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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 19.01.2006
Aktenzeichen: A 5 S 51/06
Rechtsgebiete: VwGO, AsylVfG


Vorschriften:

VwGO § 84 Abs.1
VwGO § 101 Abs. 2
VwGO § 138 Nr. 3
AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 3
1. Erklärt ein Beteiligter sein "Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid", so stellt diese Erklärung kein Einverständnis i. S. des § 101 Abs. 2 VwGO dar, die das Gericht zu einer Entscheidung durch Urteil im schriftlichen Verfahren berechtigte.

2. Ein solches Urteil verletzt den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs i. S. von § 138 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

A 5 S 51/06

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 5. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schnebelt und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Schefzik und Albers

am 19. Januar 2006

beschlossen:

Tenor:

Auf den Antrag des Klägers wird die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 07.12.2005 - A 17 K 12642/03 - zugelassen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Gründe:

Der auf Verletzung des rechtlichen Gehörs gestützte Zulassungsantrag (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat über die Klage gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entschieden, da es davon ausgegangen ist, dass die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben. Zwar hat das Gericht mit Schreiben vom 15.11.2005 - unter Übersendung der Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Kinshasa vom 31.10.2005 - angefragt, ob auf mündliche Verhandlung verzichtet wird. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 01.12.2005 hat der Kläger allerdings nur erklärt, dass "Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid" bestehe. Auch wenn § 84 Abs. 1 VwGO das Einverständnis für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung nicht verlangt - die Beteiligten sind nach § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO vorher nur zu hören -, kann die Einverständniserklärung des Klägers im Schriftsatz vom 01.12.2005 wegen der erfolgten Einschränkung "durch Gerichtsbescheid" nicht als Zustimmung zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren i. S. des § 101 Abs. 2 VwGO verstanden werden. Denn bei einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid können die Beteiligten nach § 84 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (alternativ) auch mündliche Verhandlung beantragen und nicht nur Zulassung der Berufung, wie dies bei einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 101 Abs. 2 VwGO allein in Betracht kommt. Dass auch in Asylrechtsstreitigkeiten eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid möglich ist, bestätigt die Regelung des § 78 Abs. 7 AsylVfG, wonach ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 VwGO innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben ist.

Ein verwaltungsgerichtliches Urteil, das - wie hier mangels Einverständniserklärung nach § 101 Abs. 2 VwGO - ohne die gebotene mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 1 VwGO) ergangen ist, verletzt das Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs im Sinne des § 138 Nr. 3 VwGO (i.V.mit § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG), ohne dass es darauf ankommt, was der Beteiligte noch hätte vortragen wollen und ob dies erheblich gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.02.2003 - 8 C 1.02 - NVwZ 2003, 1129 und v. 25.11.1999 - 4 CN 17.98 - NVwZ 2000, 813 sowie P. Schmidt in Eyermann, VwGO, 11.Aufl., Rdnr. 18 zu § 138).

Ende der Entscheidung

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