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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 26.02.2007
Aktenzeichen: 10 S 643/05
Rechtsgebiete: GG, AtG, StGB, AtVfV, StrlSchV


Vorschriften:

GG Art. 103 Abs. 2
AtG § 17 Abs. 1 Satz 3
AtG § 19 Abs. 3
AtG § 46 Abs. 1 Nr. 3
StGB § 327 Abs. 1 Nr. 1
AtVfV § 3 Abs. 1 Nr. 3
AtVfV § 3 Abs. 1 Nr. 6
StrlSchV § 49 Abs. 1 Satz 3
1. Zu den Anforderungen an die Bestimmtheit einer abstrakten nachträglichen Auflage.

2. Die zuständige Behörde darf die ihr durch § 17 Abs. 1 Satz 3 AtG eingeräumte Ermächtigung zum Erlass einer nachträglichen Auflage nicht in einer Weise ausnutzen, dass durch die Auflage für eine Vielzahl von Fallgestaltungen abstrakt die Einstellung des Leistungsbetriebs vorgeschrieben wird und damit die auch dem Schutz des Betreibers dienenden rechtlichen Bindungen umgangen werden, die im Falle einer konkreten Einzelentscheidung nach § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AtG zu beachten sind.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

10 S 643/05

In der Verwaltungsrechtssache

wegen nachträglicher Auflage nach § 17 Abs. 1 Satz 3 AtG

hat der 10. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg am 26. Februar 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Die nachträgliche Auflage des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg vom 17.03.2005 - Az.: 4-4651.12-KKPI-3 und 4-4651.12-KKP II-3 - wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen eine nachträgliche Auflage für den Betrieb des Kernkraftkraftwerks Philippsburg.

Im Jahr 2005 entstand zwischen den Beteiligten und dem Bundesumweltministerium Streit um die rechnerische Nachweisführung für einen theoretischen Kühlmittelverluststörfall im Block 2 des Kernkraftwerks Philippsburg (Leckage in der Hauptkühlmittelleitung unmittelbar im Anschlussbereich an den Reaktordruckbehälter sowie im Reaktorbehälter selbst). Nach Auffassung des Bundesumweltministeriums hätten die begründeten Zweifel an der ausreichenden Beherrschung des Auslegungsstörfalls die Klägerin bereits früher zu Maßnahmen und Information der zuständigen Behörde veranlassen müssen. Da die bestehenden Genehmigungen einschließlich des Betriebsregelements nach Auffassung des Bundesumweltministeriums bisher lediglich die Beherrschung der Auslegungsstörfälle verlangten, nicht aber die Behandlung einer insoweit bestehenden unklaren Erkenntnislage regelten, entschloss sich das Bundesumweltministerium nach dem Vorbild eines gegenüber dem Betreiber der Kernkraftwerke Biblis A und B erlassenen Verwaltungsakts (Hess. VGH - 6 A 1659/04 -) zum Erlass einer nachträglichen Auflage gegenüber der Klägerin. Diese sollte nach Ansicht des Bundesumweltministeriums künftig gewährleisten, dass das Sicherheitsmanagement der Klägerin in ausreichendem Umfang auf Zweifel an der Störfallbeherrschung, insbesondere durch entsprechende Informationen der Aufsichtsbehörde, reagiert.

Am 17.03.2005 erließ das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg nach Anhörung der Klägerin gegenüber dieser für die Betriebsführung des Kernkraftwerks Philippsburg (Block 1 und Block 2) aufgrund einer Weisung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Art. 85 Abs. 3 GG) folgende nachträgliche Auflage und ordnete deren sofortige Vollziehung an:

"A. Regelungsgehalt der nachträglichen Auflage I.

Beim Betrieb des Kernkraftwerks Philippsburg, Block 1 und Block 2 (KKP) sind die nachfolgenden Regelungen zu beachten:

1.

Werden Grenzwerte, Maße oder andere spezifizierte sicherheitstechnische Anforderungen der Genehmigung zur Störfallbeherrschung nicht eingehalten, ist der Leistungsbetrieb unverzüglich einzustellen, es sei denn, das dadurch bedingte Defizit der Störfallbeherrschung ist offensichtlich unbedeutend. Offensichtlich unbedeutend sind Defizite, hinsichtlich derer ohne neue Untersuchungen aufgrund vorhandener Erkenntnisse innerhalb von höchstens sieben Tagen eindeutig festgestellt werden kann, dass die Störfallbeherrschung nicht beeinträchtigt ist.

2.

a) Ergibt sich unabhängig von Nummer 1 die Erkenntnis, dass der Nachweis der Störfallbeherrschung in Frage gestellt sein könnte, ist die Aufsichtsbehörde unverzüglich zu informieren. Der Aufsichtsbehörde ist unverzüglich ein Projektplan vorzulegen, aus dem hervorgeht, auf welche Weise der Nachweis der Störfallbeherrschung bestätigt, neu geführt oder die Anlage oder die Betriebsweise verändert werden soll. Der Projektplan ist entsprechend dem Erkenntnisfortschritt zu aktualisieren und es ist die Behörde über den Fortschritt der Arbeiten fortlaufend zu informieren. Der Nachweis ist erbracht, wenn gewährleistet ist, dass unter Berücksichtigung der Gegebenheiten der Anlage (anlagenspezifische Reaktion, tatsächlicher Anlagenzustand) die Schutzziele nach dem Stand von Wissenschaft und Technik (einschließlich der Beachtung von Bruchpostulaten; ohne Einbeziehung probabilistischer Analysen oder Vorkehrungen der vierten Sicherheitsebene) oder aufgrund anderer behördlich zugestimmter Nachweismethoden erreicht werden.

b) Der Leistungsbetrieb ist unverzüglich einzustellen, wenn der Nachweis der Störfallbeherrschung gescheitert ist, es sei denn, die Störfallbeherrschung ist zweifelsfrei nur geringfügig beeinträchtigt. Die entsprechenden Untersuchungsergebnisse werden der Behörde unverzüglich mitgeteilt. Der Nachweis wird auch dann als gescheitert angesehen, wenn wissenschaftlich-technische anlagenspezifische Erkenntnisse und Bewertungen ergeben, dass innerhalb eines unter Berücksichtigung der sicherheitstechnischen Bedeutung sowie von Art und Umfang der Nachweisführung angemessenen Zeitraumes der Nachweis nicht bestätigt, neu geführt oder die Anlage oder die Betriebsweise entsprechend verändert werden kann. Angemessen ist höchstens ein Zeitraum von drei Monaten nach Erlangung der Erkenntnis, dass der Nachweis der Störfallbeherrschung in Frage gestellt sein könnte; die Aufsichtsbehörde kann auf Antrag einen längeren Zeitraum für angemessen erklären.

II.

Die Betriebshandbücher des KKP sind insbesondere unter Beachtung der Nummer 7.1 Abs. 2 Buchstabe a der KTA 1201 (BAnz. Nr. 72 vom 15. September 1998) hinsichtlich Nummer I dieser Auflage zu ändern und es sind die daraus resultierenden Forderungen zur Konkretisierung in das Betriebshandbuch aufzunehmen. Für diese Änderungen ist die Zustimmung der Aufsichtsbehörde einzuholen.

III.

Weitergehende oder ergänzende Befugnisse der Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde, insbesondere zu aufsichtlichen Anordnungen gemäß § 19 Abs. 3 AtG, bleiben von dieser nachträglichen Auflage unberührt."

Zur Begründung führte das Wirtschaftsministerium aus: Die nachträgliche Auflage stelle sicher, dass der Leistungsbetrieb des Kernkraftwerks nur unter vollständiger Beachtung aller sicherheitstechnischen Anforderungen der Genehmigung zur Störfallbeherrschung erfolge und bei Zweifeln an der Störfallsicherheit sicherheitsgerichtete Maßnahmen bis hin zu einer vorübergehenden Einstellung des Leistungsbetriebs ergriffen werden. I 1 der Auflage gebe die Gesetzeslage wieder, weil der Betrieb nur nach Maßgabe der Genehmigung gestattet sei. Bei ausdrücklichen Festlegungen der Genehmigung, die zur Beherrschung von Auslegungsstörfällen dort Eingang gefunden hätten, sei jede Abweichung grundsätzlich wesentlich, weil die Beherrschung der Auslegungsstörfälle eine der wichtigsten Voraussetzungen eines sicheren Anlagebetriebes sei. Für die in I 2 der Auflage behandelten Sachverhalte ergebe sich aus der Genehmigung lediglich die abstrakte Anforderung, bestimmte Auslegungsstörfälle unter Beachtung aller Randbedingungen zu beherrschen, ohne dass die Genehmigung selbst bereits die einzuhaltenden Werte vollständig festgelegt habe. Daher sei im Hinblick auf diese in der Genehmigung selbst noch nicht durch Spezifikationen konkretisierte Sachverhalte, die Zweifel an der Beherrschung eines Auslegungsstörfälle begründeten, zur Erreichung der in § 1 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AtG genannten Zwecke erforderlich, dass der Betreiber sicherheitsgerichtete Maßnahmen bis hin zum vorübergehenden Abfahren der Anlage ergreife, auch wenn das notwendige Betreiberverhalten nicht bis in die in der Auflage geregelten Einzelheiten unmittelbar im Gesetz festgelegt sei. Bei Zweifeln an der Beherrschung von Auslegungsstörfällen sei eine umfassende und frühzeitige Information der zuständigen Behörden erforderlich, damit diese ihre Aufgaben nach § 19 AtG effektiv wahrnehmen könnten. Diesem Zweck diene die der Klägerin auferlegte Informationspflicht. Unabhängig von den in der Auflage festgelegten Informationspflichten müsse die Anlage unverzüglich abgefahren werden, wenn der Nachweis der Störfallsicherheit gescheitert sei, es sei denn, das Defizit hinsichtlich der Störfallbeherrschung sei zweifelsfrei nur geringfügig.

Am 21.03.2005 hat die Klägerin beim Verwaltungsgerichtshof Klage erhoben und zu deren Begründung vorgetragen: Für die nachträgliche Auflage bestehe keine Rechtsgrundlage. Das Bundesumweltministerium habe mit der Auflage dem Grunde nach ein Vorhaben (dortiger Gesetzentwurf vom 14.11.1998) auf dem Verwaltungsweg durchsetzen wollen, mit dem es im Gesetzgebungsverfahren zum sog. Atomkompromiss gescheitert sei. Die nachträgliche Auflage beseitige die Schranken eines möglichen Einschreitens der Behörde nach § 19 Abs. 3 AtG. Denn die Auflage verpflichte sie bei jeder Überschreitung eines Grenzwertes zur unverzüglichen Einstellung des Leistungsbetriebs. Demgegenüber sei die Behörde bei einem Einschreiten nach § 19 Abs. 3 AtG an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden und habe das ihr zustehende Ermessen fehlerfrei auszuüben. Dabei obliege der Behörde auch die Risikoermittlung und -bewertung. Die Auflage A I 1 führe gegenüber einem Vorgehen auf Grund von § 19 Abs. 3 AtG auch zu einer Umkehr der materiellen Beweislast. Denn bei einem repressiven Vorgehen aufgrund von § 19 Abs. 3 AtG müsse die Behörde nachweisen, dass die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage vorliegen. Die nachträgliche Auflage verkenne auch den Unterschied zwischen dem Inhalt der Genehmigung und ihren Grundlagen. Die Erteilung der Genehmigung setze die Beherrschung von Auslegungsstörfällen voraus. Die Unterlagen und Parameter, die zum Nachweis der Beherrschung der Auslegungsstörfälle herangezogen worden seien, seien jedoch nicht Inhalt der Genehmigung. Sie seien lediglich Grundlage der Genehmigung, nämlich Voraussetzungen für die Feststellung der Genehmigungsbehörde, dass die Auslegungsstörfälle beherrscht werden. Keine der zahlreich erteilten Genehmigungen enthalte eine Bestimmung, dass während des Betriebs der Anlage alle Auslegungsstörfälle zu beherrschen seien. Demgemäß werde die Gestaltungswirkung der Genehmigung nicht überschritten, wenn von den Parametern abgewichen werden, die nicht Inhalt der Genehmigung, sondern im Genehmigungsverfahren lediglich für den Nachweis der Beherrschung von Auslegungsstörfällen zugrunde gelegt worden seien. Die in der Auflage unter A I 1 genannten Fälle begründeten allenfalls einen Gefahrenverdacht. Der Gesetzgeber habe vorläufige Betriebsstilllegungen bei Vorliegen eines Gefahrenverdachts allein auf der Grundlage von § 19 Abs. 3 AtG zugelassen; § 17 Abs. 1 Satz 3 AtG enthalte keine solche Ermächtigung. Die nachträgliche Auflage genüge mit den Regelungen in A I 1 nicht den Anforderungen an die Bestimmtheit eines Verwaltungsakts. Wegen der Strafandrohung in § 327 Abs. 1 StGB und der Ordnungswidrigkeitenregelung in § 46 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 AtG müsse die nachträgliche Auflage auch dem Bestimmtheitsgebot des Strafrechts und des Ordnungswidrigkeitenrechts entsprechen. Die in der Auflage vorgesehene Einstellung des Leistungsbetriebs sei eine außerordentlich schwerwiegende Maßnahme, weil sie pro Tag für einen Block des Kernkraftwerks einen Aufwand von 500.000 EUR verursache. Die Schwere dieses Eingriffs mache es erforderlich, dass dessen Voraussetzungen eindeutig bestimmt oder zumindest bestimmbar seien; hieran fehle es jedoch. Für die in A I 2 a der Auflage begründeten Meldepflicht bestehe keine Rechtsgrundlage. Denn die Meldepflichten seien in der Atomrechtlichen Sicherheitsbeauftragten- und Meldeverordnung (AtSMV) abschließend geregelt. Weder dem Atomgesetz noch dieser Verordnung sei eine Ermächtigungsgrundlage zur Einführung weiterer Meldepflichten durch Verwaltungsakt zu entnehmen. Ohnehin könne die Aufsichtsbehörde nach § 19 Abs. 2 Satz 2 AtG die für ihre Aufsichtstätigkeit erforderlichen anlagenbezogenen Auskünfte verlangen. Auch die Formulierung in A I 2 a "dass der Nachweis der Störfallbeherrschung in Frage gestellt sein könnte" genüge nicht den rechtsstaatlichen Bestimmtheitsanforderungen. Dies gelte auch für die Formulierung in A I 2 b "es sei denn die Störfallbeherrschung ist zweifelsfrei nur geringfügig beeinträchtigt".

Die Klägerin beantragt,

die nachträgliche Auflage des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg vom 17.03.2005 zur Betriebsführung des Kernkraftwerks Philippsburg (Block 1 und Block 2) aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Wirtschaftsministerium sei für den Erlass der nachträglichen Auflage zuständig gewesen. Denn die Ausübung der Ermächtigung des § 17 Abs. 1 Satz 3 AtG sei dem Bereich der Genehmigungserteilung im Sinne von § 1 Abs. 1 AtGZuVO zugeordnet gewesen. Eine nachträgliche Auflage bedeute die teilweise Aufhebung der ursprünglichen Genehmigung, verbunden mit dem Erlass eines neuen inhaltlich beschränkten Verwaltungsakts. Deshalb sei der Erlass einer nachträglichen Auflage als Ausübung der in § 1 Abs. 1 AtGZuVO ausdrücklich dem Wirtschaftsministerium zugewiesenen Zuständigkeit für Genehmigungen nach § 7 AtG zu qualifizieren. Beim Erlass des Atomgesetzes sei auch der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass der Erlass einer nachträglichen Auflage Sache der Genehmigungsbehörde sei. Die nachträgliche Auflage habe das Ziel, die von der Genehmigung vorausgesetzten und im Verfahren geprüften Auslegungsstörfälle, auch so weit keine spezifizierte Anforderungen in die Genehmigung aufgenommen worden seien, während des Betriebs sicher zu beherrschen. Dies sei eine elementare Betreiberpflicht der Klägerin. Die Abweichung von einem Grenzwert werde nur dann von der Regelung in A I 1 erfasst, wenn der jeweilige Grenzwert zum Inhalt der atomrechtlichen Genehmigung gehöre und der Störfallbeherrschung diene. In den Fällen der A I 1 der nachträglichen Auflage scheide auch eine behördliche Duldung eines von der Genehmigung abweichenden, formell illegalen Anlagenbetriebs aus. Die AtSMV regele die Meldepflichten eines Betreibers eines Kernkraftwerks nicht abschließend und stehe deshalb der Auferlegung einer weiteren Meldepflicht aufgrund von § 17 Abs. 1 Satz 3 AtG nicht entgegen. Die Auflage stelle aufgrund des die behördliche Aufsichtstätigkeit unterstützenden Charakters keine nachträgliche Inhaltsbestimmung der Genehmigung dar. Vielmehr handele es sich um eine Auflage, die sich insoweit in die bestehenden Genehmigungsauflagen einreihe, so dass eine Strafbarkeit nach § 327 StGB objektiv nicht in Betracht komme. Handlungspflichten für den Betreiber einer Anlage müssten auch dann normiert werden können, wenn diese nicht an physikalisch messbare Grenzwerte anknüpften. In diesem Sinne erfasse die anlagenbezogene nachträgliche Auflage eine Vielzahl von denkbaren Fallkonstellationen. Das Maß der Bestimmtheit der nachträglichen Auflage sei mit verordnungsrechtlichen Vorschriften wie etwa § 2 Abs. 2 StVO vergleichbar. Dass vom Anwender eine gewisse Interpretationsfähigkeit verlangt werde, sei in Bezug auf Bestimmtheitsanforderungen wegen des Gefährdungspotentials hinnehmbar. Wegen der besonderen Fachkunde sei es dem Personal des Kernkraftwerks auch möglich, den Regelungsgehalt der Auflage zu erfassen. Das Nachvollziehen der Störfallberechnungen, die den jeweils einschlägigen Genehmigungen zugrunde lagen, aufgrund neu zu berücksichtigender Erkenntnisse gehöre zum klassischen Instrumentarium der betreibereigenen Anlagenüberprüfung. Auch sonst enthielten die Betriebshandbücher der deutschen Kernkraftwerke Handlungsanweisungen an das Personal, die nicht an konkrete Grenzwerte anknüpften, sondern den Verantwortlichen bewusst Bewertungsspielräume einräumten. Die nachträgliche Auflage begegne auch im Hinblick auf die Möglichkeit des behördlichen Einschreitens nach § 19 Abs. 3 AtG keinen rechtlichen Bedenken. Eine stets anzuwendende Regel, die Aufsicht habe das vollständige Vorliegen der Tatbestandselemente der jeweiligen Ermächtigungsnorm zu beweisen, gebe es nicht; vielmehr sei die Antwort aus der materiellen Norm abzuleiten. Im Bereich des § 19 Abs. 3 AtG liege die materielle Beweislast nicht bei der Behörde. Nicht der Behörde, sondern dem Betreiber sei der Anlagenzustand vollständig bekannt. Auch die Genehmigung, bestehend aus allen Teil- und Änderungsgenehmigungen und den in Bezug genommenen Unterlagen, liege nur dem Betreiber in einer Weise vor, dass der jederzeitige Zugriff zur aktuellen Entscheidungsfindung möglich sei. Es sei deshalb grundsätzlich Sache des Betreibers, die Genehmigungskonformität seines ohne Genehmigung verbotenen Handelns zu beweisen. Im Bereich des § 19 Abs. 3 Satz 1 AtG ("ergeben können") sei die Amtsermittlungspflicht lediglich auf die Feststellung des Gefahrenverdachts gerichtet. Betreffe die Erkenntnis der Behörde die Störfallbeherrschung, liege die materielle Beweislast beim Betreiber.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten, auf die einschlägigen Akten des Wirtschaftsministeriums (zwei Bände), auf die beigezogenen Akten zu dem Kernkraftwerken Philippsburg 1 und 2 sowie auf die Akte des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens (10 S 644/05) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§ 125 Abs. 1 Satz 1 und § 101 Abs. 2 VwGO).

Die zutreffend beim Verwaltungsgerichtshof (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) erhobene Anfechtungsklage gegen die nachträgliche Auflage des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg vom 17.03.2005 ist zulässig und begründet. Die nachträgliche Auflage ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Es kann dahingestellt bleiben, ob die auf § 17 Abs. 1 Satz 3 AtG gestützte nachträgliche Auflage bereits deshalb rechtswidrig ist, weil sie aufgrund von Art. 1 Abschnitt VII Nr. 6 MinGbBek a.F. vom Wirtschaftsministerium erlassen worden ist, während die Aufsicht nach dem Atomgesetz zum Zeitpunkt des Erlasses der nachträglichen Auflage nach Art. 1 Abschnitt X Nr. 10 MinGbBek a.F. dem Ministerium für Umwelt und Verkehr oblag. Für die Zuordnung der Ausnutzung der Ermächtigungsgrundlage des § 17 Abs. 1 Satz 3 AtG nicht zum Bereich der Genehmigung, sondern zum Bereich der atomrechtlichen Aufsicht könnte die Systematik des Atomgesetzes sprechen, wonach § 17 Abs. 1 Satz 3 gemeinsam mit § 17 Abs. 2 bis 5 und § 19 AtG das vom Genehmigungsverfahren zu trennende aufsichtsrechtliche Instrumentarium darstellt (BVerwG, Urt. v. 22.01.1997 - 11 C 7.95 -, BVerwGE 104, 34, 91). Jedenfalls ist die nachträgliche Auflage vom 17.03.2005 aus den Gründen rechtswidrig, auf die der Senat bereits in seinem Beschluss im vorläufigen Rechtsschutzverfahren vom 02.12.2005 (10 S 644/05) abgestellt hat.

A I der nachträglichen Auflage ist rechtswidrig, weil die Auflage insoweit nicht den Anforderungen an die Bestimmtheit eines Verwaltungsakts (§ 37 LVwVfG) genügt (1). Die Rechtswidrigkeit folgt auch daraus, dass die Aufsichtsbehörde die Ermächtigungsgrundlage in einer rechtlich nicht zulässigen Weise ausgenutzt hat (2). Da die Regelung in A II der Auflage auf die rechtswidrige Regelung in A I Bezug nimmt - Änderung der Betriebshandbücher des Kernkraftwerks Philippsburg durch Aufnahme der aus A I folgenden Verpflichtungen - ist die nachträgliche Auflage auch hinsichtlich A II aufzuheben. Teil III des Abschnitts A der nachträglichen Auflage ("Regelungsinhalt der nachträglichen Auflage") enthält tatsächlich keine Regelung im Sinne von § 35 Satz 1 LVwVfG, ist aber als Bestandteil der Auflage mit aufzuheben.

1) A I der nachträglichen Auflage genügt nicht den Anforderungen an die Bestimmtheit eines Verwaltungsakts.

Die nachträgliche Auflage vom 17.03.2005 stellt eine abstrakt-individuelle Regelung dar. Sie ist individuell, weil sie sich auf ein bestimmtes von der Klägerin betriebenes Kernkraftwerk bezieht. Andererseits ist die Auflage ab-strakt, weil sie der Klägerin für eine Vielzahl von denkbaren Fallkonstellationen ein bestimmtes Verhalten vorschreibt. § 37 Abs. 1 LVwVfG regelt, dass ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein muss. Nicht nur hinsichtlich des Adressaten, sondern auch in Bezug auf die in der Sache selbst getroffene Regelung muss der Verwaltungsakt hinreichend klar, verständlich und in sich widerspruchsfrei sein. Der Entscheidungsinhalt muss für den Adressaten nach Art und Umfang aus sich heraus verständlich sein und diesen in die Lage versetzen zu erkennen, was genau von ihm gefordert wird. Wenn der Verwaltungsakt einen vollstreckbaren Inhalt hat, muss er grundsätzlich auch so bestimmt sein, dass er Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.02.1990 - 4 C 41.87 -, BVerwGE 84, 335). Da die angefochtene nachträgliche Auflage für eine Vielzahl von Fallkonstellationen gilt, muss die Klägerin als Adressatin des Verwaltungsakts diesem entnehmen können, unter welchen Voraussetzungen sie zu dem in der Auflage näher beschriebenen Verhalten (z.B. Einstellung des Leistungsbetriebs, unverzügliche Information der Aufsichtsbehörde oder Vorlage eines Projektplans) verpflichtet ist. Im Hinblick auf die Bestimmtheitsanforderungen ist ferner die Vorschrift des § 46 Abs. 1 Nr. 3 AtG zu beachten. Danach handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig einer vollziehbaren Auflage nach § 17 Abs. 1 Satz 3 AtG zuwiderhandelt. Der Begriff der Strafbarkeit im Sinne von Art. 103 Abs. 2 GG erfasst jede Regelung, die eine missbilligende hoheitliche Reaktion auf schuldhaftes oder vorwerfbares Handeln ermöglicht und bezieht sich damit auch auf die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 01.12.1992 - 1 BvR 88/91, 1 BvR 576/91 -, BVerfGE 87, 399, 411 m.w.Nachw.). Zu berücksichtigen ist auch, dass nach § 327 Abs. 1 Nr. 1 StGB derjenige mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird, der eine kerntechnische Anlage ohne die erforderliche Genehmigung betreibt. Das Merkmal "ohne erforderliche Genehmigung" nimmt Bezug auf die nach Maßgabe des Atomgesetzes erteilten Genehmigungen. Der Beklagte hat im Klageverfahren - entgegen seinem Vorbringen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (vgl. Antragserwiderung vom 02.06.2005, S. 3) - die Auffassung vertreten, die streitgegenständliche nachträgliche Auflage, die insbesondere vorläufige Maßnahmen vorsehe, stelle keinen Eingriff in den Genehmigungstatbestand dar, weil sie sich insoweit in die bestehenden Genehmigungsauflagen einreihe. Dieser Ansicht folgt der Senat nicht. Eine wirksame nachträgliche Auflage im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 3 AtG greift in die dem Anlagenbetreiber erteilten Genehmigungen mit der Folge ein, dass der Betrieb der kerntechnischen Anlage nur noch nach Maßgabe dieser Auflage genehmigt ist. So verpflichtet z.B. die Regelung in A I 1 der nachträglichen Auflage vom 17.03.2005 die Klägerin zur unverzüglichen Einstellung des Leistungsbetriebs, sofern die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Der Beklagte ist bisher selbst stets davon ausgegangen (vgl. Antragserwiderung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren vom 02.06.2005, S. 1), dass die nachträgliche Auflage einen zuvor nicht geregelten Sachverhalt, nämlich das Verhalten der Klägerin als Betreiberin der Anlage bei bloßen "Zweifeln an der Störfallbeherrschung" erfasst. Damit schränkt die nachträgliche Auflage aber gegenüber den der Klägerin zuvor erteilten Genehmigungen die Möglichkeiten zur Nutzung der von ihr errichteten und betriebenen Anlage ein und legt - auch - den Umfang des genehmigten Betriebs im Sinne von § 327 Abs. 1 Nr. 1 StGB fest. Damit muss die nachträgliche Auflage auch wegen der Strafandrohung des § 327 Abs. 1 Nr. 1 StGB dem besonderen Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG entsprechen. Dieses Gebot dient dem rechtsstaatlichen Schutz des Normadressaten. Denn der Betroffene soll vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe bzw. Geldbuße bedroht ist. Art. 103 Abs. 2 GG hindert den Gesetzgeber zwar nicht, verwaltungsrechtliche Pflichten und verwaltungsrechtliche Anordnungen mit Strafen oder Geldbußen zu bewehren, um auf diese Weise der Befolgungspflicht Nachdruck zu verleihen. Dann muss aber der konkrete Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sein (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 09.10.2000 - 1 BvR 1627/95 -, Rn. 56, GRUR 2001, 266).

Diesen Bestimmtheitsanforderungen genügt die angefochtene nachträgliche Auflage nicht.

a) In A I 1 der Auflage wird der Klägerin für den Betrieb des Kernkraftwerks Philippsburg, Block 1 und Block 2, aufgegeben, den Leistungsbetrieb unverzüglich einzustellen, sofern Grenzwerte, Maße oder andere spezifizierte sicherheitstechnische Anforderungen der Genehmigung zur Störfallbeherrschung nicht eingehalten sind, es sei denn, das dadurch bedingte Defizit der Störfallbeherrschung ist offensichtlich unbedeutend. Als offensichtlich unbedeutend gelten solche Defizite, hinsichtlich derer ohne neue Untersuchungen auf Grund vorhandener Erkenntnisse innerhalb von höchstens sieben Tagen eindeutig festgestellt werden kann, dass die Störfällbeherrschung nicht beeinträchtigt ist.

Die zwischen den Beteiligten besonders umstrittene Frage, ob die permanente sichere Beherrschung der von den Genehmigungen vorausgesetzten und im Verfahren geprüften Auslegungsstörfälle während des Betriebs des Kernkraftwerks eine elementare Betreiberpflicht darstellt, kann für den Gesichtspunkt der ausreichenden Bestimmtheit der nachträglichen Auflage dahingestellt bleiben. Einerseits ist die Beherrschung der Auslegungsstörfälle Voraussetzung für die Genehmigung eines Kernkraftwerks (Auslegung der Anlage). Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG darf die Genehmigung nur erteilt werden, wenn die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage getroffen ist. Bei einem Kernkraftwerk, das der Erzeugung von Elektrizität dient (vgl. § 49 Abs. 1 Satz 1 StrlSchV n.F.), sind Auslegungsstörfälle Störfälle im Sinne des § 49 StrlSchV n.F. (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e AtVfV). Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens kann die Genehmigungsbehörde die erforderliche Vorsorge gegen Störfälle insbesondere dann als getroffen ansehen, wenn der Antragsteller bei der Auslegung der Anlage die Störfälle zugrunde gelegt hat, die nach den veröffentlichten Sicherheitskriterien und Leitlinien für Kernkraftwerke die Auslegung eines Kernkraftwerks bestimmen müssen (vgl. § 49 Abs. 1 Satz 3 StrlSchV n.F.). Werden nach der Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen abschließend atomrechtliche Genehmigungen erteilt, so enthalten diese die verbindliche Feststellung, dass eine genehmigungskonform errichtete bzw. betriebene Anlage die atomrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.01.1997 - 11 C 7.95 -, BVerwGE 104, 36, zu Teilerrichtungsgenehmigungen). Andererseits ist der Adressat der Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der Anlage nur nach Maßgabe der Festsetzungen der Genehmigung, die auch im Hinblick auf die Beherrschung der Auslegungsstörfälle erfolgt sein können, berechtigt.

Den dem Senat vorliegenden Unterlagen zum Kernkraftwerk Philippsburg sind keine Festsetzungen zu entnehmen, die ausdrücklich auf die "Auslegungsstörfälle" oder deren "Beherrschung" in dem Sinne Bezug nehmen, dass zur Beherrschung der Auslegungsstörfälle im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. 3 AtVfV bestimmte "Grenzwerte, Maße oder andere spezifizierte sicherheitstechnische Anforderungen der Genehmigung" einzuhalten sind. Dies gilt auch für die für den Block 2 des Kernkraftwerks Philippsburg erteilte 3. Teilbetriebsgenehmigung vom 21.04.1986. Auf den Umstand, dass die Festsetzungen in den Genehmigungen nicht auf die "Beherrschung der Auslegungsstörfälle" Bezug nehmen, hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 02.12.2005 (10 S 644/05) im vorläufigen Rechtsschutzverfahren abgestellt. Auch im Klageverfahren hat der Beklagte, dem sämtliche Genehmigungsunterlagen des Kernkraftwerks Philippsburg bekannt sind, keine entsprechende Festsetzung benannt. Die Nennung von Grenzwerten, Maßen oder anderen spezifizierten sicherheitstechnischen Anforderungen der Genehmigung in A I 1 der nachträglichen Auflage hat vielmehr den Sinn, diejenigen Festsetzungen zu bezeichnen, die für die Beherrschung der Auslegungsstörfälle von Bedeutung sein können und in die Genehmigungen im Hinblick auf diese Genehmigungsvoraussetzung aufgenommen worden sind. Hiervon geht auch der Beklagte aus, wie sich aus seinem Schriftsatz im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vom 02.06.2005 ergibt. Danach soll die Abweichung von einem Grenzwert nur dann von der Regelung in A I 1 erfasst werden, "wenn der jeweilige Grenzwert zum Inhalt der atomrechtlichen Genehmigung gehört und der Störfallbeherrschung dient" (S. 14). Auf S. 10 der Antragserwiderung vom 02.06.2005, auf die der Beklagte im Klageverfahren verwiesen hat, wird auf "alle Werte" abgehoben, "die der Genehmigung insoweit [Beherrschung der Auslegungsstörfälle] zugrunde liegen". Die für die Errichtung und den Betrieb des Kernkraftwerks Philippsburg erteilten Genehmigungen sind wegen des Ausmaßes der Anlage und der technischen Anforderungen an den gefahrlosen Betrieb eines Kernkraftwerks besonders komplex und umfangreich. Sie enthalten aber auch Vorgaben, die für die "Beherrschung der Auslegungsstörfälle" offensichtlich nicht relevant sind. So schließt z.B. die für den Block 2 am 06.07.1977 erteilte 1. Teilerrichtungsgenehmigung nach § 92 Abs. 4 Satz 1 der Landesbauordnung in der Fassung vom 20. Juni 1972 (GBl. S. 351) die nach der Landesbauordnung erforderlichen (Bau-) Genehmigungen ein und erstreckt sich auch auf das Ausheben der Baugruben und das Einbringen des Unterbetons für das Büro- und Sozialgebäude einschließlich der Anschlüsse für die Rohrleitungs- und Kabelkanäle dieser Gebäude. Das Entsprechende gilt für Vorgaben zum Schutz gegen Lärm während der gesamten Dauer der Errichtung der Kernkraftwerksanlagen (vgl. Auflagen III Nr. 1.16 der 1. Teilerrichtungsgenehmigung für Block 2). Es geht hier nicht um die zwischen den Beteiligten im Verlauf des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens umstrittene Frage der Bestimmung des Inhalts der verschiedenen Genehmigungen. Deren Inhalt kann jeweils durch die grundsätzlich zulässige Bezugnahme auf die von der Klägerin eingereichten Antragsunterlagen bestimmt werden. Das Bestimmtheitsproblem besteht vielmehr darin, dass die nachträgliche Auflage in A I 1, wie sich gerade dem Vorbringen des Beklagten in der Antragserwiderung (S. 14) entnehmen lässt, nicht jede, sondern nur diejenigen Festsetzungen, Grenzwerte oder anderen sicherheitstechnischen Anforderungen der erteilten Genehmigungen erfassen soll, die für die Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzung "Beherrschung der Auslegungsstörfälle" von Bedeutung sind oder auch nur sein können. Diese Unterscheidung setzt aber eine Bewertung von Risiken bzw. die Beurteilung von technischen Abläufen hinsichtlich ihrer Relevanz für die Beherrschung der Auslegungsstörfälle voraus, über die im jeweiligen konkreten Einzelfall erhebliche Meinungsverschiedenheiten bestehen können.

In seiner Antragserwiderung vom 02.06.2005 (S. 16 ff.), die auch zum Gegenstand des Vorbringens im Klageverfahren gemacht worden ist, hat der Beklagte zur näheren Erläuterung der von der Klägerin als unzureichend bestimmt gerügten Tatbestandsmerkmale "Grenzwerte, Maße oder andere spezifizierte sicherheitstechnische Anforderungen der Genehmigung zur Störfallbeherrschung" in A I 1 Satz 1 der nachträglichen Auflage auf den Begriff der Sicherheitsspezifikationen im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 6 AtVfV verwiesen. Dabei handelt es sich um eine vom Betreiber dem Antrag auf Genehmigung beizufügende Aufstellung, die alle für die Sicherheit der Anlage und ihres Betriebs bedeutsamen Angaben, die für die Beherrschung von Stör- und Schadensfällen vorgesehenen Maßnahmen sowie einen Rahmenplan für die vorgesehenen Prüfungen an sicherheitstechnisch bedeutsamen Teilen der Anlage enthält. Nach den weiteren Ausführungen des Beklagten in der Antragserwiderung soll der Tatbestand von A I 1 der nachträglichen Auflage aber über diesen Begriff hinausgehen und "alle Daten, Grenzwerte und Maßnahmen" erfassen, "die für den sicheren Zustand und die Sicherheit des Betriebs von Kernkraftwerken von Belang sind". Dabei sollen nach der Begründung der nachträglichen Auflage (S. 4) auch die nur "mittelbar zur Bestimmung des Genehmigungsinhalts herangezogenen Unterlagen" zu berücksichtigen sein. In seiner Antragserwiderung vom 02.06.2005 hat der Beklagte insoweit näher ausgeführt, gemeint seien damit solche Festsetzungen, die entgegen der Richtlinie des BMI vom 27.04.1976 über die Anforderungen an Sicherheitsspezifikationen für Kernkraftwerke nicht in die als Sicherheitsspezifikationen gekennzeichneten Abschnitte der Betriebshandbücher aufgenommen worden seien. In dieser Auslegung wird A I 1 der nachträglichen Auflage vollends unbestimmt. Diese Beschreibung verlangt von der Klägerin eine Überprüfung der Vollständigkeit der ihr erteilten bestandskräftigen Genehmigung und eine Bewertung, ob ein bestimmter, in den Betriebshandbüchern nicht berücksichtigter Aspekt eigentlich im Bereich "Sicherheitsspezifikationen" hätte geregelt werden müssen. Angesichts dieser unklaren Festlegung des Tatbestandes von A I 1 der nachträglichen Auflage kann nicht davon ausgegangen werden, der Klägerin sei entsprechend den rechtsstaatlichen Anforderungen durch A I 1 der nachträglichen Auflage mit der erforderlichen Bestimmtheit vorgeschrieben worden, wann der Tatbestand dieses Regelungsteils der nachträglichen Auflage erfüllt ist und die dort festgelegten Maßnahmen zu ergreifen sind. Wie oben dargelegt, ist in Bezug auf die Bestimmtheitsanforderungen zu berücksichtigen, dass die verantwortlichen Bediensteten der Klägerin durch die Aufrechterhaltung des Leistungsbetriebs der kerntechnischen Anlage entgegen der nachträglichen Auflage, die den Umfang der atomrechtlichen Genehmigung zumindest mitbestimmt, den Tatbestand des § 327 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllen. Zudem hat die Einstellung des Leistungsbetriebs des Kernkraftwerks für die Klägerin nach ihrem glaubhaften Vortrag außerordentlich große wirtschaftliche Folgen (Kosten von 1 Mio. EUR/Tag).

Der Beklagte hat im gerichtlichen Verfahren auf das Vorbringen der Klägerin, die Auflage sei unbestimmt, eingewandt (S. 3 des Schriftsatzes vom 16.08.2005), beim technischen Personal der Anlagen liege die von der Klägerin "heraufbeschworene Unsicherheit über die Genehmigungsanforderungen nicht vor", da ansonsten "ein rechtmäßiger Betrieb auch überhaupt nicht zu gewährleisten" sei. Auch im Hinblick auf das Vorbringen des Beklagten im Klageverfahren hält der Senat an seiner im Beschluss vom 02.12.2005 (10 S 644/05) geäußerten Ansicht fest, dass die rechtsstaatlichen Anforderungen an die Bestimmtheit eines Verwaltungsakts, der - vergleichbar einer Rechtsnorm - dem Betroffenen für eine unbestimmte Vielzahl von Fallgestaltungen ein bestimmtes Verhalten vorschreibt, nicht durch die Erwägung relativiert werden können, der "Betroffene werde schon wissen, was gemeint sei".

Entgegen dem Vorbringen des Beklagten können Defizite im Bereich der Bestimmtheit der nachträglichen Auflage im Hinblick auf die Sanktionsmöglichkeiten nach § 327 Abs. 1 StGB und § 46 Abs. 1 Nr. 3 AtG nicht mit der Erwägung kompensiert werden, diese Vorschriften setzten "entsprechend dem Schuldgrundsatz ein schuldhaftes oder fahrlässiges Fehlverhalten der Klägerin, ihrer Organe oder Mitarbeiter voraus", und der Vorstand und die Mitarbeiter der Klägerin seien durch die Anwendung der Verschuldensregelungen ausreichend geschützt. Denn das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot erfordert im Interesse des Betroffenen bereits, dass diesem aufgrund der Fassung der abstrakten Regelung (hier in letzter Stufe maßgeblich ein Verwaltungsakt) klar wird, wann das in der Regelung festgelegte Verhalten geboten ist. Der Verpflichtete muss sich nicht darauf verweisen lassen, durch die unbestimmte Fassung eines Tatbestandes sei er nicht beeinträchtigt, weil es gegebenenfalls an den sonstigen Voraussetzungen für seine Bestrafung fehle. Entgegen der Ansicht des Beklagten kann auch nicht auf die Grundsätze des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 18.05.1988 (- 2 BvR 579/84 -, BVerfGE 78, 205, 213 f.) zurückgegriffen werden. Denn diese gehen gerade davon aus, dass Art. 103 Abs. 2 GG, anders als im vorliegenden Fall, nicht anwendbar ist.

Auch die in A I 1 Satz 2 der nachträglichen Auflage genannten Voraussetzungen für die Ausnahme von der grundsätzlichen Verpflichtung zur unverzüglichen Einstellung des Leistungsbetriebs ("das dadurch bedingte Defizit der Störfallbeherrschung ist offensichtlich unbedeutend") sind nicht hinreichend bestimmt. Denn es ist nicht hinreichend klar, auf wessen Kenntnisstand für das Merkmal "aufgrund vorhandener Erkenntnisse" abzustellen ist (Erkenntnistand der Klägerin als Betreiberin oder aktueller - externer - Stand von Wissenschaft und Technik). Gerade im Hinblick auf die Sanktionsbestimmungen ist auch die Formulierung "eindeutig festgestellt werden kann, dass die Störfallbeherrschung nicht beeinträchtigt ist", nicht ausreichend deutlich.

b) Auch A I 2 der nachträglichen Auflage ist nach den oben genannten Kriterien nicht ausreichend bestimmt.

aa) A I 2 a Satz 1 regelt zunächst eine Verpflichtung zur unverzüglichen Information der Aufsichtsbehörde, wenn sich unabhängig von Nummer 1 der nachträglichen Auflage die Erkenntnis ergibt, "dass der Nachweis der Störfallbeherrschung in Frage gestellt sein könnte". Aus der Begründung der Auflage (S. 4 dritter Absatz) und auch aus dem Vorbringen des Beklagten im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ergibt sich, dass diese Regelung für den Fall gelten soll, dass "(eventuelle) Defizite der Störfallbeherrschung aufgrund von Zuständen und Betriebsweisen" auftreten, "hinsichtlich derer die Genehmigung (noch) keine konkreten oder unzureichende Anforderungen enthält". Zunächst stellt sich wiederum das Problem, dass es in den für das Kernkraftwerk erteilten Genehmigungen keine Festsetzungen (Grenzwerte, Maße usw.) gibt, die ausdrücklich auf die "Beherrschung der Auslegungsstörfälle" Bezug nehmen. Denn die "Beherrschung der Auslegungsstörfälle" ist ein im Genehmigungsverfahren zu prüfender Aspekt. Als erst recht unbestimmt erscheint die Untergruppe der "Anforderungen zur Störfallbeherrschung", die zwar in der Genehmigung geregelt sind, aber "unzureichend" sein sollen. Hier ist auch zweifelhaft, auf wessen Einschätzung es hinsichtlich des Merkmals "unzureichend" ankommen soll. Dies gilt ebenso, soweit maßgeblich darauf abgestellt wird, dass der Nachweis der Störfallbeherrschung "in Frage gestellt sein könnte".

bb) A I 2 b Satz 1 der Auflage schreibt der Klägerin im Anschluss an 2 a der Auflage unter bestimmten Voraussetzungen die unverzügliche Einstellung des Leistungsbetriebs des Kernkraftwerks vor. Diese Regelung ist bereits wegen der Anknüpfung an die nicht den rechtsstaatlichen Bestimmtheitsanforderungen genügende Regelung in A I 2 a rechtswidrig. Die Regelung ist auch deshalb rechtswidrig, weil die dort genannte Ausnahme von der Pflicht zur Einstellung des Leistungsbetriebs nicht den Bestimmtheitsanforderungen genügt. Denn es ist nicht ausreichend klar, wann "die Störfallbeherrschung zweifelsfrei nur geringfügig beeinträchtigt" ist.

2) A I der nachträglichen Auflage ist auch deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte die Ermächtigungsgrundlage in einer unzulässigen Weise ausgenutzt hat. Wegen des Verhältnisses von § 17 Abs. 1 Satz 3 und § 19 Abs. 3 AtG darf die zuständige Behörde in einer abstrakten nachträglichen Auflage nach § 17 Abs. 1 Satz 3 AtG nicht für eine Vielzahl von Fallgestaltungen die Einstellung des Leistungsbetriebs vorschreiben, wenn damit die auch dem Schutz des Betreibers dienenden rechtlichen Bindungen umgangen werden, die im Falle einer konkreten Einzelentscheidung nach § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AtG zu beachten sind.

Nach § 19 Abs. 3 AtG kann die Aufsichtsbehörde anordnen, dass ein Zustand beseitigt wird, der den Vorschriften des Atomgesetzes oder der auf Grund des Atomgesetzes erlassenen Rechtsverordnungen, den Bestimmungen des Bescheids über die Genehmigung oder allgemeine Zulassung oder einer nachträglich angeordneten Auflage widerspricht oder aus dem sich durch die Wirkung ionisierender Strahlen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sachgüter ergeben können. Die Behörde kann insbesondere anordnen, dass der Betrieb von Anlagen der in § 7 AtG bezeichneten Art einstweilen eingestellt wird (Absatz 3 Satz 2 Nr. 3 AtG).

a) Mit A I 1 der nachträglichen Auflage regelt der Beklagte nach der Begründung der Auflage und seinem Vorbringen im gerichtlichen Verfahren die Fälle des Betriebs des Kernkraftwerks "außerhalb des Gestattungsumfangs der Genehmigung". In einem solchen Fall kommt der Erlass einer Verfügung zur Einstellung des Betriebs des Kernkraftwerks aufgrund von § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AtG in Betracht. Eine solche Verfügung setzt aber voraus, dass die Behörde im konkreten Einzelfall den Sachverhalt aufklärt und eine Abweichung von der Genehmigung feststellt und nachweist. Die objektive Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage des § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AtG trägt die Aufsichtsbehörde. Auch kann der Betreiber in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gegen eine für sofort vollziehbar erklärte Einstellungsverfügung nach § 19 Abs. 3 Satz 2 AtG geltend machen, sein Interesse, vom Vollzug der Verfügung verschont zu bleiben, überwiege, weil die Aufsichtsbehörde zu Unrecht vom Vorliegen der Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage ausgegangen sei. Die Ausübung der der Behörde durch diese Vorschrift eröffneten Befugnis, die für den betroffenen Anlagenbetreiber mit erheblichen Nachteilen verbunden ist, steht in ihrem Ermessen (vgl. zur behördlichen Duldung formell illegal betriebener kerntechnischer Anlagen in atypischen Ausnahmefällen, BVerwG, Urt. v. 25.10.2000 - 11 C 1.00 -, BVerwGE 112, 123, 131 ff.). Aufgrund der Gegebenheiten des konkreten Einzelfalls und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit hat die Behörde über die vorläufige Einstellung des Betriebs zu entscheiden (§ 40 LVwVfG).

Bei A I 1 der nachträglichen Auflage ist die Aufsichtsbehörde demgegenüber wegen der abstrakten Fassung der Auflage - vergleichbar einer Rechtsnorm - zunächst von der Notwendigkeit entbunden, ihrerseits festzustellen und zu belegen, dass im Hinblick auf ein konkretes Ereignis oder einen bestimmten Umstand die Voraussetzungen für die behördliche Einstellung des Leistungsbetriebs gegeben sind. Die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Einstellung des Leistungsbetriebs ist auch dem Betreiber des Kernkraftwerks überantwortet. Ist in einem konkreten Einzelfall zweifelhaft, ob die Bedingungen für die Einstellung des Betriebs vorliegen, so kommt der Entscheidung des Betreibers im Hinblick auf die Sanktionsregelungen besondere Bedeutung zu. Denn ist die Entscheidung des Betreibers für den Weiterbetrieb des Kernkraftwerks nach Maßgabe der nachträglichen Auflage unrichtig, so ist der Tatbestand des § 327 Abs. 1 Nr. 1 StGB bzw. § 46 Abs. 1 Nr. 3 AtG erfüllt. Kommt der Betreiber zu der Einschätzung, dass die in der nachträglichen Auflage geregelten Voraussetzungen für die Einstellung des Leistungsbetriebs gegeben sind, so hat er den Betrieb grundsätzlich einzustellen, während bei einem Vorgehen aufgrund der für diese Konstellationen im Gesetz vorgesehenen Bestimmung des § 19 Abs. 3 Satz 2 AtG eine behördliche Ermessensentscheidung zu treffen ist.

Wenn der Gesetzgeber mit § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AtG der Behörde eine Grundlage dafür schafft, den Betrieb eines Kernkraftwerks wegen einer - wesentlichen - Abweichung von der dem Betreiber erteilten Genehmigung vorläufig einzustellen und hierfür den Erlass eines auf den konkreten Einzelfall bezogenen und im Ermessen der Behörde stehenden - belastenden - Verwaltungsakt mit den hierfür typischen Anforderungen und rechtlichen Bindungen - Sachverhaltsklärung, Beweislast, Ermessensausübung und Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit - vorsieht, dürfen andere Ermächtigungsgrundlagen dieses Fachgesetzes - durch den behördlichen Erlass einer abstrakten Regelung - nicht in einer Weise gehandhabt werden, dass die für einen auf einen konkreten Einzelfall bezogenen Verwaltungsakt geltenden rechtlichen Bindungen zu Lasten des Betroffenen entfallen und insbesondere durch die Ausübung eines Vorabermessens ersetzt werden können.

Im Klageverfahren hat der Beklagte hiergegen vorgebracht, die Feststellung des Auseinanderfallens von Genehmigung und tatsächlichem Zustand sei in erster Linie dem Betreiber überantwortet. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Der mit ausreichendem Sachverstand ausgestatteten Genehmigungsbehörde sind die von ihr erteilten Genehmigungen bekannt. Zudem postuliert § 19 Abs. 1 Satz 1 AtG, dass die Errichtung, der Betrieb und der Besitz von Anlagen der in § 7 bezeichneten Art der staatlichen Aufsicht unterliegen. Nach Satz 2 haben die Aufsichtsbehörden insbesondere darüber zu wachen, dass nicht gegen die Bestimmungen des Bescheids über die Genehmigung verstoßen wird.

b) A I 2 der nachträglichen Auflage soll nach Wortlaut und Begründung diejenigen Fälle erfassen, in denen der "Nachweis der Störfallbeherrschung in Frage gestellt sein könnte". Liegt aber eine bestandskräftige atomrechtliche Genehmigung vor, so enthält diese die verbindliche Feststellung, dass eine genehmigungskonform errichtete und betriebene Anlage die atomrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen, wie z.B. die Beherrschung der Störfälle, erfüllt. Aufgrund dieser von den Behörden zu beachtenden Genehmigung darf ihr Adressat die kerntechnische Anlage im Rahmen der Genehmigung auch betreiben. Die Einstellung des durch die Genehmigung gedeckten Leistungsbetriebs kann von der Behörde nur dann verlangt werden, wenn die dafür im Atomgesetz genannten Voraussetzungen für eine konkrete Anordnung erfüllt sind. Treten z.B. nach der Erteilung der Genehmigung Anhaltspunkte für die Annahme auf, dass die Genehmigungsvoraussetzung der Beherrschung der Auslegungsstörfälle nicht mehr gewährleistet ist, so ist es Aufgabe der staatlichen Behörde, diesen Gefahrenverdacht durch eine konkrete Maßnahme aufzuklären. Im Klageverfahren ist der Beklagte selbst davon ausgegangen, die Regelung in A I 2 der Auflage falle in den Anwendungsbereich des § 19 Abs. 1 Satz 1 AtG ("Zustand, aus dem sich durch die Wirkung ionisierender Strahlen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sachgüter ergeben können"). Hierfür trifft die Behörde aber die Ermittlungs- und Beweislast. Die Maßnahme, die vom Betroffenen gerichtlich angegriffen werden kann, steht im Ermessen der Behörde und muss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Diese zu Gunsten des Inhabers der atomrechtlichen Genehmigung wirkenden rechtlichen Bindungen entfallen durch die abstrakte nachträgliche Auflage zu dessen Nachteil. Dies ist mit dem Gehalt der atomrechtlichen Genehmigung und den gesetzlichen Voraussetzungen für eine Beschränkung des durch die Genehmigung legalisierten Leistungsbetriebs der kerntechnischen Anlage nicht zu vereinbaren.

Im Übrigen sind die Vorstellungen des Beklagten zum Verhältnis der nachträglichen Auflage zu einer konkreten Verfügung aufgrund von § 19 Abs. 3 AtG recht unklar. Im vorläufigen Rechtsschutzverfahren hat der Beklagte vorgetragen, durch die Auflage werden (Verhaltens-) Pflichten begründet, die erst dann vom Betreiber beachtet werden müssten, wenn eine entsprechende Situation eingetreten sei. In diesem Fall sei es dann Aufgabe der Aufsichtsbehörde, im Rahmen ihrer staatlichen Überwachungsaufgaben nach § 19 Abs. 1 AtG einschließlich der im streitbefangenen Bescheid beschriebenen Obliegenheiten die notwendigen Maßnahmen zu treffen. Hierbei berücksichtigt der Beklagte nicht ausreichend, dass die Klägerin bereits aufgrund der nachträglichen Auflage unter bestimmten Voraussetzungen z.B. zur Einstellung des Leistungsbetriebs oder zur Vorlage eines "Projektplans" verpflichtet ist und es deshalb insoweit keiner weiteren aufsichtsrechtlichen Maßnahmen mehr bedarf.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zugelassen.

Beschluss vom 26. Februar 2007

Der Streitwert des Verfahrens wird auf 20.000,- EUR festgesetzt (§ 63 Abs. 2 Satz 1 und § 52 Abs. 1 GKG).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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