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Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 19.02.2007
Aktenzeichen: 10 S 3032/06
Rechtsgebiete: StVG, FeV
Vorschriften:
StVG § 3 Abs. 3 Satz 1 | |
FeV Anl. 4 Nr. 9.1 |
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss
In der Verwaltungsrechtssache
wegen Entziehung der Fahrerlaubnis
hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO
hat der 10. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg am 19. Februar 2007
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 24. November 2006 - 5 K 1398/06 - geändert. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen Ziff. 1 der Anordnung der Antragsgegnerin vom 22.03 2006 wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.
Gründe:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig und begründet.
Aus den in der Beschwerdebegründung genannten Gründen, auf deren Prüfung das Beschwerdegericht nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, ergibt sich, dass das öffentliche Interesse am Vollzug der Entziehungsverfügung der Antragsgegnerin vor einem endgültigen Urteil über deren Rechtmäßigkeit das Interesse des Antragstellers überwiegt, von diesem Vollzug einstweilen verschont zu bleiben. Dies ergibt sich daraus, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragstellers durch die angegriffene Verfügung der Antragsgegnerin nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage rechtmäßig ist. Ist ein Fahrerlaubnisinhaber fahrungeeignet, so überwiegt wegen der von seiner weiteren Verkehrsteilnahme ausgehenden Gefahren für hochrangige Rechtsgüter anderer Verkehrsteilnehmer das öffentliche Vollzugsinteresse.
Am 15.12.2005 und am 05.03.2006 wurde der Antragsteller einer Verkehrskontrolle unterzogen. In beiden anlässlich der Verkehrskontrollen entnommenen Blutproben wurde der Kokain-Metabolit Benzoylecgonin festgestellt (73 und 343 ng/ml). Wie sich aus den ärztlichen Gutachten vom 03.02. und vom 12.03.2006 ergibt, ist hierdurch jeweils belegt, dass der Antragsteller Kokain konsumiert hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats führt bereits der einmalige Konsum eines anderen Betäubungsmittels als Cannabis gemäß § 46 Abs. 1 FeV i.V.m. Nr. 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung unmittelbar zur Entziehung der Fahrerlaubnis (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 07.03.2006 - 10 S 293/06 -). Dies entspricht auch der ganz überwiegenden Praxis der anderen Obergerichte (vgl. z.B. BayVGH, Beschl. v. 14.02.2006 - 11 ZB 05.1406 - juris m.w.Nachw.).
Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts steht auch § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG der Rechtmäßigkeit der Entziehungsverfügung nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift darf die Fahrerlaubnisbehörde, solange gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis ein Strafverfahren anhängig ist, in dem die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB in Betracht kommt, den Sachverhalt, der Gegenstand des Strafverfahrens ist, in einem Entziehungsverfahren nicht berücksichtigen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Entziehungsverfügung ist die Bekanntgabe der letzten Behördenentscheidung (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.06.2005 - 3 C 25.04 -, NJW 2005, 3081 = DAR 2005, 581). Da vorliegend bereits der Widerspruchsbescheid am 26.01.2007 erlassen worden ist, ist auf diesen Zeitpunkt abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt waren die beiden Strafverfahren wegen der Vorfälle vom 15.12.2005 und vom 05.03.2006 aber bereits eingestellt (Einstellungsverfügungen der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 07.03. und vom 10.04.2006).
Selbst wenn auf den früheren Zeitpunkt der Bekanntgabe der angefochtenen Anordnung der Antragsgegnerin abgestellt wird, erweist sich diese mit der Folge als rechtmäßig, dass das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt. Denn zum Zeitpunkt der Zustellung der Anordnung am 24.03.2006 war das Strafverfahren wegen des Vorfalls vom 15.12.2005 von der Staatsanwaltschaft Stuttgart bereits eingestellt. Gegenstand eines Strafverfahrens im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG ist nicht nur die Tat im Sinne des sachlichen Strafrechts, sondern der gesamte Vorgang, auf den sich die Untersuchung erstreckt (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Auf., § 3 StVG, Rn. 17). Sinn des durch § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG zum Ausdruck gebrachten Vorrangs der Strafgerichte vor der Entscheidung der Fahrerlaubnisbehörde ist es, überflüssige und aufwändige Doppelprüfungen zu vermeiden und die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen hinsichtlich der Frage der Fahreignung auszuschließen. Dieser Vorrang gilt jedoch nur für das jeweilige Strafverfahren. Ist eines von mehreren Strafverfahren - wie hier durch eine Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft nach § 170 Abs. 2 StPO - beendet, besteht nach Wortlaut und Zweck des § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG keine Veranlassung mehr, der Fahrerlaubnisbehörde eine Beurteilung der Fahreignung des Betroffenen im Hinblick auf diesen Sachverhalt zu untersagen. § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG schließt lediglich die Berücksichtigung eines bestimmten Sachverhalts aus - hier den Vorfall vom 05.03.2006 -, untersagt der Fahrerlaubnisbehörde aber nicht, den Betroffenen im Hinblick auf andere Umstände, die berücksichtigt werden dürfen, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Danach durfte der Sachverhalt vom 15.12.2005 nach § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG von der Antragsgegnerin berücksichtigt werden. Allein wegen des durch die am 15.12.2005 entnommene Blutprobe nachgewiesenen Konsums von Kokain war dem Antragsteller die Fahrerlaubnis zu entziehen. Dass in der Begründung der Entziehungsverfügung auch der zweite Vorfall vom 05.03.2006 erwähnt wird, führt im Hinblick auf § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG nicht zur Rechtswidrigkeit der Anordnung und zum Erfolg der Anfechtungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Denn die Regelung der Anordnung der Antragsgegnerin vom 22.03.2006 (Ziff. 1) lässt sich ausschließlich auf den von der Antragsgegnerin zu berücksichtigenden Sachverhalt vom 15.12.2005 stützen; ein etwaiger Begründungsmangel ist im Hinblick auf den Charakter der Maßnahme als gebundene Entscheidung beachtlich.
Die Kostenentscheidung ergibt sich § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren findet ihre Grundlage in § 63 Abs. 2, § 47 sowie § 53 Abs. 3 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 und Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwatungsgerichtsbarkeit vom Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327). Nach § 52 Abs. 2 GKG beträgt der Regelstreitwert, der der Berechnung nach dem Streitwertkatalog zugrunde zu legen ist, 5.000,- EUR. Dieser Betrag ist entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Senats für das vorliegende vorläufige Rechtsschutzverfahren zu halbieren.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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