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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 03.04.2001
Aktenzeichen: 10 S 2438/00
Rechtsgebiete: BImSchG, LVwVG


Vorschriften:

BImSchG § 22 Abs. 1 Satz 1
BImSchG § 24
BImSchG § 52
BImSchGZuVO § 1 Abs. 3
LVwVG § 22
Zur immissionsschutzrechtlichen Schutzpflicht der Gemeinde als Betreiberin einer Skate- und Bolzplatzanlage und ihrer Durchsetzung durch die Immissionsschutzbehörde mit einer Anordnung nach § 24 BImSchG.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

10 S 2438/00

In der Verwaltungsrechtssache

wegen immissionschutzrechtlicher Verfügung

hier: vorläufiger Rechtsschutz

hat der 10. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schlüter und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Hofherr und Dr. Rudisile

am 03. April 2001

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 22.05.2000 - 6 K 772/00 - wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 8.000,- DM festgesetzt.

Gründe:

Die vom Senat zugelassene Beschwerde der Antragstellerin ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass der Antragstellerin, einer Kommune, kein vorläufiger Rechtsschutz gegenüber der Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12.01.2000 zu gewähren ist. Mit dieser Verfügung hat das Regierungspräsidium ihr als Eigentümerin und Betreiberin eines im Rahmen von § 10 GemO betriebenen öffentlichen Bolz- und Skateplatzes aufgegeben, "durch geeignete bautechnische und/oder organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die für die Spielanlage geltenden Benutzungsregelungen (Betriebszeiten, Verbot des Befahrens mit Skateboards) von den zugelassenen Benutzern (Kinder und Jugendliche bis 14 Jahre) künftig eingehalten werden", und die in Betracht kommenden geeigneten Maßnahmen sowie den Zeitplan zu ihrer Umsetzung dem Regierungspräsidium innerhalb von sechs Wochen nach Zugang vorzulegen. Das öffentliche Interesse und das Interesse der beigeladenen Anlagennachbarn an der sofortigen Vollziehung dieser immissionsschutzrechtlichen Anordnung überwiegt auch nach Einschätzung des Senats das Interesse der Antragstellerin, dieser Anordnung bis zu einer endgültigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren (10 S 2443/00) nicht nachkommen zu müssen.

Dieser Interessenbewertung liegen folgende Erwägungen zugrunde: Mit der hier streitigen sofort vollziehbaren Verfügung hat das Regierungspräsidium die Antragstellerin nicht im Rahmen der Rechtsaufsicht (§§ 118 f., 122 GemO) oder der immissionsschutzrechtlichen Fachaufsicht (§ 25 Abs. 1 und 2 LVG) in Anspruch genommen. Vielmehr handelt es sich um eine Anordnung im Rahmen der Überwachung einer (hier kommunalen) Anlage nach §§ 24, 52 BImSchG. Die entsprechende Zuständigkeit des Regierungspräsidiums folgt aus §§ 1 Abs. 3, 3 Abs. 1 BImSchGZuVO. Die streitige Anordnung zielt auf die Durchsetzung der Schutzpflicht nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BImSchG, die der Antragstellerin als Betreiberin der Anlage obliegt. Die Tatsache, dass die Anlage, eine öffentliche Einrichtung i. S. von § 10 Abs. 2 GemO, hoheitlich betrieben wird, steht der Geltung der immissionsschutzrechtlichen Schutzpflicht nach allgemeiner Meinung nicht entgegen (BVerwG, Urt. v. 29.04.1988, BVerwGE 79, 254, 256 ff; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 28.07.1998, NVwZ 1999, 85 = VBlBW 1999, 65; Jarass, Bundes-Immissionsschutzgesetz, 4. Aufl., § 2 RdNr. 13). Ob und gegebenenfalls inwieweit auch die Instrumente zum Vollzug des materiellen Immissionsschutzrechts im Einzelfall gegenüber dem kommunalen Betreiber von Anlagen im Sinne von § 10 GemO eingesetzt werden dürfen, ist allerdings umstritten (bejahend z.B. Jarass, a.a.O., § 2 RdNr. 14, unter Hinweis auf § 4 Abs. 1 Satz 2 BImSchG; Führ, in: Gemeinschaftskommentar zum Bundes-Immissionsschutzgesetz, § 2 RdNr. 15; a. A. Hess. VGH, Beschl. v. 07.03.1996, NVwZ 1997 S. 304: kommunales Hallenbad). Die Frage dürfte aber letztlich zu bejahen sein, zumal die Sonderregelung für den Vollzug des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bei Anlagen der Landesverteidigung in § 59 BImSchG andernfalls wohl leer liefe (Jarass, a.a.O., RdNr. 15). Ob dies im Bereich des allgemeinen Polizeirechts anders zu sehen ist, kann im vorliegenden Fall, der allein nach Immissionsschutzrecht zu beurteilen ist, offen bleiben. Der Umstand, dass § 22 LVwVG die Verwaltungsvollstreckung gegen juristische Personen des öffentlichen Rechts von einer ausdrücklichen normativen Gestattung abhängig macht und dass eine solche Gestattung hier nicht ersichtlich ist, steht der Annahme einer auch formellen, d. h., durch behördliche Anordnung konkretisierbaren, Schutzpflichtigkeit des kommunalen Anlagenbetreibers nicht entgegen; zur zwangsweisen Durchsetzung einer immissionsschutzbehördlichen Anordnung kämen, wenn erforderlich, auch eine Anordnung der Rechtsaufsichtsbehörde und eine Vollstreckung durch eine Ersatzvornahme nach §§ 122, 123 GemO in Betracht. Es spricht daher bei summarischer Betrachtung vieles dafür, dass Kommunen wie die Antragstellerin als Anlagenbetreiber grundsätzlich zum Adressaten einer - letztlich auch durchsetzbaren - immissionsschutzrechtlichen Anordnung nach § 24 BImSchG gemacht werden können. Diese Sicht liegt auch der Verordnung des Ministeriums für Umwelt und Verkehr und des Wirtschaftsministeriums über Zuständigkeiten nach dem Bundes-Immissions-schutzgesetz und den nach diesem Gesetz ergangenen Rechtsverordnungen vom 29.09.1997 (GBl. S. 421) zugrunde; nach deren § 1 Abs. 3 werden die Aufgaben der unteren Verwaltungsbehörde von der höheren Verwaltungsbehörde wahrgenommen, wenn die Gebietskörperschaft, für deren Bezirk die untere Verwaltungsbehörde zuständig ist, Adressat einer Anordnung oder sonstigen Maßnahme ist.

Bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung ist ferner mit dem Verwaltungsgericht davon auszugehen, dass der Betrieb von Bolzplatz und Skateanlage der Antragstellerin auch noch im maßgeblichen Zeitpunkt des Ergehens der hier allein streitigen immissionsschutzrechtlichen Anordnung vom 12.01.2000 im benachbarten reinen Wohngebiet zu erheblichen Geräuschbelästigungen zu führen drohte, die nach dem Stand der Technik vermeidbar waren oder, soweit unvermeidbar, auf ein Mindestmaß (weiter) beschränkt werden konnten (§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BImschG). Das schalltechnische Gutachten des Ingenieurbüros für Bauphysik vom 11.10.1999 bietet hierfür zumindest deutliche Anhaltspunkte. Eine nähere Prüfung dieses Gutachtens bzw. der Immissionssituation muss allerdings dem Verfahren der Hauptsache vorbehalten bleiben. Bei summarischer Betrachtung konnte das Gutachten der Immissionsschutzbehörde jedenfalls Anlass geben, zum Schutz der Anwohner und vor allem der Beigeladenen einzuschreiten.

Wenn die Behörde der Antragstellerin in ihrer Verfügung vom 12.01.2000 nicht die Einhaltung bestimmter Immissionswerte aufgegeben hat, sondern sie verpflichtet hat, die Einhaltung ihrer eigenen Benutzungsregelungen (Betriebszeiten, Skateboardverbot) durch geeignete bautechnische und/oder organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dann erscheint auch dies bei summarischer Prüfung rechtlich vertretbar. Zu Recht dürfte das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang hervorgehoben haben, dass diese Anordnung den Gestaltungsspielraum der Antragsgegnerin als Betreiberin der öffentlichen Einrichtung weitestgehend respektiert. Selbstverständlich hindert die streitige Anordnung die Antragstellerin nicht daran, andere Benutzungsregelungen zu treffen, solange nur ein ausreichender Schutz der Wohnruhe der Anlagennachbarn gewährleistet ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen der Antragstellerin aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 25 Abs. 2 Satz 1, 20 Abs. 3 und 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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