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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 29.09.2009
Aktenzeichen: 1 S 1682/09
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO, VwV Reiseentschädigung


Vorschriften:

VwGO § 166
ZPO § 114
ZPO § 122
VwV Reiseentschädigung
Ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe an einen mittellosen Kläger mangels Erfolgsaussichten der Klage abgelehnt worden, kommt die Anordnung einer Reisekostenentschädigung zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung auf der Grundlage der Verwaltungsvorschrift Reiseentschädigung allenfalls dann in Betracht, wenn im Rahmen einer Gesamtabwägung aller Umstände festgestellt werden kann, dass die Anreise zum Termin auch bei einem bemittelten Beteiligten zur verständigen Wahrnehmung seiner Rechte als notwendig zu erachten ist; dabei ist neben dem Anwesenheitsinteresse des Klägers gerade auch die Bedeutung des verfolgten Begehrens zu gewichten.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

1 S 1682/09

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Verfassungsbeschwerde

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

am 29. September 2009

beschlossen:

Tenor:

Die Anträge des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren und auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 22. Juni 2009 - 3 K 3190/08 - werden abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

Der - gemäß § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO nicht dem Vertretungszwang unterliegende - Prozesskostenhilfeantrag hat keinen Erfolg. Gemäß § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung zu tragen, Prozesskostenhilfe, wenn die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Jedenfalls an der hinreichenden Erfolgsaussicht fehlt es im vorliegenden Fall. Denn aus dem Vorbringen des Klägers, der mangels anwaltlicher Vertretung zu den Zulassungsgründen nur in laienhafter Sicht vortragen und seine Einwendungen gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil nur in groben Zügen aufzeigen muss, kann nicht entnommen werden, dass die Berufung auf seinen Antrag zugelassen werden müsste. Ein Zulassungsgrund, insbesondere derjenige der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) oder ein Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), liegt aller Voraussicht nach nicht vor.

Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 - Nr. 4 VwGO ist hinsichtlich der das angegriffene Urteil tragenden Erwägungen zu den einzelnen Klaganträgen nicht ansatzweise erkennbar.

Zu Recht stellt das Verwaltungsgericht bezüglich der Klaganträge Ziff. 1 bis 3 darauf ab, dass insoweit der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nicht gegeben ist. Zur rechtsprechenden Tätigkeit des Bundesverfassungsgerichts gehört selbstverständlich auch die Frage, wie mit offensichtlich unzulässigen oder unbegründeten Verfassungsbeschwerden zu verfahren ist. Die vom Präsidenten oder vom Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts letztlich verantwortete - vorläufige - Eintragung einer Verfassungsbeschwerde in das Allgemeine Register (AR) nach § 60 Abs. 2 Buchst. a, § 61 Abs. 1, § 12 GOBVerfG ist demnach keine Verwaltungstätigkeit, bezüglich derer gem. § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist.

Einen Anspruch auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen Bedienstete des Bundesverfassungsgerichts (Klagantrag Ziff. 4) kann der Kläger nicht geltend machen. Vielmehr wird ein Disziplinarverfahren nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BDG von Amts wegen eingeleitet, sofern der Verdacht eines Dienstvergehens vorliegt, wofür hier im Übrigen gar nichts spricht. Eine gerichtliche Überprüfung der Entscheidung, nicht tätig zu werden, sieht das Gesetz nicht vor. Das Recht, die Einleitung eines Disziplinarverfahrens zu beantragen, steht demgegenüber gem. § 18 Abs. 1 Satz 1 BDG allein dem Beamten zu. Die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG gebietet keine andere Betrachtung. Der verfassungsrechtlich gebotene Rechtsschutz wird dadurch verwirklicht, dass der Bürger das Recht hat, gegen eine Maßnahme der öffentlichen Gewalt, die ihn in seinen Rechten verletzt, die Gerichte anzurufen. Ist dieses Rechtsschutzbegehren begründet, so hebt das Gericht die angefochtene Maßnahme auf oder verpflichtet den Hoheitsträger zu ihrer Rückgängigmachung. Mehr wird von Verfassung wegen nicht gefordert. Ein weitergehender Anspruch darauf, dass im Falle einer Rechtsverletzung auch der dafür verantwortliche Amtswalter disziplinarrechtlich zur Rechenschaft gezogen wird, ist daher nicht gegeben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31.08.1978 - 7 B 170.78 -, Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 170; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 15.11.1996 - D 17 S 21/96, NVwZ 1998, 422).

Ein Anspruch auf Übersendung einer Kopie der Geschäftsordnung des Bundesverfassungsgerichts (Klagantrag Ziff. 5) folgt aus dem Informationsfreiheitsgesetz - IFG - nicht und ist auch ansonsten nicht ersichtlich. Im Übrigen ist der Kläger ausweislich seiner Schriftsätze offensichtlich selbst in der Lage, sich juristische Informationen zu verschaffen.

Schließlich ist ein Verfahrensmangel (§124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) ebenso wenig dargetan.

Der Kläger sieht einen Verfahrensmangel darin, dass er an der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts nicht hat teilnehmen können. Das Verwaltungsgericht habe weder sein persönliches Erscheinen angeordnet, noch habe es die Übernahme seiner Reisekosten, die er wegen seiner Mittellosigkeit nicht habe tragen können, durch die Staatskasse angeordnet. Die damit geltend gemachte Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) ist allerdings nicht schon deswegen erfolglos, weil der Kläger nicht deutlich macht, welche entscheidungserheblichen Tatsachen er in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hätte. Denn solche Angaben sind nach der Rechtsprechung der Fachgerichte dann entbehrlich, wenn sich der geltend gemachte Gehörsverstoß - wie hier die unterbliebene Teilnahme an der mündlichen Verhandlung - auf das gesamte Verfahren bezieht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 02.11.1998 - 8 B 162.98 -, Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 285; BFH <Großer Senat>, Beschluss vom 03.09.2001 - GrS 3/98 -, BFHE 196, 39 <44, 46>; Seibert in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 124 Rn. 223, jeweils m.w.N.). Der Kläger zeigt indessen nicht ansatzweise auf, dass das Verwaltungsgericht prozessrechtliche Vorschriften falsch angewandt hat, die auch der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs oder eines fairen Verfahrens zu dienen bestimmt sind.

Die im Ermessen des Verwaltungsgerichts liegende Entscheidung über die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers nach § 95 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Denn eine solche Anordnung dient in erster Linie dem Interesse der weiteren Aufklärung des Sachverhalts (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 04.06.1982 - 7 B 173.81 -, Buchholz 310 § 95 VwGO Nr. 6; Rudisile in: Schoch u.a. <Hg.>, VwGO, § 95 Rn. 3, 7); insofern war die Anwesenheit des Klägers aber nicht geboten, da der entscheidungserhebliche Sachverhalt ausgehend von der beanstandungsfreien Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts geklärt war. Einem hiervon unabhängigen Anwesenheitsinteresse des Klägers musste das Verwaltungsgericht auch nicht angesichts der Unterbringung des Klägers im Maßregelvollzug (§ 63 StGB) durch die Anordnung nach § 95 Abs. 1 Satz 1 VwGO Rechnung tragen. Denn auch ohne eine solche Anordnung ist von den Vollzugsbehörden nach Maßgabe der einschlägigen Vorschriften (hier § 15 des Niedersächsischen Maßregelvollzugsgesetzes vom 01.06.1982 <GVBl. S. 131>; siehe auch § 11 Abs. 1 Nr. 2, § 12, § 36 StVollzG) darüber zu entscheiden, ob bei einem untergebrachten Kläger zum Zwecke der Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung die Lockerung des Vollzugs zuzulassen ist. Hierum hat sich der Untergebrachte zu kümmern (vgl. Rudisile in: Schoch u.a. <Hg.>, VwGO, § 95 Rn. 17; Geiger in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 95 Rn. 5; BayVGH, Beschluss vom 23.09.2002 - 15 ZB 99.30975 -, juris Rz. 4).

Auch mit der Ablehnung der vom Kläger beantragten Reisekostenentschädigung hat das Verwaltungsgericht die Teilnahme des Klägers an der mündlichen Verhandlung nicht in rechtswidriger Weise verhindert. Die Reisekosten eines Beteiligten können zwar in entsprechender Anwendung des § 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO im Rahmen der Prozesskostenhilfe übernommen werden (vgl. Zöller-Philippi, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 122 Rn. 26; Motzer in: MünchKomm zur ZPO, Bd. I, 3. Aufl. 2008, § 122 Rn. 9, jeweils m.N.). Insoweit hat das Verwaltungsgericht in seiner Verfügung vom 18.05.2009 indessen zu Recht darauf hingewiesen, dass der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bereits abgelehnt worden ist; für einen wiederholten Prozesskostenhilfeantrag besteht aber kein Rechtsschutzbedürfnis, wenn er auf denselben Lebenssachverhalt gestützt wird wie der vorausgegangene abschlägig beschiedene Antrag (vgl. BGH, Beschluss vom 03.03.2004 - IV ZB 43/03 -, NJW 2004, 1805 <1806 f.>). Auch angesichts der Regelung in der - bundeseinheitlich geltenden - Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums über die Gewährung von Entschädigungen an mittellose Personen und Vorschusszahlungen für Entschädigungen an Zeuginnen, Zeugen, Sachverständige, Dolmetscherinnen, Dolmetscher, Übersetzerinnen und Übersetzer, ehrenamtliche Richterinnen, ehrenamtliche Richter und Dritte (VwV Reiseentschädigung) in der damals geltenden Fassung vom 27.04.2006 (Justiz 2006, 245), die unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung Außenwirkung entfaltet, war eine positive Entscheidung nicht geboten. Dabei kann hier offen bleiben, ob diese Verwaltungsvorschrift neben den gesetzlichen Bestimmungen über die Prozesskostenhilfe überhaupt anwendbar ist und ob insoweit ein Gleichlauf mit den Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe jedenfalls in Bezug auf das Erfordernis der hinreichenden Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung besteht (siehe hierzu BVerwG, Beschluss vom 19.02.1997 - 3 PKH 1.97 -, Buchholz 310 § 166 VwGO Nr. 37; BFH, Beschluss vom 29.11.1997 - III B 21/07 -, juris Rz. 4; OVG NRW; Beschluss vom 26.11.2008 - 20 E 1289/07 -, NJW 2009, 871; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11.08.2008 - 3 M 52.08 -, NJW 2009, 388). Denn selbst wenn - im Interesse des Äußerungsrechts in der mündlichen Verhandlung als des Mittelpunkts des gerichtlichen Verfahrens - hier auf eine strikte Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussicht grundsätzlich verzichtet wird (vgl. etwa BayVGH, Beschluss vom 07.03.2006 - 25 ZB 05.31119 -, NJW 2006, 2204, OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13.09.2006 - 1 O 169/06 -, juris Rz. 2; Neumann in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 166 Rn. 164), ist die Entschädigung gleichwohl nicht ohne Weiteres für jegliche Rechtsstreitigkeit zu gewähren. Vielmehr ist im Rahmen einer Gesamtabwägung aller Umstände zu prüfen, ob die Anreise zum Termin auch bei einem bemittelten Beteiligten zur verständigen Wahrnehmung seiner Rechte als notwendig zu erachten ist; dabei ist neben dem Anwesenheitsinteresse des Klägers gerade auch die Bedeutung des verfolgten Begehrens zu gewichten (vgl. etwa LSG Bad.-Württ., Beschluss vom 21.03.2007 - L 7 SO 258/97 NZB -, juris Rz. 6 m.w.N.). Hiernach bestand kein Anlass, eine Reisekostenentschädigung an den Kläger anzuordnen. Denn es ist nicht ersichtlich, dass ein verständiger Kläger das vorliegende Klageverfahren überhaupt angestrengt hätte.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unzulässig, denn der Kläger ist entgegen § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO nicht ordnungsgemäß vertreten. Im Übrigen wäre der Antrag, wie soeben dargelegt, auch unbegründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 2 GKG (siehe hierzu den den Beteiligten bekannten Beschluss des Senats vom 11.08.2009 im Verfahren - 1 S 1683/09 -).

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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