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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 26.02.2004
Aktenzeichen: 10 S 951/03
Rechtsgebiete: VwGO, BImSchG, 32. BImSchV, TA Lärm


Vorschriften:

VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3
BImSchG § 3 Abs. 1
32. BImSchV § 1
32. BImSchV § 7 Abs. 1 Satz 1
TA Lärm Nr. 6.7 Satz 1
TA Lärm Nr. 6.5
TA Lärm Nr. 6.4
TA Lärm Nr. 6.1
TA Lärm Nr. 2.10
Nr. 6.7 Satz 1 TA Lärm 1998 ist entsprechend anwendbar, wenn es nicht um das Aufeinandertreffen von ganzen Gebieten mit konfliktträchtiger Nutzung, sondern um die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze beim Konflikt der Nutzung einzelner Grundstücke geht.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

10 S 951/03

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Lärmimmissionen durch die Firma xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx GmbH & Co. KG

hier: Anträge auf Zulassung der Berufung

hat der 10. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schlüter und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Rudisile und Dr. Hartung

am 26. Februar 2004

beschlossen:

Tenor:

Die Anträge auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 05. Februar 2003 - 16 K 4544/00 - werden abgelehnt.

Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu gleichen Teilen.

Die Festsetzung des Streitwerts im Beschluss des Verwaltungsgerichts wird geändert. Der Streitwert für das Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht und für das Zulassungsverfahren wird auf jeweils 40.000.- EUR festgesetzt.

Gründe:

Vorab weist der Senat darauf hin, dass, sofern das Land nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO Klagegegner ist, nicht zusätzlich noch ein Staatliches Gewerbeaufsichtsamt Beklagter sein kann.

Die Anträge auf Zulassung der Berufung sind zulässig. Das Urteil ist den früheren Prozessbevollmächtigten der Kläger am 19.02.2003 zugestellt worden. Am 14.03.2003 haben die Kläger die Zulassung der Berufung beantragt und diese Anträge mit dem beim Verwaltungsgericht am selben Tag eingegangenen Schriftsatz vom 17.04.2003 (Antragsbegründung) begründet.

Die auf das Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, auf besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache, auf ihre grundsätzliche Bedeutung sowie auf das Vorliegen eines der Beurteilung des Berufungsgericht unterliegenden Verfahrensmangels gestützten Anträge auf Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1-3 und Nr. 5 VwGO) sind nicht begründet.

Nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils darzulegen. Es ist zwar in der Rechtsprechung anerkannt, dass auch nach Ablauf dieser Frist beim Berufungsgericht eingegangener Vortrag des die Berufungszulassung begehrenden Beteiligten zu berücksichtigen ist. Dies gilt aber nur für einen späteren Vortrag, der die fristgerecht vorgetragenen Zulassungsgründe lediglich näher erläutert oder verdeutlicht (vgl. OVG Koblenz, Beschl. v. 12.05.1998 - 12 A 12501/97 -, NVwZ 1999, 198; OVG Bremen, Beschl. v. 19.03.1998 - 1 BB 74/98 -, NordÖR 1999, 22 f.). Nach diesen Grundsätzen sind die nach Ablauf der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO beim Gericht eingegangen Schriftsätze der Kläger für den Zulassungsantrag nur beachtlich, wenn sie den Vortrag in der Antragsbegründung vom 17.04.2003 erläutern oder ergänzen. Dagegen sind sie nicht zu berücksichtigen, sofern mit ihnen erstmals rechtliche Erwägungen im Hinblick auf einzelne Zulassungsgründe vorgetragen werden.

1) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit einer Gerichtsentscheidung sind schon dann begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (BVerfG, Beschluss vom 23.06.2000 - 1 BvR 830/00 -, VBlBW 2000, 392, 393). Aus den in der Antragsbegründung dargelegten Gründen erweist sich die Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts aber nicht in diesem Sinne als ernstlich zweifelhaft.

a) In der Antragsbegründung wird im Hinblick auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend gemacht, die Ansicht des Verwaltungsgerichts, die Klage des Klägers Ziff. 3 sei wegen des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, sei hinsichtlich des Zeitraums von 20.00 bis 22.00 Uhr und von 06.00 bis 07.00 Uhr unrichtig.

Insoweit begegnet die Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts keinen ernstlichen Zweifeln. Denn die Annahme in der Antragsbegründung, das Verwaltungsgericht habe die Klage des Klägers Ziff. 3 wegen der - teilweise - dem Begehren der Kläger abhelfenden nachträglichen Anordnung des Gewerbeaufsichtsamtes Heilbronn vom 21.12.2000 insgesamt als unzulässig angesehen, trifft nicht zu. Durch die - auch in der Antragsbegründung wiedergegebene - Bezugnahme auf S. 9 letzter Absatz und S. 10 erster Absatz des Urteilsabdrucks auf den Regelungsgehalt der erwähnten nachträglichen Anordnung ("insoweit unzulässig (geworden)"; "Insoweit hat der Beklagte") hat das Verwaltungsgericht zu erkennen gegeben, dass sich die - rechtlich zutreffende - Erwägung, dem Kläger Ziff. 3 fehle hinsichtlich dieser nachträglichen Anordnung das Rechtsschutzbedürfnis, auf den Regelungsgehalt dieser Anordnung auch in zeitlicher Hinsicht (Nachtzeit: 22 Uhr bis 6 Uhr) beschränkt. Die von den Klägern in der Antragsbegründung dem Verwaltungsgericht unterstellte Ansicht, die Klage des Klägers Ziff. 3 sei wegen der nachträglichen Anordnung auch hinsichtlich des Zeitraums von 20.00 bis 22.00 Uhr und von 6.00 bis 7.00 Uhr unzulässig, kann den Ausführungen auf S. 9 f. des Urteilsabdrucks gerade nicht entnommen werden.

b) Im Hinblick auf die Begründetheit der Verpflichtungsklagen wird in der Antragsbegründung beanstandet, das Verwaltungsgericht habe bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsschwelle für die von den Klägern hinzunehmenden Geräuschimmissionen zu Unrecht ausschließlich auf die TA Lärm 1998 abgestellt, ohne die Anwendung der 32. BImSchV zu prüfen, in der u.a. die Nachtzeit an Werktagen als von 20.00 Uhr bis 7.00 Uhr bestehend angesehen werde (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 32. BImSchV).

Auch in Bezug auf dieses Vorbringen begegnet die Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils keinen ernstlichen Zweifeln. Wie § 1 Abs. 1 1. Halbs. 32. BImSchV zu entnehmen ist, dient diese Verordnung der Umsetzung der Richtlinie 2000/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Mai 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über umweltbelastende Geräuschemissionen von zur Anwendung im Freien vorgesehenen Geräten und Maschinen. Die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallenden Geräte und Maschinen sind im Anhang der 32. BImSchV aufgeführt. Es ist nicht innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt, dass die von der Beigeladenen betrieblich genutzten Maschinen den in der Anlage der 32. BImSchV aufgeführten - und zur Verwendung im Freien vorgesehenen - Geräten und Maschinen zuzuordnen sind. Auch ist nicht innerhalb dieser Frist erläutert worden, dass hinsichtlich des Betriebsgrundstücks der Beigeladenen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 32. BImSchV erfüllt sind. Denn hier wird lediglich geregelt, dass in reinen, allgemeinen und besonderen Wohngebieten, Kleinsiedlungsgebieten, Sondergebieten, die der Erholung dienen, Kur- und Klinikgebieten und Gebieten für die Fremdenbeherbergung nach den §§ 2, 3, 4, 4a, 10 und 11 Abs. 2 der Baunutzungsverordnung sowie auf dem Gelände von Krankenhäusern und Pflegeanstalten im Freien Geräte und Maschinen nach dem Anhang an Sonn- und Feiertagen ganztägig sowie an Werktagen in der Zeit von 20.00 Uhr bis 7.00 Uhr nicht betrieben werden dürfen. Es wird in der Antragsbegründung gerade nicht dargelegt, dass das Grundstück der Beigeladenen einem dieser Gebiete zuzuordnen ist.

c) Auch die Richtigkeit der Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Bestimmung der nachts einzuhaltenden Immissionsrichtwerte begegnet keinen ernstlichen Zweifeln.

Das Verwaltungsgericht hat zunächst die Grundsätze für die Festlegung eines Immissionsrichtwertes in einer sog. gebietsbezogenen Gemengelage (Nr. 6.7 der TA Lärm) auf den Fall der Beeinträchtigung von dem Wohnen dienenden Grundstücken durch gewerblich oder industriell genutzte Grundstücke (grundstücksbezogene Gemengelage) übertragen. Dieser Ansatz ist in der Antragsbegründung im Zusammenhang mit den Ausführungen zum Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (S. 3 - 8) nicht angegriffen worden. Erst im Zusammenhang mit dem Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nimmt die Antragsbegründung zu dieser Vorgehensweise des Verwaltungsgerichts Stellung (S. 12). Selbst wenn diese Darlegungen vom Gericht entgegen dem Vortrag der Kläger auch als Vorbringen hinsichtlich des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gewertet werden, ist die Berufung nicht zuzulassen. Denn die Vorgehensweise des Verwaltungsgerichts begegnet keine ernstlichen Zweifeln. Eine Gemengelage ist durch das bereits vorhandene Nebeneinander konfliktträchtiger Nutzungen geprägt. Dieses Aufeinandertreffen hat zwangsläufig zur Folge, dass sich das regelhaft vorgegebene Zumutbarkeitsmaß in dem einen Gebiet erhöht und in dem anderen vermindert (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.02.2003 - 4 BN 5.03 -, juris, m.w.Nachw.). Diese Vorgehensweise ist aber auch geboten, wenn es nicht um das Aufeinandertreffen von Gebieten, sondern um die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze beim Konflikt der Nutzung einzelner Grundstücke geht. Die weitere Annahme des Verwaltungsgerichts, der Betrieb der Beigeladenen sei für ein Gewerbebetrieb typisch, ist in der Antragsbegründung nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise in Frage gestellt worden. Inhaltlich werden die Ausführungen in der Antragsbegründung zur Bestimmung des Immissionsrichtwertes im Rahmen des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO der Argumentation des Verwaltungsgerichts nicht gerecht. Denn das Verwaltungsgericht hat - trotz erheblicher Zweifel an der Richtigkeit der Einstufung ihrer Grundstücke durch die Kläger Ziff. 1 und 2 (Kurgebiet) - zugunsten dieser Kläger diese Bewertung zugrundegelegt, hat aber im Hinblick auf die entsprechend angewendete Regelung der Nr. 6.7 TA Lärm wegen des Einwirkungsbereichs des gewerbegebietstypischen Betriebs der Beigeladenen den nächtlichen Immissionsrichtwert auf 40 dB(A) erhöht. Die Darlegungen in der Antragsbegründung hierzu gehen an den Überlegungen des Verwaltungsgerichts vorbei. Denn die Ausführungen übersehen, dass nach Nr. 6.7 Satz 1 TA Lärm der geeignete Mittelwert unter Berücksichtigung der für die aneinandergrenzenden Gebietskategorien geltenden Werte zu bestimmen ist. Wird zugunsten der Kläger entsprechend dem Ansatz des Verwaltungsgerichts unterstellt, es handele sich beim Grundstück der Beigeladenen um ein einem Gewerbegebiet entsprechendes Grundstück, so ist bei der Bildung des Zwischenwertes nach Nr. 6.7 Satz 1 TA Lärm hinsichtlich des Grundstücks der Beigeladenen von einem Richtwert von nachts 50 dB(A) auszugehen. Die Ausführungen auf S. 8 f. des Schriftsatzes vom 17.04.2003 lassen auf die unzutreffende Annahme der Kläger schließen, bei der Anwendung der Nr. 6.7 Satz 1 TA Lärm komme allein die Bildung eines Zwischenwertes zwischen dem für Kurgebiete und reine Wohngebiete maßgeblichen Wert von nachts 35 dB(A) und dem nächst höheren, für allgemeine Wohngebiete und Kleinsiedlungsgebiete geltenden Wert von 40 dB(A) in Betracht. Bei der Festlegung des Zwischenwertes nach 6.7 TA Lärm sind aber die für die jeweils betroffenen Gebiete der Gemengelage geltenden Richtwerte heranzuziehen.

Im Rahmen der Darlegungen zum Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO finden sich in der Antragsbegründung auch Ausführungen zu Nr. 6.5 TA Lärm und der Vorwurf, das Verwaltungsgericht habe sich mit dem danach erhöhten Schutzbedarf der Kläger - "Lästigkeitszuschlag" von 6 dB(A) an Werktagen in der Zeit von 6.00 bis 7.00 Uhr bzw. von 20.00 bis 22.00 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen in der Zeit von 6.00 bis 9.00 Uhr, 13.00 bis 15.00 Uhr und 20.00 bis 22.00 Uhr - nicht befasst. Selbst wenn dieser Vortrag entgegen der Systematik des Schriftsatzes vom 17.04.2003 als Darlegung in Bezug auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gewertet wird, ergeben sich aus ihm keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Denn Nr. 6.5 TA Lärm bezieht sich nicht auf die Immissionsrichtwerte im Sinne von Nr. 6.1 TA Lärm, die vom Verwaltungsgericht herangezogen worden sind, sondern regelt lediglich einen Zuschlag bei der Ermittlung des Beurteilungspegels wegen der zu bestimmten Zeiten bestehenden erhöhten Störwirkung von Geräuschen. Nach Nr. 2.10 TA Lärm wird der Beurteilungspegel aus dem Mittelungspegel des zu beurteilenden Geräusches und ggfs. aus Zuschlägen (z.B. nach Nr. 6.5 TA Lärm) gebildet und dient der Kennzeichnung der mittleren Geräuschbelastung während jeder Beurteilungszeit. Nach Nr. 2.10 Satz 2 TA Lärm ist dieser Wert für die Überprüfung maßgeblich, ob die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 TA Lärm eingehalten werden, nicht aber für die Berechnung der Richtwerte auch nach Maßgabe von Nr. 6.7 TA Lärm.

In der Antragsbegründung wird ferner die Erwägung des Verwaltungsgerichts angegriffen, bei der Bestimmung des Lärmschutzniveaus i.S.v. § 3 Abs. 1 BImSchG sei auch der Umstand zu berücksichtigen, dass sich der Betrieb der Beigeladenen vor über 100 Jahren und damit vor der Bebauung der Grundstücke der Kläger Ziff. 1 und 2 angesiedelt habe. Insoweit begegnet die Richtigkeit des Urteils ebenfalls keinen ernstlichen Zweifeln. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, kann hinsichtlich der Festlegung der Zumutbarkeitsschwelle auch darauf abgestellt werden, welche der beiden miteinander unverträglichen Nutzungen zuerst verwirklicht wurde (BVerwG, Urt. v. 19.01.1989 - 7 C 77.87 -, BVerwGE 81, 197, 206; Beschl. v. 23.10.2000 - 7 B 71.00 -, DVBl 2001, 642-644).

2) Entgegen dem Vorbringen in der Antragsbegründung weist die Rechtssache hinsichtlich der Feststellung der konkreten Schutzbedürftigkeit der klägerischen Grundstücke, hinsichtlich des Vorliegens einer Gemengelage und hinsichtlich der Bedeutung der Polizeiverordnung der Stadt Bad Mergentheim vom 19. Dezember 1996 keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Insbesondere deutet der das übliche Maß nicht übersteigende und sachgerechte Begründungsaufwand des erstinstanzlichen Urteils (vgl. BVerfG, Beschl. v. 28.03.2000 - 1 BvR 830/00 -, a.a.O.) darauf hin, dass solche Schwierigkeiten nicht gegeben sind.

Im Hinblick auf die im Zusammenhang mit dem Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufgeworfene Frage nach der Schutzbedürftigkeit des Gebiets, in dem die Grundstücke der Kläger Ziff. 1 und 2 liegen, ist zudem darauf zu verweisen, dass das Verwaltungsgericht bei der entsprechenden Anwendung der Regelung der Nr. 6.7 TA Lärm auf benachbarte Grundstücke zugunsten dieser Kläger vom niedrigsten, für Kurgebiete und reine Wohngebiete geltenden Immissionsrichtwert nachts von 35 dB(A) ausgegangen ist. Ferner kommt es auf die von den Klägern im Bereich des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufgeworfene Frage, ob der Betrieb der Beigeladenen gewerbegebietstypisch oder industriegebietstypisch ist, für die entscheidungserhebliche Frage, welche Immissionsrichtwerte nachts vom Betrieb der Beigeladenen einzuhalten sind, nicht an. Denn die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Betrieb der Beigeladenen sei für ein Gewerbebetrieb typisch, wirkt zugunsten der Kläger. Müsste bei der Bildung des Zwischenwertes nach Nr. 6.7 Satz 1 TA Lärm der für ein Industriegebiet maßgebliche Immissionsrichtwert eingestellt werden, so wäre von einem Richtwert von 70 dB(A) auszugehen (Nr. 6.1 a TA Lärm).

3) Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

Als grundsätzlich klärungsbedürftig sehen die Kläger die Fragen an, ob die Polizeiverordnung der Stadt Bad Mergentheim vom 19. Dezember 1996 wirksam ist und insbesondere im Hinblick auf die dort bezeichneten erweiterten Nachtruhezeiten über die TA Lärm 1998 hinausgehende Ansprüche auf immissionsschutzrechtliches Einschreiten vermitteln kann.

Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, bisher höchst- oder obergerichtlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist. Die Entscheidung muss aus Gründen der Rechtssicherheit, der Einheit der Rechtsordnung oder der Fortbildung des Rechts im allgemeinen Interesse liegen, was gegeben ist, wenn die klärungsbedürftige Frage mit Auswirkungen über den Einzelfall hinaus in verallgemeinerungsfähiger Form beantwortet werden kann (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 124, Rn. 10).

Die Wirksamkeit der Polizeiverordnung der Stadt Bad Mergentheim vom 19. Dezember 1996 als solche ist keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung in diesem Sinne. Denn andernfalls wäre in jedem Fall, in dem das Verwaltungsgericht von der Nichtigkeit einer untergesetzlichen Rechtsnorm ausgegangen ist und in dem wegen des Rangs dieser Norm keine Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 1 GG besteht, allein im Hinblick auf den Umstand, dass diese Norm nicht nur auf den konkret entschiedenen Fall, sondern auch noch auf andere Betroffene Anwendung finden soll, die Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Diese Auslegung würde aber dem Zweck der Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht gerecht. Maßgeblich ist vielmehr, ob das Verwaltungsgericht im Zusammenhang der Prüfung der Wirksamkeit der Polizeiverordnung vom 19. Dezember 1996 rechtliche Erwägungen angestellt hat, die für sich genommen die oben genannten Kriterien einer Frage von grundsätzlicher Bedeutung erfüllen. In der Antragsbegründung wird aber nicht dargelegt, dass die rechtlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts zur Wirksamkeit der Polizeiverordnung der Stadt Bad Mergentheim solche Fragen aufwerfen.

Die von den Klägern im Hinblick auf § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ferner genannte Frage, ob die Polizeiverordnung der Stadt Bad Mergentheim vom 19. Dezember 1996 insbesondere im Hinblick auf die dort bezeichneten erweiterten Nachtruhezeiten über die TA Lärm 1998 hinausgehende Ansprüche auf immissionsschutzrechtliches Einschreiten vermitteln kann, ist ebenfalls keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern bezieht sich auf die rechtliche Würdigung eines konkreten Einzelfalls.

4) Schließlich ergibt sich aus der Antragsbegründung nicht, dass dem Verwaltungsgericht ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensfehler unterlaufen ist, auf dem das Urteil beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zum Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ist in der Regel davon auszugehen, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 02.12.1969, BVerfGE 27, 248, 252; Beschluss vom 15.04.1980, BVerfGE 54, 43, 46; BVerfGE 86, 133, 146; BVerwG, Beschl. v. 25.11.1999 - 9 B 70.99 -, Buchholz 310 § 138 Ziff. 3 VwGO Nr. 64). Das Gericht ist nämlich nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen (BVerfG, Beschluss vom 01.02.1978, BVerfGE 47, 182, 187; BVerfGE 96, 205, 216 f.; 1. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 01.03.2000 - 2 BvR 2120/99 -, NVwZ 2001, 67, 68). Eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör kann deshalb - ausnahmsweise - nur dann festgestellt werden, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls deutlich ergibt, dass das Gericht tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten zu einem nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts entscheidungserheblichen Aspekt überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (BVerfG, Beschluss vom 02.12.1969, a.a.O.; Beschluss vom 01.02.1978, a.a.O.). Ob das Verwaltungsgericht verfahrensfehlerhaft gehandelt hat, ist stets aus dem Blickwinkel seines materiellrechtlichen Standpunkts zu beurteilen, unabhängig davon, ob dieser vom Berufungsgericht geteilt wird.

Hieran gemessen liegt eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör nicht vor. In der Antragsbegründung wird im Hinblick auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO geltend gemacht, das Verwaltungsgericht sei im Rahmen seiner Ausführungen zu der zugunsten der Beigeladenen angenommenen Gemengelage zu Unrecht davon ausgegangen, die Grundstücke der Beigeladenen und die der Kläger Ziff. 1 und 4 grenzten aneinander; tatsächlich seien aber die Wohnung des Klägers Ziff. 1 300 m und das Grundstück der Klägerin Ziff. 4 80 m vom Betrieb der Beigeladenen entfernt. Im Hinblick auf diesen Vortrag kann eine Verletzung des Rechts der Kläger auf rechtliches Gehör nicht festgestellt werden. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht die Lage der Grundstücke der Beigeladenen und die der Kläger im Tatbestand seines Urteils wiedergegeben hat. Zum anderen kommt es für die Anwendbarkeit der Regelung der Nr. 6.7 TA Lärm (Gemengelage) auf den hinsichtlich der Beteiligten gegebenen Fall des Aufeinandertreffens konfliktträchtiger Nutzungen auf die Frage, ob die Grundstücke unmittelbar aneinandergrenzen, nicht entscheidend an. Bei der Frage, inwieweit eine - schutzwürdige - Nutzung eines Grundstücks von einem anderen Grundstück ausgehende Lärmimmissionen hinzunehmen hat, ist das Ausmaß dieser Immissionen entscheidend, nicht dagegen, ob die betreffenden Grundstücke unmittelbar aneinandergrenzen. Nr. 6.7 TA Lärm dient dazu, bei einem Nebeneinander konfliktträchtiger Nutzungen das nach § 3 Abs. 1 BImSchG erforderliche Schutzniveau unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls durch wertenden Ausgleich festzulegen. Der gesamte Vortrag der Kläger belegt aber, dass eine solche Konfliktsituation zwischen den Grundstücken der Beteiligten ungeachtet des Umstandes besteht, dass diese nicht unmittelbar aneinandergrenzen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Da die Beigeladene einen Sachantrag gestellt hat, entspricht es der Billigkeit, dass die im Verfahren unterlegenen Kläger auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen (§ 162 Abs. 3 und § 154 Abs. 3 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren beruht auf § 25 Abs. 2, § 14 Abs. 1 und 3 und § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 5 ZPO in entsprechender Anwendung. Der Senat orientiert sich dabei an den Empfehlungen in Abschnitt II Nr. 16.2 und II Nr. 1.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in seiner jüngsten Fassung von 1996 (NVwZ 1996, 563). Danach ist bei einer Klage eines drittbetroffenen Privaten ein Betrag von 10.000,- EUR anzusetzen. Bei Anlegung dieser Bemessungsgrundsätze beträgt der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren ebenfalls 40.000,- EUR (4 x 10.000,- EUR). Die hiervon abweichende Streitwertfestsetzung im Beschluss des Verwaltungsgerichts ändert der Senat in Ausübung seiner Befugnis nach § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG ab.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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