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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 07.12.2009
Aktenzeichen: 1 S 1342/09
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 146
VwGO § 158
VwGO § 161 Abs. 2
Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist bei Erledigung der Hauptsache zwischen den Instanzen ein Rechtsschutzinteresse für eine Beschwerde in der Regel zu verneinen.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

1 S 1342/09

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Ausreiseuntersagung

hier: vorläufiger Rechtsschutz

hat der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg am 7. Dezember 2009 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 4. April 2009 - 11 K 1300/09 - wird verworfen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die gemäß § 122, § 56 Abs. 1, § 57 Abs. 1 und § 147 Abs. 1 VwGO fristgerecht nach Zustellung des mit Gründen versehenen Beschlusses am 08.06.2009 erhobene Beschwerde der Antragsgegnerin ist unzulässig. Ihr fehlt das Rechtsschutzinteresse; denn im Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde hatte sich der Rechtsstreit auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die von der Antragsgegnerin aus Anlass des NATO-Gipfeltreffens verfügte Ausreiseuntersagung nach Ablauf ihrer Geltungsdauer am 05.04.2009 bereits in der Hauptsache erledigt. Von der Möglichkeit, schon zuvor gegen den durch schriftliche Übermittlung des Entscheidungsausspruchs am 04.04.2009 in beschwerdefähiger Weise erlassenen Beschluss Beschwerde einzulegen, hat die Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren im Unterschied zu Parallelverfahren nicht Gebrauch gemacht.

Bei der Erledigung der Hauptsache "zwischen den Instanzen" im Klageverfahren - nach Erlass der Entscheidung und vor Ablauf der Rechtsmittelfrist - ist anerkannt, dass dem unterliegenden Beteiligten die Möglichkeit eröffnet ist, eine Erledigungserklärung nicht nur bei offener Rechtsmittelfrist gegenüber dem entscheidenden Gericht, sondern nach Einlegung eines Rechtsmittels - wegen des Devolutiveffekts dann aber nur - in der Rechtsmittelinstanz abzugeben; damit soll der Unsicherheit begegnet werden, ob auch der Gegner noch rechtzeitig - nämlich innerhalb der Rechtsmittelfrist und vor Rechtskraft der Entscheidung - für erledigt erklärt. Dabei kann allein der Wunsch nach einer Änderung der Kostenentscheidung nach der gesetzlichen Wertung des § 158 VwGO die Anrufung des Rechtsmittelgerichts allerdings nicht rechtfertigen. Für die Zulässigkeit eines solchen Vorgehens spricht indessen das Bedürfnis, ein Urteil, das keine Bedeutung mehr hat, für wirkungslos zu erklären (vgl. nur Seibert in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 124a Rn. 337 f. m.w.N.).

Diese für ein Urteil geltenden Erwägungen können indessen nicht ohne Weiteres auf einen Beschluss im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes übertragen werden. Denn ein Urteil nimmt - jedenfalls in aller Regel - für sich in Anspruch, die Rechtslage abschließend zu klären, so dass aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit eine gerichtliche Klarstellung der Unwirksamkeit der Entscheidung geboten sein mag. Daraus folgt das für die Zulässigkeit des Rechtsmittels - neben der ungeachtet der Erledigung fortbestehenden Beschwer (vgl. Meyer-Ladewig/Rudisile in: Schoch u.a. <Hg.>, VwGO, vor § 124 Rn. 48) - unabdingbare Rechtsschutzinteresse. Denn dieses Zulässigkeitserfordernis kann in dieser Situation gerade nicht aus der ansonsten mit dem Rechtsmittel zu erstrebenden Beseitigung der Beschwer begründet werden (siehe zum Geltendmachen der Beschwer i.S. eines Änderungsbegehrens etwa BGH, Urteil vom 20.10.1982 - IVb ZR 318/81 -, BGHZ 85, 140 <142>; Urteil vom 07.05.2003 - XII ZB 191/02 -, BGHZ 155, 21 <26>; BFH, Urteil vom 14.11.2000 - VII R 85/99 -, BFHE 193, 254 <juris 6>; Blanke in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, vor § 124 Rn. 73; Lange in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, FGO, vor §§115-134 Rn. 29; Rimmelspacher in: MünchKomm zur ZPO, Bd. 2, 3. Aufl. 2007, vor §§ 511 ff. Rn. 65 ff.). Das gilt dabei nicht nur für den unterlegenen Kläger, der seinen Antrag nicht mehr weiterverfolgt und dessen formelle Beschwer folglich bestehen bleibt. Denn auch der materiell beschwerte unterlegene Beklagte kann keine günstigere gerichtliche Entscheidung unter Aufhebung der angefochtenen mehr erreichen.

Ein Beschluss im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beruht demgegenüber - wiederum in aller Regel - auf einer nur summarischen Bewertung der Rechtslage, was im Übrigen eine Anwendung des in § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zum Ausdruck kommenden Rechtsgedankens ausschließt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.01.1995 - 7 VR 19.94 -, NVwZ 1995, 586 <587>). Ein schutzwürdiges Interesse an der gewünschten Klarstellung der Unwirksamkeit der angefochtenen Entscheidung durch das Rechtsmittelgericht mag zwar ungeachtet der geringeren Tragweite eines Beschlusses nicht von vornherein zu verneinen sein (siehe etwa OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 19.01.1983 - 11 B 195/82 -, GewArch 1983, 156 f.; regelmäßig anerkannt von OVG NRW, Beschluss vom 26.03.2003 - 8 B 82/03 -, NVwZ-RR 2003, 701; so auch Nds. OVG, Beschluss vom 02.12.2003 - 2 ME 368/03 -, NdsRpfl 2004, 86 <juris Rz. 4>; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 16.12.2002 - 13 S 1743/02 -, NVwZ-RR 2003, 392 und Sächs. OVG, Beschluss vom 20.08.2009 - 5 B 265/09 -, <juris Rz. 14>, jeweils m.w.N.; so auch Clausing in: Schoch u.a. <Hg.>, VwGO, § 161 Rn. 19 f.; Guckelberger in: Sodan/Ziekow, a.a.O., § 146 Rn. 42 a.E.; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, § 146 Rn. 42 a.E.). Im vorliegenden Fall ist jedoch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass vom Beschluss des Verwaltungsgerichts als solchem noch irgendwelche nachteiligen Wirkungen ausgehen, abgesehen von der insoweit unbeachtlichen Kostenfolge (vgl. OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 07.11.1986 - 1 E 15/86 -, DVBl 1987, 851 <852>; OVG NRW, Beschluss vom 31.05.2002 - 21 B 931/02 -, NVwZ-RR 2002, 875; Beschluss vom 20.03.2007 - 14 B 168/07 - <juris Rz. 1>; BayVGH, Beschluss vom 04.04.2007 - 19 C 07.572 - <juris Rz. 14>; Beschluss vom 25.02.2009 - 9 CS 08.2162 -, <juris Rz. 3 a.E.>; Bader, VwGO, 4. Aufl. 2007, § 158 Rn. 2; Eyermann/Rennert, VwGO, 12. Aufl. 2006; § 158 Rn. 4; Eyermann/J. Schmidt, VwGO, 12. Aufl. 2006; § 161 Rn. 12; siehe auch Nds. OVG, Beschluss vom 08.01.2007 - 7 ME 187/06 - <juris Rz. 9>).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 63 Abs. 2, § 47, § 53 Abs. 3 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar.



Ende der Entscheidung

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