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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 04.07.2003
Aktenzeichen: 10 S 2270/02
Rechtsgebiete: FeV


Vorschriften:

FeV § 46 Abs. 1
FeV § 46 Abs. 3
FeV § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
FeV § 11 Abs. 8 Satz 1
FeV Anl. 4 Nr. 9.2.1
FeV Anl. 4 Nr. 9.2.2
1) § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV ist nicht nur in den Fällen des Verdachts auf regelmäßige Einnahme von Cannabis i.S.v. Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung anwendbar, sondern auch bei Anhaltspunkten für einen nur gelegentlichen Cannabiskonsum und für das Vorliegen einer der in Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung aufgeführten zusätzlichen Umstände.

2) Allein die Tatsache, dass Cannabis in einem Kraftfahrzeug gefunden wird, begründet keine hinreichenden Verdachtsmomente für den zusätzlichen Umstand der fehlenden Trennung von Konsum und Fahren i.S.v. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung und kann in den Fällen der nur gelegentlichen Einnahme von Cannabis die Anordnung, ein Gutachten beizubringen, nicht rechtfertigen.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

10 S 2270/02

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Entziehung der Fahrererlaubnis

hier: Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz

hat der 10. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schlüter sowie die Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Rudisile und Dr. Hartung

am 04. Juli 2003

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 13. September 2002 - 5 K 1621/02 - geändert.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Entscheidung des Landratsamtes Breisgau-Hochschwarzwald vom 29.07.2002 wird, soweit nicht die Androhung der Wegnahme des Führerscheins geregelt wird, wiederhergestellt und hinsichtlich der Androhung der Wegnahme des Führerscheins angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.000,- EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

Nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO ist der Prüfungsumfang des Beschwerdegerichts bei Beschwerden gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beschränkt. Danach prüft der Verwaltungsgerichtshof nur die in einer rechtzeitig eingegangenen Beschwerdebegründung dargelegten Gründe. Auf dieser Grundlage hat die Beschwerde Erfolg. Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe führen dazu, dass die vom Gericht im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO vorzunehmende Abwägung zu Gunsten des Interesses des Antragstellers ausfällt, vom Vollzug der Ziffer 1 der Entscheidung des Landratsamtes Breisgau-Hochschwarzwald vom 29.07.2002, mit der dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen worden ist, vor einem endgültigen Urteil über die Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes verschont zu bleiben.

Anders als das Verwaltungsgericht ist der Senat nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage der Auffassung, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Entscheidung des Landratsamtes vom 29.07.2002 aus den in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründen rechtlichen Bedenken begegnet, so dass das Interesse des Antragstellers, vom Vollzug verschont zu belieben, überwiegt. Nach Ansicht des Senats durfte das Landratsamt nicht aufgrund von § 46 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV von der Nichtvorlage der mit Schreiben vom 27.12.2001 angeforderten ärztlichen Begutachtung auf die Nichteignung des Antragstellers schließen. Denn die Anordnung des Landratsamtes zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens vom 27.12.2001 erweist sich nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung als rechtswidrig.

Die Verpflichtung zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens über den eigenen Drogenkonsum und die an die Nichtvorlage dieses Gutachtens anknüpfende Entziehung der Fahrerlaubnis beeinträchtigen den betreffenden Fahrerlaubnisinhaber in seinem Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG. Im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sind diese Beeinträchtigungen nur angemessen, wenn die Fahrerlaubnisbehörde hinreichend konkrete Verdachtsmomente feststellt, die einen Eignungsmangel des betreffenden Fahrerlaubnisinhabers als nahe liegend erscheinen lassen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.06.1993, BVerfGE 89, 69, 85 f.; Beschl. v. 20.06.2002 - 1 BvR 2062/96 -, S. 17, 23 und 24 des Abdrucks, NJW 2002, 2378 = DVBl 2002, 1265; Beschl. v. 08.07.2002 - 1 BvR 2428/95 - Rn. 7, UPR 2002, 344; BVerwG, Urt. v. 05.07.2001 - 3 C 13.01 - NJW 2002, 78-80). Diese Voraussetzungen waren vorliegend nicht gegeben.

Für die Frage, wann ein Fahreignungsmangel vorliegt, ist auf die Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung zurückzugreifen. In dieser sind die Erkrankungen und Mängel aufgeführt, bei deren Vorliegen die Fahreignung regelmäßig nicht gegeben ist. Hinsichtlich der Einnahme von Cannabis findet sich in Nr. 9.2 im Verhältnis zum Konsum anderer Betäubungsmittel eine Sonderregelung. Konsumiert der betreffende Fahrerlaubnisinhaber nur gelegentlich Cannabis, so ist die Fahreignung regelmäßig gegeben, wenn der Betreffende zwischen Konsum und Fahren trennt, nicht zusätzlich Alkohol oder andere psychoaktiv wirkende Stoffe konsumiert und keine Störung der Persönlichkeit und kein Kontrollverlust vorliegt (Nr. 9.2.2). Wird Cannabis dagegen im Sinne von Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung regelmäßig konsumiert, so ist in der Regel allein wegen der Häufigkeit des Konsums von der Ungeeignetheit des Betreffenden auszugehen; eines weiteren für die Ungeeignetheit sprechenden Gesichtspunkts bedarf es im Gegensatz zum Fall des gelegentlichen Konsums nicht. Denn unabhängig von einem etwaigen aktuellen Cannabiskonsum führt der regelmäßige Konsum zu einer im Hinblick auf die Verkehrssicherheit nicht mehr hinnehmbaren Herabsetzung der verkehrsbezogenen Fähigkeiten des Konsumenten. Beeinträchtigt werden die Aufmerksamkeitsleistung ebenso wie die verkehrsrelevante Fähigkeit, die Aufmerksamkeit zu fokussieren und irrelevante Reize auszuschalten, die Verarbeitungsgeschwindigkeit und das Kurzzeitgedächtnis. Möglich sind ferner verkehrsrelevante Persönlichkeitsveränderungen, die die Bereitschaft und Fähigkeit mindern, sich überindividuellen Regeln und Normen anzupassen und die Anforderungen und Risiken des Straßenverkehrs ernst zu nehmen (vgl. Kannheiser, NZV 2000, 57, 67). Aufgrund der der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung zugrunde liegenden wissenschaftlichen Vorarbeiten zur Beurteilung der Auswirkungen von Cannabiskonsum auf Fahreignung und Trennungsvermögen bzw. -bereitschaft von Cannabiskonsumenten (Begutachtungs-Leitlinien des Gemeinsamen Beirats für Verkehrsmedizin beim Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen und beim Bundesministerium für Gesundheit, vgl. Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr und zur Änderung straßenrechtlicher Vorschriften, Entwurf des Bundesministeriums für Verkehr, BR-Drucks. 443/98, S. 255), der vom Bundesverfassungsgericht im Verfahren 1 BvR 2062/96 eingeholten Gutachten und auch der von anderen Gerichten erhobenen Gutachten (vgl. z.B. Gutachten Kannheiser, NZV 2000, 57 ff., für den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof) geht der Senat davon aus, dass ein die Fahreignung in der Regel ausschließender regelmäßiger Cannabiskonsum im Sinne von Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung zumindest bei einem täglichen oder nahezu täglichen Cannabiskonsum gegeben ist (vgl. Senatsbeschluss vom 30.05.2003 - 10 S 1907/02 -; für eine Beschränkung des Begriffs der "regelmäßigen Einnahme von Cannabis" auf einen solchen Konsum, BayVGH, Beschl. v. 03.09.2002 - 11 CS 02.1082 -). Der Senat vertritt ferner die Ansicht, dass die Bestimmung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV nicht nur in den Fällen des Verdachts auf regelmäßigen Konsum von Cannabis, sondern auch bei Anhaltspunkten für einen nur gelegentlichen Konsum und für das Vorliegen eines der in Nr. 9.2.2 aufgeführten zusätzlichen Umstände Anwendung findet (a.A. Geiger, DAR 2003, 97, 100, und NZV 2003, 272, 273). Weder der Wortlaut der Vorschrift noch der systematische Zusammenhang des § 14 FeV geben Anlass, § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV auf die Fälle der hinreichenden Verdachtsmomente für einen regelmäßigen Cannabiskonsum zu beschränken. Insbesondere ist darauf zu verweisen, dass in den Fällen eines Verdachts auf gelegentlichen Cannabiskonsum mit Hinweis auf das Vorliegen eines Zusatzelements § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV nicht anwendbar ist, weil diese Vorschrift nach Wortlaut und systematischem Zusammenhang bereits den Nachweis einer gelegentlichen Einnahme von Cannabis voraussetzt ("wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt"). Der Antragsgegner macht geltend, nach dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV sei im vorliegenden Fall die Anforderung eines fachärztlichen Gutachtens zwingend geboten und die Fahrerlaubnis-Verordnung biete als Rechtsverordnung eine höhere rechtsstaatliche Legitimation für die Gutachtensanforderung als die zuvor in der Verwaltungspraxis allein zugrunde gelegten Verwaltungsvorschriften. Dieser Argumentation kann nicht in vollem Umfang gefolgt werden. Die Festlegung von Voraussetzungen für die Anforderung eines Gutachtens in einer Rechtsverordnung allein bewirkt nicht, dass eine auf die Vorschrift gestützte Anforderung den rechtlichen Anforderungen in jeder Hinsicht genügt. Auch die Regelung des § 14 Abs. 1 FeV muss den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechen, die vom Bundesverfassungsgericht für eine rechtmäßige Aufforderung zur Beibringung eines Gutachtens im Zusammenhang mit dem Konsum von Cannabis entwickelt worden sind. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen ein Eignungsmangel nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung in Betracht kommt. Denn liegen allein Anhaltspunkte für einen gelegentlichen Cannabiskonsum vor, nicht aber für einen der in Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung zusätzlich aufgeführten Umstände (z.B. unzureichende Trennung von Fahren und Konsum), so liegen keine hinreichend konkreten Verdachtsmomente für einen Eignungsmangel mit der Folge vor, dass die Gutachtensanforderung rechtswidrig ist und die Nichtvorlage des Gutachtens nicht nach § 46 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV zum Anlass für eine Entziehung der Fahrerlaubnis genommen werden darf. In diesem Sinne ist § 14 Abs. 1 FeV verfassungskonform auszulegen (vgl. Hentschel, NJW 2003, 716, 724).

Danach ist die Anforderung eines Gutachtens aufgrund von § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV zum einen rechtmäßig, wenn hinreichende Verdachtsmomente für einen gelegentlichen Cannabiskonsum und für die Annahme eines der in Nr. 9.2.2 aufgeführten zusätzlichen Gesichtspunkte - unzureichendes Trennungsvermögen von Konsum und Fahren, zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen, Störung der Persönlichkeit oder Kontrollverlust - festgestellt werden können. Zum anderen ist die auf § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV gestützte Gutachtensanforderung im Sinne des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit angemessen, wenn hinreichende Verdachtsmomente für einen regelmäßigen Cannabiskonsum des Fahrerlaubnisinhabers vorliegen. Hiervon ausgehend erweist sich die Gutachtensanforderung vom 27.12.2001 als materiell rechtswidrig, weil das Landratsamt keine hinreichend konkreten Verdachtsmomente für das Vorliegen eines Eignungsmangels im Sinne von Nr. 9.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung festgestellt hatte. Dies gilt sowohl für die regelmäßige Einnahme von Cannabis (1) als auch für den Fall der gelegentlichen Einnahme (2).

1) Zwar setzt eine Gutachtensanforderung im Hinblick auf einen regelmäßigen Cannabiskonsum nach der Rechtsprechung des Senats nicht voraus, dass ein täglicher oder nahezu täglicher Konsum (= regelmäßiger Konsum i.S.v. Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung) über einen längeren Zeitraum detailliert belegt ist. Wie sich aus der Regelung des § 11 Abs. 7 FeV und aus dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV ("wenn Tatsachen die Annahme begründen") ergibt, ist die Anforderung eines Gutachtens bereits bei Anhaltspunkten gerechtfertigt, die bei vernünftiger, lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründen, der Betreffende konsumiere täglich oder nahezu täglich Cannabis (vgl. Senatsbeschl. v. 16.06.2003 - 10 S 430/03 -). Diese Voraussetzungen waren hinsichtlich des Antragstellers nicht erfüllt. Beim Antragsteller ist lediglich zwei Mal mit einem zeitlichen Abstand von mehr als einem Jahr der Besitz von Cannabis konkret festgestellt worden (24.09.2000 und 20.10.2001). Die Äußerung des Antragstellers anlässlich einer Personen- und Fahrzeugkontrolle, die erstmals im Beschwerdeverfahren - wenig glaubhaft - bestritten worden ist, "ab und an, insbesondere aufgrund einer Krankheit" Cannabis zu konsumieren, deutet gerade auf einen - lediglich - gelegentlichen Konsum hin. Die weiteren in der Gutachtensanforderung sowie im Beschluss des Verwaltungsgerichts genannten Umstände, wie das Antreffen des Antragstellers in einem Kraftfahrzeug als Beifahrer eines Heroin- bzw. Methadonkonsumenten oder der Aufenthalt in einem Haus, das im Betäubungsmittelbereich bereits mehrfach in Erscheinung getreten ist, belegen nicht einmal einen Eigenkonsum des Antragstellers. Wie oben dargelegt, geht der Senat davon aus, dass ein regelmäßiger Konsum jedenfalls in den Fällen eines täglichen oder nahezu täglichen Cannabiskonsums gegeben ist. Noch ungeklärt ist, ob auch bei einem weniger häufigen Konsum von einer regelmäßigen Einnahme im Sinne von Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung gesprochen werden kann. Für diesen Begriff findet sich in der verkehrsrechtlichen Literatur eine große Bandbreite von Bestimmungen (vgl. z.B. Berghaus, Gutachten für das Bundesverfassungsgericht im Verfahren 1 BvR 2062/96 -, S. 2 f.). Aber selbst wenn man diese Definitionen jeweils heranzöge (wie z.B. "mehr als zehn Mal", "200 Mal pro Jahr", "mehr als 20 Mal", "mehr als fünf Mal" oder "an mindestens 26 Tagen des letzten Monats"), lägen keine hinreichenden Verdachtsmomente für die Annahme einer regelmäßigen Einnahme von Cannabis durch den Antragsteller vor.

2) Auch im Hinblick auf Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung lagen keine hinreichenden Verdachtsmomente vor, die eine Aufforderung zur Beibringung eines fachärztlichen Gutachtens rechtfertigten. Im Schreiben der Autobahnpolizeidirektion Freiburg vom 29.10.2001 (AS 41) ist vermerkt, dass der Antragsteller bei einer Beschuldigtenvernehmung am 20.10.2001 angegeben habe, "ab und an, insbesondere aufgrund einer Krankheit, Cannabis" zu konsumieren. Soweit ersichtlich, hat der Antragsteller die Richtigkeit dieser Darstellung erstmals im Beschwerdeverfahren bestritten. Dieser Umstand spricht dafür, dass es sich hierbei um eine bloße Schutzbehauptung handelt. Tatsächlich kann die Frage, ob der Antragsteller am 20.10.2001 eingeräumt hat, "ab und an" Cannabis zu konsumieren, dahingestellt bleiben. Denn selbst wenn zu Ungunsten des Antragstellers ein solcher Konsum unterstellt wird, erweist sich die Gutachtensanforderung vom 27.12.2001 als rechtswidrig. Wie oben dargelegt, ist im Bereich des gelegentlichen Konsums von Cannabis die Gutachtensanforderung nur rechtmäßig, wenn hinreichende Verdachtsmomente für einen gelegentlichen Cannabiskonsum und für einen der in Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung genannten zusätzlichen Umstände vorliegen. Am letzteren fehlte es im vorliegenden Fall.

Entgegen der Auffassung des Landratsamtes und des Verwaltungsgerichts reicht ein bloßer Bezug zum Straßenverkehr, der sich allein aus dem Auffinden von Cannabis in einem Auto ergibt, nicht aus. Stützt die Behörde die Anforderung auf den zusätzlichen Umstand fehlender "Trennung von Konsum und Fahren" im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung, so setzt die Anwendung von § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV voraus, dass auch Anhaltspunkte für ein unzureichendes Trennungsvermögen bzw. eine unzureichende Trennungsbereitschaft des Betreffenden festgestellt worden sind. Diese Voraussetzung ist z.B. erfüllt, wenn im Aschenbecher des vom Betreffenden benutzen Kraftfahrzeugs die Reste eines mit Haschisch versetzten Joints gefunden werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 08.07.2002 - 1 BvR 2428/95 -). Der bloße Besitz von Cannabis während der Fahrens reicht hierfür nicht aus. Der hier zu beurteilende Sachverhalt deckt sich insoweit mit der Fallgestaltung, die dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20.06.2002 (-1 BvR 2062/96 -) zugrunde liegt. In diesem Fall waren im Auto des Beschwerdeführers lediglich fünf Gramm Haschisch gefunden worden und die Behörde hatte diesen aufgefordert, sich einem Drogenscreening zu unterziehen, was dieser jedoch abgelehnt hatte.

Zwar nennt Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung im Fall des gelegentlichen Konsums von Cannabis noch andere hinzutretende Umstände als die unzureichende Trennung zwischen Konsum und Fahren (zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen, Störung der Persönlichkeit oder Kontrollverlust). Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die Behörde im Hinblick auf solche zum gelegentlichen Cannabiskonsum hinzutretenden Umstände ausreichende Verdachtsmomente festgestellt hatte. Denn die Aufforderung vom 27.12.2001 genügte im Hinblick auf solche zusätzlichen Umstände nicht den an sie zu stellenden formellen Anforderungen. Die Aufforderung muss im Wesentlichen aus sich heraus verständlich sein, und der Betroffene muss ihr entnehmen können, was konkret ihr Anlass ist und ob das in ihr Verlautbarte die behördlichen Zweifel an der Fahreignung zu rechtfertigen vermag (BVerwG, Urt. v. 05.07.2001 - 3 C 13.01 - NJW 2002, 78-80). Im Hinblick auf die oben aufgeführten zusätzlichen Gesichtspunkte, die in den Fällen des gelegentlichen Konsums von Cannabis zur Ungeeignetheit des Betreffenden führen können, finden sich in der Aufforderung vom 27.12.2001 jedoch keine Hinweise.

Begegnet die auf § 46 Abs. 3 und § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV gestützte Entziehung der Fahrerlaubnis durchgreifenden rechtlichen Bedenken, so gilt dies auch für die hierauf beruhenden Anordnungen in Ziffern 2 und 4 der Entscheidung vom 29.07.2002 und die Androhung der Wegnahme des Führerscheins. Im Hinblick auf die Androhung der Wegnahme des Führerscheins ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Entscheidung vom 29.07.2002 anzuordnen (§ 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO i.V.m. § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO und § 12 Satz 1 LVwVG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 25 Abs. 2, § 14 Abs. 1 sowie § 20 Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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