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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 22.06.2004
Aktenzeichen: 10 S 557/04
Rechtsgebiete: LVwVfG, MOG, VwVfG, Rinder- und Schafprämien-Verordnung (1995), Viehverkehrsverordnung (1995), EWGVO Nr. 3887/92, EGVO Nr. 1678/98


Vorschriften:

LVwVfG § 47 Abs. 1
MOG § 10 Abs. 1 Satz 1
VwVfG § 48 Abs. 2
Rinder- und Schafprämien-Verordnung (1995) § 4
Viehverkehrsverordnung (1995) § 19b Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b
EWGVO Nr. 3887/92 Art. 14 Abs. 1
EWGVO Nr. 3887/92 Art. 14 Abs. 4 Abs. 1
EWGVO Nr. 3887/92 Art. 14 Abs. 5
EGVO Nr. 1678/98 Art. 1 Nr. 7
Bei der Aufhebung von rechtswidrigen begünstigenden Bescheiden im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG beurteilt sich die Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Begünstigten in den Bestand des Bewilligungsbescheids ausschließlich nach Art. 14 Abs. 4 und 5 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92. § 10 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. MOG i.V.m. § 48 Abs. 2 VwVfG sind wegen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts - ohne Weiteres - unanwendbar.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

10 S 557/04

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Rückforderung von Mutterkuhprämien und Sonderprämien für Rinder

hat der 10. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schlüter und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Rudisile und Dr. Hartung auf die mündliche Verhandlung vom 22. Juni 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 24. April 2003 - 6 K 1174/01 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von landwirtschaftlichen Prämien.

Im Jahre 1997 beantragte der Kläger u.a. für einen am 21.10.1997 geschlachteten Bullen mit der Ohrmarkennummer DE 08 90406103 die Gewährung einer Sonderprämie nach der Rinder- und Schafprämien-Verordnung. Mit Zuwendungsbescheid vom 08.01.1998 bewilligte das Amt für Landwirtschaft, Landschafts- und Bodenkultur (ALLB) Stockach dem Kläger eine Vorschuss-Zahlung auf die Gewährung einer Sonderprämie in Höhe von 285,07 DM. In der Begründung des Bescheids wies die Behörde darauf hin, dass, sofern sich bei weiteren Verwaltungskontrollen oder Kontrollen vor Ort Veränderungen oder Kürzungen ergäben, diese im Abschlussbescheid berücksichtigt würden. Insofern stehe der Bescheid unter Widerrufsvorbehalt. Mit Zuwendungsbescheid vom 19.05.1998 wurde dem Kläger eine Schlusszahlung in Höhe von insgesamt 757,39 DM (Sonderprämie und Saisonentzerrungsprämie nach der Rinder- und Schafprämien-Verordnung) bewilligt. Auch diese Bewilligung stand für den Fall unter Widerrufsvorbehalt, dass sich bei weiteren Kontrollen Veränderungen oder Kürzungen ergeben sollten; diese würden im Abschlussbescheid berücksichtigt. Mit Änderungs- und Rückforderungsbescheid vom 07.12.1999 widerrief das ALLB Stockach den Bescheid vom 19.05.1998 über die Sonderprämie männliche Rinder, setzte die Sonderprämie männliche Rinder auf 677,88 DM neu fest und forderte vom Kläger einen Betrag in Höhe von 364,58 DM zuzüglich eines Zinsbetrags von 30,99 DM (insgesamt 395,57 DM) zurück. Zur Begründung wies die Behörde darauf hin, der Bescheid über die Vorschusszahlung habe unter Widerrufsvorbehalt gestanden, und der Widerruf erfolge aufgrund von § 49 Abs. 2 Nr. 1 LVwVfG. Beim bundesweiten Ohrmarkenabgleich aller beantragten Tiere sei festgestellt worden, dass der Kläger mit der Ohrmarke 08 9040 6103 sowohl ein männliches Rind als auch eine Mutterkuh gekennzeichnet habe. Diese Doppelkennzeichnung entspreche nicht der Viehverkehrsverordnung. Dementsprechend sei das männliche Rind nicht ausgleichsberechtigt und der Kläger müsse den schon erhaltenen Betrag von 364,58 DM zuzüglich der Zinsen zurückzahlen.

Mit Zuwendungsbescheid vom 11.01.1999 wurde dem Kläger für das Antragsjahr 1998 unter Widerrufsvorbehalt eine Vorschusszahlung auf die Gewährung einer Sonderprämie männliche Rinder in Höhe von 421,12 DM bewilligt. Mit Zuwendungsbescheid vom 17.05.1999 erhielt der Kläger für das Antragsjahr 1998 unter Widerrufsvorbehalt eine Schlusszahlung in Höhe von 1.245,83 DM. Mit Änderungs- und Rückforderungsbescheid vom 03.12.1999 widerrief das ALLB Stockach unter Hinweis auf den dem Bescheid über die Vorschusszahlung beigefügten Widerrufsvorbehalt und § 49 Abs. 2 Nr. 1 LVwVfG den Bescheid vom 17.05.1999 über eine Sonderprämie männliche Rinder, setzte die Prämie auf 1.333,56 DM neu fest und forderte vom Kläger den zuviel gezahlten Betrag in Höhe von 333,39 DM zuzüglich eines Zinsbetrags in Höhe von 10,08 DM (insgesamt 343,47 DM) zurück. Zur Begründung wies die Behörde darauf hin, dass ebenso wie für das Antragsjahr 1997 auch im Jahre 1998 beim bundesweiten Ohrmarkenabgleich festgestellt worden sei, dass der Kläger für die Ohrmarke DE 08 9040 6102 sowohl Bullen- als auch Mutterkuhprämie beantragt habe. Diese Doppelkennzeichnung entspreche nicht der Viehverkehrsverordnung, so dass die Prämie für das männliche Rind zurückgefordert werde. Den bereits erhaltenen Betrag in Höhe von 333,39 DM müsse der Kläger deshalb zuzüglich der Zinsen zurückzahlen.

Mit Zuwendungsbescheid vom 17.11.1998 erhielt der Kläger vom ALLB Stockach für das Antragsjahr 1998 unter Widerrufsvorbehalt vorschussweise eine Mutterkuhprämie in Höhe von 1.107,40 DM. Mit weiterem Bescheid vom 17.05.1999 wurde dem Kläger vom ALLB Stockach für das Antragsjahr 1998 - ohne Widerrufsvorbehalt - eine Mutterkuhprämie in Höhe von 620,78 DM bewilligt. Mit Änderungs- und Rückforderungsbescheid vom 01.12.1999 widerrief das ALLB Stockach den Bescheid vom 17.05.1999 über Mutterkuhprämie 1998, setzte die Mutterkuhprämie 1998 auf 0,00 DM neu fest und forderte vom Kläger einen Betrag in Höhe von 1.728,18 DM zuzüglich eines Zinsbetrags von 82,20 DM (insgesamt 1.810,38 DM) zurück. Zur Begründung wies die Behörde darauf hin, der Bescheid über die Vorschusszahlung habe unter Widerrufsvorbehalt gestanden und die Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 Nr. 1 LVwVfG seien gegeben. Beim bundesweiten Ohrmarkenabgleich sei festgestellt worden, dass der Kläger für sämtliche beantragten Mutterkühe Ohrmarken verwendet habe, die schon zur Kennzeichnung seines Bullenbestandes herangezogen worden seien. Somit seien die Mutterkühe nicht ordnungsgemäß gekennzeichnet, so dass diese Tiere nicht prämienfähig seien.

Am 11.05.1999 beantragte der Kläger für fünf Mutterkühe eine Mutterkuhprämie. Wegen eines bundesweiten Ohrmarkenabgleichs wurde dem ALLB Stockach am 01.06.1999 bekannt, dass der Kläger für Tiere mit denselben Ohrmarkennummern sowohl eine Sonderprämie für männliche Rinder als auch Mutterkuhprämie beantragt habe. Am 14.06.1999 legte der Kläger dem ALLB Stockach für seine Mutterkühe ein neues Bestandsverzeichnis mit neuen Ohrmarkennummern vor. Bei einer Vor-Ort-Kontrolle am 06.10.1999 stellte ein Prüfer des ALLB Stockach fest, dass sämtliche Mutterkühe bei der Neukennzeichnung verwechselt und falsch gekennzeichnet worden seien, so dass die Geburtsdaten im neuen Bestandsverzeichnis mit den Daten des alten Registers nicht übereinstimmten. Mit Zuwendungsbescheid vom 24.11.1999 bewilligte das ALLB Stockach dem Kläger für das Antragsjahr 1999 als Vorschuss unter Widerrufsvorbehalt eine Mutterkuhprämie in Höhe von 833,20 DM. Mit Rücknahme- und Rückforderungsbescheid vom 17.12.1999 widerrief das ALLB Stockach den Zuwendungsbescheid vom 24.11.1999, setzte die Mutterkuhprämie auf 0,00 DM neu fest und forderte vom Kläger einen Betrag von 833,20 DM zurück. Zur Begründung wies die Behörde darauf hin, dass der Zuwendungsbescheid vom 24.11.1999 rechtswidrig zustande gekommen sei. Der Kläger habe für Tiere mit denselben Ohrmarken sowohl einen Antrag auf Gewährung der Sonderprämie für männliche Rinder als auch Mutterkuhprämie beantragt. Eine Vorortkontrolle des Viehbestandes des Klägers habe ergeben, dass sämtliche Ohrmarkennummern, die der Kläger in seinem Mutterkuhantrag aufgeführt habe, sowohl einem männlichen Rind als auch einer Mutterkuh eingezogen gewesen seien. Die männlichen Rinder seien zu diesem Zeitpunkt bereits Gegenstand eines Antrags auf Sonderprämie für männliche Rinder gewesen. Dementsprechend seien die Mutterkühe des Klägers zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht ordnungsgemäß nach der Viehverkehrsverordnung gekennzeichnet gewesen. Hierzu gehöre auch, dass eine Ohrmarke nur einem Tier eingezogen werden dürfe, damit es zu jeder Zeit eindeutig identifizierbar sei. Die erneute Vorlage eines Bestandsregisters am 14.06.1999 mit neuen Ohrmarken für die Mutterkühe ändere an dieser Feststellung nichts, weil tatsächlich zum Zeitpunkt der Antragstellung die Mutterkühe nicht ordnungsgemäß gekennzeichnet gewesen seien.

Gegen die vier Bescheide erhob der Kläger mit der Begründung Widerspruch, sämtliche Mutterkühe, für die eine Prämie beantragt worden sei, seien noch vorhanden. Die neuen Ohrmarken habe er über das Veterinäramt bezogen. Da er am Mutterkuhbestand bisher keinerlei Veränderung vorgenommen habe, sei nicht nachzuvollziehen, aus welchem Grund die Mutterkuhprämie von ihm zurückgefordert werde. Auch die Kennzeichnung der Bullen habe er ordnungsgemäß durchgeführt. Der von ihm verkaufte Bulle habe bei der Geburt die Nummer erhalten, die er bis zum Tag des Verkaufs behalten habe. Das vorhandene Bestandsregister zeige, dass die Tiere, die mit den Ohrmarken versorgt worden seien, in den jeweiligen Bestandsregistern genau aufgeführt gewesen seien. Im Oktober 1999 sei ein Vertreter des Regierungspräsidiums bei ihm auf dem Hof gewesen und habe ihm nach der Kontrolle bestätigt, dass alles in Ordnung sei. Damit habe er davon ausgehen können, dass die ihm zustehenden Prämien in vollem Umfang ausbezahlt werden.

Das Regierungspräsidium Freiburg wies die Widersprüche des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 13.06.2001 zurück und führte zur Begründung aus: Die für die Kennzeichnung maßgeblichen Vorschriften sähen vor, dass Rinder mit einer nur einmal verwendbaren Ohrmarke gekennzeichnet sein müssten. Gegen diese Kennzeichnungsvorschriften habe der Kläger verstoßen. Im Rahmen eines automatisierten Ohrmarkenabgleichs im Juni 1999 sei festgestellt worden, dass einige der vom Kläger genannten Ohrmarkennummern sowohl im Sonderprämien- als auch im Mutterkuhprämienantrag enthalten gewesen seien. Die daraufhin durchgeführte Kontrolle des Viehbestandes des Klägers habe ergeben, dass der Kläger die im Mutterkuhprämienantrag aufgeführten Ohrmarkennummern auch zur Kennzeichnung im Bullenbestand verwendet habe. Nach den maßgeblichen Bestimmungen über die Bewilligung von Prämien könnten die im Betrieb vorhandenen Rinder bei der Prämiengewährung nur berücksichtigt werden, wenn es sich um die im Beihilfeantrag identifizierten Tiere handele. Da es aber zu jeder Identifizierungsnummer im Betrieb des Klägers jeweils ein männliches und ein weibliches Tier gebe, sei eine eindeutige Zuordnung der vorgefundenen Ohrmarkennummern zu den in den Anträgen aufgeführten Tieren nicht möglich. Art. 14 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 regele die Rückforderung einschließlich des Vertrauensschutzes und stelle eine Fortentwicklung des Gemeinschaftsrechts dar, die insoweit den Rückgriff auf § 48 Abs. 2 bis 4 LVwVfG ausschließe. Die Verpflichtung zur einmaligen und unverwechselbaren Kennzeichnung jedes Rindes habe der Kläger den Erläuterungen zum Antrag auf Sonderprämie 1997 und Sonderprämie 1998 entnehmen können. Auch die Merkblätter für die Mutterkuhprämie 1998 bzw. 1999 hätten entsprechende Hinweise zur ordnungsgemäßen Kennzeichnung der Tiere enthalten. Es reiche gerade nicht aus, wenn die in den Prämienanträgen aufgeführten Tiere im Betrieb tatsächlich vorhanden seien. Denn sämtliche Tiere müssten darüber hinaus gemäß der Viehverkehrsverordnung individuell gekennzeichnet sein. Eine nachträgliche und prämienunschädliche Richtigstellung der unzulässigen Kennzeichnung könne nicht erfolgen, weil die Kennzeichnungsmängel durch Kontrollen der Landwirtschaftsverwaltung aufgedeckt worden seien. Entgegen der Darstellung des Klägers habe der Kontrolleur im Rahmen der Vorortkontrolle am 06.10.1999 Beanstandungen sowohl im Bereich Sonderprämie männliche Rinder als auch im Bereich Mutterkuhprämie getroffen. Der Widerspruchsbescheid wurde am 21.06.2001 an den Kläger abgesandt.

Am 20.07.2001 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung ergänzend vorgetragen: Weil er noch Plastikohrmarken für Bullen übrig gehabt habe, als auch die Kennzeichnungspflicht für Kühe eingeführt worden sei, habe er sich bei einer Mitarbeiterin des ALLB Stockach erkundigt, ob er die Ohrenmarken für die Mutterkühe verwenden dürfe. Dies habe die zuständige Sachbearbeiterin bejaht. Auch hätten jährliche Kontrollen durch das Landwirtschaftsamt stattgefunden, ohne dass es zu Beanstandungen gekommen sei. Die in den jeweiligen Bestandsverzeichnissen aufgeführten Mutterkühe und Rinder hätten sich stets in seinem Bestand befunden. Deshalb sei die Prämiengewährung zu Recht erfolgt. Wenn es infolge eines Missverständnisses zu einer Doppelkennzeichnung gekommen sei, so könne dies nicht ihm angelastet werden, da er sich entsprechend der erteilten behördlichen Auskunft verhalten habe.

Mit Urteil vom 24.04.2003 (6 K 1174/01) hat das Verwaltungsgericht Freiburg die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die zugunsten des Klägers festgesetzten Prämien seien in dem Umfang, den die angegriffenen Bescheide bezeichneten, zu Unrecht gewährt worden. Die für die Prämienbewilligung maßgeblichen Vorschriften verlangten, dass die Tiere durch die Ohrmarke eindeutig identifizierbar seien. Dies setze voraus, dass jede Ohrmarkennummer nur einmal vergeben werde. Die Rechtmäßigkeit der Rückforderungsbescheide hänge auch nicht davon ab, ob dem Kläger die Prämien zugestanden hätten, wenn er die Tiere ordnungsgemäß, d.h. mit verschiedenen Ohrmarkennummern gekennzeichnet hätte. Maßgeblich sei allein, dass die Prämien nicht hätten gewährt werden dürfen und damit zurückgefordert werden müssten, weil der Kläger gegen die Kennzeichnungsvorschriften verstoßen habe. Auch lasse sich nicht feststellen, dass die Zahlungen auf einen Irrtum der zuständigen Behörde selbst oder einer anderen Behörde zurückzuführen seien. Die vom Kläger unter Beweis gestellte Erklärung einer Mitarbeiterin des zuständigen Amtes, der Kläger dürfe übrig gebliebene Ohrmarken für Bullen für die Mutterkühe verwenden, beinhalte nicht auch die Aussage, der Kläger dürfe ein und dieselbe Ohrmarkennummer zweimal verwenden. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass die umstrittenen Zahlungen auf einen Irrtum der zuständigen Behörde selbst oder einer anderen Behörde zurückzuführen seien. Der Rücknahme der Bewilligungsbescheide stehe auch § 48 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG nicht entgegen. Wegen des vorrangigen Gemeinschaftsrechts komme die Regel des § 48 Abs. 2 Satz 2 LVwVfG nicht zur Anwendung, das Vertrauensschutzinteresse des Begünstigten habe in aller Regel zurückzutreten.

Das Urteil wurde dem Kläger am 26.05.2003 zugestellt. Am 20.06.2003 hat der Kläger Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, der am 25.07.2003 begründet wurde.

Der Zulassungsbeschluss des Senats ist dem Vertreter des Klägers am 03.03.2004 zugestellt worden. Mit am 01.04.2004 eingegangenem Schriftsatz ist für den Kläger zur Begründung der Berufung das Folgende ausgeführt worden: Die zuständige Sachbearbeiterin des ALLB Stockach habe ihm auf Anfrage bestätigt, dass er die noch vorhandenen Plastikohrmarken für Bullen auch für Mutterkühe verwenden dürfe. Ihm sei nicht bewusst gewesen, dass mit den Ohrenmarken eine individuelle Kennzeichnung der Tiere erfolgen sollte. Für ihn sei denkbar gewesen, dass die vergebenen Nummern betriebsbezogen seien. Bei den regelmäßigen Kontrollen durch Außendienstmitarbeiter der Behörde sei es nicht zu Beanstandungen gekommen. Damit beruhe die fehlerhafte Kennzeichnung auf einem Irrtum der zuständigen Behörde. Denn er habe aus seiner Sicht alles Erforderliche getan, um die bestehenden Vorschriften einzuhalten. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts könne er sich auch auf Vertrauensschutz im Sinne von § 48 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG berufen. Denn diese Bestimmung werde durch Art. 14 Abs. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 nicht verdrängt. Es bestehe ein Ausnahmefall, weil sich die in den jeweiligen Bestandsverzeichnissen aufgeführten Mutterkühe und Rinder immer in seinem Tierbestand befunden hätten, so dass die Prämiengewährung zu Recht erfolgt sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 24. April 2003 (6 K 1174/01) zu ändern und die Bescheide des Amtes für Landwirtschaft, Landschaft- und Bodenkultur Stockach vom 01., 03., 07. und 17.12.1999 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 13.06.2001 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger habe Mutterkühe und männliche Rinder in seinem Bestand unzulässigerweise mit identischen Ohrmarkennummern gekennzeichnet. Tatsächlich habe jedes Tier mit einer nur einmal verwendbaren Ohrmarke gekennzeichnet werden müssen, um eine eindeutige Identifizierung jedes Tieres zu ermöglichen. Dem Kläger sei diese Kennzeichnungsbestimmung bekannt gewesen. Auf die Einführung des neuen bundesweiten Kennzeichnungssystems für Mutterkühe im Jahre 1998 sei in einem Merkblatt, in Rundschreiben des Landesverbandes Baden-Württemberg für Leistungsprüfungen in der Tierzucht e.V. (LKV) an die Rinderhalter und in der landwirtschaftlichen Fachpresse ausdrücklich hingewiesen worden. Dementsprechend hätte der Kläger besondere Sorgfalt walten lassen müssen. Die vom Kläger zweckentfremdeten Zweitohrmarken hätten ausdrücklich nur zur Ergänzung noch vorrätiger, unbenutzter Einzelohrmarken angefordert werden dürfen. Entgegen dem Vorbringen des Klägers seien bei der Vorortkontrolle des ALLB Stockach am 06.10.1999 Beanstandungen getroffen worden. Bei der Kontrolle am 06.10.1999 sei vom Prüfer lediglich der vorgefundene Ist-Zustand protokolliert worden. Der Prüfer habe die männlichen Rinder nicht mehr vorgefunden, weil sich diese zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr im Betrieb des Klägers befunden hätten. Damit habe der Prüfer die doppelte Vergabe von Ohrmarken an jeweils ein männliches und ein weibliches Tier durch den Kläger nicht feststellen und erst recht nicht als korrekten Sachverhalt einstufen können. Der Kläger habe aus den Ergebnissen dieser Kontrolle nicht ableiten können, dass die in seinem Mutterkuhprämienantrag 1999 aufgeführten Ohrmarkennummern korrekt seien. Bei der Kontrolle am 19.11.1998 habe die unzulässige Kennzeichnung von männlichen und weiblichen Tieren mit identischen Ohrmarken nicht festgestellt werden können, weil allein die männlichen Rinder zu überprüfen gewesen seien. Dem ALLB Stockach hätten zu diesem Zeitpunkt noch keine Erkenntnisse über die unzulässige Kennzeichnungspraxis des Klägers vorgelegen. Deshalb könne der Kläger aus diesem Kontrollgeschehen keinerlei Vertrauensschutz für sich ableiten. Von Seiten der Landwirtschaftsverwaltung sei keine falsche Auskunft erteilt worden. Ein Irrtum der zuständigen Behörde hinsichtlich der beanstandeten Kennzeichnung liege nicht vor. Nach Art. 14 Abs. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 sei der Kläger insgesamt zur Rückzahlung der zu Unrecht gewährten Prämien verpflichtet. § 48 Abs. 2 LVwVfG finde im Geltungsbereich des Art. 14 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 keine Anwendung, da das Gemeinschaftsrecht Vorrang vor dem nationalen Recht genieße. Auch der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes sei in der gemeinschaftsrechtlichen Verordnung abschließend geregelt. Von dieser Regelung abweichende Elemente der nationalen Vertrauensschutzregelung seien im Anwendungsbereich der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung nicht zu berücksichtigen. Die Bedingungen für einen Vertrauensschutz seien in der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung abschließend geregelt. Selbst wenn § 48 Abs. 2 LVwVfG Anwendung finde, genieße der Kläger keinen Vertrauensschutz. Dass die fraglichen Tiere jeweils im Bestand des Klägers vorhanden gewesen seien, sei nicht ausreichend. Denn Voraussetzung für die Bewilligung der Prämie sei die ordnungsgemäße Kennzeichnung der Tiere gewesen, die hinsichtlich des Betriebs des Klägers nicht vorgelegen habe.

In der Berufungsverhandlung ist durch Vernehmung von Frau R.-E. als Zeugin Beweis erhoben worden. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Berufungsverhandlung verwiesen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten, auf die Verwaltungsakten des ALLB Stockach, auf die Widerspruchsakte des Regierungspräsidiums Freiburg sowie auf die Akte des Verwaltungsgerichts verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.

Im Ergebnis zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Klage des Klägers abgewiesen. Denn die Klage ist zwar zulässig, aber nicht begründet.

Ziffer 1 und 2 der Bescheide des Amtes für Landwirtschaft, Landschaft- und Bodenkultur (ALLB) Stockach vom 01., 03. und 07.12.1999 sind nach einer Umdeutung rechtmäßig. Im Übrigen sind diese Bescheide - auch ohne Umdeutung - rechtmäßig und verletzen den Kläger ebenso nicht in seinen Rechten wie der rechtmäßige Bescheid des ALLB Stockach vom 17.12.1999 und der rechtmäßige Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 13.06.2001 (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1)

Ziffer 1 und 2 der Ausgangsbescheide des ALLB Stockach vom 01., 03. und 07.12.1999 werden gemäß § 47 Abs. 1 LVwVfG wie folgt umgedeutet:

- Bescheid vom 01.12.1999: ""Die Bescheide vom 17.11.1998 und vom 17.05.1999 über Mutterkuhprämie werden aufgehoben."

- Bescheid vom 03.12.1999: "Der Bescheid vom 17.05.1999 über Sonderprämie männliche Rinder wird aufgehoben, soweit darin eine Prämie von mehr als 912,44 DM bewilligt worden ist."

- Bescheid vom 07.12.1999: "Der Bescheid vom 19.05.1999 über Sonderprämie männliche Rinder wird aufgehoben, soweit darin eine Prämie von mehr als 392,81 DM bewilligt worden ist."

Die insoweit umgedeuteten Bescheide sind rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten.

a) In den drei Ausgangsbescheiden vom 01., 03. und 07.12.1999 hat das ALLB Stockach die vorangegangenen Bescheide, mit denen dem Kläger Prämien bewilligt worden waren, jeweils widerrufen. Das ALLB Stockach hat den Widerruf hier ausdrücklich auf die Bestimmung des § 49 Abs. 2 Nr. 1 LVwVfG gestützt und zur Begründung jeweils ausgeführt, der Bescheid über die Vorschusszahlung habe unter dem Vorbehalt des Widerrufs gestanden. Danach sei der Widerruf dieser Bescheide für den Fall möglich gewesen, dass sich bei weiteren Verwaltungskontrollen oder Vor-Ort-Kontrollen Änderungen oder Kürzungen bei der Prämiengewährung ergäben.

Bereits diese Begründung der Bescheide vom 01., 03. und 07.12.1999 deckt den jeweils erfolgten Widerruf nicht ab. Denn der vom ALLB Stockach in den Änderungs- und Rückforderungsbescheiden angesprochene Widerrufsvorbehalt in den jeweiligen Zuwendungsbescheiden über eine Vorschuss-Zahlung bezog sich auf den jeweils nachfolgenden Abschlussbescheid ("...so werden diese im Abschlussbescheid berücksichtigt."). Dementsprechend hätte die Anpassung aufgrund des Widerrufsvorbehalts in den die Prämie jeweils endgültig festsetzenden Zuwendungsbescheiden erfolgen müssen. Ohnehin wird die Anwendung des § 49 LVwVfG, sofern es um die Bewilligung von landwirtschaftlichen Prämien geht und die Rückzahlung dieser Prämien wegen ihrer ursprünglichen Rechtswidrigkeit angeordnet worden ist, durch die vorrangige Bestimmung des § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG geschlossen. Im Widerspruchsbescheid hat das Regierungspräsidium Freiburg dann auch zutreffend auf § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG als Ermächtigungsgrundlage für die vom Kläger angefochtenen Ausgangsbescheide des ALLB Stockach abgestellt. Nach dieser Vorschrift sind rechtswidrige begünstigende Bescheide in den Fällen der §§ 6 und 8 MOG, auch nachdem sie unanfechtbar geworden sind, zurückzunehmen; § 48 Abs. 2 bis 4 und § 49a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes sind anzuwenden.

Dass die genannten Ausgangsbescheide des ALLB Stockach u.a. den Widerruf der jeweils vorangegangenen - nach Einschätzung der Behörde rechtswidrigen - Zuwendungsbescheide regeln, während die tatsächlich einschlägige Ermächtigungsgrundlage des § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG in den Fällen der §§ 6 und 8 MOG die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Bescheids vorsieht, führt nicht zum Erfolg der Anfechtungsklage des Klägers gegen die Ausgangsbescheide des ALLB Stockach vom 01., 03., und 07.12.1999. Denn diese Bescheide können, soweit sie in Ziffer 1 des jeweiligen Verfügungssatzes den Widerruf des vorangegangenen Zuwendungsbescheids regeln und in Ziffer 2 die Neufestsetzung der Prämie regeln, nach § 47 Abs. 1 LVwVfG jeweils in eine vollständige oder Teilrücknahme des oder der vorangegangenen Zuwendungsbescheide umgedeutet werden. Nach § 47 Abs. 1 LVwVfG kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.

Eine bloße "Auslegung" der Ziffer 1 der Ausgangsbescheide vom 01., 03. und 07.12.1999 in dem Sinne, dass das ALLB Stockach die "Aufhebung" der vorangegangenen Zuwendungsbescheide geregelt habe und in dieser Aufhebung als Oberbegriff auch die in § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG vorgeschriebene Rücknahme von rechtswidrigen Bewilligungsbescheiden enthalten sei, scheidet aus. Denn eine Umdeutung im Sinne von § 47 Abs. 1 LVwVfG ist dadurch gekennzeichnet, dass der Verwaltungsakt in seinem Verfügungssatz geändert wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.11.1989 - 9 C 28.89 -, NVwZ 1990, 673, 674 m.w.Nachw.). Gerade weil der Entscheidungssatz der genannten Ausgangsbescheide wegen des Wortlauts der maßgeblichen Ermächtigungsgrundlage des § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG zu ändern ist und in den Bescheiden vom 01., 03. und 07.12.1999 ausdrücklich auf die tatsächlich nicht einschlägige Ermächtigungsgrundlage des § 49 Abs. 2 Nr. 1 LVwVfG abgestellt worden ist, erscheint die Annahme einer bloßen berichtigenden Auslegung der Ausgangsbescheide als nicht ausreichend. Abzugrenzen ist die Umdeutung ferner vom - ohne Weiteres zulässigen - bloßen Austausch der Begründung eines Verwaltungsaktes (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 47, Rn. 7). Auch ein solcher Austausch der Begründung des Verwaltungsaktes unter Heranziehung einer anderen Ermächtigungsgrundlage scheidet vorliegend aus, weil der Verfügungssatz der Bescheide jeweils zu ändern ist.

Demgegenüber bedarf es hinsichtlich der Ziffer 1 des Ausgangsbescheids vom 17.12.1999 keiner Umdeutung, weil Ziffer 1 dieses Bescheids entsprechend der Regelung in § 10 Abs. 1 MOG als "Aufhebung" des Zuwendungsbescheids vom 24.11.1999 ausgelegt werden kann. Zum einen trägt der Verwaltungsakt bereits die Bezeichnung "Rücknahme- und Rückforderungsbescheid", und zum anderen wird in seiner Begründung im Gegensatz zu den Ausgangsbescheiden vom 01., 03. und 07.12.1999 nicht auf die tatsächlich nicht einschlägige Ermächtigungsgrundlage des § 49 Abs. 2 LVwVfG abgestellt.

b) Die Voraussetzungen der auch vom Regierungspräsidium Freiburg im Widerspruchsbescheid und auch vom Verwaltungsgericht herangezogenen Ermächtigungsgrundlage des § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG lagen zu dem für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Bescheide maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung des Widerspruchsbescheids vor. Die den Ausgangsbescheiden des ALLB Stockach vom 01., 03., 07. und 17.12.1999 vorangegangenen Bescheide über die Bewilligung von Mutterkuhprämien bzw. Sonder- und Saisonentzerrungsprämien nach der Rinder- und Schafprämien-Verordnung waren rechtswidrig.

Nach § 4 der Rinder- und Schafprämien-Verordnung in der Fassung der Verordnung zur Änderung der Viehverkehrsordnung sowie der Rinder- und Schafprämien-Verordnung vom 19. April 1995 (BGBl. I S. 528) mussten, wenn ein Erzeuger die Sonderprämie oder die Mutterkuhprämie beantragen wollte, die Tiere nach § 19b der Viehverkehrsverordnung gekennzeichnet sein. Danach ist die ordnungsgemäße Kennzeichnung der prämienrelevanten Tiere entscheidend. Hat der Antragsteller gegen die Kennzeichnungsregeln verstoßen, ist eine Prämienbewilligung ausgeschlossen, selbst wenn er nachweisen kann, dass er die betreffenden Tiere tatsächlich in seinem Bestand hat bzw. hatte. § 19b Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b der Viehverkehrsverordnung in der Fassung der vorstehend erwähnten Verordnung vom 19. April 1995 schrieb vor, dass die alphanumerischen Zeichen für die Ohrmarkennummern, die zur Identifizierung des Ursprungsbetriebs und des jeweiligen Tieres dienen, so zu vergeben sind, dass jedes Rind eine in Deutschland einmalige Nummer erhält. Gegen die danach für die Prämiengewährung maßgebliche Voraussetzung, dass das betreffende Tier, für das eine Prämie beantragt wird, durch eine in der Bundesrepublik Deutschland nur einmal verwendete Ohrmarkennummer gekennzeichnet ist, hat der Kläger verstoßen. Der Kläger hat die Ohrmarkennummern DE 08 9040 6101 bis -6105, die entsprechend den oben aufgezeigten Kennzeichnungsbestimmungen der Viehverkehrsverordnung jeweils zur Markierung ein und denselben Tieres an beiden Ohren bestimmt waren, zur getrennten Markierung von jeweils einer Mutterkuh und einem männlichen Rind verwendet. Dies ergibt sich aus den Anträgen des Klägers auf Mutterkuhprämie 1998 und 1999, dem Prüfbericht über eine Vor-Ort-Kontrolle im Betrieb des Klägers vom 19.11.1998 - Sonderprämie männliche Rinder 1998 - sowie dem Sonderprämienantrag männliches Rind 1997. Der Kläger hat auch weder im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht noch im Berufungsverfahren bestritten, identische Ohrmarkennummern zur Kennzeichnung von jeweils einer Mutterkuh und einem männlichen Rind, für die jeweils Prämien beantragt worden sind, verwendet zu haben.

Die als Ermächtigungsgrundlage herangezogene Bestimmung des § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG schreibt in ihrem zweiten Halbsatz u.a. die Anwendung des § 48 Abs. 2 bis 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vor. Aber insbesondere die Vorschrift des § 48 Abs. 2 VwVfG, die die Rücknahme eines eine einmalige Geldleistung gewährenden rechtswidrigen Verwaltungsaktes im Hinblick auf den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes des Begünstigten unter bestimmten Voraussetzungen ausschließt, ist im vorliegenden Fall wegen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts - ohne Weiteres - unanwendbar. Denn die Berücksichtigung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes im Rahmen der Entscheidung über die Aufhebung rechtswidriger Prämienbescheide und die Verpflichtung zur Rückzahlung der zu Unrecht bewilligten Prämien einschließlich etwaiger Zinsen wird abschließend durch Art. 14 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 der Kommission vom 23. Dezember 1992 mit Durchführungsbestimmungen zum integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftsrechtliche Beihilferegelungen in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1678/98 der Kommmission vom 29. Juli 1998 (ABL. L 212, S. 23) geregelt. Art 14 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 bestimmt generell, dass bei zu Unrecht gezahlten Beträgen der betreffende Betriebsinhaber zur Rückzahlung dieser Beträge zuzüglich der gemäß Absatz 3 berechneten Zinsen verpflichtet ist. Im Hinblick auf den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes des Begünstigten regelt Art. 14 Abs. 4 UAbs. 1 dieser Verordnung, dass die Verpflichtung zur Rückzahlung gemäß Absatz 1 nicht gilt, wenn die Zahlung auf einen Irrtum der zuständigen Behörde selbst oder einer anderen Behörde zurückzuführen ist, der vom Betriebsinhaber, der seinerseits in gutem Glauben gehandelt und alle Bestimmung der geltenden Verordnung eingehalten hat, billigerweise nicht erkannt werden konnte. Dass diese Bestimmung die Berücksichtigung des Vertrauens des Empfängers einer zu Unrecht gewährten Prämie in den Bestand des Prämienbescheids im Rahmen der Entscheidung über die Aufhebung der rechtswidrigen Bescheide bzw. Verpflichtung zur Rückzahlung des ausbezahlten Betrages zuzüglich der Zinsen abschließend regelt und die Anwendung - weitergehender - nationaler Vorschriften ausgeschlossen ist, ergibt sich aus den Erwägungsgründen der Verordnung (EG) Nr. 1678/98. Aus Nr. 6 der Erwägungsgründe der Verordnung lässt sich die Intention der Kommission als Verordnungsgeber entnehmen, durch eine Regelung in der Verordnung die Handhabung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes bei der Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge in der Gemeinschaft zu vereinheitlichen. Mit dem Bestreben der Schaffung von gemeinschaftsweit einheitlichen Vorgaben durch eine Regelung in der Verordnung ist eine ergänzende Heranziehung der Vorschriften der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Berücksichtigung des schutzwürdigen Vertrauens des Begünstigten in den Bestand des Prämienbescheids - § 10 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. MOG i.V.m. § 48 Abs. 2 VwVfG - nicht zu vereinbaren.

Die Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 4 UAbs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 liegen nicht vor. Nach dem Wortlaut erscheint die Heranziehung dieser Vorschrift auf den vorliegenden Fall von vornherein ausgeschlossen. Denn nach seinem Wortlaut erfasst Art. 14 Abs. 4 der Verordnung nur denjenigen Begünstigten eines rechtswidrigen Bescheids, der seinerseits in gutem Glauben gehandelt und alle Bestimmungen der geltenden Verordnung eingehalten hat, der jedoch den der Behörde unterlaufenen Irrtum billigerweise nicht hat erkennen können. Damit erscheint unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes nur derjenige Begünstigte schutzwürdig, der seinerseits in jeder Hinsicht ordnungsgemäß gehandelt hat und der für die Rechtswidrigkeit des Bescheids maßgebliche Fehler im Bereich der Behörde erfolgt ist, der vom Begünstigte aber nicht festgestellt werden konnte. Hier hat aber der Kläger insofern fehlerhaft gehandelt, als er entgegen der für die Bewilligung der Prämien maßgeblichen Vorschriften die für die Bewilligung relevanten Rinder nicht in einer Weise gekennzeichnet hat, dass jedes Rind eine in Deutschland einmalige Ohrmarkennummer erhält. Selbst wenn Art. 14 Abs. 4 UAbs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 dahingehend auszulegen wäre, dass auch derjenige Prämienempfänger schutzwürdig sein soll, der nicht in jeder Hinsicht fehlerfrei gehandelt hat, dessen unrechtmäßiges Verhalten aber auf einem für ihn nicht erkennbaren Irrtum der Behörde beruht, wäre die Aufhebung der Bewilligungsbescheide rechtmäßig. Denn in seinem Antrag auf Mutterkuhprämie 1998 hatte der Kläger am 28.04.1998 unterschriftlich erklärt (S. 3 unter "Erklärung"), dass sämtliche im Antrag aufgeführten Mutterkühe mit Ohrmarken gekennzeichnet sind, die den Vorschriften der Viehverkehrsverordnung entsprechen, und dass er von allen maßgeblichen Prämienvorschriften sowie dem hierzu verfassten Merkblatt Kenntnis genommen hat. Damit war dem Kläger unabhängig von einer Erklärung der zuständigen Behörde bewusst, in welcher Weise prämienrelevante Rinder zu kennzeichnen sind.

Darüber hinaus könnte der Kläger der Rücknahme der Bewilligungsbescheide und der Verpflichtung zur Rückzahlung der erhaltenen Prämien ein Verhalten der zuständigen Behörde allenfalls dann entgegenhalten, wenn ihm von Bediensteten des ALLB Stockach die Auskunft erteilt worden wäre, er könne noch vorhandene Ohrmarkennummern selbst dann zur Kennzeichnung der Mutterkühe verwenden, wenn er die betreffende Nummer bereits einem männlichen Rind eingezogen habe. Die Vernehmung der vom Kläger als zuständige Sachbearbeiterin benannten Mitarbeiterin des ALLB Stockach Frau R.-E. als Zeugin in der Berufungsverhandlung hat aber keine Anhaltspunkte für eine solche dem Wesen der Kennzeichnungspflicht widersprechende Auskunft gegenüber dem Kläger gegeben. Die Äußerungen des Klägers in der Berufungsverhandlung im Rahmen der Vernehmung der Zeugin lassen vielmehr vermuten, dass - wenn der Kläger überhaupt beim ALLB Stockach wegen der Verwendung von noch in seinem Betrieb vorhandenen Ohrmarkennummern auch für Mutterkühe nachgefragt hat - er die ihm erteilte - inhaltlich zutreffende - Auskunft missverstanden hat. Wenn der Kläger die Zeugin tatsächlich gefragt haben sollte, ob er bisher in seinem Betrieb noch nicht verwendete Ohrmarkennummern auch Mutterkühen einziehen könne, wäre die Antwort der Zeugin, dass er dies tun könne, richtig gewesen. Denn weil bei der Verwendung der Ohrmarkennummern nicht zwischen männlichen und weiblichen Rindern unterschieden wurde, konnten Ohrmarkennummern, die zunächst für die Kennzeichnung von männlichen Rindern beschafft, hierfür aber nicht verwendet worden waren, bei Einführung der besonderen Kennzeichnungspflicht auch für Mutterkühe auch für diese Tiere verwendet werden. Diese Auskunft bezog sich entsprechend dem mit der Kennzeichnungsregel verfolgten Zweck der Ermöglichung der genauen Identifizierung jedes Rindes anhand einer bundesweit nur einmal verwendeten Nummer auf noch nicht für ein männliches Tier verwendete Ohrmarkennummern. Bei der - zu seinen Gunsten als erfolgt unterstellten - Anfrage hatte der Kläger, wie seine Äußerungen in der Berufungsverhandlung anlässlich der Vernehmung der Zeugin vermuten lassen, aber nicht zum Ausdruck gebracht, dass es ihm um die Benutzung bereits für ein männliches Rind verwendeter Ohrmarkennummern auch für eine Mutterkuh ging.

Ist danach die Verpflichtung des Klägers zur Rückzahlung nicht nach der den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes des Prämienempfängers abschließend regelnden Bestimmung des Art. 14 Abs. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 ausgeschlossen, so kommt es auf die Ergebnisse der verschiedenen Kontrollen im Betrieb des Klägers und ihre Bedeutung für das Vertrauen des Klägers in den Bestand der Prämienbescheide nicht an. Ebenso kann hier dahingestellt bleiben, ob die Regelung des Absatzes 4 nicht von vornherein nach Absatz 5 ausgeschlossen ist, wonach jene Bestimmung nicht gilt bei Vorschüssen sowie bei Zahlungen, deren Rückzahlung infolge der Anwendung einer der in den Artikeln 8, 9 oder 10 vorgesehenen Sanktionen oder einer anderen gemeinschaftsrechtlichen oder einzelstaatlichen Vorschrift gefordert wird. Denn auch bei Unanwendbarkeit von Absatz 4 wäre die Anwendung nationaler Vorschriften hinsichtlich des Vertrauensschutzes ausgeschlossen.

c) Die im Antrag vom 28.04.1999 auf Bewilligung von Mutterkuhprämie 1998 aufgeführten fünf Mutterkühe waren mit Ohrmarkennummern (DE 08 9040 6101 bis 6105) gekennzeichnet, die der Kläger auch zur Kennzeichnung männlicher Rinder verwendet hatte (vgl. Prüfbericht zur Vor-Ort-Kontrolle vom 19.11.1998 hinsichtlich männlicher Rinder, Sonderprämie männliche Rinder 1998; Prämienantrag männliche Rinder 1998; Prämienantrag männliche Rinder 1997). Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG waren die beiden Bewilligungsbescheide vom 17.11.1998 und vom 17.05.1999 über Mutterkuhprämie vom Beklagten insgesamt aufzuheben. In Bezug auf die "Sonderprämie männliche Rinder 1998" ergibt sich, dass für ein männliches Rind eine Sonderprämie in Höhe von 333,39 DM zu Unrecht bewilligt worden ist. Insoweit bedurfte es aber nicht der vollständigen "Aufhebung" des Bescheids vom 17.05.1999 und einer "Neufestsetzung" dieser Sonderprämie für das Jahr 1998, sondern lediglich der Rücknahme des Zuwendungsbescheids vom 17.05.1999 über "Sonderprämie männliche Rinder 1998", soweit darin ein Prämie von mehr als 912,44 DM bewilligt worden ist (Änderungs- und Rückforderungsbescheid vom 03.12.1999). Das Entsprechende gilt für die "Sonderprämie männliche Rinder 1997". Bezogen auf das Jahr 1997 ist dem Kläger für ein männliches Rind zu Unrecht Sonderprämie in Höhe von 364,58 DM gewährt worden. Zur Anpassung war der Zuwendungsbescheid vom 19.05.1998 "Sonderprämie männliche Rinder 1997" durch den Rücknahme- und Rückforderungsbescheid vom 07.12.1999 aufzuheben, soweit darin eine Prämie von mehr als 392,81 DM bewilligt worden ist. Für das Jahr 1999 hat der Kläger für fünf Mutterkühe eine "Mutterkuhprämie" in Höhe von 833,20 DM erhalten. Wegen der Doppelverwendung der betreffenden Ohrmarkennummern auch für männliche Rinder war der Zuwendungsbescheid vom 24.11.1999 durch den Rücknahme- und Rückforderungsbescheid vom 17.12.1999 aufzuheben.

2) Hinsichtlich der in den Ausgangsbescheiden vom 01., 03., 07. und 17.12.1999 jeweils in Ziffer 3 geregelten "Rückforderung" bedarf es auch hinsichtlich der drei erstgenannten Bescheide keiner Umdeutung nach § 47 Abs. 1 LVwVfG. Rechtsgrundlage für die dem Kläger jeweils auferlegte Verpflichtung zur Rückzahlung der zu Unrecht bewilligten Prämien sind Art. 14 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 der Kommission vom 23. Dezember 1992 mit Durchführungsbestimmungen zum integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftsrechtliche Beihilferegelungen in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1678/98 der Kommmission vom 29. Juli 1998 sowie § 10 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. MOG i.V.m. § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG und § 10 Abs. 3 MOG.

3) Grundlage für die dem Kläger jeweils auferlegte Verpflichtung zur Zinszahlung sind Art. 14 Abs. 1 und 3 der Verordnung (EWG) Nr. 3887/92 der Kommission vom 23. Dezember 1992 mit Durchführungsbestimmungen zum integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystem für bestimmte gemeinschaftsrechtliche Beihilferegelungen in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1678/98 der Kommmission vom 29. Juli 1998 sowie § 14 Abs. 1 Satz 1 MOG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes vom 09. Juni 1998 (-DÜG -, BGBl. I S. 1242). Der Diskontsatz war von der Deutschen Bundesbank von April 1996 bis Ende 1998 auf 2,50 % festgesetzt worden. Der Basiszinssatz nach § 1 Abs. 1 DÜG betrug im Zeitraum von Januar bis April 1999 ebenfalls 2,5 % und im Zeitraum von Mai bis Ende Dezember 1999 1,95 % (www.bundesbank.de/stat/zeitreihen). Diese Zinssätze sind auch vom ALLB Stockach bei der Berechnung der vom Kläger zu zahlenden Zinsen (3 von Hundert über dem jeweiligen Diskontsatz/ Basiszinssatz) berücksichtigt worden. Nach Art. 14 Abs. 3 UAbs. 1 der vorstehend genannten Verordnung Nr. 3887/92 ist bei der Berechnung der Zinsen der Zeitraum zwischen der Zahlung und der tatsächlichen Rückzahlung zugrunde zu legen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss

vom 22. Juni 2004

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 25 Abs. 2, § 14 Abs. 1 und § 13 Abs. 2 GKG auf 1.666,48 EUR festgesetzt. Für die vom Kläger zurückgeforderten Prämien errechnet sich ein Betrag von 3.259,35 DM, umgerechnet 1.666,48 EUR.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Ende der Entscheidung

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