenen in den Irak ausgeht und deshalb die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis für Betroffene ausschließt. Folgt aus dem Nachrang der verfassungskonformen Anwendung von § 53 Abs. 6 AuslG deren Nichtanwendung dann, wenn der Ausländer bereits eine den vergleichbar wirksamen Abschiebungsschutz vermittelnde Duldung besitzt oder diese ihm auf Grund der ausländerrechtlichen Erlasslage gewährt wird oder gewährt werden muss, so kommt es nicht darauf an, ob der Schutz auf rechtlichen - insbesondere inlandsbezogenen - Abschiebungshindernissen, die auch die Zumutbarkeit der freiwilligen Rückkehr ausschließen, oder lediglich auf faktischen Abschiebungshindernissen beruht. Denn auch der auf § 54 AuslG beruhende Abschiebungsschutz umfasst keine Feststellung zur Zumutbarkeit einer freiwilligen Rückkehr, da er nach politischem Ermessen gewährt wird. Abschiebungsschutz in diesem Sinn kann auch dann gewährt werden, wenn dieser weder einfachgesetzlich noch verfassungsrechtlich zwingend geboten ist.
Der nach allem entscheidungserhebliche gleichwertige Abschiebungsschutz ist entsprechend der o.a. Erlassregelung gewährleistet, nach der irakischen Staatsangehörigen mit Blick auf die derzeitigen Verhältnisse in ihrem Heimatland eine dreimonatige Duldung zu erteilen ist. Der hiervon gleichfalls erfasste Kläger steht im rechtlichen Ergebnis deshalb nicht schlechter als er im Falle der Gewährung von Abschiebungsschutz durch einen Erlass nach § 54 AuslG stünde. Dann hätte ein auf § 53 Abs. 6 AuslG in verfassungskonformer Anwendung gestütztes Feststellungsbegehren zwar keinen Erfolg, indes wäre eine Rechtsschutzlücke nicht gegeben. Sollte der durch die in Rede stehende Erlasslage vermittelte Abschiebungsschutz entfallen, kann der Betroffene unter Berufung auf eine extreme Gefahrenlage jederzeit ein Wiederaufgreifen des Verfahrens fordern. Bis zu einer Entscheidung des Bundesamts darf die Abschiebung nur vollzogen werden, wenn der Betroffene zuvor Gelegenheit zur Inanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen (Eil-)Rechtsschutzes hatte (dazu BVerwG, Urt. vom 12.7.2001, a.a.O., m.w.N.). Ist davon auszugehen, dass ein gleichwertiger Abschiebungsschutz hier gegeben ist, kann offen bleiben, ob dieser auch dem aus § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG folgenden (gleichwertig) entspricht. Jedenfalls scheidet eine Feststellung eines Abschiebungshindernisses in verfassungskonformer Anwendung von § 53 Abs. 6 AuslG aus.
Sie kommt unabhängig davon auch deshalb nicht in Betracht, weil eine außergewöhnliche ("extreme") Gefahrenlage für den Fall der Rückkehr des Klägers in den Irak nicht festgestellt werden kann.
Ob von einer solchen Lage auszugehen ist, ist nach den Verhältnissen des Landes zu beurteilen, in das abgeschoben werden soll (BVerwG, Urt. vom 12.7.2001, a.a.O.). Diese Verhältnisse sind landesweit in Blick zu nehmen. Auch wenn man erhebliche Gefährdungsmomente für einen zurückkehrenden Iraker annehmen würde, wäre diese Gefahrenlage indes nicht im gesamten Land anzunehmen. Dass allein der Schluss erlaubt sei, im Falle der Abschiebung irakischer Staatsangehöriger würden diese gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen oder mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungerstod ausgeliefert (s. dazu das bereits oben genannte Urteil des BVerwG vom 12.7.2001, a.a.O., m.w.N.), lässt sich nicht feststellen.
Nicht zu verkennen ist allerdings, dass die Sicherheitslage im Irak äußerst angespannt ist und Gewaltakte, wie der täglichen Berichterstattung durch die Medien zu entnehmen ist, an der Tagesordnung sind (Auswärtiges Amt <im Folgenden AA>, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Irak vom 7.5.2004; Süddeutsche Zeitung vom 30.6.2004). Auch die Kriminalität - vor allem in den Städten - hat zugenommen, wenn auch Polizei-und Ordnungskräfte begrenzte Erfolge im Kampf gegen die allgemeine Kriminalität aufweisen können (AA vom 7.5.2004). Ferner zeigt der innerirakische politische Machtkampf, dass eine erhebliche Gewaltbereitschaft besteht, wenn es um die zukünftige Teilhabe an der Regierungsmacht geht. Der mäßigende Einfluss des schiitischen Führers Sistani, dem es gelang, die Auseinandersetzungen in Nadjaf zu beenden, ist bislang selbst bei den Schiiten des Landes nicht uneingeschränkt wirksam. Zunehmend ist auch die Zahl der gewalttätigen terroristischen Auseinandersetzungen, die irakischen, aber auch ausländischen Gruppen zugeschrieben werden, und die zunehmend auch im anfänglich stabilen Norden des Landes erfolgen (UNCHR, UNHCR-Position zur Rückkehrgefährdung irakischer Schutzsuchender vom März 2003).
Indes lässt sich nicht feststellen, dass Terror und Gewalt landesweit erfolgen. Vielmehr sind es vorwiegend wirtschaftlich bedeutsame Objekte und lokale Bereiche, die von gewalttätigen terroristischen Anschlägen betroffen sind. So sind es vor allem die Besatzungstruppen, die mit ihnen zusammenarbeitenden Politiker und sonstige irakische Staatsangehörige, die mit Racheakten zu rechnen haben. Namentlich auch die neu gebildeten irakischen Polizeikräfte sind immer mehr Ziel von Anschlägen (AA vom 7.5.2004; Die Welt vom 16.4.2004). Auszugehen ist daher von - wenn auch erheblichen - Auseinandersetzungen gewaltsamer Art, die aber als noch regional begrenzt anzusehen sind und namentlich die größeren Städte oder Orte mit exponierten Einrichtungen betreffen, jedenfalls aber nicht als landesweit bestehende Gefahrenlage zu beurteilen sind. Auch fällt auf, dass erkennbares Ziel von Anschlägen vor allem herausragende Persönlichkeiten (prominente Politiker und Geistliche) bzw. besondere Einrichtungen sind (FAZ vom 14.6.2004). Dass die Folgen solcher gewalttätigen Auseinandersetzungen und Anschläge die Bevölkerung gleichsam "blind" (mit-)treffen können, ist in Betracht zu ziehen, trägt allerdings die Annahme einer landesweit bestehenden extremen Gefahrenlage nicht (ebenso Nds. OVG, Beschluss vom 30.3.2004, aaO).
Auch die Versorgungslage im Irak stellt sich nicht als extrem existenziell gefährdend dar. Die Lebensmittelversorgung ist seit der Wiederaufnahme des "Oil-for-Food"-Programms nach den Kriegshandlungen wieder gewährleistet, auch wenn Millionen von Menschen auf fremde Hilfe angewiesen bleiben (AA vom 7.5.2004). Die Stromversorgung leidet zwar zunehmend unter den Anschlägen auf die Elektrizitätswerke (FAZ vom 21.6.2004) und wird - wie die mit ihr zusammenhängende Trinkwasserversorgung - als kritisch bezeichnet, ohne dass indes von einer "existenziellen Gefährdung" ausgegangen werden kann (AA vom 7.5.2004). Eine befürchtete "humanitäre Katastrophe" ist ausgeblieben, wobei die Lage im Nordirak wegen der dort vorhandenen Verwaltungsstrukturen besser ist als im Süden des Landes und im Zentralirak. Die medizinische Grundversorgung ist möglicherweise nicht im Einzelfall, aber dem Grunde nach gewährleistet (AA vom 7.5.2004).
Unter den genannten Umständen, dass einerseits die möglicherweise extreme Gefahrenlage nicht landesweit besteht und andererseits die Versorgungslage als zwar angespannt aber nicht existenziell gefährdend zu beurteilen ist, kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger bei einer Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein würde. Dies würde unabhängig davon gelten, ob es ihm gelingen würde, im Nordirak Fuß zu fassen, oder ob er gezwungen wäre, in sein Herkunftsgebiet im Zentralirak zurückzukehren.
Auch die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamts sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (vgl. dazu §§ 34, 38 AsylVfG i.V.m. § 50 AuslG).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 (entspr.) VwGO, § 83b AsylVfG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
Ende der Entscheidung
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