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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 16.12.2002
Aktenzeichen: 1 S 2189/02
Rechtsgebiete: GemO, VwGO


Vorschriften:

GemO § 1 Abs. 4
GemO § 23
GemO § 126 Abs. 1 Satz 1
VwGO § 169 Abs. 1
Für die Geltendmachung von Kostenerstattungsansprüchen des Bürgermeisters gegen ein Mitglied des Gemeinderats aus einem vorangegangenen Kommunalverfassungsstreitverfahren ist eine Zuständigkeit der Rechtsaufsichtsbehörde nach § 126 Abs. 1 Satz 1 GemO nicht gegeben.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

1 S 2189/02

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Vollstreckung aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss

hat der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Dr. Weingärtner, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Schmenger und den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Roth

am 16. Dezember 2002

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Vollstreckungsschuldnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 21. August 2002 - 5 K 730/02 - wird zurückgewiesen.

Die Vollstreckungsschuldnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 344,47 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde der Vollstreckungsschuldnerin ist zulässig. Sie ist insbesondere der im vorliegenden Fall statthafte Rechtsbehelf. Der Vollstreckungsgläubiger betreibt die Zwangsvollstreckung wegen seines mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 16.10.2001 - 5 K 27/00 - festgesetzten Kostenerstattungsanspruchs. Der Kostenfestsetzungsbeschluss ist gem. § 168 Abs. 1 Nr. 4 VwGO ein Vollstreckungstitel. Nach § 167 Abs. 1 S. 1 VwGO gilt für die Vollstreckung das 8. Buch der ZPO entsprechend, soweit sich aus der VwGO nichts anderes ergibt. Zu Recht und ohne dass dies von der Beschwerde beanstandet würde hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass der Vollstreckungsgläubiger als Rechtsträger des öffentlichen Rechts vom Anwendungsbereich der Vorschrift des § 169 Abs. 1 S. 1 VwGO ("Vollstreckung zugunsten der öffentlichen Hand") erfasst wird. Mithin richtet sich die Vollstreckung hier nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Bundes. Vollstreckungsbehörde ist dabei der Vorsitzende des Gerichts des ersten Rechtszugs (§ 169 Abs. 1 S. 2 1. Hs. VwGO). In dieser Funktion hat der Vorsitzende der 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Freiburg mit dem angegriffenen Beschluss wegen der Forderung des Vollstreckungsgläubigers aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen der Vollstreckungsschuldnerin angeordnet und mit der Ausführung der Vollstreckung den zuständigen Gerichtsvollzieher beauftragt. Gegen diesen Beschluss, durch den dem Vollstreckungsantrag des Vollstreckungsgläubigers nach Anhörung der Vollstreckungsschuldnerin stattgegeben worden ist, ist die Beschwerde nach § 146 VwGO eröffnet (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20.12.1991 - 9 S 2886/91 -, VBlBW 1992, 253).

Die danach zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Der Vorsitzende der Kammer des Verwaltungsgerichts hat die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung nach dem gemäß § 169 Abs. 1 Satz 1 VwGO entsprechend anwendbaren Verwaltungsvollstreckungsgesetz zu Recht bejaht. Auf seine Ausführungen wird verwiesen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Das Beschwerdevorbringen gebietet keine andere Beurteilung. Entgegen der Auffassung der Vollstreckungsschuldnerin steht die Regelung des § 126 Abs. 1 GemO der Geltendmachung des festgesetzten Kostenerstattungsanspruchs durch den Vollstreckungsgläubiger nicht entgegen. Für die Geltendmachung von Kostenerstattungsansprüchen des Bürgermeisters gegen ein Mitglied des Gemeinderats aus einem vorangegangenen Kommunalverfassungsstreitverfahren ist die Rechtsaufsichtsbehörde nicht zuständig.

Nach der Vorschrift des § 126 Abs. 1 S. 1 GemO werden Ansprüche der Gemeinde gegen Gemeinderäte und gegen den Bürgermeister von der Rechtsaufsichtsbehörde geltend gemacht. § 126 Abs. 1 GemO betrifft seinem eindeutigen Wortlaut nach nur die Geltendmachung von Ansprüchen, die der Gemeinde selbst - als Gebietskörperschaft und juristischer Person des öffentlichen Rechts (vgl. § 1 Abs. 4 GemO) - zustehen. Um derartige Ansprüche geht es hier nicht. Der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch findet seine Grundlage in dem durch den Antrag der Vollstreckungsschuldnerin gegen den Vollstreckungsgläubiger nach § 123 VwGO begründeten Prozessrechtsverhältnis; allein die an diesem Verhältnis Beteiligten können Kostenschuldner bzw. -gläubiger sein (vgl. §§ 154 ff. VwGO sowie Rennert, in: Eyermann, VwGO, 11. Aufl., vor § 154 RdNr. 1). Der hier zugrundeliegende kommunalverfassungsrechtliche Organstreit ist dadurch gekennzeichnet, dass Gemeindeorgane und/oder Teile von ihnen über Bestand und Reichweite zwischen- oder innerorganschaftlicher Rechte streiten (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.03.2000 - 1 S 2441/99 -, VBlBW 2000, 321, 322). Beteiligt an diesem Prozessrechtsverhältnis war auf der Seite des Antragsgegners ausschließlich der Vollstreckungsgläubiger in seiner Rechtsstellung als Organ der Gemeinde. Diese Rechtsstellung ist von derjenigen der Gemeinde als Gebietskörperschaft und juristischer Person des öffentlichen Rechts deutlich zu unterscheiden (vgl. § 23 GemO). Daran ändert es auch nichts, dass der Vollstreckungsgläubiger in seinen Schriftsätzen gelegentlich selbst von Ansprüchen "der Stadt xxxxxxxxxx" spricht.

Eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 126 Abs. 1 GemO auf den Fall, dass Ansprüche geltend gemacht werden, die nicht der Gemeinde als solcher, sondern einzelnen Gemeindeorganen (hier: Bürgermeister) aus einem Kommunalverfassungsstreitverfahren zustehen, kommt nicht in Betracht. Eine Analogie würde voraussetzen, dass insoweit eine planwidrige Regelungslücke vorliegt, mithin Sinn und Zweck der Regelung eine Einbeziehung der nicht geregelten Fallkonstellation verlangen (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 4. Aufl., S. 356 ff.). Dies ist indes nicht der Fall. Mit der Regelung des § 126 Abs. 1 GemO wird die Entscheidungszuständigkeit für die Verfolgung gemeindlicher Ansprüche im Interesse einer objektiven und unbefangenen Aufgabenwahrnehmung auf eine Stelle außerhalb der Gemeinde verlagert, um Interessenkollisionen auszuschließen, Schwierigkeiten im Verhältnis der Gemeindeorgane oder Organwalter untereinander zu vermeiden und eine saubere Verwaltung zu gewährleisten (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 26.06.1988 - Z 10 S 785/88 -, VBlBW 1989, 27, 28). Letztlich soll mit der Bestimmung verhindert werden, dass bei der Realisierung von Ansprüchen, die der Gemeinde als solcher gegen den Bürgermeister oder gegen Gemeinderäte zustehen, der daraus resultierende Konflikt in das Verhältnis der Gemeindeorgane zueinander hineingetragen wird. Der so verstandene Normzweck gebietet eine analoge Anwendung der Vorschrift auf die hier vorliegende Sachverhaltsgestaltung nicht. Denn der kommunalverfassungsrechtliche Organstreit zeichnet sich gerade dadurch aus, dass im Verhältnis der Gemeindeorgane zueinander um Bestand und Reichweite eigener organschaftlicher Rechte gestritten wird. Liegt den geltend gemachten Ansprüchen deshalb bereits ein zwischen den Gemeindeorganen selbst bestehender Konflikt zugrunde, wäre der Zweck des § 126 Abs. 1 GemO, durch die Verlagerung der Entscheidungszuständigkeit auf die Rechtsaufsichtsbehörde die Gemeindeorgane aus dem Konflikt "herauszuhalten", von vornherein nicht erreichbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 14 Abs. 1, 13 Abs. 1 S. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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