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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 18.12.2003
Aktenzeichen: 1 S 2211/02
Rechtsgebiete: GG, PolG


Vorschriften:

GG Art. 1 Abs. 1
GG Art. 2 Abs. 1
PolG § 36 Abs. 1 Nr. 2
PolG § 38 Abs. 1
PolG § 38 Abs. 2
1. Auf die landesrechtliche Vorschrift des § 36 Abs. 1 Nr. 2 PolG können erkennungsdienstliche Maßnahmen zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten nur gestützt werden, soweit nicht § 81 b 2. Alt. StPO aus Anlass eines Strafverfahrens gegen einen "Beschuldigten" zur Vornahme präventiv-polizeilicher erkennungsdienstlicher Maßnahmen ermächtigt (wie OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17.10.2000, NVwZ-RR 2001, 238; Sächs. OVG, Beschluss vom 10.10.2000, NVwZ-RR 2001, 238 f.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.1.1999, DÖV 1999, 522 f.; vgl. auch Senatsbeschluss vom 10.12.2002 - 1 S 2244/02 -).

2. Mit Blick auf den Wortlaut des § 81 b 2. Alt. StPO ("Soweit") und den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bedarf es in jedem Einzelfall der Prüfung, ob die im Rahmen einer erkennungsdienstlichen Behandlung durchzuführenden Maßnahmen auch ihrem Umfang nach notwendig sind. Dabei ist das Erfordernis, dass die angefertigten Unterlagen bzw. die gespeicherten Daten in zukünftigen Ermittlungsverfahren die Ermittlungen der Polizei fördern können, dahingehend zu konkretisieren, dass die Unterlagen bzw. Daten gerade für die Aufklärung solcher Straftaten geeignet und erforderlich sein müssen, für die im konkreten Fall eine Wiederholungsgefahr begründet werden kann.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

1 S 2211/02

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Vernichtung von erkennungsdienstlichen Unterlagen und Löschung von Daten

hat der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch die Richterinnen am Verwaltungsgerichtshof Schmenger und Dr. Kirchhof und den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Roth auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 18. Dezember 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13.12.2000 - 3 K 544/99 - geändert.

Es wird festgestellt,

1. dass die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung vom 27.8.1998 durch die Kriminalaußenstelle Vaihingen/Enz, schriftlich bestätigt durch den Bescheid der Polizeidirektion Ludwigsburg vom 22.9.1998, rechtswidrig war, soweit sie im Rahmen der sog. Personenbeschreibung die Erhebung äußerlich nicht ohne weiteres erkennbarer unveränderlicher körperlicher Merkmale der Klägerin durch Leibesvisitation umfasste, 2. dass die in dem Bescheid der Polizeidirektion Ludwigsburg vom 22.9.1998 und im Widerspruchsbescheid der Landespolizeidirektion Stuttgart I vom 12.1.1999 enthaltene Ablehnung der Vernichtung der im Rahmen der erkennungsdienstlichen Behandlung am 27.8.1998 angefertigten Unterlagen und der Löschung des entsprechenden Datensatzes rechtswidrig und der Beklagte zur Vernichtung bzw. Löschung verpflichtet war, soweit sich die Unterlagen bzw. Daten auf äußerlich nicht ohne weiteres erkennbare, durch Leibesvisitation erhobene unveränderliche körperliche Merkmale der Klägerin bezogen.

Im Übrigen werden die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen die Beteiligten je zur Hälfte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung und der Ablehnung eines Antrags auf Vernichtung sowie Löschung der dabei angefertigten Unterlagen und erhobenen Daten.

Die 1954 geborene Klägerin ist seit den 80er Jahren mit zwei Firmen im Bau- und Bauträgergeschäft selbständig tätig. Im August 1998 war sie Beschuldigte in einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Heilbronn wegen des Verdachts des Vortäuschens einer Straftat gemäß § 145 d StGB (17 Js 25215/98). Sie hatte Anzeige gegen zwei ehemalige Mitarbeiter erstattet wegen des Verdachts der Bedrohung mittels eines anonymen Briefs, geriet jedoch selbst in den Verdacht, den Brief geschrieben zu haben. Im Rahmen dieses Ermittlungsverfahrens wurde die Klägerin am 27.8.1998 von Beamten der Kriminalaußenstelle Vaihingen/Enz als Beschuldigte vernommen und im Anschluss daran erkennungsdienstlich behandelt. Dabei wurden von ihr Lichtbilder angefertigt und Fingerabdrücke genommen. Ferner wurde sie zur Erstellung einer sog. Personenbeschreibung durch eine weibliche Beamtin des Polizeivollzugsdienstes u.a. auf besondere körperliche Merkmale wie Narben und Tätowierungen untersucht. Dabei musste sie sich zwar nie vollständig entkleiden, die gesamte Körperoberfläche, d.h. auch der Intimbereich wurde jedoch auf besondere körperliche Merkmale hin abgesucht. Hierbei wurden unfallbedingte Narben vermessen und in die Personenbeschreibung aufgenommen.

In diesem Verfahren wurde die Klägerin mit Strafbefehl vom 4.11.1998 wegen falscher Verdächtigung gemäß § 164 StGB zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 90 DM (insgesamt 2.250,- DM) verurteilt. Der Strafbefehl ist rechtskräftig. Die Klägerin betreibt die Wiederaufnahme des Verfahrens.

Gegen die Klägerin waren über das Anlassverfahren hinaus weitere strafrechtliche Ermittlungsverfahren anhängig gewesen bzw. anhängig, u.a.:

- seit Dezember 1996 wegen Diebstahl/Hausfriedensbruch, am 9.6.1997 eingestellt von der Staatsanwaltschaft Heilbronn nach § 153 Abs. 1 StPO (100 Js 1327/97) - seit Mai 1997 wegen Siegelbruch, am 11.11.1997 vom Amtsgericht Ludwigsburg nach § 153 Abs. 2 StPO endgültig eingestellt nach Erfüllung einer Auflage (4 Cs 924/97)

- seit Juni 1996 wegen Konkursverschleppung, am 13.1.1998 von der Staatsanwaltschaft Stuttgart teilweise und vorläufig eingestellt nach § 154 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StPO (155 Js 46204/96)

- seit Juni 1996 wegen Verstößen gegen handelsrechtliche Pflichten (Staatsanwaltschaft Stuttgart 155 Js 46204/96)

- seit Dezember 1998 wegen Betrugs (Staatsanwaltschaft Stuttgart 155 Js 101683/98).

Mit rechtskräftigem (Berufungs-) Urteil vom 9.7.2001 wurde die Klägerin vom Landgericht Stuttgart wegen Konkursverschleppung in zwei Fällen und Beitragsvorenthaltung in fünf Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 30 DM verurteilt (37 Ns 155 Js 46204/96). In der Berufungshauptverhandlung war das hinzuverbundene Verfahren wegen Betrugs (37 Ns 155 Js 101683/98) gemäß § 154 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 2 StPO vorläufig eingestellt worden.

Noch am Tag der erkennungsdienstlichen Behandlung hatte sich die Klägerin über die Maßnahme per Telefax beschwert, unter anderem bei der Kriminalaußenstelle Vaihingen/Enz. Der durchführende Kriminalbeamte habe die erkennungsdienstlichen Maßnahmen mit einer Weisung der Staatsanwaltschaft begründet. Eine derartige Weisung habe es jedoch nie gegeben. Die erkennungsdienstlichen Unterlagen seien umgehend zu vernichten.

In einer Stellungnahme vom 10.9.1998 führte der verantwortliche Kriminalbeamte der Kriminalaußenstelle Vaihingen/Enz aus, die erkennungsdienstliche Behandlung der Klägerin sei von ihm angeordnet worden, da in dem Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin Schriftstücke als Träger daktyloskopischer Spuren sichergestellt worden seien und außerdem die Gefahr bestanden habe, dass die Klägerin weitere Straftaten begehen werde.

Mit Schreiben vom 22.9.1998 teilte die Polizeidirektion Ludwigsburg der Klägerin mit, dass die Anordnung und Durchführung ihrer erkennungsdienstlichen Behandlung rechtmäßig gewesen sei. Das Schreiben war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen.

Den Widerspruch der Klägerin wies die Landespolizeidirektion Stuttgart I mit Widerspruchsbescheid vom 12.1.1999 zurück. Rechtsgrundlage für die Anfertigung und Aufbewahrung der erkennungsdienstlichen Unterlagen sei § 81 b 2. Alt. StPO i.V.m. § 38 Abs. 1 PolGBW. Die Notwendigkeit, die erkennungsdienstlichen Unterlagen für Zwecke des Erkennungsdienstes anzufertigen und aufzubewahren, sei vom Zeitpunkt der Anordnung bis heute unverändert gegeben. Insgesamt rechtfertigten die gegen die Klägerin durchgeführten Ermittlungsverfahren den Schluss, dass sie bei künftigen oder noch aufzuklärenden einschlägigen Straftaten mit guten Gründen in den Kreis möglicher Tatverdächtiger einbezogen werde und die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen fördern könnten.

Am 4.2.1999 hat die Klägerin Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben und beantragt, den Bescheid der Polizeidirektion Ludwigsburg vom 22.9.1998 sowie den Widerspruchsbescheid der Landespolizeidirektion Stuttgart I vom 12.1.1999 aufzuheben sowie den Beklagten zu verurteilen, die von ihr angefertigten erkennungsdienstlichen Unterlagen zu vernichten und den darüber angefertigten Datensatz aus den polizeilichen Datensammlungen zu löschen. Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 13.12.2000 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die erkennungsdienstliche Maßnahme sei sowohl nach § 81 b 2. Alt. StPO als auch nach § 36 Abs. 1 Nr. 2 PolG rechtmäßig gewesen. Zu Recht habe die Kriminalaußenstelle Vaihingen/Enz aus den bisherigen Ermittlungsergebnissen im Anlassverfahren und den anderen anhängigen Verfahren eine konkrete Wiederholungsgefahr bei der Klägerin angenommen. Das Verhalten der Klägerin habe vor allem in Täuschungshandlungen bestanden, so dass es nahe liege, diejenigen erkennungsdienstlichen Unterlagen anzufertigen und zu speichern, die im Wiederholungsfall bei etwaigen Identitätstäuschungen der Klägerin Aufklärungshilfe bieten könnten.

Mit Beschluss vom 23.9.2002 hat der Senat die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen.

Zur Begründung der Berufung trägt die Klägerin noch vor: Die Voraussetzungen einer Datenerhebung nach § 81 b StPO bzw. § 36 PolG hätten nicht vorgelegen, weil eine erkennbare Gefahr, dass sie auch in Zukunft wieder Straftaten begehen werde, nicht bestehe. Es liege nur eine rechtskräftige Verurteilung vor, alle anderen Verfahren seien eingestellt worden. Nachdem sie ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt habe, sei in dem Strafverfahren wegen Vortäuschens einer Straftat mittlerweile ein Wiederaufnahmeverfahren anhängig. Der Gutachter komme zu dem Ergebnis, dass das im Ermittlungsverfahren erstellte Gutachten nicht ausreichend sei. Die Leibesuntersuchung sei unverhältnismäßig, da die Straftaten, wegen derer gegen sie ermittelt worden sei, geringfügig gewesen seien. Zudem könnten die dabei gewonnenen erkennungsdienstlichen Erkenntnisse nicht der vorbeugenden Verbrechensbekämpfung dienen, da Identitätstäuschungen auch bei den bisherigen Ermittlungsverfahren keine Rolle gespielt hätten. Die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung sei ermessensfehlerhaft gewesen. Entgegen der Behauptung des die Maßnahme anordnenden Beamten habe eine staatsanwaltschaftliche Anordnung der Maßnahme nie vorgelegen. Der Beamte habe sich bei seiner Entscheidung von einer persönlichen Abneigung gegen sie und ihren Rechtsanwalt leiten lassen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13.12.2000 - 3 K 544/99 - zu ändern und festzustellen,

1. dass die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung vom 27.8.1998 durch die Kriminalaußenstelle Vaihingen/Enz, schriftlich bestätigt durch den Bescheid der Polizeidirektion Ludwigsburg vom 22.9.1998, rechtswidrig war, sowie

2. dass die in dem Bescheid der Polizeidirektion Ludwigsburg vom 22.9.1998 und im Widerspruchsbescheid der Landespolizeidirektion Stuttgart I vom 12.1.1999 enthaltene Ablehnung der Vernichtung der im Rahmen der erkennungsdienstlichen Behandlung am 27.8.1998 angefertigten Unterlagen und der Löschung des entsprechenden Datensatzes rechtswidrig und der Beklagte zur Vernichtung bzw. Löschung verpflichtet war.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Mit Schriftsatz vom 1.10.2003 hat das Regierungspräsidium Stuttgart mitgeteilt, dass die anlässlich der erkennungsdienstlichen Behandlung der Klägerin gefertigten Unterlagen zum 1.10.2003 vernichtet und gleichzeitig die bei diesem Anlass erhobenen Daten gelöscht worden seien.

Dem Senat liegen die einschlägigen Verwaltungsakten sowie die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgarts vor. Der Senat hat weitere Unterlagen beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht (vgl. S. 2 der Niederschrift vom 18.12.2003). Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf diese Akten und Unterlagen sowie die im Berufungszulassungs- und Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat ist nicht gehindert, über die Berufung zu entscheiden, obwohl der Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Denn dieser ist rechtzeitig und unter Hinweis darauf geladen worden, dass auch bei seinem Ausbleiben verhandelt und entschieden werden kann (§§ 125 Abs. 1, 102 Abs. 2 VwGO).

Die vom Senat zugelassene und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin hat teilweise Erfolg. Denn die nach ihrer Umstellung im Berufungsverfahren als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässige (I.) Klage der Klägerin ist teilweise begründet (II.).

I.

Gegenstand des Berufungsverfahrens sind die Anträge der Klägerin, wie sie in der mündlichen Verhandlung auf Hinweis des Senats gestellt worden sind. Der Antrag Ziffer 1 ist als Fortsetzungsfeststellungsantrag in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Er bezieht sich auf die am 27.8.1998 von dem Beamten der Kriminalaußenstelle Vaihingen/Enz mündlich ausgesprochene, sofort vollzogene und damit schon vor Klageerhebung erledigte Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung, die als Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 LVwVfG zu qualifizieren ist und gegen die die Klägerin sinngemäß bereits mit Telefax vom selben Tage Widerspruch eingelegt hat. Der Senat geht in den Fällen der vorprozessualen Erledigung eines Verwaltungsakts von einer analogen Anwendung der Regelung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO aus (vgl. nur das Senatsurteil vom 26.1.1998 - 1 S 3280/96 -, NVwZ 1998, 761, 762, sowie die bisherige ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, BVerwGE 12, 87, 90; 26, 161, 165; 49, 36, 39; 81, 226, 227; neuerdings ausdrücklich offen gelassen unter Hinweis auf die Möglichkeit der allgemeinen Feststellungsklage im Urteil vom 14.7.1999 - 6 C 7.98 -, BVerwGE 109, 203, 208 f.). Im Übrigen würden sich unter den gegebenen Umständen die Sachurteilsvoraussetzungen nach § 43 VwGO und § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in analoger Anwendung nicht unterscheiden.

Entsprechendes gilt, soweit die Klägerin mit dem Antrag Ziffer 2 das ursprünglich auf die Verpflichtung des Beklagten zur Vernichtung der angefertigten erkennungsdienstlichen Unterlagen und Löschung der erhobenen Daten gerichtete Klagebegehren umgestellt hat. Denn auf eine erledigte Verpflichtungsklage ist § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entsprechend anzuwenden (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 12.9.1989, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 206 m.w.N.; vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.2.2003 - 5 S 1279/01 -). Dieses Begehren hat sich nach Klageerhebung im Laufe des Berufungsverfahrens erledigt, nachdem am 1.10.2003 die Vernichtung bzw. Löschung der streitgegenständlichen Unterlagen bzw. Daten erfolgt ist.

Der Übergang von den ursprünglichen Begehren auf die Fortsetzungsfeststellungsbegehren stellt keine Klagänderung im Sinne des § 91 VwGO dar (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 12.9.1989, a.a.O.; Eyermann-Jörg Schmidt, VwGO, 11. Aufl., § 113 RdNr. 65). Ein berechtigtes Interesse an den begehrten Feststellungen kann der Klägerin nicht abgesprochen werden. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats ist anerkannt, dass insbesondere bei polizeilichen Maßnahmen auch die Art des Eingriffs, insbesondere im grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, es erfordern kann, das Feststellungsinteresse anzuerkennen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.4.1997, Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 127). Mit der erkennungsdienstlichen Behandlung der Klägerin in der hier durchgeführten Form sowie mit der Aufbewahrung und Speicherung der diesbezüglichen Unterlagen und Daten hat der Beklagte in nicht unerheblicher Weise in das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin insbesondere in der Ausprägung ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen. Es wäre mit den Grundsätzen des Rechtsstaats unvereinbar, der Klägerin den Zugang zum Gericht und damit die Chance zu versagen, über die gerichtliche Rechtswidrigkeitsfeststellung eine Art Genugtuung (Rehabilitation) und damit wenigstens einen gewissen Ausgleich für eine möglicherweise rechtswidrige Verletzung ihrer Grundrechte zu erlangen.

II.

Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist teilweise begründet. Dies gilt zunächst für den Antrag Ziffer 1. Die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung vom 27.8.1998 war rechtswidrig, soweit sie im Rahmen der sog. Personenbeschreibung die Erhebung äußerlich nicht ohne weiteres erkennbarer unveränderlicher körperlicher Merkmale der Klägerin durch Leibesvisitation umfasste (1.). Insoweit war auch die Ablehnung der Vernichtung der angefertigten Unterlagen und die Löschung der erhobenen Daten rechtswidrig und war der Beklagte zur Vernichtung sowie Löschung verpflichtet (Antrag Ziffer 2, hierzu unter 2.).

1.

Als Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Maßnahme kommt allein § 81 b 2. Alt. StPO in Betracht. Nach dieser Bestimmung können Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden, soweit dies für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist.

Unstreitig hat die Kriminalaußenstelle Vaihingen/Enz die Maßnahme nicht allein für die Zwecke des konkret gegen die Klägerin betriebenen Strafverfahrens durchgeführt, sondern auch zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten "für die Zwecke des Erkennungsdienstes". Da gegen die Klägerin seit August 1998 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Vortäuschens einer Straftat anhängig war, war sie Beschuldigte eines Strafverfahrens und daher grundsätzlich zulässige Adressatin der Maßnahme im Sinne des § 81 b 2. Alt. StPO. Auf die - vom Verwaltungsgericht zusätzlich herangezogene - landesrechtliche Parallelvorschrift des § 36 Abs. 1 Nr. 2 PolG können erkennungsdienstliche Maßnahmen zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten nur gestützt werden, soweit nicht § 81 b 2. Alt. StPO aus Anlass eines Strafverfahrens gegen einen "Beschuldigten" zur Vornahme präventiv-polizeilicher erkennungsdienstlicher Maßnahmen ermächtigt (wie OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17.10.2000, NVwZ-RR 2001, 238; Sächs. OVG, Beschluss vom 10.10.2000, NVwZ-RR 2001, 238 f.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.1.1999, DÖV 1999, 522 f.; vgl. auch den Senatsbeschluss vom 10.12.2002 - 1 S 2244/02 -; Wolf/Stephan, Polizeigesetz für Baden-Württemberg, 5. Aufl. § 36 RdNr. 11; Würtenberger/Heckmann/Riggert, Polizeirecht in Baden-Württemberg, 5. Aufl., RdNr. 346).

Der Rechtmäßigkeit der Maßnahme steht weder entgegen, dass bei ihrer Durchführung der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht mehr anwesend war, noch, dass sie ohne Kenntnis und Zustimmung der Staatsanwaltschaft durchgeführt wurde. Anders als für Maßnahmen gemäß § 81 b 1. Alt. StPO ist für Anordnungen nach § 81 b 2. Alt. StPO ausschließlich die Kriminalpolizei zuständig (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl. , § 81 b RdNr. 13; Senge, in: Karlsruher Kommentar, 5. Aufl. 2003, § 81 b RdNr. 5, jeweils m.w.N.). Die Rechtswidrigkeit der Maßnahme ergibt sich auch nicht aus der Behauptung der Klägerin, der anordnende Beamte habe sie über das Vorliegen einer Anordnung der Staatsanwaltschaft getäuscht. Abgesehen davon, dass der Beamte diese Behauptung bestreitet und der Prozessbevollmächtigte der Klägerin sich in der Berufungsverhandlung insoweit nicht "hundertprozentig" erinnern konnte, ließe ein entsprechender Irrtum der Klägerin die Rechtmäßigkeit der Maßnahme unberührt.

Die durchgeführte erkennungsdienstliche Behandlung war zwar dem Grunde nach, nicht jedoch in vollem Umfang für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig.

Die Notwendigkeit der Anfertigung und Aufbewahrung von erkennungsdienstlichen Unterlagen bemisst sich danach, ob der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Strafverfahrens festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalls - insbesondere angesichts der Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen im strafrechtlichen Anlassverfahren zur Last gelegten Straftaten, seiner Persönlichkeit sowie unter Berücksichtigung des Zeitraums, während dessen er strafrechtlich nicht (mehr) in Erscheinung getreten ist - Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene künftig oder anderwärts gegenwärtig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen - den Betroffenen schließlich überführend oder entlastend - fördern könnten (st. Rechtsprechung des BVerwG, vgl. Urteile vom 19.10.1982, BVerwGE 66, 192, 199, sowie 202, 205; Beschluss vom 6.7.1988, Buchholz 306 § 81 b StPO Nr. 1).

Der unbestimmte Rechtsbegriff der "Notwendigkeit" unterliegt hierbei der vollen Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte; lediglich das der polizeilichen Prognose über das künftige Verhalten des Betroffenen zugrundeliegende Wahrscheinlichkeitsurteil ist einer Kontrolle nur begrenzt zugänglich; diese erstreckt sich lediglich darauf, ob die Prognose auf zutreffender Tatsachengrundlage beruht und ob sie nach gegebenem Erkenntnisstand unter Einbeziehung des kriminalistischen Erfahrungswissens sachgerecht und vertretbar ist (vgl. VGH Bad,-Württ., Urteil vom 9.2.1987, VBlBW 1987, 425, 426 f.; vgl. auch Urteil vom 27.9.1999, NVwZ-RR 2000, 287 f.; Beschluss vom 20.2.2001, DVBl. 2001, 838 f., sowie vom 10.12.2002 - 1 S 2244/02 - zu § 38 Abs. 1 Satz 2 bzw. § 36 Abs. 1 Nr. 2 PolG).

An diesem Maßstab gemessen kann die Einschätzung des Beklagten, zu dem - hier maßgeblichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.10.1982, a.a.O., S. 198) - Zeitpunkt der erkennungsdienstlichen Behandlung habe aufgrund der laufenden und der abgeschlossenen Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin davon ausgegangen werden können, dass diese bei künftigen noch aufzuklärenden Straftaten mit guten Gründen in den Kreis möglicher Tatverdächtiger einbezogen werden könnte, nicht beanstandet werden. Die Anzahl der gegen die Klägerin durchgeführten Ermittlungsverfahren bzw. Strafverfahren sowie deren dichte Aufeinanderfolge und die strukturelle Vergleichbarkeit der vorgeworfenen Taten - ganz überwiegend Vermögensdelikte bzw. Delikte im Zusammenhang mit der Führung ihrer Firmen - lassen die Prognoseentscheidung des Beklagten jedenfalls als vertretbar erscheinen. Bei einer Gesamtschau hat auch der Senat den Eindruck gewonnen, dass bei der Klägerin jedenfalls in dem für die Maßnahme bedeutsamen Zeitraum - möglicherweise im Zusammenhang mit der Verschlechterung der finanziellen Situation ihrer Firmen - eine gewisse Neigung zur Begehung strafbarer Handlungen im Zusammenhang mit ihrer wirtschaftlichen Betätigung bestand. Insoweit konnte nicht allein der - insbesondere auf den Untersuchungsbericht des Kriminaltechnischen Instituts des Landeskriminalamts vom 11.8.1998 gestützte - Tatverdacht aus dem Ermittlungsverfahren wegen Vortäuschens einer Straftat, sondern es konnten auch die Vorwürfe aus den nach § 153 Abs. 1 und 2 sowie nach § 154 StPO eingestellten Verfahren berücksichtigt werden. Denn einer Einstellung nach diesen Vorschriften lässt sich gerade nicht entnehmen, dass der gegen die Klägerin gerichtete Tatverdacht ausgeräumt wurde.

Aus diesen Feststellungen ergibt sich indes lediglich, dass die Anfertigung erkennungsdienstlicher Unterlagen und die Speicherung entsprechender Daten dem Grunde nach gerechtfertigt war. Zusätzlich bedarf es jedoch in jedem Einzelfall der Prüfung, ob die im Rahmen einer erkennungsdienstlichen Behandlung durchzuführenden Maßnahmen auch ihrem Umfang nach notwendig sind. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 81 b 2. Alt. StPO, wonach die Maßnahmen nur zulässig sind, "Soweit" dies für die Zwecke des Erkennungsdienstes "notwendig" ist. Bei dieser Begrenzung erkennungsdienstlicher Maßnahmen auf das notwendige Maß handelt es sich um eine (einfachgesetzliche) Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, dem der mit der Datenerhebung verbundene Eingriff in grundrechtlich geschützte Belange des Betroffenen, insbesondere in dessen Recht auf informationelle Selbstbestimmung genügen muss (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 9.2.1967, BVerwGE 26, 169, 172).

Vor diesem Hintergrund ist das Erfordernis, dass die angefertigten Unterlagen bzw. die gespeicherten Daten in zukünftigen Ermittlungsverfahren die Ermittlungen der Polizei fördern können, dahingehend zu konkretisieren, dass die Unterlagen bzw. Daten gerade für die Aufklärung solcher Straftaten geeignet und erforderlich sein müssen, für die im konkreten Fall eine Wiederholungsgefahr begründet werden kann. Dies setzt einen hinreichenden Zusammenhang zwischen der Art der erhobenen Daten und der Art und Begehungsweise der zu besorgenden Straftaten voraus. Mit dieser Vorgabe ist die Auffassung des beklagten Landes, im Rahmen einer "ed-Behandlung" sei regelmäßig ein bestimmter Katalog erkennungsdienstlicher Maßnahmen gerechtfertigt (vgl. Ziffer 5.2.1 der - mit Erlass des Innenministeriums vom 10.8.1994 zum 1.9.1994 in Kraft gesetzten - "Richtlinien für erkennungsdienstliche Maßnahmen": Zehnfingerabdrücke, dreiteiliges Lichtbild, Personenbeschreibung auf Vordruck KP 8, AS 162 der VGH-Akte) nicht vereinbar. Zu berücksichtigen ist ferner, dass § 81 b 2. Alt. StPO zu verschiedenen Maßnahmen ermächtigt, die Grundrechte des Betroffenen jeweils mit unterschiedlicher Intensität beeinträchtigen können. Insoweit verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass im konkreten Einzelfall die Schwere des mit der konkreten erkennungsdienstlichen Behandlung verbundenen Grundrechtseingriffs nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht des mit der Maßnahme verfolgten öffentlichen Interesses namentlich an der Aufklärung künftiger Straftaten steht.

Von diesen Grundsätzen ausgehend ergibt sich für den vorliegenden Fall Folgendes:

Wie aufgezeigt, sind gegen die Klägerin zahlreiche Ermittlungsverfahren durchgeführt worden, die sich vorwiegend auf Vermögensdelikte und Delikte im Zusammenhang mit der Führung ihrer Gewerbebetriebe bezogen. Darüber hinaus wurde ihr im Anlassverfahren, aus dem sich die Notwendigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung letztlich herleiten lassen muss, das Delikt des Vortäuschens einer Straftat bzw. der falschen Verdächtigung zur Last gelegt. Hierbei hat sich der durch den Bericht des Landeskriminalamtes vom 11.8.1998 gestützte Verdacht ergeben, dass die Klägerin den ihrer Strafanzeige gegen zwei ehemalige Mitarbeiter zugrundeliegenden "anonymen" Drohbrief selbst verfasst und sie somit die Strafverfolgungsbehörden über den Urheber des Schreibens getäuscht hat. Bestanden somit konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin eine Straftat unter Täuschung über ihre Identität begangen hat, war mit Blick auf die Art und die Begehungsweise der konkret zu besorgenden Straftaten die Möglichkeit der Förderung künftiger Ermittlungsverfahren insoweit nicht von der Hand zu weisen, als bei ihr Fingerabdrücke genommen, Lichtbilder gefertigt und im Rahmen der sog. Personenbeschreibung äußerlich ohne weiteres erkennbare personenbezogene Merkmale (etwa Körpergröße, Körpergestalt, Haarfarbe, Haarbeschaffenheit) erhoben wurden. Dabei begegnet die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit auch deshalb keinen durchgreifenden Bedenken, weil zum einen der im Anlassverfahren verfolgten Straftat kein Bagatellcharakter zukam (vgl. die Strafdrohungen von bis zu 5 bzw. 3 Jahren Freiheitsstrafe, § 164 Abs. 1 bzw. § 145 d Abs. 1 StGB), zum anderen die Art und Weise der Durchführung der Maßnahmen jedenfalls mit gravierenden Beeinträchtigungen ihrer grundrechtlich geschützten Belange nicht verbunden waren. Insoweit fehlt es auch an greifbaren Anhaltspunkten dafür, dass sich der Beamte bei seiner Entscheidung von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen.

Demgegenüber rechtfertigte der gegen die Klägerin bestehende Tatverdacht wegen der genannten Delikte im vorliegenden Fall nicht das Erheben von Daten zu äußerlich nicht ohne weiteres erkennbaren, unveränderlichen besonderen körperlichen Merkmalen durch Leibesvisitation. Zwar ist eine solche Handlung als "ähnliche Maßnahme" im Sinne des § 81 b 2. Alt. StPO zu qualifizieren (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 81 b RdNr. 8). Jedoch war im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, dass die Taten, mit denen bei der Klägerin gerechnet werden konnte, nach ihrer Art und konkreten Begehungsweise den Einsatz von erkennungsdienstlichen Unterlagen und Daten hinsichtlich solcher besonderen körperlichen Merkmale erforderlich machen könnten. Bei keinem der durchgeführten Ermittlungs- und Strafverfahren war es von Bedeutung gewesen, ob bzw. welche unveränderlichen körperlichen Merkmale die Klägerin besitzt. Anders kann dies in Fällen sein, in denen der Täter, um die Strafverfolgung zu erschweren, im Zusammenhang mit seinem strafrechtlich relevanten Verhalten gerade über sein jedermann erkennbares individuelles Aussehen täuscht (etwa durch die Manipulation seines Äußeren zur Durchführung eines Trickbetrugs) oder dieses bei der Tatausführung verborgen hält. Derartiges konnte der Klägerin jedoch nicht vorgeworfen werden. Bei dieser Sachlage war die Erhebung der Daten über die Untersuchung des Körpers der Klägerin auf unveränderliche besondere körperliche Merkmale, insbesondere die Aufnahme der dabei vermessenen unfallbedingten Narben in die sog. Personenbeschreibung nicht im Sinne des § 81 b 2. Alt. StPO für die Zwecke des Erkennungsdienstes "notwendig". Die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme folgt hieraus um so mehr, als mit der Art und Weise der Erhebung dieser Daten - die Klägerin musste das Absuchen ihrer gesamten Körperoberfläche einschließlich des Intimbereichs durch eine Polizeibeamtin zulassen - in schwerwiegender Weise der - staatlichem Zu- und Eingriff grundsätzlich entzogene (vgl. nur Hillgruber in: Umbach/Clemens, Grundgesetz, Mitarbeiterkommentar, Bd. 1, Art. 2 Abs. 1 RdNr. 63, m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts) - Bereich ihrer Intimsphäre beeinträchtigt wurde. Der nach den vorstehenden Darlegungen allenfalls theoretischen Einbuße an Effektivität für eine künftige Ermittlungstätigkeit der Strafverfolgungsbehörden bei einem Absehen von dieser Datenerhebung stand somit ein gravierender Grundrechtseingriff gegenüber. Diesen musste die Klägerin bei einer Abwägung der gegenläufigen öffentlichen und privaten Interessen nicht hinnehmen.

2.

In dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang waren auch die weitere Aufbewahrung der Unterlagen und Speicherung der Daten (von vornherein) rechtswidrig, so dass der Beklagte insoweit dem Antrag der Klägerin auf Vernichtung bzw. Löschung hätte stattgeben müssen (a). Dies gilt unabhängig davon, ob als maßgebliche Rechtsgrundlage eines entsprechenden Vernichtungs- oder Löschungsanspruchs § 38 Abs. 1 Satz 4 PolG oder § 46 PolG heranzuziehen ist (vgl. Senatsurteile vom 27.9.1999, NVwZ-RR 2000, 287).

Soweit die Datenerhebung auf der Grundlage des § 81 b 2. Alt. StPO nicht beanstandet werden kann, begegnete auch die weitere Aufbewahrung/Speicherung von Unterlagen/Daten bis zu ihrer Vernichtung bzw. Löschung am 1.10.2003 keinen rechtlichen Bedenken (b).

a) Rechtsgrundlage für die Aufbewahrung und Speicherung der im Rahmen der erkennungsdienstlichen Behandlung der Klägerin erhobenen Daten ist § 38 Abs. 1 PolG. Die Anwendbarkeit dieser landesrechtlichen Bestimmung im Falle der erkennungsdienstlichen Behandlung eines Beschuldigten, die hier sowohl gemäß § 81 b 1. Alt. StPO für die Zwecke des konkret gegen die Klägerin gerichteten Strafverfahrens als auch nach § 81 b 2. Alt. StPO als vorbeugende Maßnahme für zukünftige Strafverfahren durchgeführt worden war, begegnet keinen rechtlichen Bedenken (vgl. bereits das Senatsurteil vom 27.9.1999, a.a.O.). Dies gilt auch nach der Einführung der Regelung des § 481 StPO durch Art. 1 Nr. 15 des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Strafverfahrensrechts (StVÄG 1999) vom 2.8.2000 (BGBl. I 1253), wonach die Polizeibehörden nach Maßgabe der Polizeigesetze personenbezogene Informationen aus Strafverfahren verwenden dürfen. Diese Bestimmung fungiert als "Öffnungsklausel" für die nähere Ausgestaltung der Umwidmung von im Zusammenhang mit einem Strafverfahren erhobenen Daten zu präventiven Zwecken. Ihr liegt der Wille des Gesetzgebers zugrunde, die weitere Verwendung auf der Grundlage der Strafprozessordnung repressiv, d.h. zum Zweck der Strafverfolgung erhobener personenbezogener Informationen den Polizeibehörden nach Maßgabe der Polizeigesetze zu gestatten (BTDrucks 14/1484, S. 2, 31). Hieraus kann nach Auffassung des Senats nicht geschlossen werden, dass der Bundesgesetzgeber die Anwendung hinreichend bestimmter bereichsspezifischer landesrechtlicher Rechtsgrundlagen für die Speicherung, Veränderung und Nutzung von Daten zu präventiv-polizeilichen Zwecken (vgl. Senatsurteile vom 26.5.1992, VBlBW 1993, 13, 16, sowie vom 27.9.1999, a.a.O.) für die Fälle hat ausschließen wollen, in denen die Erhebung der Daten ohnehin bereits zu präventiven Zwecken auf der Grundlage des § 81 b 2. Alt. StPO erfolgt ist, diese Informationen also eine Zweckänderung nicht erfahren (a.A. VG Gießen, Urteil vom 29.4.2002, NVwZ 2002, 1531, 1532 f.).

Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 PolG kann der Polizeivollzugsdienst personenbezogene Daten, die ihm im Rahmen von Ermittlungsverfahren bekannt geworden sind, speichern, verändern und nutzen, soweit und solange dies zur Abwehr einer Gefahr oder zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist. An der Erforderlichkeit fehlte es im vorliegenden Fall, soweit der Beklagte Unterlagen bzw. Daten zu äußerlich nicht ohne weiteres erkennbaren, unveränderlichen besonderen körperlichen Merkmalen der Klägerin aufbewahrt bzw. gespeichert hat. Zur Begründung kann auf die obigen Ausführungen zur partiellen Unverhältnismäßigkeit der auf § 81 b 2. Alt. StPO gestützten Maßnahme der Datenerhebung verwiesen werden.

b) Zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten ist die Speicherung, Veränderungen und Nutzung personenbezogener Daten erforderlich, wenn die betreffende Person verdächtig ist, eine Straftat begangen zu haben, und tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie künftig eine Straftat begehen wird (§ 38 Abs. 1 Satz 2 PolG). Soweit die erkennungsdienstliche Behandlung nach den vorstehenden Darlegungen rechtmäßig war, lagen diese Voraussetzungen im Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme vor: Die Klägerin war verdächtig, eine Straftat nach § 145 d StGB bzw. § 164 StGB begangen zu haben. Auch hat der Beklagte mit der von ihm prognostizierten Wiederholungsgefahr seinen Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Auch insoweit nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die obigen Ausführungen.

In diesem Umfang waren die Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 PolG aber auch während des Zeitraums bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses gegeben. Mit dem festgestellten Tatverdacht und der auf tatsächlichen Anhaltspunkten beruhenden Wiederholungsgefahr sind die Voraussetzungen erfüllt, unter denen der generalisierenden Bewertung des Gesetzgebers in § 38 Abs. 1 Satz 2 und 3 PolG zur Folge die Speicherung der personenbezogenen Daten aus diesen Ermittlungsverfahren zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten grundsätzlich erforderlich ist. Steht dies fest, kann die Behörde im Regelfall davon ausgehen, dass die weitere Speicherung der personenbezogenen Daten bis zum Ablauf der gesetzlichen Regelspeicherfristen (§ 38 Abs. 2 Satz 2 PolG) geboten und damit zulässig ist. Dies entspricht erkennbar der Wertung des Gesetzgebers, der mit den Fristen in § 38 Abs. 2 Satz 2 PolG nicht nur den Zeitpunkt bestimmt, nach dem der Polizeivollzugsdienst spätestens von Amts wegen zu überprüfen hat, ob die weitere Speicherung der personenbezogenen Daten noch erforderlich ist (§ 38 Abs. 2 Satz 1 PolG), sondern zugleich den zeitlichen Rahmen absteckt, nach dessen Ablauf die personenbezogenen Daten im Regelfall zu löschen sind (§ 38 Abs. 2 Satz 2 PolG). Bis zum Ablauf dieser Fristen jedoch geht der Gesetzgeber grundsätzlich von der Erforderlichkeit der nach § 38 Abs. 1 PolG zulässigerweise gespeicherten Daten aus (vgl. das Senatsurteil vom 27.9.1999, a.a.O.).

Besondere Umstände, die die weitere Speicherung der personenbezogenen Daten vor Ablauf der hier einschlägigen Fünfjahresfrist (§ 38 Abs. 2 Satz 2 PolG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 DVOPolG) als nicht mehr erforderlich hätten erscheinen lassen können, sind weder schlüssig vorgetragen worden noch sonst für den Senat ersichtlich. Dies gilt um so mehr, als die Klägerin wegen des im Anlassverfahren erhobenen Vorwurfs mit rechtskräftigen Strafbefehl vom 4.11.1998 wegen falscher Verdächtigung gemäß § 164 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt worden ist. Zwar betreibt sie insoweit ein Wiederaufnahmeverfahren, dieses war jedoch im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses nicht erfolgreich abgeschlossen. Das Amtsgericht Marbach hat den Wiederaufnahmeantrag der Klägerin mit Beschluss vom 11.12.2001 als unzulässig verworfen, über die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde ist derzeit noch nicht entschieden. Im Übrigen kommt selbst das von der Klägerin zur Begründung ihres Wiederaufnahmeantrags eingeholte zweite Schriftgutachten vom 28.10.2001 lediglich zu dem Ergebnis, dass eine "Urheberschaft der fraglichen Beschriftungen" durch die Klägerin "auf der Grundlage des bislang zur Verfügung stehenden und im Vorgutachten verwerteten Vergleichsmaterials nicht verbindlich nachgewiesen werden könne", vielmehr "Zweifel an einer Urheberschaft" durch die Klägerin verblieben. Auch damit war - unabhängig vom Ausgang des Wiederaufnahmeverfahrens - jedenfalls der gegen die Klägerin gerichtete Tatverdacht - als tragfähige Grundlage für die Annahme einer Wiederholungsgefahr - nicht ausgeräumt.

Entsprechendes gilt für die in weiteren Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin erhobenen Vorwürfe. So ist sie im Berufungsverfahren mit rechtskräftigem Urteil vom 9.7.2001 vom Landgericht Stuttgart wegen Konkursverschleppung in zwei Fällen und Beitragsvorenthaltung in fünf Fällen zu einer Geldstrafe verurteilt worden (37 Ns 155 Js 46204/96). Zwar ist in der Berufungshauptverhandlung das Verfahren wegen Betrugs (37 Ns 155 Js 101683/98) gemäß § 154 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 2 StPO vorläufig eingestellt worden. Auch hier ist jedoch nicht ersichtlich, dass der insoweit bestehende Tatverdacht ausgeräumt gewesen wäre. Insgesamt vermag der Senat - auch mit Blick auf die grundrechtlichen Interessen der Klägerin und den insoweit zu beachtenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit - keine Gründe zu erkennen, die die Aufbewahrung bzw. Speicherung in dem aufgezeigten Umfang im Zeitraum bis zum Erledigungseintritt hätten rechtswidrig erscheinen lassen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Streitwertbeschluss

vom 18. Dezember 2003

Der Streitwert für das Verfahren in beiden Rechtszügen wird - unter Änderung des Streitwertfestsetzungsbeschlusses des Verwaltungsgerichts vom 13.12.2000 - auf jeweils 8.000,-- EUR festgesetzt.

Die Streitwertfestsetzung unter Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts von Amts wegen beruht auf §§ 25 Abs. 2, 14 Abs. 1, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG in Verbindung mit § 5 ZPO in entsprechender Anwendung; der Auffangstreitwert war zu verdoppeln, da hier eine objektive Klagenhäufung vorliegt.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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