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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 15.08.2006
Aktenzeichen: 10 S 2249/05
Rechtsgebiete: StVG, GebOSt, StVZO, LVwVfG


Vorschriften:

StVG § 6a Abs. 1 Nr. 3
GebOSt § 1 Abs. 1
StVZO § 17 Abs. 2
StVZO § 17 Abs. 1
LVwVfG § 43 Abs. 3
LVwVfG § 44 Abs. 2 Nr. 4
Werden einem Kraftfahrzeughalter mit behördlicher Verfügung die Beseitigung von Mängeln seines Kraftfahrzeugs für den Fall, dass diese jetzt noch vorhanden sind, sowie die Mitteilung über die Mängelbeseitigung auferlegt, so stellt diese Verfügung auch dann eine rechtmäßige Amtshandlung - und damit Grundlage für eine Gebührenerhebung - dar, wenn die Mängel bei Erlass der Verfügung zwar beseitigt waren, der Kraftfahrzeughalter dies aber noch nicht mitgeteilt hatte (Abgrenzung zum Urteil des Senats vom 19.05.2003 - 10 S 619/03 -).
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

10 S 2249/05

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Gebühren

hat der 10. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 15. August 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 24. Juni 2005 - 3 K 3781/04 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über Gebühren und Auslagen für eine Aufforderung zur Mängelbeseitigung sowie für die Betriebsuntersagung eines Kraftfahrzeugs. Die Beklagte wurde am 19.04.2004 polizeilich in Kenntnis gesetzt, bei einer Überprüfung des zu diesem Zeitpunkt in der Werthmannstraße in Karlsruhe abgestellten Pkw des Klägers mit dem amtlichen Kennzeichen KAxxx xxx sei festgestellt worden, dass dieser seit Februar 2004 zur Hauptuntersuchung und Abgasuntersuchung fällig sei. Ein Mängelbericht sei am Fahrzeug angebracht worden, verbunden mit der Aufforderung, die Mängelbeseitigung innerhalb von zwei Wochen bestätigen zu lassen und die Bestätigung innerhalb dreier weiterer Tage der Zulassungsstelle der Beklagten mitzuteilen.

Nachdem eine Mitteilung des Klägers nicht eingegangen war, forderte die Beklagte unter dem 12.05.2004 den Kläger auf, die Mängelbeseitigung bis spätestens 26.05.2004 nachzuweisen, und setzte eine Verwaltungsgebühr von 18,- EUR fest. Hierauf erfolgte keine Reaktion des Klägers. Die Beklagte verfügte daraufhin mit weiterer Entscheidung mit sofortiger Wirkung eine Betriebsuntersagung (Nr. 1) und gab dem Kläger auf, das Fahrzeug unverzüglich, spätestens bis 10. Juni 2004, unter Vorlage des Fahrzeugscheins bzw. der amtlichen Bescheinigung über die Zuteilung des Kennzeichens und der Kennzeichenschilder abzumelden (Nr. 2). In Nr. 3 der Verfügung wurde dem Kläger für den Fall, dass er der Aufforderung unter Nr. 1 nicht entspreche, die zwangsweise Einziehung des Fahrzeugscheins und die Entstempelung der Kennzeichenschilder angedroht. Während in Nr. 4 die sofortige Vollziehung der Verfügung angeordnet wurde, bestimmte Nr. 5, dass die Verwaltungsgebühr 33,- EUR zuzüglich 5,60 EUR Zustellungsgebühr beträgt. Ferner enthielt die Verfügung den Hinweis, dass die Verwaltungsgebühr durch gesonderten Gebührenbescheid erhoben wird und dass sich Nrn. 1 bis 4 der Verfügung mit dem Nachweis einer mit Erfolg durchgeführten Hauptuntersuchung erledigen. Des Weiteren setzte die Beklagte mit Abgabenbescheid vom 29.11.2004 Verwaltungsgebühren von 18,- EUR für die Aufforderung vom 12.05.2004 und von 33,- EUR sowie Zustellungsauslagen in Höhe von 5,60 EUR für die Verfügung vom 27.05.2004 fest.

Am 30.05.2004 wies der Kläger gegenüber der Beklagten nach, dass die Hauptuntersuchung sowie die Abgasuntersuchung am 29.04.2004 durchgeführt worden waren. Zugleich erhob er Widerspruch und machte geltend, dass er einen Mängelbericht des Polizeireviers nicht erhalten habe. Es werde bestritten, dass die Polizei tatsächlich eine Mängelfeststellung habe treffen können, da die TÜV-Plakette wegen der eng geparkten Fahrzeuge nicht bzw. nur gezielt habe wahrgenommen werden können. Er sei stark gehbehindert und habe wegen seiner Behinderung das Fahrzeug nicht früher vorführen können. Mit gleicher Begründung erhob der Kläger am 17.12.2004 Widerspruch gegen den Abgabenbescheid vom 29.11.2004.

Bereits zuvor hatte das Regierungspräsidium Karlsruhe mit Widerspruchsbescheid vom 11.11.2004 das Widerspruchsverfahren bezüglich der Betriebsuntersagung vom 27.05.2004 eingestellt und den Widerspruch hinsichtlich der Gebühren von 33,- EUR zuzüglich 5,60 EUR Zustellungsauslagen zurückgewiesen.

Am 22.11.2004 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erhoben. Mit weiterem Schreiben vom 07.01.2005, eingegangen am 13.01.2005, hat er den Abgabenbescheid der Beklagten vom 29.11.2004, gegen den er am 07.12.2004 Widerspruch erhoben hatte, in seine Klage einbezogen. Er hat weiterhin die Art und Weise der Mängelfeststellung gerügt, den Zugang des Mängelberichts vom 19.04.2004 bestritten und die Berechtigung für die Erhebung von Gebühren in Abrede gestellt.

Der Kläger hat sinngemäß die Aufhebung des Abgabenbescheids und der ihm zugrunde liegenden Gebührenregelungen beantragt.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 24.06.2005 - 3 K 3781/04 - der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Soweit der Widerspruch gegen die streitgegenständlichen Gebühren zwar eingelegt, aber noch nicht beschieden worden sei, lägen die Voraussetzungen nach § 75 VwGO vor. Die Klage habe auch in der Sache Erfolg, da die angefochtenen Bescheide und der Widerspruchsbescheid rechtswidrig seien und den Kläger in seinen Rechten verletzten. Die Voraussetzungen von § 6a StVG i.V.m. § 1 Abs. 1 GebOSt seien nicht gegeben. Denn die Verfügung vom 12.05.2004 sei unwirksam gewesen und die weitere Verfügung vom 27.05.2004 erweise sich als rechtswidrig, so dass beide keine tragfähige Grundlage für die mit Bescheid vom 29.11.2004 erfolgte Abgabenerhebung darstellten. Die Verfügung vom 12.05.2004 sei keine wirksame Amtshandlung. Sollten an eine Handlung einer Behörde für den Betroffenen belastende Wirkungen wie z.B. die Erhebung einer Gebühr geknüpft werden, setze dies die Wirksamkeit der behördlichen Handlung voraus. Die Verfügung der Beklagten vom 12.05.2004 sei aber im Sinn von § 44 LVwVfG nichtig und damit gemäß § 43 Abs. 3 LVwVfG unwirksam mit der Folge, dass damit keine Maßnahme oder Amtshandlung vorliege, die Anlass für eine Gebührenforderung geben könne (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 19.05.2003 - 10 S 619/03 -). Die Nichtigkeit ergebe sich daraus, dass die Verfügung aus tatsächlichen Gründen von niemandem habe ausgeführt werden können. Denn dem Kläger sei die Beseitigung des festgestellten Mangels erst zu einem Zeitpunkt aufgegeben worden, als dieser den Mangel bereits beseitigt gehabt habe. Auch die weitere Verfügung vom 27.05.2004 erweise sich als fehlerhaft. Sie sei rechtswidrig und damit ebenfalls nicht als tragfähige Grundlage für eine Gebührenerhebung. Denn § 17 Abs. 1 StVZO als mögliche Ermächtigungsgrundlage setze das tatsächliche Vorhandensein eines solchen Mangels voraus; daran fehle es hier.

Das Urteil ist der Beklagten am 04.07.2005 zugestellt worden. Am 02.08.2005 hat sie beantragt, die Berufung zuzulassen.

Mit Beschluss vom 07.11.2005 hat der Senat die Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen. Dieser Beschluss ist der Beklagten am 16.11.2005 zugestellt worden.

Mit einem am 07.12.2005 eingegangenen Schriftsatz hat die Beklagte die zugelassene Berufung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Verfügung vom 12.05.2004 sei im Gegensatz zur Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht nichtig, da zu diesem Zeitpunkt zwar die Hauptuntersuchung und die Abgasuntersuchung bei dem Fahrzeug durchgeführt gewesen seien, doch der andere Teil der Verfügung, nämlich die Mängelbeseitigung der Beklagten gegenüber nachzuweisen, erst am 30.05.2004 erfolgt sei. An der Berechtigung zur Verfügung zum Zeitpunkt vom 12.05.2004 könne daher kein Zweifel bestehen. Es wäre zudem rechtspolitisch fragwürdig, wenn die verwaltungsgerichtliche Entscheidung rechtskräftig würde. Die Zulassungsstelle wisse dann nämlich regelmäßig nicht mehr, welche Maßnahmen zu ergreifen seien, da aus der Tatsache, dass die Mängelbeseitigung nicht gemeldet worden sei, dann nicht mehr geschlossen werden dürfe, dass sie auch nicht erfolgt sei. Dies würde zu unverhältnismäßigem Aufwand bei der Behörde führen, obgleich es stets Sache des Verfügungsadressaten gewesen sei, die Mängelbeseitigung durchzuführen und auch nachzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 24. Juni 2005 - 3 K 3781/04 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der - nicht anwaltlich vertretene - Kläger tritt der Berufung schriftsätzlich entgegen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die dem Senat vorliegenden Akten des Verwaltungsgerichts, der Beklagten und des Regierungspräsidiums Karlsruhe sowie auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zugelassene und auch sonst zulässige Berufung ist begründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zwar zutreffend für zulässig gehalten und dies, soweit es an einem Widerspruchsbescheid fehlt, richtig auf § 75 VwGO gestützt. Die Klage ist aber unbegründet, da die angefochtene Festsetzung von Gebühren und Auslagen rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Im Ausgangspunkt zu Recht hat das Verwaltungsgericht erkannt, dass als Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung von Gebühren und Auslagen § 6a StVG i. V. m. den Bestimmungen der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt) dient.

Der Bescheid vom 12.05.2004, mit dem der Kläger aufgefordert worden ist, den polizeilich festgestellten Mangel (Versäumung der seit Februar 2004 fälligen Hauptuntersuchung und Abgasuntersuchung) zu beseitigen und die Mangelbeseitigung bis 16.05.2004 der Beklagten mitzuteilen, stellt eine wirksame Amtshandlung im Sinne von § 6a Abs. 1 Nr. 1a StVG, § 1 Abs. 1 S. 1 GebOSt dar. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts war diese Verfügung nicht wegen tatsächlicher Unmöglichkeit nichtig (§ 44 Abs. 2 Nr. 4 LVwVfG). Denn die Verfügung, die zwei Elemente enthält, war zu ihrem Erlasszeitpunkt jedenfalls nicht vollständig befolgt. Selbst wenn man mit dem Verwaltungsgericht davon ausginge, die Mangelbeseitigung wäre in unbedingter Weise angeordnet (gegen diese Auslegung aber sogleich unten), so wäre diese Anordnung zwar bei Erlass der Verfügung schon durchgeführt gewesen, doch war das der Beklagten jedenfalls noch nicht mitgeteilt worden. Damit war die Erfüllung der Verpflichtung jedenfalls insoweit noch möglich. Hierin unterscheidet sich der vorliegende Fall von demjenigen im Verfahren 10 S 619/03, in dem die maßgebliche Verfügung - Verpflichtung zur Abmeldung - zu einem Zeitpunkt erging, als das Fahrzeug bereits abgemeldet war (Urteil des Senats v. 19.05.2003 - 10 S 619/03 -).

Die Verfügung vom 12.05.2004 war auch insgesamt rechtmäßig. Die Beklagte, die bereits im April 2004 durch die Polizei von der Überschreitung der Untersuchungsfristen informiert worden war, durfte auf dieser Basis - mangels ihr zugegangener neuerer Informationen - den Kläger grundsätzlich und auch in der Form der angefochtenen Verfügung in Anspruch nehmen. Bei einer adressatenorientierten Auslegung versteht der Senat diese Verfügung - anders als das Verwaltungsgericht - so, dass die Mangelbeseitigung selbst nur für den Fall auferlegt wurde, dass der Mangel nicht vor ihrem Erlass schon behoben worden sein sollte. Das ergibt sich noch hinreichend deutlich aus dem in der Verfügung enthaltenen behördlichen Hinweis auf die - zurückliegende - polizeiliche Information über das Bestehen von Mängeln, der nicht den Anspruch von Tagesaktualität erhebt. Der polizeiliche Mängelbericht datiert vom 19.04.2004 und wurde ausweislich der Akten in weißer Ausfertigung am Fahrzeug angebracht. Ob der Kläger diesen Bericht am Auto noch vorgefunden hat, - was er bestreitet - ist unerheblich. Denn es bestehen auch nach dem Vortrag des Klägers keine Zweifel daran, dass der Mangel am 19.04.2004 tatsächlich noch vorhanden war; der Pkw wurde nämlich erst am 29.04.2004 dem Sachverständigen zur Untersuchung vorgeführt.

Auch die (u. a. den Betrieb des Kraftfahrzeugs untersagende) Verfügung vom 27.05.2004 konnte als Basis für eine Gebührenerhebung dienen, da sie - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - ursprünglich rechtmäßig war. Als Ermächtigungsgrundlage für die Betriebsuntersagung dienten die im Bescheid ausdrücklich genannten §§ 29 Abs. 7, 17 Abs. 2 StVZO. Danach konnten eine Betriebsuntersagung und eine Aufforderung zur Abmeldung ergehen, solange nicht nachgewiesen war, dass eine gültige Prüfplakette zugeteilt war. Dieser Nachweis - der bereits in der Verfügung vom 12.05.2004 bis spätestens 26.05.2004 verlangt worden war - ist erst nach Erlass der Untersagungsverfügung erfolgt und berührt daher deren ursprüngliche Rechtmäßigkeit nicht mehr. Dass sich die Untersagungsverfügung durch die spätere Mitteilung der Mangelbeseitigung erledigt hat, steht einer Gebührenerhebung nicht im Wege (vgl. z. B. Urteil des Senats v. 19.05.2003 - a.a.O. - m. w. N.)

Ob auch § 17 Abs. 1 StVZO als Ermächtigungsgrundlage für die Untersagungsverfügung dienen konnte, braucht somit ebenso wenig entschieden zu werden wie die Frage, ob auf dieser gesetzlichen Grundlage eine behördliche Verfügung bereits nach der tatsächlichen Mangelbeseitigung ausschiede oder erst nach deren Mitteilung an die Behörde.

Gegen die Höhe der festgesetzten Gebühren und Auslagen hat der Kläger Einwendungen nicht geltend gemacht; solche sind auch nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2, § 47 GKG sowie § 52 Abs. 3 GKG auf 56,60 EUR festgesetzt (wie erste Instanz).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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