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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 20.03.2007
Aktenzeichen: 10 S 1266/06
Rechtsgebiete: BImSchG, 4. BImSchV


Vorschriften:

BImSchG § 4 Abs. 1
4. BImSchV § 1 Abs. 1 Satz 4
4. BImSchV Anh. 3.7
Für den Begriff der Produktionsleistung von Gussteilen je Tag im Sinne von Ziff. 3.7 des Anhangs zur 4. BImSchV kommt es auf die Rohgussmenge der Anlage und nicht auf die Menge der verkaufsfertigen Güter (sog. guter Guss) an.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

10 S 1266/06

In der Verwaltungsrechtssache

wegen immissionsschutzrechtlicher Feststellung

hat der 10. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 20. März 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 10. April 2006 - 8 K 1845/04 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufungsverfahrens.

Für den Beklagten ist das Urteil wegen der Kosten ohne Sicherleistungsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 120 Prozent des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die von ihr betriebene Stahlgießerei nicht der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht unterliegt.

Die Klägerin betreibt in T. eine Stahlfeingießerei, die erstmals 1969 baurechtlich genehmigt wurde. In der Folgezeit wurden verschiedene immissionsschutzrechtliche Genehmigungen für Änderungen bzw. Erweiterungen der Anlage erteilt. Die letzte wesentliche Änderung (teilweise Umsetzung der vorhandenen maschinellen Einrichtungen für die Stahlgießerei in einen neuen Baukörper und einen Lagerraum für brennbare Flüssigkeiten) wurde vom Landratsamt Tübingen mit Entscheidung vom 11.10.1991 immissionsschutzrechtlich genehmigt. Nach II. der Entscheidung sind auch die von der Klägerin in ihrem Antrag unter Nr. 11 beschriebenen Maßnahmen zum Arbeitsschutz Bestandteil der immissionsschutzrechtlichen Entscheidung. Unter Nr. 11.7 hatte die Klägerin in ihrem Antrag angegeben, dass in ihrer Firma "regelmäßig von Montag bis Samstag von 6.00 bis 22.00 Uhr" gearbeitet wird. Hinsichtlich der Schmelzleistung der vorhandenen Öfen enthalten die Antragsunterlagen selbst keine Angaben.

Mit Schreiben vom 15.01.2002 wies das Gewerbeaufsichtsamt Tübingen die Klägerin auf die am 03.08.2001 in Kraft getretenen Änderungen der 4. BImSchV vom 27.07.2001 hin, wonach es auf die maximale Schmelzleistung der Schmelzöfen pro Tag ankomme, und bat die Klägerin um Überprüfung ihrer Anlage hinsichtlich der neuen Schwellenwerte. Die Klägerin machte daraufhin geltend, sie fahre die beiden Öfen nur einschichtig und habe im Jahr 2000 eine tägliche Schmelzleistung von 681 kg und im Jahr 2001 von 721 kg erzielt. Dabei ging die Klägerin nicht von der Rohgussmenge, sondern von der Menge des verkaufsfertigen Gusses (sog. "guter Guss") aus. Demgegenüber sah der Beklagte für den Begriff der "Produktionsleistung von 2 Tonnen Gussteile je Tag" im Sinne von Nr. 3.7 Spalte 2 des Anhangs zur 4. BImSchV die Rohgussmenge der Anlage der Klägerin als maßgeblich an.

Am 05.10.2004 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Sigmaringen Feststellungsklage erhoben und zur Begründung vorgetragen: Das Klagebedürfnis ergebe sich im Wesentlichen aus der Tatsache, dass in der Gießereiindustrie Investitionen ohne zeitlichen Verzug getätigt werden müssten, um erfolgreich am Markt bestehen zu können. Die Durchführung eines Genehmigungsverfahrens binde in ihrem mittelständisch geführten Betrieb unnötig Ressourcen und schränke somit den Wettbewerbsvorteil ein, den eine kleine Gießerei aus ihrer Flexibilität ziehe. Die beiden Schmelzöfen seien technisch zwingend so miteinander verbunden, dass sie nicht gleichzeitig betrieben werden könnten. Eine nochmalige Auswertung der ca. 1.800 von ihr hergestellten verschiedenen Produkte habe ein durchschnittliches Ausbringen von 38 % ergeben. Errechne man den durchschnittlichen Ausbringungsgrad des oberen Viertels der Produkte, werde selbst unter diesen unrealistischen guten Betriebsbedingungen lediglich eine Ausbringungsquote von 55 %, bei einer Schmelzkapazität von 3,2 t somit eine Produktionsleistung von 1.760 kg "guten Gusses" pro Tag erreicht. Für den Begriff "Produktionsleistung" in Nr. 3.7 sei auch nach Ansicht des Bundesumweltministeriums das Ausbringen "guten Gusses" bestimmend. Im Gegensatz zur bisherigen Fassung der Nr. 3.7 Spalte 2 des Anhangs zur 4. BImSchV werde nicht mehr auf die Leistung, sondern auf die Produktionsleistung abgestellt. Hierdurch komme zum Ausdruck, dass das Endprodukt einer Gießerei maßgeblich sei. Am Ende des Gießereiprozesses stehe aber nicht das geschmolzene Eisen oder ein roh abgegossenes Teil, sondern das von Speisern und Angüssen befreite und geputzte Teil, der "gute Guss". Systematisch werde diese Auslegung durch § 1 Abs. 1 Satz 4 4. BImSchV gestützt. Danach sei auf den jeweils rechtlich und tatsächlich möglichen Betriebsumfang abzustellen, wenn die Genehmigungsbedürftigkeit von dem Erreichen oder Überschreiten einer Leistungsgrenze oder Anlagengröße abhänge. Es komme dabei auf eine Analyse des gesamten Betriebes an. Eine Eisen-, Stahl- oder Tempergießerei definiere sich aber nicht allein über die Schmelz- und Formanlage sowie den Abguss, das formgebende Verfahren einer Gießerei werde vielmehr erst mit der Herstellung eines geputzten Gussteiles abgeschlossen. Das Abstellen auf Schmelzleistung oder Rohguss lasse diesen Aspekt außen vor. Diese Betrachtungsweise habe auch keine Nachteile für den materiellen Umweltschutz, denn es gehe bei der Abgrenzung in der Praxis regelmäßig um die Frage, welchem formellen Verfahren eine Gießerei zugeordnet werde. Es gehe ihr nicht um die Verminderung der Umweltschutzstandards, es sollten lediglich formelle Anforderungen abgebaut und somit der Verwaltungsaufwand reduziert werden. Des Weiteren sei der Begriff "Gussteile" in der gießereitechnischen Fachwelt eindeutig und unzweifelhaft besetzt und bezeichne den sog. "guten Guss", also das Formteil ohne Angüsse und Speiser. Die Interpretation des Länderausschusses für Immissionsschutz (LAI) gehe demgegenüber über die im Rahmen der IVU-Richtlinie von der Kommission aufgestellten Anforderungen weit hinaus. Das von der Kommission verfolgte Ziel sei gewesen, ca. 80 % der Branche in den Anwendungsbereich der Richtlinie mit ihren formellen und materiellen Anforderungen einzubeziehen. Auf Basis der Absatzzahlen "guten Gusses" sei in diesem Verfahren die von der Kommission gewollte Quote erreicht worden. Sofern nunmehr auf die Menge erschmolzenen Eisens oder den Rohguss abgestellt werde, stelle dies eine spürbare Verschärfung dar, die der Intention der Richtlinie widerspreche. Die Feststellung der Menge herzustellenden "guten Gusses" sei ein hinreichend präzises Instrument, um mit einer typisierenden Betrachtungsweise die potentielle Umweltgefährdung einer Gießerei festzustellen. In seltenen Einzelfällen werde eine genauere Nachprüfung notwendig sein, was aber hinnehmbar sei.

Zur Begründung des Antrags auf Klageabweisung hat der Beklagte vorgetragen: Aus den Antragsunterlagen zur immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gehe nicht hervor, dass die beiden Schmelzöfen technisch so gegeneinander verriegelt seien, dass sie nicht gleichzeitig betrieben werden könnten. Daher sei die Summe der Schmelzleistungen beider Öfen maßgeblich, solange keine - rechtlich jederzeit mögliche - die tatsächliche Verriegelung nachvollziehende verbindliche Teilverzichtserklärung oder Verpflichtung in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag erfolgt sei. Bei einer Betriebszeit von 16 Stunden ergebe sich daher eine maximale Schmelzleistung von 6,4 Tonnen je Tag für beide Öfen. Mit der Formulierung "Leistung Gussteile je Monat" in Nr. 3.7 a. F. seien Rohgussteile (unbearbeitete Gussteile mit Angüssen) gemeint gewesen. Der Begriff "Produktionsleistung" in Nr. 3.7 n.F. und der Begriff "abgegossene" Menge in Nr. 3.8 betrachteten die gleiche Metallmenge, nur zu unterschiedlichen Zeitpunkten des Prozesses. Fehlerhafte Teile oder Ausschussproduktionen zählten zur Produktionsleistung; die Emissionen einer Gießerei seien im formgebenden Prozess (Gießen) proportional zur abgegossenen Menge, wobei es für die Menge der Emissionen unerheblich sei, ob Ausschuss oder gute Teile produziert werden. Danach komme es wesentlich auf die Emissionsrelevanz einer Anlage an. Die Emissionen einer Gießerei seien durch die Produktionsvorgänge an sich (z.B. Schmelzen, Brennen, Gießen und Abstrahlen) bestimmt. Die Menge "guten Gusses" könne variieren und sei abhängig von der Art und Weise der Produktion in einem Betrieb. Legte man den Begriff "guter Guss" zugrunde, fiele ein Betrieb möglicherweise nur deshalb in die Genehmigungspflicht, weil ein hoher Anteil "guten Gusses" produziert werde. Demgegenüber wäre ein Betrieb mit gleicher Rohgussmenge und einem entsprechend niedrigeren Anteil "guten Gusses" nicht genehmigungspflichtig. Beide Anlagen hätten aber aufgrund der gleichen Rohgussmenge vergleichbare Emissionen, würden aber genehmigungsrechtlich völlig unterschiedlich eingestuft. Dies könne nicht im Sinne des Gesetzgebers sein. Maßgeblich für die Einstufung einer Gießerei könne daher nur die Rohgussmenge sein. Hierfür spreche im Übrigen auch die Ableitung des Begriffs "Produktionsleistung" vom Begriff "Produktionskapazität" gemäß IVU-Richtlinie. Der Begriff der Kapazität bezeichne die Höchstleistung einer technischen Anlage, das "Durchlassvermögen" bzw. das "Fassungs- oder Speichervermögen". Er umfasse damit die maximale Produktion im Sinne des Herstellungsprozesses als solchem und stelle nicht auf das verkaufsfähige Produkt ab. Die Anlage der Klägerin unterfalle daher nach wie vor - auch unter Zugrundelegung der Schmelzmenge nur eines Ofens - der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht, weil die Produktionsleistung den gesetzlichen Schwellenwert von 2 Tonnen je Tag Gussteile erreiche bzw. überschreite. Der Klägerin bleibe es unbenommen, sich in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag zu verpflichten, den Schwellenwert zu unterschreiten. Damit würde sie, wie gewünscht, aus der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht herausfallen.

Mit Urteil vom 10.04.2006 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Feststellungsklage sei zulässig, aber unbegründet, weil zur Bestimmung des Begriffs "Produktionsleistung Gussteile je Tag" auf die Rohgussmenge abzustellen sei. Diese betrage bei der Anlage der Klägerin aber 3,2 Tonnen je Tag und überschreite damit die Grenze von 2 Tonnen je Tag. Aus dem Wortlaut ergebe sich nicht, dass mit Produktionsleistung der "gute Guss" gemeint sei. Mit Produktion werde nur allgemein die zwischen Beschaffung und Absatz liegende Phase der betrieblichen Tätigkeit beschrieben. Produktionsleistung gehe auf den Begriff Produktionskapazität zurück; dieser bezeichne allgemein die Höchstleistung einer technischen Anlage und damit die maximale Produktion im Sinne des Herstellungsprozesses. Auch systematische Überlegungen sprächen gegen die Ansicht der Klägerin. Denn in anderen Rechtsgebieten habe der Normgeber im Gegensatz zu der hier maßgeblichen Vorschrift auf den Begriff des sog. "guten Gusses" abgestellt. Auch aus der Entstehungsgeschichte ergebe sich nicht, dass mit dem Begriff der Produktionsleistung der "gute Guss" gemeint sei. Ferner spreche der Regelungszweck des § 4 Abs. 1 BImSchG gegen die Auffassung der Klägerin. Dem Gesetzgeber sei es auf die Emissionsrelevanz einer Anlage angekommen. Das Ausmaß der Emissionen hänge von der Höhe des Materialumsatzes ab. Dieser setze sich nicht nur aus dem "guten Guss", sondern auch aus dem Kreislaufmaterial, wie z.B. Fehlgüsse, zusammen. Werde nur auf den "guten Guss" abgestellt, so wären zwei Produktionsstätten mit einem unterschiedlichen Ausbringungsgrad trotz identischer Emissionen hinsichtlich der Frage der Genehmigungsbedürftigkeit unterschiedlich zu behandeln. Schließlich sei der Begriff "guter Guss" kaum praktikabel. Es komme nach der Begriffsbestimmung auf die Produktionsleistung Gussteile je Tag an. Da die Ausbringung je nach Betrieb und Produktion variiere, könnten bereits kleinere, nur vorübergehende Änderungen der Produktstruktur die Frage der Genehmigungspflicht und der Zuordnung zu einem Verfahren ständig neu aufwerfen. Demgegenüber sei die Rohgussmenge, die unter Berücksichtigung betrieblicher Gegebenheiten von der maximalen Schmelzleistung einer Anlage abhänge, sicher bestimmbar und erweise sich damit als handhabbarer Maßstab.

Am 18.05.2006 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Sigmaringen die von diesem zugelassene Berufung gegen das ihr am 21.04.2006 zugestellte Urteil eingelegt. Mit am 21.06.2006 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen zu ändern und festzustellen, dass die von ihr betriebene Stahlfeingießerei keine genehmigungsbedürftige Anlage im Sinne der Nr. 3.7 Spalte 2 des Anhangs zu § 1 4. BImSchV darstellt. Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Klägerin vor: Maßgeblich für die Bestimmung der Genehmigungspflicht sei die maximale tatsächliche und rechtlich zulässige Produktionsleistung an "gutem Guss". Dies ergebe sich aus der IVU-Richtlinie, deren Umsetzung die 4. BImSchV diene. Die Richtlinie, die die Herstellung und Verarbeitung von Metallen regele, nenne unterschiedliche Anknüpfungspunkte für die Bestimmung der Genehmigungspflicht. Während Nr. 2.5 Buchst. b auf die Schmelzkapazität abstelle, sei nach Nr. 2.4 die Produktionskapazität maßgeblich. Hieraus ergebe sich, dass mit Produktionskapazität die Menge an End- oder Fertigprodukten gemeint sei. Auch der Anhang der 4. BImSchV differenziere zwischen Schmelzleistung in Nr. 3.2 und Produktionsleistung in Nr. 3.7. Während die Schmelzleistung dem abgegossenen Material entspreche, sei mit Produktionsleistung das Endprodukt, der "gute Guss" gemeint. Schließlich bezeichne der Begriff "Gussteil" das Endprodukt des Gießereiprozesses, den "guten Guss". Andernfalls hätte der Verordnungsgeber den Begriff "Rohguss" oder "Rohgussteile" verwendet. Dies hätte aber eine Ausdehnung der Genehmigungspflicht über die europarechtlichen Vorgabe hinaus bedeutet. Eine solche Absicht lasse sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. Der Betrieb einer Gießerei bezwecke die Herstellung verkaufsfertiger Gießereiprodukte und ziele nicht darauf ab, Kreislaufmaterial (Gussbäume, Speiser oder Angüsse) herzustellen. Die Differenz zwischen dem Rohgussgewicht und dem Gewicht des "guten Gusses" entstehe zwangsläufig bei jedem Gießereiprozess. Auch bei zahlreichen anderen Anlagentypen knüpfe die 4. BImSchV an die Menge oder das Gewicht der Endprodukte an. Die Emissionsrelevanz richte sich nach der Produktionsmenge. Diese sei daher ein zuverlässiger Indikator für die Bestimmung der Grenze der Genehmigungspflicht. Die Berücksichtigung des Ausschussmaterials ändere daran nichts; diese betrage bei ihrer Anlage weniger als 3 %. Auf die Ausbringungshöhe komme es nicht an. Unerheblich sei auch, dass im Einzelfall eine effizientere Anlage eher genehmigungspflichtig sein könnte als eine weniger effiziente Anlage, obwohl jene in der Regel weniger Schadstoffe je Produkt emittiere und daher von geringerer Umweltrelevanz sei. Dies sei die Folge des typisierenden Regelungsansatzes der 4. BImSchV, wonach auf die Menge des "guten Gusses" abgestellt werde. Dies habe der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen, um eine praktikable Methode zur Bestimmung der Genehmigungspflicht zu regeln. Der Verweis auf die Abwasserverordnung gehe fehl, weil es sich dabei um einen anderen Regelungszusammenhang handele. Die Anhänge der Abwasserverordnung enthielten materielle Anforderungen an die Wasserqualität für die Einleitestelle oder vor Vermischung.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 10. April 2006 - 8 K 1845/04 - zu ändern und festzustellen, dass die von ihr betriebene Stahlfeingießerei keine genehmigungsbedürftige Anlage im Sinne der Ziff. 3.7 Spalte 2 des Anhangs zu § 1 der 4. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes darstellt.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung führt er aus: Der Begriff der Produktionsleistung nehme Bezug auf die Rohgussmenge. Mit den Begriff der Produktionskapazität sei im Bereich der IVU-Richtlinie das Produktionspotential gemeint. Erfasst sei die Menge eines Produkts, die in einer Zeiteinheit hergestellt werden könne. Dies schließe auch Fehlgüsse und sonstiges Kreislaufmaterial ein. Auch lasse der Begriff "Gussteile" keinen Rückschluss darauf zu, dass damit der "gute Guss", das verkaufsfertige Endprodukt, gemeint sei. So würden auch die vom Rohgussteil noch abzutrennenden Teile, wie die Angüsse, gegossen, so dass auch diese unter den Begriff "Gussteil" fielen. Bei Stahlgießereien komme es auf die Menge der Gussteile, bei Nichteisenmetallgießereien auf die abgegossenen Menge (Nr. 3.8) und bei Schmelzanlagen für Nichteisenmetalle auf die Schmelzleistung der Öfen (Nr. 3.4) an. Mit Produktionsleistung in Nr. 3.7 und mit abgegossener Menge in Nr. 3.8 sei dieselbe Metallmenge gemeint, aber zu unterschiedlichen Zeitpunkten des Gießprozesses. Dass der Zweck einer Gießerei die Herstellung verkaufsfähiger Produkte sei, liege in der Natur der Sache. Es handele sich dabei aber um das betriebswirtschaftliche Interesse des Betreibers; dieses könne jedoch nicht für die Auslegung umweltschützender Regelungen maßgeblich sein. Bei der Entscheidung, einen Anlagentyp der Genehmigungspflicht zu unterstellen, knüpfe der Verordnungsgeber an dessen potentielle Umwelteinwirkungen an. Da die Rohgussmenge die Umwelteinwirkungen bestimme, weil die Höhe der Emissionen abhängig von der Höhe des Materialumsatzes sei, sei mit "Gussteile" die Rohgussmenge und nicht der "gute Guss" gemeint. Die Ausbringungshöhe liege bei durchschnittlich 40 %. Daher könne es auf die Menge "guten Gusses" nicht ankommen, weil ansonsten die Einstufung nicht von der Umweltrelevanz, sondern von einzelnen betrieblichen Abläufen abhinge. Das Abstellen auf die Menge "guten Gusses" sei auch unpraktikabel, weil diese sowohl von Betrieb zu Betrieb als auch innerhalb eines Betriebes, je nach Produktstruktur und interner Qualitätssicherung, variiere. Dies hätte zur Folge, dass ein Betrieb zwischen Genehmigungspflicht und Genehmigungsfreiheit pendeln könnte. Ein solcher, vom Betreiberverhalten abhängiger ständiger Wechsel widerspreche der Rechtsklarheit. § 1 Abs. 1 Satz 4 der 4. BImSchV diene aber gerade der Rechtssicherheit. Die Abwasserverordnung zeige, dass dem Verordnungsgeber der Begriff "guter Guss" bekannt sei. Hätte dieser für die 4. BImSchV maßgeblich sein sollen, so hätte er ihn auch dort verwendet

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten, auf die dem Senat vorliegenden Verwaltungsakten sowie auf die Akte des Verwaltungsgerichts Sigmaringen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung ist zulässig. Die Klägerin hat die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils des Verwaltungsgerichts bei diesem eingelegt. Innerhalb der Frist des § 124a Abs. 3 Satz 1 VwGO hat die Klägerin die Berufung auch mit dem am 21.06.2006 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenen Schriftsatz begründet und einen Antrag gestellt.

Die Berufung ist aber nicht begründet.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Klage der Klägerin auf Feststellung, dass die von ihr betriebene Stahlfeingießerei keine genehmigungsbedürftige Anlage im Sinne der Ziff. 3.7 Spalte 2 des Anhang zur 4. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes darstellt, abgewiesen.

Die Feststellungsklage der Klägerin ist zulässig.

Rechtliche Beziehungen haben sich dann zu einem bestimmten konkretisierten Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO verdichtet, wenn die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits übersehbaren Sachverhalts streitig ist (BVerwG, Urt. v. 23.01.1992 - 3 C 50.89 - BVerwGE 89, 327, Rn. 30). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die von der Klägerin in der derzeitigen Form betriebene Stahlfeingießerei der Genehmigungspflicht nach § 4 Abs. 1 BImSchG i.V.m. §§ 1 und 2 der 4. BImSchV und Ziff. 3.7 Spalte 2 des Anhangs zu dieser Verordnung unterliegt. Aus diesen Vorschriften ergibt sich die auch im Bereich der Feststellungsklage erforderliche Klagebefugnis der Klägerin (§ 42 Abs. 2 VwGO analog). Die Klägerin kann sich auf Normen stützen, die - zumindest auch - dem Schutz von Individualinteressen derart zu dienen bestimmt ist, dass der Träger des Individualinteresses die Einhaltung des Rechtssatzes soll verlangen können (BVerwG, Urt. v. 28.06.2000 - 11 C 13.99 - BVerwGE 111, 276, Rn. 33). Die Klägerin hat auch das in § 43 Abs. 1 VwGO geforderte berechtigte Interesse an der baldigen Feststellung. Denn hier geht es für den Fall, dass weitere technische Veränderungen an der immissionsschutzrechtlich genehmigten Anlage der Klägerin vorgenommen werden sollen, um die Frage, ob bei diesen Änderungen §§ 15 und 16 BImSchG zu beachten sind. Die Feststellungsklage ist auch nicht nach § 43 Abs. 2 VwGO subsidiär. Es droht keine Umgehung der für Anfechtungs- und Verpflichtungsklage geltenden Bestimmungen über Fristen und Vorverfahren, zudem bietet die Feststellungsklage den effektiveren Rechtsschutz (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.04.1997 - 1 C 2.95 -, NJW 1997, 2534; Urt. v. 10.07.2001 - 1 C 35.00 -, BVerwGE 114, 356).

Die Feststellungsklage ist aber nicht begründet.

Die von der Klägerin betriebene Stahlfeingießerei unterliegt der Genehmigungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 BImSchG i.V.m. §§ 1 und 2 4. BImSchV und Ziff. 3.7 Spalte 2 des Anhangs zu dieser Verordnung. Maßgeblich für die Bestimmung des Begriffs der "Stahlgießerei mit einer Produktionsleistung von 2 Tonnen bis weniger als 20 Tonnen Gussteile je Tag" ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht die Menge des verkaufsfertigen Gusses (sog. "guter Guss"), sondern die Rohgussmenge. In § 1 Abs. 1 Satz 4 4. BImSchV ist bestimmt, dass, sofern die Genehmigungsbedürftigkeit einer Anlage - wie nach Ziff. 3.7 Spalte 2 des Anhangs zur 4. BImSchV - vom Erreichen oder Überschreiten einer bestimmten Leistungsgrenze abhängt, jeweils auf den rechtlich und tatsächlich möglichen Betriebsumfang der Anlage abzustellen ist. Aufgrund der dem Senat vorliegenden Unterlagen und der Erklärungen der Beteiligten auch in der Berufungsverhandlung ist davon auszugehen, dass die Rohgussmenge der Anlage der Klägerin bei 3,2 Tonnen je Tag liegt und damit den in Nr. 3.7 Spalte 2 des Anhangs zur 4. BImSchV genannten Schwellenwert von 2 Tonnen Gussteile je Tag übersteigt.

1) Dass auf die Rohgussmenge und nicht auf die Menge des verkaufsfertigen Gusses (sog. "guter Guss") abzustellen ist, ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut der Nr. 3.7 Spalte 2 des Anhangs zur 4. BImSchV "Produktionsleistung von 2 Tonnen...Gussteile je Tag".

"Produktion" meint allgemein die Herstellung von Gütern. Eine Einengung auf verkaufsfertige Endprodukte enthält der Begriff der Produktion gerade nicht. Die jetzige Fassung von Nr. 3.7 Spalte 2 des Anhangs zur 4. BImSchV beruht auf Art. 4 des Gesetzes zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1950). Die Regelung in Spalte 2 ist lediglich eine Folge der Neufassung der Spalte 1, die der Umsetzung von Nr. 2.4 des Anhangs I der Richtlinie 96/61/EG des Rates vom 24. September 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (IVU-Richtlinie, ABl. L 257, S. 26) und von Nr. 4 Buchst. c des Anhangs II der Richtlinie 97/11/EG des Rates vom 3. März 1997 zur Änderung der Richtlinie 85/337/EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (UVP-Änderungs-Richtlinie, ABl. L 73, S. 5) dient (Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drucks. 14/4599, S. 134). In Nr. 2.4 des Anhangs I der IVU-Richtlinie wird in Bezug auf Eisenmetallgießereien auf den Begriff der Produktionskapazität ("von über 20 t pro Tag") abgestellt. Dieser im deutschen Text der Richtlinie verwendete Begriff entspricht der Formulierung in der englischen Fassung ("production capacity") wie auch in der französischen Fassung ("capacité de production"). Danach ist "Produktionsleistung" in Nr. 3.7 des Anhangs zur 4. BImSchV im Sinne des Begriffs der "Produktionskapazität" zu verstehen. Diese meint die maximale Leistungsfähigkeit eines Betriebes innerhalb eines Zeitabschnitts. Gemessen wird sie in der möglichen Produktmenge je Zeitabschnitt bei maximaler Ausnutzung der betrieblichen Anlagen. Bei der Berechnung der Produktionsleistung in diesem Sinne sind auch die "Produkte" mit einzubeziehen, die sich nicht zum Verkauf eignen, sondern ausgesondert und als Rohmaterial wieder dem Produktionsprozess zugeführt werden. Das betrifft vorliegend Fehlgüsse und sonstiges, nicht dem "guten Guss" zuzurechnendes Kreislaufmaterial. Dieses Verständnis von "Produktionsleistung" in Nr. 3.7 als Rohgussmenge ist auch nicht unvereinbar mit dem Begriff der abgegossenen Menge in Nr. 3.8. Denn damit ist die gleiche Menge Metalls gemeint, nur zu unterschiedlichen Zeitpunkten des Gießvorgangs. Nr. 3.7 stellt auf das Ergebnis des Abgießens in die Gießform ab, Nr. 3.8 auf die Menge beim Abgießen. Für eine Vorlage an den EuGH zur Auslegung des Begriffs in Anhang I Nr. 2.4 "Eisenmetallgießereien mit einer Produktionskapazität von über 20 t pro Tag" sieht der nicht nach Art. 234 Abs. 3 EGV vorlagepflichtige Senat keine Veranlassung.

Im Gegensatz zum Vorbringen der Klägerin ist auch der Begriff der Produktionsleistung in Nr. 2.4, Nr. 6.2 und Nr. 7.4 ebenso wie der der Nr. 3.7 des Anhangs zur 4. BImSchV entsprechend der Vorgabe in § 1 Abs. 1 Satz 4 4. BImSchV einheitlich als das Ergebnis des Produktionsprozesses zu verstehen, das sich bei der maximalen Nutzung des rechtlich und tatsächlich möglichen Betriebsumfangs ergibt.

Auch dem Begriff "Gussteile" ist entgegen der Ansicht der Klägerin keine Beschränkung auf die Menge der verkaufsfertigen Teile ("guter Guss") zu entnehmen. Das "Gussteil" oder auch das synonym verwendete "Gussstück" wird definiert als Werkstück, das seine Gestalt durch Erstarren flüssigen Metalls in einer Gießform erhält (vgl. Hasse, Gießereilexikon, 18. Aufl. 2001, im Anschluss an DIN 1690). Diese Begriffsbestimmung schließt aber nicht Fehlgüsse, Angüsse oder sog. Speiser aus, die als Kreislaufmaterial wieder in den Schmelzbetrieb zurückgeführt werden (vgl. auch Ludwig, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Stand Dez. 2006, Anhang Nr. 3 der 4. BImSchV, Rn. 7).

2) Auch die vorstehend bereits dargelegte Entstehungsgeschichte der jetzigen Fassung der Nr. 3.7 Spalte 2 spricht gegen die von der Klägerin vertretene Beschränkung auf den sog. "guten Guss".

Die frühere Fassung der Nr. 3.7 stellte auf "Leistung" ab. Für diese Fassung war anerkannt, dass mit dem Begriff "Leistung" die Rohgussmenge gemeint ist (vgl. Ludwig in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Stand: 72. EL März 1997, Anhang Nr. 3 der 4. BImSchV, Rn. 2). Wie bereits unter 1) dargelegt, wollte der Gesetzgeber mit dem Übergang von "Leistung" zur "Produktionsleistung" die IVU-Richtlinie sowie die UVP-Änderungs-Richtlinie umsetzen. Dass damit zugleich eine inhaltliche Änderung gegenüber der bisherigen Regelung bezweckt wurde, lässt sich den Gesetzesmaterialien gerade nicht entnehmen (vgl. BT-Drucks. 14/4599, S. 131 ff.). Eine solche Änderungsabsicht hätte aber umso näher gelegen, weil die Materialien der früheren Fassung der 4. BImSchV ebenfalls keinen ausdrücklichen Hinweis darauf enthielten, welche Menge zugrunde zu legen ist (vgl. BR-Drucks. 413/84, S. 46), und der Gesetzgeber dann der Auslegung im Schrifttum besondere Bedeutung beigemessen hätte, wenn er davon hätte abweichen wollen. Die schriftliche Stellungnahme eines Mitarbeiters des Bundesumweltministeriums vom 24.09.1996 - und damit zeitlich lange vor dem Gesetzentwurf der damaligen Koalitionsfraktionen vom 14.11.2000 (BT-Drucks. 14/4599) - ist demgegenüber nicht von Belang. Maßgeblich ist die Bedeutung der vom Gesetzgeber (vgl. Art. 23 des Gesetzes vom 27. Juli 2001, BGBl. I S. 1950) geschaffenen Regelung, die mit den allgemein anerkannten Auslegungsregeln zu ermitteln ist. Äußerungen von Behördenvertretern gegenüber Wirtschaftsverbänden lange vor dem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens sind hierbei nicht zu berücksichtigen. Unerheblich ist dabei auch, wie andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union den Begriff der "Produktionskapazität" in Anhang I Nr. 2.4 der IVU-Richtlinie umgesetzt haben und ob die Klägerin durch die von der Systematik der 4. BImSchV abweichende Regelung in anderen Mitgliedstaaten im wirtschaftlichen Wettbewerb mit dort ansässigen Konkurrenzunternehmen benachteiligt wird.

3) Ebenso wie Wortlaut und Entstehungsgeschichte spricht auch der Zweck der Norm gegen die von der Klägerin vertretene Auffassung.

Die 4. BImSchV bestimmt den Kreis von Anlagen, die auf Grund ihrer Beschaffenheit oder ihres Betriebes in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen oder in anderer Weise die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu gefährden, erheblich zu benachteiligen oder erheblich zu belästigen. Maßgeblich ist danach das Beeinträchtigungspotential der jeweiligen Anlagen. Dies gilt sowohl für die Frage der generellen Genehmigungsbedürftigkeit als auch für die Frage, ob ein Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung (§ 10 BImSchG) oder lediglich ein vereinfachtes Verfahren nach § 19 BImSchG durchzuführen ist (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 4. BImSchV). Maßgeblich für die Beurteilung ist das abstrakte Gefährdungspotential des Anlagentyps (Jarass, BImSchG, 6. Aufl. § 4, Rn. 4; Feldhaus, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Stand: Dez. 2006, § 4 BImSchG, Anm. 8 und 8a; Böhm, GK-BImSchG, § 4, Rn. 30). Für die bei Erlass der Norm gebotene generalisierende und typisierende Beurteilung (vgl. Ludwig in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Stand: Dez. 2006, 4. BImSchV, § 1, Rn. 4) der potentiellen Eignung einer Stahlgießerei, schädliche Umwelteinwirkungen oder sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Beeinträchtigungen herbeizuführen, ist die bei den Schmelzvorgängen eingesetzte Materialmenge entscheidend. Denn das Ausmaß der Emissionen dieses Anlagentyps wird bestimmt durch die Höhe des Materialumsatzes. Die Menge des zunächst geschmolzenen und sodann gegossenen Rohmaterials (z.B. Stahl) bestimmt das Ausmaß der von der Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und Wärme im Sinne von § 3 Abs. 3 BImSchG. Diese Emissionen entstehen beim Produktionsprozess unabhängig davon, ob das geschmolzene und verarbeitete Rohmaterial nach dem Guss zum Verkauf geeignet ist (sog. "guter Guss") oder als Rohmaterial (Fehlgüsse, Angüsse oder Speiser) wieder dem Schmelzprozess zugeführt wird (vgl. auch Ludwig, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Stand Dez. 2006, Anhang Nr. 3 der 4. BImSchV, Rn. 7).

4) Für die vom Beklagten vertretene Ansicht spricht ferner der Aspekt der Rechtssicherheit. Denn das Abstellen auf den sog. "guten Guss" ist auch angesichts des oben dargelegten Regelungszwecks nicht praktikabel. Sollte nur die Menge der verkaufsfertigen Produkte und nicht die Rohgussmenge für die Frage maßgeblich sein, ob eine Anlage Nr. 3.7 Spalte 2 des Anhangs zur 4. BImSchV unterfällt und damit einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedarf, so wären hinsichtlich der Genehmigungsbedürftigkeit Manipulationen möglich. Denn die bloße, dem Anlagenbetreiber überlassene Bestimmung, welches Produkt eines Schmelzvorgangs als verkaufsfertig anzusehen ist, entschiede über die Frage, ob ein den Interessen der Allgemeinheit und auch der Nachbarschaft dienendes Genehmigungsverfahren nach Maßgabe des Bundes-Immissionsschutzgesetzes durchzuführen ist oder nicht. Selbst wenn einem Anlagenbetreiber nicht zu unterstellen ist, er wolle durch die Bestimmung des "guten Gusses" hinsichtlich der Frage der Genehmigungsbedürftigkeit manipulieren, so ist es möglich, dass bei einer kleineren Anlage, wie derjenigen der Klägerin, deren Produktionsleistung im Bereich von 2 Tonnen je Tag liegt, durch geringfügige Veränderungen in der Produktpalette oder der Qualitätsanforderungen an die Produkte der "gute Guss" tageweise über oder unter dem nach der Norm maßgeblichen Schwellenwert von 2 Tonnen Gussteile je Tag liegt. Gerade eine solche Unsicherheit soll durch die Bestimmung des § 1 Abs. 1 Satz 4 4. BImSchV ausgeschlossen werden, wonach jeweils auf den rechtlich und tatsächlich möglichen Betriebsumfang abzustellen ist, wenn die Genehmigungsbedürftigkeit der im Anhang genannten Anlagen vom Erreichen oder Überschreiten einer bestimmten Leistungsgrenze oder Anlagengröße abhängt. Das Entsprechende gilt nach § 2 Abs. 1 Satz 2 4. BImSchV, soweit die Zuordnung zu den Spalten von der Leistungsgrenze oder Anlagengröße abhängt. Demgegenüber erweist sich die von der Produktionskapazität (maximale Kapazität der verwendeten Schmelzöfen, maximale Arbeitszeit des Betriebs, Dauer eines einzelnen Schmelzvorgangs usw.) abhängige Rohgussmenge als vergleichsweise einfach zu bestimmende und handhabbare Größe, an der die behördlichen Entscheidungen anknüpfen können. Diese abstrakten - weil die Normauslegung betreffenden - Überlegungen werden schließlich nicht dadurch entkräftet, dass im konkreten Fall die Klägerin im Berufungsverfahren versichert hat, ihre Anlage stets so zu betreiben, dass der sog. "gute Guss" die Schwelle von 2 Tonnen Gussteile je Tag nicht überschreitet.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1 und 2 sowie § 709 Satz 2 ZPO.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Beschluss vom 20. März 2007

Der Streitwert des Verfahrens wird auf 5.000,- EUR festgesetzt (§ 63 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1, § 47 und § 52 Abs. 2 GKG).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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