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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 11.09.2002
Aktenzeichen: 10 S 2485/01
Rechtsgebiete: GG, EMRK, UN-Kinderrechtskonvention, AuslG


Vorschriften:

GG Art. 6
EMRK Art. 8
UN-Kinderrechtskonvention Art. 16
AuslG § 19 Abs. 1
AuslG § 23 Abs. 1
AuslG § 24 Abs. 1
1. Einem Ausländer, der seit mehreren Jahren keinen persönlichen Kontakt zu seinem in Deutschland wohnhaften minderjährigen Kind hat, ist es in der Regel möglich und auch zumutbar, die gerichtliche Durchsetzung des ihm für das Kind zustehenden Umgangsrechts vom Ausland aus zu betreiben. Dasselbe gilt für die etwaige spätere Ausübung des Umgangsrechts. Die mit der Beendigung seines Aufenthalts im Bundesgebiet verbundenen typischen Schwierigkeiten bei der Durchsetzung und Ausübung des Umgangsrechts rechtfertigen es im Regelfall nicht, ihm nach der Härteregelung des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG ein eigenständiges Aufenthaltsrecht zuzuerkennen.

2. Es sind keine Fallgestaltungen denkbar, in denen einem Ausländer bei Zugrundelegung der Härteregelung des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG in der Fassung des Gesetzes vom 29. Oktober 1997 (BGBl. I S. 2584; "außergewöhnliche Härte") ein eigenständiges Aufenthaltsrecht zuzuerkennen ist, während ihm bei Zugrundelegung dieser Regelung in der Fassung des Gesetzes vom 25. Mai 2000 (BGBl. I S. 742; "besondere Härte") ein solches Recht nicht zusteht.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

10 S 2485/01

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Aufenthaltserlaubnis und Abschiebungsandrohung

hat der 10. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Rudisile, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Roth und den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Kunze auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 11. September 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 16. Mai 2001 - 7 K 986/01 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die beklagte Stadt wendet sich mit ihrer Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart, mit dem sie verpflichtet worden ist, dem Kläger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

1. Der Kläger - ein libanesischer Staatsangehöriger - reiste Anfang 1992 ohne Visum in das Bundesgebiet ein und stellte sodann einen Asylantrag. Dieser wurde durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge im Juli 1994 abgelehnt. Die hierauf erhobene Asylklage nahm der Kläger Ende Dezember 1995 zurück. Wenige Tage zuvor hatte er die deutsche Staatsangehörige R. geheiratet. Im Hinblick auf diese Eheschließung erteilte die Beklagte dem Kläger am 9. Februar 1996 zunächst eine vorläufige Aufenthaltserlaubnis von dreimonatiger Geltungsdauer. Mitte April erteilte sie ihm sodann gemäß § 23 AuslG eine bis zum 15. April 1999 befristete Aufenthaltserlaubnis. Am 4. März 1996 wurde die gemeinsame Tochter des Klägers und seiner damaligen Ehefrau geboren.

Am 17. Juli 1996 zog Frau R. mit ihrer Tochter aus der Ehewohnung aus, nachdem es zwischen ihr und dem Kläger zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung gekommen war. Sie vermeidet jede Begegnung mit dem Kläger und ist bemüht, ihren Wohnort vor ihm geheim zu halten. Zu seiner Tochter hat der Kläger seitdem keinen Kontakt mehr. Die Ehe des Klägers und der Frau R. wurde durch - zwischenzeitlich rechtskräftiges - Urteil des Amtsgerichts Aalen vom 12. Mai 1999 - 5 F 299/96 - geschieden. Das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter wurde in dem Urteil der Mutter zugesprochen. Das Recht des Klägers zum Umgang mit seiner Tochter wurde für eine Dauer von zwei Jahren ausgeschlossen. Die Beschwerde des Klägers gegen diese Regelung des Sorge- und Umgangsrechts wurde durch Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 17. November 1999 - 11 UF 144/99 - zurückgewiesen.

2. Am 24. März 1999 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf unbefristete Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis. Zur Begründung machte er geltend, dass er eine deutsche Tochter habe. Außerdem arbeite er hier und habe sich an die deutsche Mentalität gewöhnt.

Nach vorangegangener Anhörung des Klägers lehnte es die Beklagte mit Bescheid vom 16. Juni 2000 ab, ihm eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Ferner lehnte sie es ab, ihm die Aufenthaltserlaubnis nachträglich zu verlängern. Außerdem forderte sie ihn auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von acht Wochen zu verlassen und drohte ihm für den Fall der Nichtbeachtung die Abschiebung in den Libanon an.

Die Voraussetzungen des § 24 AuslG für die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis lägen nicht vor. Denn der Kläger sei nicht bereits seit fünf Jahren ununterbrochen im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis (vgl. § 24 Abs. 1 Nr. 1 AuslG). Sein Aufenthalt im Bundesgebiet sei vielmehr nur in der Zeit vom 9. Februar 1996 bis zum 15. April 1999 erlaubt gewesen. Die Zeit des ihm nach Maßgabe des Asylverfahrensrechts gestatteten Aufenthalts sei hier nicht zu berücksichtigen. Dasselbe gelte für die Zeit nach Stellung seines Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Denn dieser Antrag sei nun abgelehnt worden. Die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach §§ 25, 26 AuslG komme ebenfalls nicht in Betracht.

Dem Kläger könne auch keine befristete Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis zugebilligt werden. Ein Verlängerungsanspruch nach § 23 Abs. 1 AuslG bestehe nicht, da der Kläger weder Ehegatte einer Deutschen sei noch in familiärer Lebensgemeinschaft mit seiner Tochter lebe. Der Kläger habe auch kein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 19 AuslG erworben. Seine eheliche Lebensgemeinschaft mit Frau R. habe nur wenige Monate bestanden. Die Rückkehr in sein Heimatland sei für ihn auch nicht mit einer besonderen Härte i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG verbunden. Mit der Einführung der Härteklausel des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG habe der Gesetzgeber Härten zu begegnen beabsichtigt, die sich daraus ergeben können, dass Ausländern - besonders Frauen - aus bestimmten Herkunftsländern bei der Rückkehr in ihre Heimat gerade wegen der Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft besondere Nachteile entstehen. Dem Kläger drohten solche Nachteile aber nicht. Auch im Übrigen führe die Aufenthaltsbeendigung für den Kläger nicht zu einer besonderen Härte. Ihm könne daher auch keine Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 2 AuslG erteilt werden.

Der Kläger legte gegen diesen Bescheid am 13. Juli 2000 Widerspruch ein und stellte am 18. August 2000 beim Verwaltungsgericht Stuttgart einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO. Zur Begründung machte er unter anderem geltend, ihm sei gemäß § 19 AuslG ein eigenständiges Aufenthaltsrecht zuzuerkennen. Durch die Beendigung seines Aufenthalts im Bundesgebiet werde es ihm unmöglich gemacht, sein Kind im Stadium des Heranwachsens zu sehen und Bindungen zu ihm aufzubauen. Hinzu komme, dass er seit mehr als fünf Jahren in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehe. In seinem Beruf genieße er Anerkennung; in die hiesige Gesellschaft sei er integriert. Seiner Abschiebung in den Libanon stünden im Übrigen Abschiebungshindernisse entgegen; ihm sei daher zumindest eine Duldung zu erteilen.

Das Verwaltungsgericht Stuttgart lehnte den Antrag des Klägers auf vorläufigen Rechtsschutz mit Beschluss vom 27. Dezember 2000 - 7 K 4024/00 - ab. Das Regierungspräsidium Stuttgart wies daraufhin den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 29. Januar 2001 zurück.

3. Der Kläger hat am 23. Februar 2001 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben. Zur Begründung hat er geltend gemacht, dass ihm gemäß Art. 6 GG und Art. 8 EMRK das Recht zustehe, sich im Bundesgebiet aufzuhalten; denn hier lebe seine Tochter, von der er nicht getrennt werden wolle. Er werde beim Familiengericht alle Schritte einleiten, um ein regelmäßiges Besuchsrecht zu erhalten. Er wolle auch für seine Tochter sorgen und für sie Unterhalt zahlen. Seine Tochter habe nach der UN-Kinderrechtskonvention einen Anspruch darauf, von beiden Elternteilen erzogen und versorgt zu werden.

In der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts am 16. Mai 2001 hat der Kläger beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 16. Juni 2000 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29. Januar 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, die Aufenthaltserlaubnis befristet zu verlängern.

Die Beklagte ist der Klage schriftsätzlich entgegen getreten. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen auf die angefochtenen Bescheide und den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 27. Dezember 2000 Bezug genommen. Änderungen der Sach- oder Rechtslage, die es rechtfertigen würden, zu einer für den Kläger günstigeren Entscheidung zu gelangen, seien nicht eingetreten.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 16. Mai 2001 - 7 K 986/01 - stattgegeben, die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Dem Kläger stehe nach § 24 AuslG ein Anspruch auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis zu. Er besitze zwar nicht ununterbrochen seit fünf Jahren eine Aufenthaltserlaubnis. Der Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis sei aber die Zeit hinzuzurechnen, die seit dem Antrag des Klägers auf unbefristete Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis verstrichen sei. Denn dem Kläger habe ein Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 3 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG zugestanden. Mit der Neufassung von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG durch Gesetz vom 25. Mai 2000 (BGBl. I S. 742) habe der Gesetzgeber klargestellt, dass ein eigenständiges Aufenthaltsrecht bereits dann gegeben sei, wenn der Ehegatte durch die Rückkehr ins Herkunftsland ungleich härter getroffen werde als andere Ausländer, die nach kurzen Aufenthaltszeiten Deutschland verlassen müssten. Der "besonderen Härte" i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG könnten Umstände im In- und Ausland zu Grunde liegen. Für den Kläger führe die Aufenthaltsbeendigung zu einem generellen Verlust jeden Umgangsrechts zu seinem leiblichen Kind. Sie treffe ihn daher ungleich schwerer als vergleichbare Ausländer mit einer Rückkehrpflicht ins Heimatland nach einer gescheiterten Ehe. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG schütze den ausländischen Ehegatten, der im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gewesen sei, wenn nötig auch nach Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft. Trete in dieser Konstellation hinzu, dass bereits vor Ablauf der in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG genannten Bestandszeit von zwei Jahren aus der ehelichen Lebensgemeinschaft ein Kind hervorgegangen sei, für das der Betroffene ein Umgangsrecht besitze oder zumindest ernsthaft anstrebe, so liege in dem Ansinnen, jeden persönlichen Kontakt zu seinem ehelich geborenen Kind einzustellen, eine besondere Härte i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung habe das Gericht keinen Zweifel, dass der Kläger bestrebt sei, zumindest ein betreutes Umgangsrecht für seine Tochter zu erhalten. Dem Urteil des Amtsgerichts Aalen vom 12. Mai 1999 könne nicht entnommen werden, dass die Gründe, die zum befristeten Ausschluss des Umgangsrechts des Klägers geführt hätten, ausschließlich in seiner Persönlichkeit zu sehen seien. Durch eine Vollziehung des angefochtenen Bescheids der Beklagten werde im Übrigen ein Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Familienleben des Klägers herbeigeführt. Die gerichtliche Prüfung, ob dem Kläger für die Zukunft ein Umgangsrecht mit dem gemeinsamen Kind ermöglicht werden solle, werde mit der erzwungenen Rückkehr des Klägers in sein Heimatland beendet. Ihm werde dadurch die Möglichkeit genommen, das weiterhin angestrebte Umgangsrecht durchzusetzen.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist der Beklagten am 26. Juni 2001 zugestellt worden.

4. Die beklagte Stadt hat am 20. Juli 2001 Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Diesem Antrag hat der Senat mit Beschluss vom 13. November 2001 - 10 S 1671/01 - entsprochen. Dieser Beschluss ist der Beklagten am 30. November 2001 zugestellt worden. Die Berufungsbegründungsschrift der Beklagten ist beim Verwaltungsgerichtshof am 20. Dezember 2001 eingegangen.

Die Beklagte macht zur Begründung ihrer Berufung im Wesentlichen Folgendes geltend: Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts könne sich der Kläger nicht auf die durch Gesetz vom 25. Mai 2000 (BGBl. I S. 742) eingeführte Neufassung von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG stützen. Denn diese Regelung finde auf sog. "Altfälle" - also Fälle, bei denen im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung (1. Juni 2000) eine eheliche Lebensgemeinschaft bereits nicht mehr bestanden hat - keine Anwendung. Selbst wenn man aber dem nicht folge, sei ein Aufenthaltsrecht des Klägers nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG nicht gegeben. Die Beendigung seines Aufenthalts im Bundesgebiet führe für den Kläger nicht zu einer besonderen Härte i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG. Mit der Rückkehr zum Begriff der "besonderen Härte" habe der Gesetzgeber auf die Rechtsprechung zu § 19 AuslG in der Fassung vor Inkrafttreten des Änderungsgesetzes vom 29. Oktober 1997 (BGBl. I S. 2584) zurückgegriffen. Diese Rückkehr sei durch Unsicherheiten bei der Gesetzesanwendung bedingt, die nach der Änderung von § 19 AuslG durch das Gesetz vom 29. Oktober 1997 aufgetreten seien. Der Gesetzgeber habe danach lediglich klarstellen wollen, dass ein eigenständiges Aufenthaltsrecht bereits dann zuzubilligen sei, wenn der Ehegatte durch die Rückkehr ins Herkunftsland ungleich härter getroffen werde als andere Ausländer, die nach kurzen Aufenthaltszeiten Deutschland verlassen müssten. Aus den Gesetzesmaterialien zur Neufassung von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG durch das Gesetz vom 25. Mai 2000 (BGBl. I S. 742) gehe hervor, dass die Regelung nun vornehmlich dem Zweck diene, der willkürlichen Untersagung des Kontakts des im Ausland lebenden Ehegatten zu seinen Kindern zu begegnen. Eine besondere Härte liege aber nicht bereits dann vor, wenn die Versagung der Aufenthaltserlaubnis lediglich zu einer Erschwerung der Ausübung des Umgangsrechts des nicht sorgeberechtigten Ausländers mit seinem deutschen Kind führe. Dies sei in der Rechtsprechung zu § 19 AuslG in seiner ursprünglichen Fassung geklärt gewesen. Wenn es der Wille des Gesetzgebers gewesen wäre, mit § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG generell ein eigenständiges Aufenthaltsrecht für die Inhaber von Umgangsrechten zu schaffen, so wäre dies im Wortlaut der Bestimmung deutlicher zum Ausdruck gebracht worden. Dies gelte umso mehr, als mit der Beendigung des Aufenthalts eines Ausländers diesem nicht automatisch die Möglichkeit genommen werde, von einem ihm zustehenden Umgangsrecht Gebrauch zu machen. So komme es durchaus in Betracht, ein Umgangsrecht periodisch in Zeitblöcken während Besuchsaufenthalten im Bundesgebiet auszuüben. Die durch das Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung von § 19 AuslG führe dagegen zu Wertungswidersprüchen im gesetzlichen System der Aufenthaltsrechte und auch zu Benachteiligungen nichtehelicher Kinder. Ein Umgangsrecht, das nach den allgemeinen Familiennachzugsregelungen zu keinem Aufenthaltsrecht führe, könne auch nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG kein solches Recht begründen. Eine besondere Härte i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG drohe dem Kläger danach nicht. Ihm stehe weder das Sorge- noch ein Umgangsrecht für seine Tochter zu. Seine Bemühungen um die Erwirkung eines Umgangsrechts erweckten den Eindruck, als dienten sie allein dem Zweck, seinen Aufenthalt im Bundesgebiet zu sichern. So leiste der Kläger nur sehr unregelmäßig Unterhalt für seine Tochter. Es seien bereits hohe Unterhaltsrückstände aufgelaufen. Anträge auf gerichtliche Regelung eines ihm zustehenden Umgangsrechts habe der Kläger bislang nicht gestellt. Aus Schreiben der früheren Ehefrau des Klägers gehe zudem hervor, dass dieser das Kind nicht haben wollte. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für den Kläger sei schließlich auch deshalb nicht möglich, weil er über keinen gültigen Pass verfüge. Damit liege der besondere Versagungsgrund des § 8 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 4 Abs. 1 AuslG vor.

Die Beklagte stellt den Antrag,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 16. Mai 2001 - 7 K 986/01 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger ist der Berufung entgegengetreten. Er verweist auf die Begründung des angefochtenen Urteils. Darüber hinaus teilt er mit, dass er sich bemüht habe, das Umgangsrecht für seine Tochter zu erhalten. Er habe versucht, die Adresse seiner früheren Ehefrau und seines Kindes ausfindig zu machen. Dies sei ihm aber nicht gelungen. Frau R. sei offenbar unterge-taucht. Hieraus könnten ihm aber keine rechtlichen Nachteile erwachsen. Er wolle unbedingt eine Beziehung zu seiner Tochter aufbauen.

5. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die dem Senat vorliegenden Akten der Beklagten (vier Bände), des Regierungspräsidiums Stuttgart (ein Band), der Staatsanwaltschaft Ellwangen (zum Verfahren 13 Js 4393/97 51ARs) und des Verwaltungsgerichts Stuttgart (zum Verfahren 7 K 986/01) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die durch den Senat mit Beschluss vom 13. November 2001 - 10 S 1671/01 - zugelassene Berufung ist zulässig und auch begründet. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die Klage ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung (1. und 2.) oder Verlängerung (3.) einer Aufenthaltserlaubnis. Auch die mit Bescheid der Beklagten vom 16. Juni 2000 verfügte Abschiebungsandrohung ist nicht zu beanstanden (4.).

1. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis (vgl. §§ 24 bis 26 AuslG) liegen nicht vor. Dies gilt entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch für die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 AuslG. Denn der Kläger war im - hier maßgeblichen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22. Januar 2002, InfAuslR 2002, 281) - Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 11. September 2002 nicht seit mindestens fünf Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis (zu diesem Erfordernis vgl. § 24 Abs. 1 Nr. 1 AuslG). Er hat lediglich in der Zeit zwischen dem 9. Februar 1996 und dem 15. April 1999 eine Aufenthaltserlaubnis besessen. Für die Zeit zwischen dem 16. April 1999 und dem 11. September 2002 ist ihm hingegen keine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden.

Das Verwaltungsgericht ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass dem ununterbrochenen Besitz einer Aufenthaltserlaubnis diejenigen Zeiten gleichstehen, in denen der Ausländer zwar keinen Aufenthaltstitel besessen, aber nach der vom Gericht inzident vorzunehmenden Prüfung ununterbrochen einen Rechtsanspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis gehabt hat (vgl. BVerwG, a.a.O.). Abzustellen ist insofern auf die im jeweiligen Zeitpunkt des geltend gemachten Anspruchs gegebene Sach- und Rechtslage. Bestand ein geltend gemachter Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis aber nicht ununterbrochen während des gesamten nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 AuslG relevanten Zeitraums, kann auch aus der sog. Fiktionswirkung eines entsprechenden Antrags (vgl. § 69 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 AuslG) ein Aufenthaltsrecht i.S.d. § 24 Abs. 1 Nr. 1 AuslG nicht hergeleitet werden (vgl. BVerwG, a.a.O.). So liegt es aber im vorliegenden Fall. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stand dem Kläger in der Zeit zwischen dem 16. April 1999 und dem 11. September 2002 nicht ununterbrochen ein Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis zu.

Dies wird besonders deutlich, wenn man den Zeitraum zwischen dem 17. November 1999 und dem 31. Mai 2000 in den Blick nimmt. Als Grundlage für einen Anspruch des Klägers auf Verlängerung oder Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis kommt in diesem Zeitraum allenfalls § 23 Abs. 3 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG in Betracht. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG käme hierbei in der Fassung des Gesetzes vom 29. Oktober 1997 (BGBl. I S. 2584) zur Anwendung. Die Verlängerung oder Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis war danach nur zur Vermeidung einer "außergewöhnlichen Härte" möglich. Eine solche außergewöhnliche Härte wäre nur dann anzunehmen gewesen, wenn im konkreten Fall besondere Umstände vorgelegen hätten, aus denen sich ergab, dass die Beendigung des Aufenthalts des Klägers im Bundesgebiet schlechthin unvertretbar gewesen wäre (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 2 AuslG a.F. sowie BVerwG, Beschl. v. 30. September 1998, InfAuslR 1999, 72 = Buchholz 402.240 § 19 AuslG 1990 Nr. 5; OVG Hamburg, Beschl. v. 27. Oktober 1999, InfAuslR 2000, 184 = AuAS 2000, 51; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 3. Februar 1999, NVwZ-RR 1999, 470 = InfAuslR 1999, 233). Solche besonderen Umstände sind im Falle des Klägers aber nicht festzustellen:

Eine die Verlängerung oder Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 3 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG a.F. rechtfertigende Atypik des Falles bestand nicht darin, dass der Kläger Vater einer im Bundesgebiet lebenden minderjährigen deutschen Staatsangehörigen ist, mit der er Umgang zu pflegen wünscht. Denn ein Umgang des Klägers mit seiner Tochter hat seit Mitte 1996 nicht mehr stattgefunden. Bezogen auf den hier interessierenden Zeitraum (17. November 1999 bis 31. Mai 2000) kommt hinzu, dass dem Kläger auch weder ein Sorge- noch ein Umgangsrecht für seine Tochter zustand. Denn mit Urteil des Amtsgerichts Aalen vom 12. Mai 1999 - 5 F 299/96 - ist das Sorgerecht für die Tochter des Klägers allein auf Frau R. übertragen worden; zudem ist dem Kläger für die Dauer von zwei Jahren das Umgangsrecht für seine Tochter entzogen worden. Diese Sorge- und Umgangsrechtsregelung ist mit der Zurückweisung der Beschwerde des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts am 17. November 1999 in Rechtskraft erwachsen und damit wirksam geworden (vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 17. November 1999 - 11 UF 144/99 -; vgl. ferner § 621 Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 621e Abs. 1 ZPO sowie Baumbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60. Aufl. 2002, § 629d Rn. 3). Die Rechtmäßigkeit dieser Regelung, insbesondere ihre Vereinbarkeit mit Art. 6 GG, Art. 8 EMRK und den Bestimmungen der UN-Kinderrechtskonvention ist im vorliegenden Verwaltungsstreitverfahren nicht mehr zu prüfen. Steht damit fest, dass der Kläger weder tatsächlich Umgang mit seiner Tochter hatte noch berechtigt war, Umgang mit ihr zu pflegen, so kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen der Beklagten für ihn im Hinblick auf die Beziehung zu seiner Tochter zu einer außergewöhnlichen Härte i.S.d. § 23 Abs. 3 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG a.F. geführt hätten.

Ebenso wenig hätte es die drohende Entwertung von Integrationsleistungen des Klägers gerechtfertigt, ihm nach § 23 Abs. 3 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG a.F. ein eigenständiges Aufenthaltsrecht zuzubilligen:

Der mit einer Aufenthaltsbeendigung notwendig verbundene Verlust des (damaligen) Arbeitsplatzes des Klägers hätte sich für ihn zwar wohl als nicht unerhebliche Härte erwiesen. Diese wäre jedoch nicht als so außergewöhnlich einzustufen gewesen, dass es dem Kläger mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht hätte zugemutet werden können, in seinem Heimatland eine neue berufliche Existenz aufzubauen. Insbesondere lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger im hier interessierenden Zeitraum eine herausgehobene berufliche Position inne gehabt hat, die er sich mit besonderem persönlichem Einsatz hatte erarbeiten müssen. Ebenso wenig hatte er sich mit erheblichem Aufwand spezielle Fähigkeiten und Kenntnisse aneignen müssen, die ihm im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland vermutlich von keinem greifbaren Nutzen wären.

Auch in sonstiger Hinsicht lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger Integrationsleistungen erbracht hat, deren Entwertung durch eine Beendigung seines Aufenthalts im Bundesgebiet für ihn zu einer außergewöhnlichen Härte geführt hätte.

Da der Kläger in den vergangenen fünf Jahren weder ununterbrochen eine Aufenthaltserlaubnis besessen noch ununterbrochen einen Anspruch auf eine solche Erlaubnis gehabt hat, liegen bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nicht vor. Die Frage, ob der Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis auch Versagungsgründe nach §§ 7 oder 8 AuslG entgegen stünden, kann daher offen bleiben.

2. Der Kläger hat bei Zugrundelegung der im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gegebenen Sach- und Rechtslage auch keinen Anspruch auf eine befristete Aufenthaltserlaubnis. Als Grundlage eines solchen Anspruchs käme erneut nur § 23 Abs. 3 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG in Betracht. Hierbei kann entgegen der vorläufigen Einschätzung des Senats im Berufungszulassungsbeschluss vom 13. November 2001 - 10 S 1671/01 - offen bleiben, ob § 19 Abs. 1 AuslG in der Fassung des Gesetzes vom 25. Mai 2000 (BGBl. I S. 742) oder in derjenigen des Gesetzes vom 29. Oktober 1997 (BGBl. I S. 2584) zur Anwendung käme. Denn dem Kläger steht weder nach der aktuellen noch nach der früheren Fassung dieser Vorschrift ein eigenständiges Aufenthaltsrecht zu.

a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 3 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG in der Fassung des Gesetzes vom 25. Mai 2000. Denn es ist nicht zur Vermeidung einer "besonderen Härte" erforderlich, ihm den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen (zu den Voraussetzungen für die Annahme einer "besonderen Härte" i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG aktueller Fassung vgl. bereits das Urt. des Senats v. 5. August 2002 - 10 S 2388/01 -).

Nach § 19 Abs. 1 Satz 2 AuslG liegt eine besondere Härte insbesondere dann vor, wenn dem Ehegatten wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht. Zu den schutzwürdigen Belangen in diesem Sinne zählt auch das Wohl eines mit dem ausländischen Ehegatten in familiärer Lebensgemeinschaft lebenden Kindes. Eine derartige familiäre Lebensgemeinschaft besteht zwischen dem Kläger und seinem Kind seit mehr als sechs Jahren nicht mehr. Auch unter anderen Gesichtspunkten wäre eine besondere Härte im Sinne von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 AuslG nicht gegeben. Nach der amtlichen Begründung des Entwurfs zum Gesetz vom 25. Mai 2000 (BT-Drs. 14/2368, S. 4) soll eine derartige Härte insbesondere dann vorliegen, wenn dem Ehegatten im Herkunftsland etwa auf Grund gesellschaftlicher Diskriminierungen die Führung eines eigenständigen Lebens nicht möglich wäre, wenn dem Ehegatten dort eine Zwangsabtreibung droht, wenn das Wohl eines in der Ehe lebenden Kindes, etwa wegen einer Behinderung oder wegen der Umstände im Herkunftsland, einen weiteren Aufenthalt in Deutschland erfordert und schließlich, wenn die Gefahr besteht, dass dem Ehegatten im Ausland der Kontakt zu dem Kind oder den Kindern willkürlich untersagt wird. Auch eine dieser Fallgestaltungen liegt hier nicht vor. Der Kläger gehört ferner nicht zu einer der Personengruppen, deren Schutz maßgeblich mit der Gesetzesänderung angestrebt worden ist. Hierbei handelt es sich insbesondere um Mütter, die durch die Gefahr des Verlustes ihres Aufenthaltsrechts davon abgehalten werden könnten, sich aus für sie unzumutbaren ehelichen Lebensverhältnissen zu lösen.

Ein Anspruch des Klägers kommt ferner nicht deshalb in Betracht, weil er sich etwa in einer vergleichbar schwierigen Lage befände wie Personen, die in § 19 Abs. 1 Satz 2 AuslG unmittelbar angesprochen werden. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ergibt sich eine derartige Vergleichbarkeit nicht daraus, dass es für den Kläger mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein dürfte, im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland sein gesetzliches Umgangsrecht in Bezug auf seine Tochter auszuüben. Der Senat hält es zwar für grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass einem Ausländer im Hinblick auf ein ihm zustehendes Umgangsrecht für ein in Deutschland lebendes Kind ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG zustehen kann. Dies wird jedoch nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen, nämlich dann, wenn es dem betroffenen Ausländer ohne Zubilligung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts nicht möglich wäre, hinreichend Umgang mit seinem Kind zu pflegen. Hierbei geht der Senat mit Blick auf § 23 Abs. 1 AuslG, das systematische Zusammenspiel dieser Vorschrift mit § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG und die verfassungsrechtlichen Wertvorgaben aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG davon aus, dass es einem Ausländer, der nicht in familiärer Lebensgemeinschaft mit seinem in Deutschland wohnhaften minderjährigen Kind lebt, in der Regel möglich und auch zumutbar ist, ein ihm für das Kind zustehendes Umgangsrecht vom Ausland aus auszuüben. Denn auch bei einer Rückkehr in seine Heimat bleibt es einem Ausländer im Regelfall möglich, die Begegnungsgemeinschaft mit seinem Kind durch Wahrnehmung von Wiedereinreise- und Besuchsmöglichkeiten aufrecht zu erhalten und zudem einen Brief- und Telefonkontakt zu pflegen. Er kann insbesondere auf eine Umgangsrechtsregelung hinwirken, die dem Umstand Rechnung trägt, dass er sich nur in bestimmten Zeitblöcken zu Besuchszwecken im Bundesgebiet aufhalten darf. In Betracht kommt hier etwa eine Umgangsrechtsregelung, die es ihm ermöglicht, vor allem während der Dauer seiner Besuchsaufenthalte häufig und ggf. auch über längere Zeitspannen persönlichen Kontakt mit seinem Kind zu pflegen.

Der Härteklausel des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG kann in Fällen dieser Art nur eine Auffangfunktion zukommen. Sie greift nur dann ein, wenn dem verfassungsrechtlichen Schutz des elterlichen Umgangsrechts aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG allein durch Anwendung der Bestimmungen über abgeleitete Aufenthaltsrechte von Ausländern (insbes. §§ 17 und 23 AuslG) nicht hinreichend Rechnung getragen werden kann. Dies wird anzunehmen sein, wenn zwischen dem betroffenen Ausländer und seinem Kind zwar keine familiäre Lebensgemeinschaft gegeben ist, jedoch Lebensverhältnisse bestehen, die einen über die Aufrechterhaltung einer Begegnungsgemeinschaft hinausgehenden familienrechtlichen Schutz angezeigt erscheinen lassen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30. Januar 2002, InfAuslR 2002, 171 m.w.N.), oder wenn besondere Umstände vorliegen, die begründeten Anlass zu der Befürchtung geben, dass es dem Ausländer von seinem Heimatland aus nicht möglich sein wird, den Umgang mit seinem Kind zu pflegen. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, besteht von Verfassungs wegen keine Verpflichtung, dem betroffenen Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Eine solche Verpflichtung ergibt sich auch weder aus Art. 8 EMRK noch aus Art. 16 der UN-Kinderrechtskonvention; denn diese Bestimmungen vermitteln dem betroffenen Ausländer und seinem Kind keine weiter reichenden subjektiv-öffentlichen Rechte als Art. 6 Abs. 1 und 2 GG.

Eine über die Aufrechterhaltung einer Begegnungsgemeinschaft hinausgehende Gewährleistung des elterlichen Umgangsrechts wird insbesondere dann angezeigt sein, wenn ein in Deutschland wohnhaftes Kind auf die dauernde Anwesenheit eines nicht sorgeberechtigten Elternteils in seiner unmittelbaren Nähe angewiesen ist (vgl. BVerfG, a.a.O.). In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob eine Hausgemeinschaft des Kindes mit diesem Elternteil vorliegt. Ebenso unerheblich ist, ob die Betreuung auch von anderen Personen - etwa dem anderen Elternteil - erbracht werden kann. Ob das Kind auf die regelmäßige unmittelbare Nähe zu einem Elternteil angewiesen ist, ist vielmehr mit Blick auf die tatsächlich bestehenden Lebensverhältnisse, insbesondere die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern zu klären (vgl. BVerfG, a.a.O.).

Im vorliegenden Fall ist nicht festzustellen, dass zwischen dem Kläger und seiner Tochter eine beidseitige tatsächliche Verbundenheit in Gestalt einer emotionalen Nähebeziehung besteht. Der letzte persönliche Kontakt des Klägers zu seiner heute sechsjährigen Tochter fand zu einer Zeit statt, als sie ein vier Monate alter Säugling war. Die Umstände der Trennung der Frau R. vom Kläger und ihr späteres Verhalten geben keinen Anlass zu der Annahme, dass der Tochter des Klägers in den vergangenen Jahren die Möglichkeit gegeben war, Näheres über den Kläger zu erfahren und eine positive emotionale Beziehung zu ihm aufzubauen. Im Gegenteil spricht manches dafür, dass das Bild, das sich die Tochter des Klägers von ihrem Vater macht, maßgeblich durch die Angst geprägt ist, die Frau R. vor ihm empfindet. Bei dieser Ausgangslage wäre aller Voraussicht nach selbst dann, wenn es dem Kläger gelänge, Kontakt mit seiner Tochter aufzunehmen und sein Umgangsrecht auszuüben, kaum damit zu rechnen, dass sich zwischen beiden in absehbarer Zeit eine Verbundenheit entwickeln würde, die es von Verfassungs wegen gebietet, ihm einen dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen.

Sonstige Umstände, die es angezeigt erscheinen lassen, der familiären Beziehung des Klägers zu seiner Tochter einen Schutz angedeihen zu lassen, der über die Ermöglichung einer Begegnungsgemeinschaft hinausgeht, liegen nicht vor.

Des Weiteren lässt sich nicht feststellen, dass es dem Kläger tatsächlich nicht möglich wäre, von seinem Heimatland aus Umgang mit seiner Tochter zu pflegen:

So geht der Senat nicht davon aus, dass mit der Rückkehr des Klägers in sein Heimatland zwangsläufig seine Aussichten zunichte gemacht würden, mit seiner Tochter in Kontakt zu treten und ggf. einen solchen Kontakt auch zu pflegen.

Dem Kläger steht es frei, sich der Hilfe in Deutschland wohnhafter Dritter zu bedienen, um einen Kontakt mit Frau R. herzustellen und erforderlichenfalls eine familiengerichtliche Regelung seines Umgangsrechts für seine Tochter herbeizuführen. Besondere Umstände, aus denen sich ergibt, dass hierzu seine andauernde persönliche Anwesenheit im Bundesgebiet erforderlich ist, sind weder vom Kläger dargelegt worden noch sonst ersichtlich.

Sollten die Beauftragten des Klägers in der Lage sein, einen Kontakt zu Frau R. herzustellen und für ihn sodann ein familiengerichtliches Verfahren zur Umgangsrechtsregelung zu betreiben, bestünde nach den Bekundungen der Beklagten-Vertreter in der Berufungsverhandlung seitens der Beklagten auch grundsätzlich die Bereitschaft, ihm die Wiedereinreise und vorübergehende Aufenthalte zum Zweck der Wahrnehmung von Gerichtsterminen und für Besuche seiner Tochter zu ermöglichen. Dass die hierzu durch das Ausländerrecht eröffneten behördlichen Spielräume genutzt werden, wird zudem durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG gesichert.

Konkrete Anhaltspunkte, die darauf schließen lassen, dass es dem Kläger im Falle einer Rückkehr in den Libanon auf Grund der dortigen Verhältnisse nicht möglich wäre, sein Heimatland zum Zweck der Ausübung ihm zustehender Besuchsrechte vorübergehend zu verlassen, vermag der Senat nicht festzustellen. Solche Umstände sind vom Kläger auch nicht geltend gemacht worden. Ebenso wenig ist davon auszugehen, dass es dem Kläger auf Grund der Verhältnisse im Libanon nicht möglich wäre, telephonisch oder postalisch Kontakt zu seiner Tochter zu halten.

Sonstige Umstände, aus denen geschlossen werden könnte, dass die Rückkehr des Klägers in sein Heimatland für ihn zu einer besonderen Härte i.S.d. § 23 Abs. 3 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG führen würde, liegen ebenfalls nicht vor. Dies gilt auch für den Gesichtspunkt einer möglichen Entwertung von Integrationsleistungen des Klägers. Denn es ist nicht ersichtlich (und vom Kläger auch nicht dargelegt worden), dass er zwischenzeitlich Integrationsleistungen erbracht hat, deren Entwertung ihn wesentlich härter träfe als andere Ausländer, die das Bundesgebiet nach kurzem Aufenthalt wieder verlassen müssen. Im Gegenteil deuten die Umstände eher darauf hin, dass der Kläger in seinem Bemühen, sich in die hiesige Gesellschaft einzugliedern, in jüngerer Vergangenheit Rückschläge erlitten hat. Denn er hat seinen langjährigen Arbeitsplatz in einem Waschstraßenbetrieb verloren. Ein auf Dauer angelegtes neues Beschäftigungsverhältnis, das es ihm ermöglicht, seinen eigenen notwendigen Lebensunterhalt und denjenigen seiner Tochter zu decken, ist nach dem Ergebnis der Berufungsverhandlung bis heute nicht begründet worden.

b) Dem Kläger steht auch bei Zugrundelegung von § 23 Abs. 3 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG in der Fassung des Gesetzes vom 29. Oktober 1997 (BGBl. I S. 2584) kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu. Es ist nicht zur Vermeidung einer "außerordentlichen Härte" erforderlich, ihm den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Zur weiteren Begründung kann auf die vorstehenden Ausführungen (a)) verwiesen werden. Denn es sind keine Fallgestaltungen denkbar, in denen einem Ausländer bei Zugrundelegung der bis zum 31. Mai 2000 geltenden Fassung von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG ein Aufenthaltsrecht zusteht, ihm aber nach der derzeit geltenden Fassung dieser Vorschrift ein solches Recht nicht mehr zugebilligt ist. Mit der Neufassung der Härteklausel des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG durch das Gesetz vom 25. Mai 2000 (BGBl. I S. 742) verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, Auslegungsschwierigkeiten zu beseitigen, die sich daraus ergeben hatten, dass mit Inkrafttreten des Gesetzes vom 29. Oktober 1997 der bis dahin in § 19 Abs. 1 AuslG verwendete Begriff der besonderen Härte durch denjenigen der außerordentlichen Härte ersetzt worden war. Mit der erneuten Änderung von § 19 Abs. 1 AuslG durch das Gesetz vom 25. Mai 2000 ist der Gesetzgeber zur ursprünglichen Begrifflichkeit der Härteklausel zurückgekehrt. Hierdurch sollte klargestellt werden, dass die Härteregelung nicht nur dann eingreift, wenn nach Auflösung einer ehelichen Lebensgemeinschaft aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen den ausländischen Ehegatten eines deutschen Staatsangehörigen oder eines mit dauerhaft gesichertem Aufenthaltsstatus in Deutschland lebenden Ausländers schlichtweg unvertretbar wären, sondern bereits dann, wenn der betroffene Ausländer durch die Rückkehr in sein Herkunftsland ungleich härter getroffen würde als andere Ausländer, die nach kurzen Aufenthaltszeiten Deutschland verlassen müssen (vgl. auch hierzu BT-Drs. 14/2368, S. 4, und Laubach, a.a.O.). Eine Verschärfung der Anforderungen für die Einräumung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG ist danach mit der Neufassung dieser Vorschrift durch Gesetz vom 25. Mai 2000 nicht herbeigeführt worden.

c) Damit kann auch im vorliegenden Zusammenhang offen bleiben, ob der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für den Kläger Versagungsgründe nach §§ 7 oder 8 AuslG entgegenstünden.

3. Der vom Kläger hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf (nachträgliche rückwirkende) Verlängerung seiner zum 16. April 1999 abgelaufenen befristeten Aufenthaltserlaubnis ist ebenfalls nicht gegeben. Zwischen dem Kläger und seiner Tochter bestand bereits damals keine familiäre Lebensgemeinschaft mehr. Eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 13 Abs. 1 und § 23 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 17 Abs. 1 AuslG kommt daher nicht in Betracht. Dasselbe gilt für eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 13 Abs. 1 und § 23 Abs. 3 i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG (sei es in der Fassung dieser Vorschrift durch Gesetz vom 29. Oktober 1997, sei es in derjenigen des Gesetzes vom 29. Oktober 1997). Denn für die Anwendung dieser Härteregelung mit dem Ziel einer nachträglichen rückwirkenden Verlängerung einer bereits abgelaufenen Aufenthaltserlaubnis besteht jedenfalls dann kein Raum, wenn im hier maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung die Voraussetzungen für die Einräumung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG nicht (mehr) vorliegen. Dies ist aber - wie oben gezeigt - hier der Fall.

4. Schließlich ist der Klage auch nicht insoweit stattzugeben, als der Kläger die im Bescheid der Beklagten vom 16. Juni 2000 verfügte Abschiebungsandrohung anficht. Denn jedenfalls im hier maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 29. Januar 2001) lagen die Voraussetzungen für den Erlass der Abschiebungsandrohung vor (vgl. § 50 i.V.m. § 49 Abs. 1 und § 42 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 72 Abs. 1 AuslG). Hinsichtlich ihrer inhaltlichen Ausgestaltung und der Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit unterliegt die Verfügung keinen Bedenken. Auch Abschiebungshindernisse, die von der Beklagten und der Widerspruchsbehörde zu berücksichtigen gewesen wären, vermag der Senat nicht festzustellen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt. Dies gilt auch für den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Denn - entgegen der vorläufigen Einschätzung des Senats im Berufungszulassungsbeschluss vom 13. November 2001 (10 S 1671/01) - bedarf die vom Senat als grundsätzlich bedeutsam angesehene Frage, ob § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG in der Fassung des Gesetzes vom 25. Mai 2000 auch auf Fälle Anwendung finden kann, bei denen die eheliche Lebensgemeinschaft zwischen dem ein eigenständiges Aufenthaltsrecht geltend machenden Ausländer und seinem (früheren) Ehegatten bereits vor Inkrafttreten dieses Gesetzes beendet worden ist, im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Hierauf ist bereits in der Berufungsverhandlung hingewiesen worden. Auch in sonstiger Hinsicht werden im vorliegenden Fall keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen, die einer (weiteren) höchstrichterlichen Klärung bedürfen.

Beschluss

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird nach § 25 Abs. 2, § 14 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 2 und § 19 Abs. 1 Satz 2 und 3 GKG auf 4.000 EUR festgesetzt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 25 Abs. 3 S. 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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