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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 03.08.2009
Aktenzeichen: 11 S 1056/09
Rechtsgebiete: AufenthG, GG, VwGO


Vorschriften:

AufenthG § 7 Abs. 1 Satz 2
AufenthG § 9 Abs. 1
AufenthG § 81
AufenthG § 84 Abs. 1 Nr. 1
GG Art. 6
VwGO § 80 Abs. 5
1. Begehrt ein anwaltlich nicht vertretener Ausländer, der sich bereits mehrere Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, auf einem amtlichen Vordruck "Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis" mit handschriftlichem Zusatz die "unbefristete" Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis, zielt sein Antrag in erster Linie auf die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis und nur hilfsweise auf die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis.

2. Das Ziel eines Antrags auf Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis wird durch die Aufenthaltszwecke und den Lebenssachverhalt, aus denen der Ausländer seinen Anspruch herleitet, bestimmt und begrenzt. Die Entscheidung der Ausländerbehörde über diesen Antrag i. S. der § 81 Abs. 3 und 4, § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ist entsprechend beschränkt. Gegen ihre Vollziehbarkeit kann folglich grundsätzlich kein vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO für einen Aufenthaltszweck gewährt werden, der nicht Ziel des Antrags bis zur Ablehnungsentscheidung war.

3. Für einen anderen Aufenthaltszweck ist ein neuer Aufenthaltserlaubnisantrag zu stellen. Löst dieser Antrag keine Fiktionswirkung i. S. des § 81 Abs. 3 oder 4 AufenthG mehr aus, kann vorläufiger gerichtlicher Rechtsschutz zur Sicherung des damit verfolgten Anspruchs vor der Entscheidung der Ausländerbehörde und im Falle einer Ablehnung des Antrags nur noch durch eine einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO gewährt werden (hier im Falle eines "nachgeschobenen" familiären Aufenthaltszwecks).


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

11 S 1056/09

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Aufenthaltserlaubnis und Abschiebungsandrohung;

hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hat der 11. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

am 3. August 2009

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 8. April 2009 - 8 K 4050/08 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert des Verfahrens in beiden Rechtszügen wird - unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen - auf jeweils 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller, ein lediger togoischer Staatsangehöriger, stellte am 24.04.2001 einen Asylantrag. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (heute Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) - Bundesamt - stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich der Republik Togo vorliegen und lehnte den Antrag im übrigen ab. Die Hansestadt Stralsund erteilte dem Antragsteller daraufhin am 30.08.2001 eine befristete Aufenthaltsbefugnis, deren Geltungsdauer nach dem im September 2001 erfolgten Umzug des Antragstellers nach Baden-Württemberg wiederholt verlängert wurde, zuletzt als Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG bis zum 29.08.2008.

Der Antragsteller ist Vater eines im April 2002 in Stralsund geborenen Sohnes. Die Mutter ist togoische Staatsangehörige. Ihr Asylantrag blieb erfolglos. Das Bundesamt erkannte aber dem gemeinsamen Kind im Juli 2005 die Flüchtlingseigenschaft zu. Das Kind besitzt seither eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG, deren Geltungsdauer zuletzt bis zum 10.07.2011 verlängert wurde. Der Antragsteller hat seine Vaterschaft im November 2001 anerkannt und im September 2002 mit der Mutter die gemeinsame elterliche Sorge übernommen. Anträge der Mutter auf Umverteilung nach Baden-Württemberg und Wohnsitznahme beim Antragsteller in den Jahren 2002 und 2003 blieben erfolglos. Der Antragsteller wohnt seit 2006 in xxxxxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxx. Sein Kind lebt mit der Mutter nach einem vorübergehenden Aufenthalt in Frankreich und xxxx derzeit in xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx.

Mit Bescheid vom 08.02.2008, bestandskräftig seit 08.04.2008, widerrief das Bundesamt die für den Antragsteller getroffene Feststellung über das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 AuslG und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vorliegen.

Am 24.07.2008 reichte der Antragsteller beim Ordnungsamt der Antragsgegnerin einen handschriftlich ausgefüllten und mit Datum vom 23.07.2008 unterschriebenen amtlichen Vordruck "Antrag auf Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis (AufenthG)" ein. Darin ist in der Rubrik "Zweck des weiteren Aufenthalts" die vorgedruckte Alternative "völkerrechtliche, humanitäre, politische Gründe" angekreuzt, nicht jedoch die Alternative "Familiennachzug". Zum "Familienstand" sind die Rubriken "ledig" sowie "getrennt lebend" angekreuzt mit dem handschriftlichen Zusatz "seit 3 Jahre". In der Rubrik "Kinder" ist handschriftlich ausgefüllt: "1 KINDER xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx WOHNT IN FRANKREICH MIT SEINE MUTTER UND DIE NEU (FATHER) FAMILY". Auf der Rückseite des Vordrucks sind im Anschluss an den Text "Ich beantrage die Aufenthaltserlaubnis" die Alternativen "für ? Tage", "für ? Monat(e)" und "für ? Jahr(e)" nicht ausgefüllt. Stattdessen findet sich dort der handschriftliche Zusatz "UNBEFRISTET".

Nachdem das Ordnungsamt angekündigt hatte, die wegen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erteilte Aufenthaltserlaubnis wegen des Widerrufs des Bundesamtes nicht mehr zu verlängern, beantragte die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers Akteneinsicht. Sie kündigte eine ausführliche Stellungnahme an und wies darauf hin, der Antragsteller sei seit "fast drei Jahren in der BRD" und er sei "in dieser Zeit auch fast fünf Jahre" erwerbstätig gewesen und habe entsprechende Zahlungen zur Rentenversicherung geleistet. Derzeit sei er unverschuldet arbeitslos. Jedenfalls sei eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen zu erteilen. Mitte September 2009 wurde Akteneinsicht gewährt. Eine weitere Stellungnahme ging nicht ein.

Mit Verfügung vom 13.10.2008 lehnte die Antragsgegnerin den "Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis" ab und drohte dem Antragsteller für den Fall, dass er nicht bis zum 25.11.2008 ausgereist sei, die Abschiebung nach Togo an. Mit seinem am 21.10.2008 eingelegten Widerspruch brachte der Antragsteller vor: Die Aufenthaltsbeendigung bedeute eine außergewöhnliche Härte. Zudem wäre die Beendigung seines Aufenthalts mit Art. 6 Abs. 1 und 2 GG unvereinbar. Er sei sorgeberechtigter Vater eines aufenthaltsberechtigten Kindes. Er habe regelmäßig persönlich und telefonisch Kontakt zu seinem Kind, zuletzt am 06.12.2008. Er habe mit seiner früheren Lebensgefährtin vereinbart, dass es die Weihnachtstage bei ihm verbringe. Er bemühe sich, ein noch engeres "Umgangsrecht" zu vereinbaren. Außerdem habe er in Deutschland kontinuierlich gearbeitet und er erfülle die Voraussetzungen für eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG.

Am 12.12.2008 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Karlsruhe beantragt, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs anzuordnen. Mit Beschluss vom 08.04.2009 hat das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt. Der Widerspruch biete keine Aussicht auf Erfolg. Die Voraussetzungen nach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG oder nach § 104 a Abs. 1 AufenthG seien nicht erfüllt. Gleiches gelte für § 36 Abs. 1 AufenthG. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG i. V. m. Art. 6 Abs. 1 und 2 GG scheide aus, weil von einer rechtlich schützenswerten familiären Lebensgemeinschaft zwischen dem Antragsteller und seinem Kind nach den sich aus den Akten ergebenden Erkenntnissen nicht auszugehen sei. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.

Wegen der Einzelheiten wird auf die dem Senat vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten und die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

II.

Die zulässige (§§ 146, 147 VwGO) Beschwerde ist nicht begründet. Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat grundsätzlich beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), gebieten es nicht, den angegriffenen Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern. Der Senat kann deshalb offen lassen, ob der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO, wie vom Verwaltungsgericht angenommen, insgesamt statthaft und auch sonst zulässig ist. Mögliche Bedenken in Bezug auf den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Ablehnung des "Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis" in der Verfügung der Antragsgegnerin vom 13.10.2008 (siehe nachfolgend), sind für die Entscheidung über die Beschwerde daher nicht erheblich.

Soweit der Antragsteller sich auf ein mögliches Abschiebungsverbot wegen seines über achtjährigen Aufenthalts und seine Integration im Bundesgebiet beruft, kann die Beschwerde schon deshalb keinen Erfolg haben, weil seine Beschwerdebegründung insoweit unsubstantiiert und unschlüssig ist. Er legt nicht - wie nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO geboten - in Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Beschluss dar, warum die Richtigkeit der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts in dieser Hinsicht rechtlichen Bedenken unterliegt. Insbesondere fehlt es an substantiiertem Tatsachenvortrag zu einer - nicht nur familiär bedingten - "Verwurzelung" des Antragstellers im Bundesgebiet und einer "Entwurzelung" in seinem Heimatstaat Togo, die im Blick auf das Recht auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK ein Abschiebungsverbot i. S. des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG begründen oder - vorrangig (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.01.2009 - 1 C 40.07 - DVBl. 2009, 650) - zu einer außergewöhnlichen Härte i. S. des § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG führen könnten. Ungeachtet dessen behauptet der Antragsteller schon selbst nicht, dass diese Voraussetzungen erfüllt sind. Er rügt lediglich, die Antragsgegnerin habe das "nicht geprüft". Die Unterlassung einer solchen Prüfung führt für sich genommen aber nicht zur Rechtswidrigkeit der Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 4 Satz 2 oder Abs. 5 Satz 1 AufenthG, da der Behörde in Bezug auf das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschriften kein Ermessen eröffnet ist.

Die Beschwerde kann aber auch keinen Erfolg haben, soweit sie unter Vertiefung des Vorbringens in erster Instanz darlegt, warum entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts eine nach Art. 6 Abs. 1 und 2 GG geschützte familiäre Lebensgemeinschaft zwischen dem Antragsteller und seinem fünfjährigen Sohn bestehe, welche die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gebiete. Darauf kommt es im vorliegenden Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht an, weil der Antragsteller mit diesem Vortrag einen Aufenthaltszweck geltend macht, der nicht Gegenstand der Ablehnungsentscheidung in der angefochtenen Verfügung vom 13.10.2008 ist, deren Vollziehbarkeit im Streit steht.

Das Ziel eines Antrags auf Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis (§§ 7, 8 AufenthG) wird durch die Aufenthaltszwecke und den Lebenssachverhalt, aus denen der Ausländer seinen Anspruch herleitet, bestimmt und b e g r e n z t , weil das Aufenthaltsgesetz strikt zwischen den in den Abschnitten 3 bis 7 seines Kapitels 2 genannten Aufenthaltszwecken trennt (vgl. <zum Klageantrag> BVerwG, Urteil vom 04.09.2007 - 1 C 43.06 - BVerwGE 129, 226). Die Entscheidung der Ausländerbehörde über diesen Antrag i. S. der §§ 81 Abs. 3 und 4, 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ist entsprechend beschränkt. Legt der Ausländer ohne weitere Eingrenzung einen Lebenssachverhalt dar, der einem oder mehreren in den Abschnitten 3 bis 7 des Kapitels 2 des Aufenthaltsgesetzes genannten Aufenthaltszwecke zuzuordnen ist, ist sein Antrag nach jeder bei Würdigung des vorgetragenen Lebenssachverhalts in Betracht kommenden Vorschrift des betreffenden Abschnitts zu beurteilen (vgl. BVerwG, Urt. v. 04.09.2007, a. a. O. <zu humanitären und familiären Gründen i. S. des Abschnitts 5 des Kapitels 2, §§ 22 ff. und §§ 27 ff. AufenthG>). Stützt ein anwaltlich vertretener Ausländer sein Begehren ausdrücklich auf eine einzelne Rechtsgrundlage des Aufenthaltsgesetzes und legt auch der unterbreitete Lebenssachverhalt nicht nahe, dass weitere Rechtsgrundlagen in Betracht kommen, so ist der Gegenstand des Antrags entsprechend begrenzt (vgl. Senatsbeschluss vom 28.04.2008 - 11 S 683/08 - VBlBW 2008, 490 m. w. N.). Es ist dem Ausländer folglich grundsätzlich verwehrt, mit einem Rechtsbehelf gegen die Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis einen (neuen) Aufenthaltszweck geltend zu machen, der bis zum Erlass der Ablehnungsentscheidung noch nicht Gegenstand seines Antragsbegehrens war (Senatsbeschluss vom 12.09.2002 - 11 S 636/02 - NVwZ-RR 2003, 236 m. w. N.), was selbst dann der Fall sein kann, wenn der nach der Ablehnung des Antrags erstmals geltend gemachte Aufenthaltszweck nach der gleichen Rechtsvorschrift zu beurteilen ist wie der Aufenthaltszweck im vorangegangenen Verwaltungsverfahren (vgl. Senatsbeschluss vom 28.04.2008, a. a. O., m. w. N.). Folglich kann auch gegen die Vollziehbarkeit der Ablehnung eines Antrags auf Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis (§ 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) grundsätzlich kein vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO für einen Aufenthaltszweck gewährt werden, der nicht Ziel des Antrags bis zur Ablehnungsentscheidung war. Für einen anderen Aufenthaltszweck ist ein neuer Aufenthaltserlaubnisantrag zu stellen. Löst dieser Antrag keine Fiktionswirkung i. S. des § 81 Abs. 3 oder 4 AufenthG mehr aus, kann vorläufiger gerichtlicher Rechtsschutz zur Sicherung des damit verfolgten Anspruchs vor der Entscheidung der Ausländerbehörde und im Falle einer Ablehnung des Antrags nur noch durch eine einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO gewährt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 20.11.2007 - 11 S 2364/07 - VBlBW 2008, 306).

Bei der Auslegung eines - nicht formbedürftigen - Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels (§ 81 Abs. 1 AufenthG) sind die für die Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts geltenden Rechtsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB) anzuwenden. Danach kommt es nicht auf den inneren Willen des Erklärenden, sondern darauf an, wie seine Erklärung aus der Sicht des Empfängers bei objektiver Betrachtung zu verstehen ist. Dabei tritt der Wortlaut hinter Sinn und Zweck der Erklärung zurück. Maßgebend ist der geäußerte Wille des Erklärenden, wie er aus der Erklärung und sonstigen Umständen für den Erklärungsempfänger erkennbar wird. Maßgeblich ist daher, wie die Ausländerbehörde den Antrag unter Berücksichtigung aller ihr erkennbaren Umstände und der Mitwirkungspflicht des Ausländers (§ 82 Abs. 1 AufenthG) nach Treu und Glauben zu verstehen hat. Dabei muss sich die Auslegung auf die schriftlichen und mündlichen Erklärungen des Ausländers in ihrer Gesamtheit und das mit ihnen erkennbar verfolgte Ziel beziehen. Bei der Ermittlung des wirklichen Willens ist nach anerkannter Auslegungsregel zugunsten eines anwaltlich nicht vertretenen Ausländers davon auszugehen, dass er den Antrag stellen will, der nach Lage der Sache seinen Belangen entspricht und gestellt werden muss, um das erkennbar angestrebten Ziel zu erreichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.12.2001 - 8 C 17.01 - NJW 2002, 1137 <1139> m. w. N.).

Gemessen daran zielt der i. S. des § 81 Abs. 4 AufenthG "rechtzeitig" - also vor Ablauf der Aufenthaltserlaubnis - gestellte Antrag vom 24.07.2008 nach dem vom Antragsteller auf dem amtlichen Vordruck unterbreiteten Lebenssachverhalt bei der gebotenen Auslegung entsprechend §§ 133, 157 BGB in erster Linie auf die Erteilung eines unbefristeten nationalen Daueraufenthaltsrechts, also der zweckfreien Niederlassungserlaubnis (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, § 9 AufenthG). Dies ergibt sich zweifelsfrei aus dem handschriftlichen Zusatz "UNBEFRISTET" am Ende der Rückseite des amtlichen Antragsvordrucks. Damit hat der Antragsteller klar und für den Senat unzweideutig zum Ausdruck gebracht, dass es ihm um ein unbefristetes Aufenthaltsrecht geht. Dass er dafür den amtlichen Vordruck für die "Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis" benutzt hat, ist in Anbetracht dieser klaren individuellen Aussage für die Auslegung des Antrags unwesentlich. Der Antrag auf Erteilung eines bestimmten Aufenthaltstitels ist nicht an eine (Schrift-)Form gebunden. Ein Vordruckzwang besteht allenfalls für Aufenthaltstitel (§ 78 Abs. 1 AufenthG). Die Auslegung als Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis entspricht nach Lage der Dinge auch den für die Ausländerbehörde objektiv erkennbaren Belangen des Antragstellers. Denn im Hinblick darauf, dass der Antragsteller sich im Zeitpunkt der Antragstellung (24.07.2008) seit dem 24.04.2001 aufgrund seiner Aufenthaltsgestattung (§ 55 Abs. 1 AsylVfG) und der nachfolgenden Aufenthaltsbefugnis (§ 70 Abs. 1 AsylVfG), die seit dem Jahr 2005 als Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG fort gilt (§ 101 Abs. 2 AufenthG), sowie der zwischenzeitlichen Erlaubnis- und Fortbestandsfiktionen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AuslG, § 81 Abs. 4 AufenthG) mehr als sieben Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, ist insbesondere die Erteilung einer humanitären Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG in Betracht zu ziehen, und zwar auch ungeachtet des Wegfalls der Flüchtlingsanerkennung (vgl. Senatsbeschluss vom 29.05.2007 - 11 S 2093/06 - EZaR-NF Nr. 5). Anhaltspunkte dafür, dass es dem Antragsteller daneben - auch - um die mit einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4, § 9a AufenthG) verbundenen spezifischen Vorteile (Freizügigkeit in der EU) ging, sind seinem Antrag jedoch nicht zu entnehmen.

Zum anderen ist der Antrag unter Berücksichtigung des im Antragsvordruck für die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ausschließlich angekreuzten Aufenthaltszwecks "völkerrechtliche, humanitäre, politische Gründe", der sonstigen der Behörde nach Aktenlage erkennbaren Umstände und des späteren ergänzenden Vortrags der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers sachdienlich dahin zu verstehen, dass er hilfsweise, sofern keine Niederlassungserlaubnis erteilt wird, auf die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen i. S. des Abschnitts 5 des Kapitels 2 des Aufenthaltsgesetzes zielt (denen auch die Altfallregelung nach § 104 a AufenthG zuzuordnen ist, vgl. BVerwG, Urteil vom 04.09.2007 - 1 C 43.06 - NVwZ 2008, 333). Ein familiärer Lebenssacherhalt i. S. des Art. 6 Abs. 1 und 2 GG war bis zum Erlass der angefochtenen Verfügung nicht Gegenstand des Verlängerungsantrags. Die Angaben des Antragstellers im Antragsvordruck zum Familienstand "getrennt lebend seit 3 Jahre" sowie zu seinem Kind "1 KINDER xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx WOHNT IN FRANKREICH MIT SEINE MUTTER UND DIE NEU (FATHER) FAMILY" schließen das bei der gebotenen Auslegung entsprechend §§ 133, 157 BGB vielmehr eindeutig aus. Daran hat auch der Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vom 12.09.2008, mit dem Akteneinsicht beantragt wurde, nichts geändert. Vielmehr wurden darin unter Verweis auf den langjährigen Aufenthalt des Antragstellers und seine Erwerbstätigkeit nur ganz allgemein "humanitäre Gründe" ohne jegliche Bezugnahme auf die familiäre Beziehung des Antragstellers zu seinem Sohn als Aufenthaltszweck bekräftigt. Auch wurde die Darlegung familiärer Gründe nicht der angekündigten weiteren Stellungnahme vorbehalten.

Die Antragsgegnerin hat in ihrer Verfügung vom 13.10.2008 nicht vollständig über den Antrag vom 24.07.2008 entschieden. Sie hat - wohl in Verkennung dessen, dass dieser Antrag in erster Linie auf die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis zielt - nur über die hilfsweise begehrte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis entschieden. Das folgt nicht nur aus dem Tenor ihrer Verfügung, in dem der "Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis" abgelehnt wird. Es ergibt sich auch aus der Begründung, die sich nur mit den Voraussetzungen für die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach §§ 25, 26 Abs. 2, 104 a AufenthG befasst. Insbesondere die Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG werden nicht geprüft. Dementsprechend ist die Ablehnungsentscheidung gegenständlich beschränkt. Sie bezieht sich ausschließlich auf die Versagung eines befristeten Aufenthaltsrechts aus humanitären Gründen und erschöpft damit lediglich das vom Antragsteller nur hilfsweise verfolgte Antragsziel. Die Behörde hat insoweit auch nicht gleichsam "von Amts wegen" - was im Blick auf das Antragserfordernis nach § 81 Abs.1 AufenthG ohnehin rechtlich bedenklich wäre (vgl. § 22 Satz 2 Nr. 2 LVwVfG) - andere als die vom Antragsteller bis dahin geltend gemachten Aufenthaltszwecke in ihre Prüfung einbezogen, insbesondere nicht familiäre Gründe i. S. der §§ 27 ff. AufenthG. Die Beschwerde kann mithin keinen Erfolg haben, soweit sie sich auf solche Gründe stützt. Selbst wenn der mit einem Schreiben der Kindesmutter vom 23.05.2009 untermauerte Tatsachenvortrag des Antragstellers zum regelmäßigen persönlichen Umgang mit seinem Sohn entgegen der summarischen Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts - nunmehr - als glaubhaft angesehen werden müsste und deshalb möglicherweise vom Vorliegen einer nach Art. 6 GG geschützten familiären Lebensgemeinschaft auszugehen wäre - was nach der Beschwerdebegründung offen erscheint -, wäre die Ablehnungsentscheidung in der angefochtenen Verfügung jedenfalls nicht deshalb rechtswidrig und könnte dem Antragsteller insoweit kein vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO mit der Folge gewährt werden, dass er im Hinblick auf die Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 4 AufenthG einstweilen wieder so zu behandeln wäre, als sei die Ablehnungsentscheidung noch nicht ergangen (vgl. Senatsbeschluss vom 20.11.2007, a. a. O.).

Zwar dürfte der Antragsteller mit seinem Vortrag im Widerspruchsverfahren über die Ausübung der Personensorge und den persönlichen Umgang mit seinem Sohn im Bundesgebiet bei der gebotenen Auslegung seiner Erklärungen entsprechend §§ 133, 157 BGB nunmehr einen neuen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen i. S. des Art. 6 Abs. 1 und 2 GG gestellt haben. Insoweit käme die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 AufenthG grundsätzlich nur nach dem Abschnitt 6 des Kapitels 2 des Aufenthaltsgesetzes (vgl. dazu auch Senatsbeschluss vom 10.03.2009 - 11 S 2990/08 -) und insoweit wohl nur nach §§ 27 Abs. 1, 36 Abs. 2 AufenthG in Betracht. Der Antragsteller könnte insoweit gegebenenfalls auch, sofern die Antragsgegnerin die Abschiebung betreiben sollte, zur Sicherung des mit dem neuen Antrag verfolgten Anspruchs wiederum die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragen. Im laufenden Beschwerdeverfahren kommt die Gewährung solchen Rechtsschutzes jedoch nicht in Betracht, da eine entsprechende Antragsänderung in der Beschwerdeinstanz mit der Qualifizierung der Beschwerdebegründung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO einerseits und der Beschränkung des Prüfungsumfangs nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO andererseits regelmäßig unvereinbar ist (ausführlich Senatsbeschluss vom 18.01.2006 - 11 S 1455/05 - juris, sowie VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 01.09.2004 - 12 S 1750/04 - VBlBW 2004, 483).

Zur Vermeidung weiteren Rechtsstreits merkt der Senat Folgendes ergänzend an: Da die Antragsgegnerin noch nicht vollständig über den Antrag des Antragstellers vom 24.07.2008 entschieden hat (Niederlassungserlaubnis), dürfte der bisherige Aufenthaltstitel des Antragstellers nach wie vor gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG vorläufig fortbestehen. Die Fortbestandsfiktion nach dieser Vorschrift gilt nicht nur für einen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis, sondern auch, wenn der Ausländer - wie der Antragsteller - vor Ablauf der Aufenthaltserlaubnis die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels wie eine Niederlassungserlaubnis beantragt. Die Ablehnung des "Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis" in der angefochtenen Verfügung vom 13.10.2008 dürfte daher entgegen der Annahme der Antragsgegnerin und des Verwaltungsgerichts auch nicht i. S. des § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG vollziehbar sein. Denn dies erfordert, dass mit der Ablehnungsentscheidung eine gesetzliche Erlaubnis-, Duldungs- oder Fortgeltungsfiktion nach § 81 Abs. 3 oder 4 AufenthG entfällt (vgl. Senatsbeschluss vom 20.11.2007, a. a. O.). Der Antragsteller dürfte demnach bislang auch nicht ausreisepflichtig sein, so dass die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung in der Verfügung vom 13.10.2008 rechtlichen Bedenken unterliegt. Mangels einer entsprechenden Rüge in der Beschwerdebegründung kann dies der Beschwerde wegen der eingeschränkten Prüfungsbefugnis des Senats (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) jedoch nicht - teilweise - zum Erfolg verhelfen. Der Antragsteller ist insoweit bei einer drohenden Abschiebung vor Entscheidung über die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis, sofern die Antragsgegnerin die Abschiebungsandrohung nicht aufhebt oder zumindest ihre Vollziehung aussetzt (§ 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO), auf einen Abänderungsantrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO oder - sofern die Voraussetzungen danach nicht erfüllt sein sollten - auf einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO verwiesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Änderung des Streitwerts für das Verfahren im ersten Rechtszug von Amts wegen sowie die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruhen auf § 63 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 39 Abs. 1 GKG. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats entspricht der Streitwert in aufenthaltsrechtlichen Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs.5 VwGO dem Auffangwert des § 52 Abs. 2 VwGO, wenn dem Ausländer - wie auch im vorliegenden Fall - bereits durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels ein legaler Aufenthalt im Bundesgebiet ermöglicht wurde (grundlegend: Senatsbeschluss vom 04.11.1992 - 11 S 2216/92 - juris; ebenso VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 16.12.2004 - 13 S 2510/04 -).

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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