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Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 21.01.2009
Aktenzeichen: 1 S 2002/07
Rechtsgebiete: GG, BVFG
Vorschriften:
GG Art. 116 Abs. 1 | |
BVFG § 1 Abs. 2 Nr. 2 | |
BVFG § 1 Abs. 3 | |
BVFG § 7 a.F. | |
BVFG § 26 | |
BVFG § 100 Abs. 1 |
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil
In der Verwaltungsrechtssache
wegen Einziehung des Personalausweises und Ausstellung eines Reisepasses
hat der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2009
für Recht erkannt:
Tenor:
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13. Juni 2007 - 11 K 4115/05 - wird geändert.
Die Verfügung der Beklagten vom 12.11.2003 mit Ausnahme der Zwangsgeldandrohung sowie der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 12.09.2005, soweit er sich hierauf bezieht, werden aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, den eingezogenen Personalausweis an den Kläger herauszugeben und ihm einen Reisepass auszustellen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Einziehung seines Personalausweises und begehrt die Ausstellung eines Reisepasses.
Der Kläger wurde am xx.xx.1972 in Stepanowka/Ukraine geboren. Er ist Sohn der am xx.xx.1939 geborenen xxxxxx xxxxx, von der er nach seinen Angaben nach dem frühen Tod des Vaters aufgezogen wurde. Die Mutter wurde im Zweiten Weltkrieg zusammen mit ihren Eltern - ihr Vater war deutscher Volkszugehöriger, ihre Mutter wohl ukrainische Volkszugehörige - in den Warthegau umgesiedelt. Beim Kriegsende lebte die Familie in Berlin und wurde 1946 von der sowjetischen Besatzungsmacht in die UdSSR verschleppt. Von 2001 bis 2005 hielt sich die Mutter des Klägers in Deutschland auf. Während dieser Zeit stellte die Beklagte am 17.08.2004 auf Ersuchen der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte nach § 100 Abs. 2 Satz 3 BVFG eine Bescheinigung aus, wonach die Mutter den Vertriebenenstatus nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 BVFG (Umsiedlerin) besitze.
Der Kläger heiratete am 20.06.1991 in der Ukraine die ukrainische Staatsangehörige deutscher Volkszugehörigkeit xxxxxxxx xxxxxx. Noch im Jahre 1992 siedelte diese nach Deutschland über und wurde dort mit Bescheid vom 27.09.1993 als Vertriebene anerkannt.
Am 22.10.1993 reiste der Kläger nach Deutschland ein. Am 27.10.1993 erhielt er von der Außenstelle Nürnberg des Bundesverwaltungsamtes einen Registrierschein. Darin wird vermerkt, dass der Kläger, der nicht deutscher Volkszugehöriger sei, die Voraussetzungen zur Einbeziehung in das Verteilungsverfahren nach § 1 Abs. 3 BVFG erfülle. Er wurde gem. § 8 BVFG auf das Bundesland Bayern verteilt. Abschließend wird vermerkt, dass der Kläger durch Aufnahme (Art. 116 Abs. 1 GG) Deutscher geworden sei.
Nach der Einreise lebte der Kläger noch etwa zwei bis drei Monate im Übergangswohnheim mit seiner Ehefrau zusammen, bevor die Eheleute sich endgültig trennten. Die Ehe wurde im Jahre 1997 geschieden. Der Kläger ist mittlerweile mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet und Vater von sechs Kindern.
Im Anschluss an die Registrierung erhielt der Kläger deutsche Ausweispapiere. Zuletzt wurde ihm durch die Stadt Neckarsulm am 05.10.1999 ein bis zum 04.10.2009 gültiger Bundespersonalausweis ausgestellt.
Nachdem der Kläger in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten verzogen war, beantragte er die Ausstellung eines Reisepasses und begehrte zunächst erfolglos einstweiligen Rechtsschutz.
Mit Bescheid vom 12.11.2003 zog die Beklagte den Personalausweis des Klägers ein und gab ihm auf, den Personalausweis bis spätestens 27.11.2003 abzugeben. Zugleich ordnete sie den Sofortvollzug an und drohte dem Kläger ein Zwangsgeld an. Schließlich lehnte sie die Ausstellung eines Reisepasses ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger weder die deutsche Staatsangehörigkeit besitze noch Statusdeutscher i.S.v. Art. 116 Abs. 1 GG sei. Er sei weder im Besitz eines Vertriebenenausweises noch einer Spätaussiedlerbescheinigung, so dass die Eigenschaft als Deutscher nicht nach § 40a StAG belegt werde. Allein durch den Registrierschein werde der Erwerb der Eigenschaft als Statusdeutscher nicht nachgewiesen. Die Eintragungen im Personalausweis hätten lediglich deklaratorischen Charakter. Der Personalausweis enthalte demnach unzutreffende Angaben und sei folglich ungültig; zur Vermeidung von Missbrauch sei er nach § 8 i.V.m. § 6 Nr. 2 LPAuswG einzuziehen.
Hiergegen erhob der Kläger am 01.12.2003 Widerspruch. Den zugleich gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Beschluss vom 30.04.2004 (- 7 K 4986/03 -) ab. Zur Begründung führte es aus, dass der Kläger als Ehegatte einer Vertriebenen eingereist sei. Eine vertriebenenrechtliche Möglichkeit zur Aufnahme als Ehegatte sehe das BVFG im Gegensatz zur Rechtslage bei Spätaussiedlern nicht mehr vor; vielmehr sei die Familienzusammenführung über die ausländerrechtlichen Bestimmungen zum Familiennachzug gewährleistet. Die Beschwerde zum Verwaltungsgerichtshof blieb ohne Erfolg (Beschluss vom 16.07.2004 - 1 S 1456/04 -).
Nach Festsetzung des Zwangsgeldes war der Personalausweis bereits am 07.06.2004 sichergestellt worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.09.2005 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch zurück. Es führte vertiefend aus, dass der Kläger nicht im Sinne von Art. 116 Absatz 1 GG Aufnahme gefunden habe. Dies setze die Begründung eines legalen Aufenthalts voraus. Allein die Ausstellung eines Registrierscheins reiche nicht aus. Der Kläger besitze auch nicht aus anderen Gründen die deutsche Staatsangehörigkeit.
Am 13.10.2005 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt: Er sei gem. § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit. Auch sei er deutscher Staatsangehöriger, denn seine Mutter sei deutsche Staatsangehörige gem. § 1 Abs. 1 Buchst. f 1. StAngRegG. Schließlich sei er Vertriebener nach § 7 BVFG a.F., da der vertriebenenrechtliche Status seiner Mutter durch die Rückverschleppung nicht untergegangen sei. Darüber hinaus sei er als Ehegatte einer Vertriebenen auch "Gilt-Vertriebener" nach § 1 Abs. 3 BVFG. Er habe Aufnahme gefunden i.S.v. Art. 116 Abs. 1 GG, denn die Behörden hätten zu erkennen gegeben, dass er weder abgeschoben noch ausgewiesen werde.
Mit Urteil vom 13.06.2007 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Einziehung des Personalausweises sei rechtmäßig. Der Kläger sei nicht Deutscher i.S.v. Art. 116 Abs. 1 GG. Er sei nicht deutscher Staatsangehöriger. Es sei nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger die deutsche Staatsangehörigkeit unmittelbar mit Geburt erworben haben könnte; es sei in keiner Weise belegt, dass seine Mutter zu diesem Zeitpunkt die deutsche Staatsangehörigkeit besessen habe. Der Kläger habe auch nicht später, insbesondere nach § 40a StAG, die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Er sei am Stichtag 01.08.1999 nicht Statusdeutscher gewesen. Nach Inkrafttreten der durch das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz geänderten Fassung des Bundesvertriebenengesetzes am 01.01.1993 beurteile sich die Frage, ob jemand i.S.v. Art. 116 Abs. 1 GG Aufnahme gefunden habe, ausschließlich nach diesem Gesetz, das insoweit den verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalt ausfülle. Personen, die wie der Kläger die Aussiedlungsgebiete nach dem 31.12.1992 verlassen hätten, müssten danach ein Aufnahmeverfahren nach §§ 26 ff. BVFG durchlaufen. Daran fehle es hier. Denn die Regelung, mit der die Zuwanderung aus den Aussiedlungsgebieten gesteuert und begrenzt werden solle, gelte auch für Abkömmlinge und Ehegatten der Aussiedler. Der Nachzug ausländischer Familienangehöriger von Deutschen sei im Ausländergesetz umfassend geregelt worden. Es sei gewollt und verstoße weder gegen Art. 3 noch gegen Art. 6 GG, dass die nachgezogenen Familienangehörigen Ausländer blieben. Der Schutz von Ehe und Familie werde auch auf diese Weise gewährleistet. Einer Übergangsvorschrift habe es nicht bedurft. Auch ergebe sich aus Art. 100 Abs. 1 BVFG nicht, dass auf Personen nach §§ 1 bis 3 BVFG sämtliche vor dem 01.01.1993 geltenden Vorschriften und Auslegungsregeln anzuwenden seien. Vielmehr bestimme § 100 Abs. 1 BVFG die Weitergeltung früherer Vorschriften ausdrücklich nach Maßgabe der Absätze 2 bis 8. Ein Absatz dahingehend, dass ein Aufnahmefinden i.S.v. Art. 116 Abs. 1 GG bei Personen, die Familienangehörige auch eines vor dem 01.01.1993 eingereisten und anerkannten Vertriebenen seien, auch ohne förmliches Aufnahmeverfahren möglich sei, finde sich gerade nicht. Die Eintragung im Registrierschein sei unbeachtlich. Einen Anspruch auf Ausstellung eines deutschen Reisepasses habe der Kläger ebenfalls nicht.
Zur Begründung der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung trägt der Kläger vor: Ein Aufnahmeverfahren sei nur für Spätaussiedler nach § 4 BVFG vorgesehen. Er sei jedoch Ehegatte und Abkömmling einer Vertriebenen und selbst Vertriebener gem. § 1 BVFG. Dieser Status sei zu berücksichtigen. Für diesen Personenkreis gebe es kein besonderes Aufnahmeverfahren. Vielmehr könnten Vertriebene durch ein irgendwie geartetes Verhalten einer Behörde aufgenommen werden. Ein solches Verhalten liege in der Erteilung des Registrierscheins und in der Behandlung als Deutscher. Das Ausländerrecht sei nicht anzuwenden; vielmehr gelte die vertriebenenrechtliche Komponente des § 94 BVFG a.F. nach wie vor. Aus Art. 116 Abs. 1 GG ergebe sich zwar kein Anspruch auf Aufnahme, doch sei es angesichts langjähriger formloser Aufnahme willkürlich, Personen, die einen Vertriebenenstatus hätten, nunmehr nicht mehr in der bisherigen Form aufzunehmen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13. Juni 2007 - 11 K 4115/05 - zu ändern und die Verfügung der Beklagten vom 12.11.2003 mit Ausnahme der Zwangsgeldandrohung sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 12.09.2005, soweit er sich hierauf bezieht, aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den eingezogenen Personalausweis an ihn herauszugeben und ihm einen Reisepass auszustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Dem Senat liegen die Behörden- und die Gerichtsakten aus dem Klageverfahren vor. Sie waren Gegen- stand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen. Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger. Demnach ist die Entziehung des Personalausweises rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Auch die Ausstellung eines Reisepasses kann der Kläger beanspruchen (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
I. Nach § 8 i.V.m. § 6 Nr. 2 LPAuswG kann ein ungültiger Personalausweis eingezogen werden. Ungültig ist der Personalausweis dann, wenn Eintragungen unzutreffend sind. Das ist hier aber nicht der Fall. Die Eintragung "Staatsangehörigkeit: deutsch" ist nicht unzutreffend. Denn der Kläger besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit.
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der Kläger die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt erworben hat. Gegenteiliges behauptet der Kläger im Berufungsverfahren nicht mehr.
Der Kläger ist aber aufgrund der Übergangsvorschrift des § 40a Satz 1 StAG deutscher Staatsangehöriger geworden. Danach hat derjenige, der am 01.08.1999 Deutscher i.S.v. Art. 116 Abs. 1 GG war, ohne die deutsche Staatsangehörigkeit zu besitzen, die deutsche Staatsangehörigkeit an diesem Tag erworben. Sogenannter Statusdeutscher nach Art. 116 Abs. 1 GG ist, wer als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31.12.1937 Aufnahme gefunden hat. Diese Voraussetzungen lagen beim Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt vor.
1. Der Kläger hat die Eigenschaft als Statusdeutscher allerdings nicht durch Geburt erworben. Die Statusdeutscheneigenschaft kann in entsprechender Anwendung der für das Staatsangehörigkeitsrecht geltenden Regelungen erworben werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.05.1985 - 1 C 37.81 -, BVerwGE 71, 301 <304>). Zwar ist die Mutter des Klägers, wie die Beklagte in der am 17.08.2004 gem. § 100 Abs. 2 Satz 3 BVFG ausgestellten Bescheinigung zu Recht festgestellt hat, Umsiedlerin im Sinne von § 1 Abs. 2 Nr. 2 BVFG (siehe dazu Beschluss des erk. Senats vom 06.06.2005 - 1 S 211/05 -). Dieser Vertriebenenstatus ist unabhängig von der Ausreise der Mutter des Klägers nach Deutschland in ihrer Person bereits in der Ukraine entstanden (vgl. BVerwG, Urteil vom 04.06.1996 - 9 C 110.95 -, BVerwGE 101, 205 <206 f.>; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20.01.1999 - 6 S 949/96 - <juris>). Einem derivativen Erwerb der Rechtsstellung eines Deutschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit steht aber jedenfalls der Umstand entgegen, dass die Mutter des Klägers im Zeitpunkt seiner Geburt ungeachtet ihres Vertriebenenstatus nicht Statusdeutsche war. Denn es fehlte an der erforderlichen Aufnahme in Deutschland. Der Aufenthalt in Deutschland in den Jahren 1944 bis 1946 war insoweit unbeachtlich. Denn ein deutscher Volkszugehöriger, der vor Inkrafttreten des Grundgesetzes in das Gebiet des Deutschen Reiches nach dem Stand vom 31.12.1937 verbracht worden ist, hat nicht i.S.v. Art. 116 Abs. 1 GG "Aufnahme gefunden", wenn er sich dort am 24.05.1949 nicht mehr aufgehalten hat; ob sein Aufenthalt in diesem Gebiet freiwillig oder unfreiwillig geendet hat, ist dabei unerheblich (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.11.2003 - 1 C 35.02 -, BVerwGE 119, 172).
2. Es kann auch dahinstehen, ob der Kläger als Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit Aufnahme gefunden hat. Es spricht zwar alles dafür, dass der Kläger gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 BVFG i.V.m. § 7 BVFG a.F. Vertriebener ist. Denn der Vertriebenstatus seiner Mutter dürfte nach § 7 BVFG a.F. mit Geburt auf den Kläger übergeleitet worden sein (siehe BVerwG, Urteil vom 02.12.1986 - 9 C 16.86 -, Buchholz 412.3 § 7 BVFG Nr. 2); die Mutter des Klägers hatte nämlich jedenfalls gemeinsam mit seinem Vater die elterliche Sorge und die gesetzliche Vertretung inne (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.10.1973 - VIII C 155.72 -, BVerwGE 44, 114). An diesem Status hat die Aufhebung des § 7 BVFG a.F. zum 01.01.1993 wohl nichts geändert. Denn ein bereits entstandener Vertriebenenstatus sollte durch die Neuregelung des Vertriebenenrechts nicht entzogen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 04.04.1995 - 9 C 400.94 -, Buchholz 412.3 § 1 BVFG Nr. 51). Die in § 7 BVFG a.F. geregelte Überleitung des Vertriebenenstatus bedeutet aber nicht, dass das Lebens- und Vertreibungsschicksal und die persönlichen Volkszugehörigkeitsmerkmale des Elternteils auf das Kind übergeleitet oder als in dessen Person bestehend fingiert werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 06.02.2003 - 5 C 44.01 -, NVwZ-RR 2003, 601). Ob der Kläger in seiner Person die Voraussetzungen der deutschen Volkszugehörigkeit erfüllt, ist nach seinem bisherigen Vortrag aber noch nicht zur Überzeugung des Senats dargetan.
3. Der Kläger hat indessen jedenfalls als Ehegatte einer Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit Aufnahme in Deutschland i.S.v. Art. 116 Abs. 1 GG gefunden.
a) Der Kläger hat den Status eines Vertriebenen nach § 1 Abs. 3 BVFG erworben. Danach gilt als Vertriebener auch, wer, ohne selbst deutscher Staatsangehöriger oder deutscher Volkszugehöriger zu sein, als Ehegatte eines Vertriebenen seinen Wohnsitz in den in Absatz 1 genannten Gebieten verloren hat. Die damalige Ehefrau des Klägers hatte durch ihre Aussiedlung im Jahre 1992 den Status als Aussiedler nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG erlangt, der ihr dann im Jahre 1993 durch Bescheid bescheinigt worden ist. Der Kläger hat seinen Wohnsitz in der Ukraine "als Ehegatte" verloren. Es kommt dabei allein auf den Bestand der Ehe an; unbeachtlich ist, ob sie harmonisch oder gestört war. Es ist auch davon auszugehen, dass die Aussiedlung der Ehefrau wesentliche Ursache für die Übersiedlung des Klägers war, denn er war gewillt, die ausreisebedingt unterbrochene eheliche Lebensgemeinschaft in Deutschland wiederaufzunehmen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 18.03.1986 - 9 C 1.86 -, Buchholz 412.3 § 1 BVFG Nr. 31), und hat dies jedenfalls kurzzeitig auch getan. Die spätere Auflösung der Ehe ist unbeachtlich.
Diesem Statuserwerb steht nicht entgegen, dass der Kläger erst nach dem 01.01.1993 nach Deutschland eingereist ist. Aus der mit dem Kriegsfolgenbereinigungsgesetz vom 21.12.1992 (BGBl. I. S. 2094) eingeführten Übergangsvorschrift des § 100 Abs. 1 BVFG folgt zwar grundsätzlich, dass nach dem genannten Stichtag ein Vertriebenenstatus nicht mehr neu entstehen und die Zuwanderung deutscher Volkszugehöriger samt ihren Familienangehörigen aus den Vertreibungsgebieten über das Spätaussiedlerverfahren bewältigt werden soll. Hiervon ist der Kläger aber nicht betroffen.
Entgegen der Ansicht des Klägers folgt dies nicht daraus, dass sein Vertriebenenstatus bereits mit der Aussiedlung seiner Ehefrau und somit vor dem 01.01.1993 entstanden sei. Dies trifft nicht zu. Denn der Erwerbstatbestand ist erst dann vollendet, wenn der nichtdeutsche Ehegatte in Deutschland Aufenthalt genommen hat (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 18.03.1986 - 9 C 1.86 -, Buchholz 412.3 § 1 BVFG Nr. 31; aus dem vom Kläger genannten Urteil des VGH Bad.-Württ. vom 14.11.2001 - 13 S 1784/99 -, EzAR 280 Nr. 10 ergibt sich nichts Gegenteiliges). Die Unbeachtlichkeit des Stichtags für die vertriebenenrechtliche Einordnung des Klägers folgt jedoch aus dem Gedanken der Akzessorietät der Rechtsstellung des nichtdeutschen Ehegatten (siehe v. Schenckendorff, Vertriebenen- und Flüchtlingsrecht, B 2 § 100 Anm. 1 e). Danach muss dem nichtdeutschen Ehegatten die Möglichkeit eröffnet sein, am Status des anderen teilhaben zu können, so dass dem deutschen Ehegatten die Alternative Aussiedlung oder Familie erspart bleibt. Wäre dem nichtdeutschen Ehegatten wegen der späteren Einreise der Vertriebenenstatus verwehrt, bliebe den Ehegatten eine gemeinsame Behandlung nach dem Bundesvertriebenengesetz endgültig versagt. Denn der stammberechtigte Vertriebene gilt bei Einreise vor dem Stichtag nicht zugleich als Spätaussiedler; § 100 Abs. 5 BVFG ändert daran nichts (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 19.04.1999 - 6 S 420/97 -, ESVGH 49, 209; v. Schenckendorff, a.a.O., Anm. 2 d). Sein Ehegatte kann folglich auch nicht in den Genuss der Vergünstigungen nach § 4 Abs. 3 Satz 2, § 15 Abs. 2 BVFG kommen. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber an die zeitlichen Zufälligkeiten einer getrennten Einreise der Ehegatten solch gravierende Rechtsfolgen knüpfen wollte.
b) Der Kläger hat in Deutschland nach Art. 116 Absatz 1 GG Aufnahme gefunden. Die gesetzliche Neuregelung entfaltet auch insoweit keine Sperrwirkung.
Nach dem Inkrafttreten der durch das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz geänderten Fassung des Bundesvertriebenengesetzes am 01.01.1993 beurteilt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Person i.S.v. Art. 116 Abs. 1 GG Aufnahme finden kann, grundsätzlich nach den Bestimmungen dieses Gesetzes. Danach beschränkt sich dies auf Spätaussiedler und deren Angehörige (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.06.2001 - 1 C 26.00 -, BVerwGE 114, 332; vom 20.04.2004 - 1 C 3.03 -, BVerwGE 120, 292). Als ein solcher - mit einem Aufnahmebescheid nach § 27 BVFG - ist der Kläger nicht eingereist.
Mit den Vorschriften über das Aufnahmeverfahren hat der Gesetzgeber jedoch keine Regelung getroffen, die den Gesetzesvorbehalt des Art. 116 Abs. 1 GG abschließend ausfüllt (siehe dazu bereits Beschluss des erk. Senats vom 06.06.2005 - 1 S 211/05 - m.w.N.). Denn anderenfalls wäre für bestimmte Kategorien von Vertriebenen, die - wie insbesondere die Umsiedler nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 BVFG - neben der durch die Stichtagsregelung des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes geschlossenen Gruppe der Aussiedler (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG) stehen, eine Aufnahme endgültig ausgeschlossen. Das gesetzlich geregelte Verfahren der Aufnahme, mit dem die Zuwanderung aus den Aussiedlungsgebieten durch Personen, die sich für deutsche Volkszugehörige halten und anstreben, als solche in Deutschland Aufnahme zu finden, gesteuert und begrenzt werden soll, galt nämlich zunächst nach den Bestimmungen des Aussiedleraufnahmegesetzes vom 28.06.1990 (BGBl. I S. 1247) nur für Aussiedler und gilt nunmehr nur für die neu geschaffene rechtliche Kategorie der Spätaussiedler und deren Angehörige (siehe nur BVerwG, Beschluss vom 17.08.2004 - 5 B 72.04 - <juris>; vom 23.04.2007 - 5 B 7.07 - <juris>). Mit der Regelung des § 100 Abs. 1 BVFG ließe sich eine solche Konsequenz schwerlich vereinbaren. Denn § 100 Abs. 1 BVFG geht vom Fortbestand eines vor dem Stichtag entstandenen Vertriebenenstatus aus; darüber hinaus erfasst diese Vorschrift - wie dargelegt - auch danach eingereiste Ehegatten. In ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich will die Bestimmung dem Personenkreis der §§ 1 bis 3 BVFG - vorbehaltlich der Regelung in den Absätzen 2 bis 8 - den Bestand an vertriebenenrechtlichen Rechtspositionen erhalten, den ihm das Bundesvertriebenengesetz alter Fassung eingeräumt hatte (vgl. BVerwG, Urteil vom 05.12.2000 - 1 C 24.00 -, Buchholz 412.3 § 94 BVFG a.F. Nr. 1). Der Vertriebenenstatus ist indessen auch auf die Regelung des staatsrechtlichen Status in Art. 116 Abs. 1 GG bezogen. Insoweit ist dann für die Frage des "Aufnahme finden" ebenfalls auf die bisherige Rechtslage abzustellen.
Hiernach kommt es zunächst darauf an, dass der Betroffene mit dem Zuzug einen ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet erstrebt und aufgrund eines Tätigwerdens oder sonstigen Verhaltens der Behörden der Schluss berechtigt ist, dass ihm die Aufnahme nicht verweigert wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.05.1992 - 1 C 37.90 -, BVerwGE 90, 181 <183> m.w.N.). Danach lässt sich die Aufnahme des Klägers in Deutschland daraus ableiten, dass er nach seiner Einreise ins Bundesgebiet in der Durchgangsstelle für Aussiedler in Nürnberg registriert und aufgrund der Entscheidung des Beauftragten der Bundesregierung für die Verteilung dem Land Bayern zugewiesen wurde (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.11.2001 - 13 S 1784/99 -, EzAR 280 Nr. 10 <juris Rz. 18> m.N.). Der Kläger hat schließlich auch "als Ehegatte" einer vertriebenen Volksdeutschen in Deutschland Aufnahme gefunden. Der erforderliche kausale Zusammenhang zwischen der Eigenschaft als Ehegatte und der Aufnahme im Bundesgebiet liegt hier vor. Denn die mit behördlicher Zustimmung erfolgte Begründung des dauernden Aufenthalts durch den Kläger ist gerade im Hinblick darauf erfolgt, dass seine damalige Ehefrau ebenfalls ihren dauernden Aufenthalt in Deutschland genommen hatte.
II. Der Ausspruch über die Herausgabe des eingezogenen Personalausweises beruht auf § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO.
III. Als deutscher Staatsangehöriger kann der Kläger gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1, § 6 Abs. 1 Satz 1 PassG die Ausstellung eines Reisepasses beanspruchen; Passversagungsgründe nach § 7 Abs. 1 PassG sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
Beschluss vom 21. Januar 2009
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000 EUR festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2, § 39 Abs. 1 und § 63 Abs. 2 GKG).
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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