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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 06.10.2004
Aktenzeichen: 11 S 1448/03
Rechtsgebiete: GG, EMRK, AuslG, AsylVfG


Vorschriften:

GG Art. 6
EMRK Art. 8
AuslG § 7 Abs. 2 Nr. 1
AuslG § 7 Abs. 2 Nr. 2
AuslG § 30 Abs. 3
AuslG § 30 Abs. 5
AuslG § 46 Nr. 6
AuslG § 53
AuslG § 55 Abs. 2
AsylVfG § 24 Abs. 2
AsylVfG § 42
1. Zur Konzentration der Entscheidung über das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG für abgelehnte Asylbewerber beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge.

2. Die Entscheidung des Bundesamts nach § 24 Abs. 2 AsylVfG über Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG erfordert als Statusentscheidung eine ausdrückliche - positive oder negative Feststellung - im Tenor seines Bescheids. Eine bloße Inzidentprüfung im Rahmen der Entscheidung über den Abschiebezielstaat in der Abschiebungsandrohung reicht nicht aus.

3. Ist eine derartige Feststellung unterblieben, ist das dafür nach wie vor allein zuständige Bundesamt verpflichtet, die Entscheidung nachzuholen; die Ausländerbehörden sind während dieses Zeitraums gehindert, das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG im Rahmen ihrer Entscheidung über eine Duldung nach § 55 Abs. 2 oder einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 AuslG eigenständig zu prüfen (Bestätigung und Fortführung der Senatsrechtsprechung vgl. Urteil vom 21.06.2004 - 11 S 770/04 -).


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

11 S 1448/03

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Aufenthaltsbefugnissen

hat der 11. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 6. Oktober 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schaeffer, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Vondung und die Richterin am Verwaltungsgericht Protz

am 6. Oktober 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 21. September 2001 - 3 K 2084/00 - geändert. Die Klagen der Kläger zu 2. und 3. werden abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die Kläger zu 2., 3. und die Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu je einem Drittel.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger begehren die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen.

Die 1962 in Maq. do Zombo /Angola geborene Klägerin zu 1. (im Folgenden: Klägerin) reiste am 8.4.1989 ins Bundesgebiet ein, wo am 1.11.1991 bzw. am 16.10.1992 in Heidelberg die Kläger zu 2. und 3. geboren wurden. Die Klägerin und ihre Kinder besitzen die angolanische Staatsangehörigkeit. Ein weiterer, am 27.10.1981 in Kinshasa/Zaire geborener Sohn der Klägerin, der Staatsangehöriger der Demokratischen Republik Kongo ist, reiste am 1.9.1992 in die Bundesrepublik Deutschland ein und betreibt ebenfalls ein Verfahren auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis, in dem die Berufung unter dem Aktenzeichen 11 S 1449/03 beim Senat anhängig ist.

Nach ihrer Einreise beantragte die Klägerin am 2.5.1989 ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Diesen Antrag lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) mit Bescheid vom 22.10.1990 ab. Mit Verfügung vom 6.12.1990 forderte die Beklagte die Klägerin zur Ausreise binnen eines Monats ab Unanfechtbarkeit der Asylablehnung auf und drohte ihr bei Nichteinhaltung der Frist die Abschiebung nach Angola an. Das Asylverfahren der Klägerin ist seit dem 26.3.1993 rechtskräftig abgeschlossen. Die Kläger zu 2. und 3. wurden ebenfalls mit Verfügungen der Beklagten vom 8.10.1992 und 19.1.1993 zur Ausreise innerhalb eines Monats nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens ihrer Mutter aufgefordert. Gleichzeitig wurde ihnen für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung nach Angola - beim Kläger zu 3. zusätzlich auch nach Zaire - angedroht. Die Bescheide sind bestandskräftig geworden.

Am 1.3.1994 stellte die Klägerin einen Asylfolgeantrag. Gleichzeitig beantragte der Kläger zu 2. erstmals seine Anerkennung als Asylberechtigter. Mit Bescheid vom 9.6.1994, bestandskräftig seit dem 18.4.1995, lehnte das Bundesamt den Antrag der Klägerin auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab und forderte sie auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen, andernfalls sie nach Angola oder einen anderen zur Aufnahme bereiten oder zur Rückübernahme verpflichteten Staat abgeschoben werde. Eine Entscheidung über das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG findet sich im Tenor des Bescheides nicht. In der Begründung wurde "darauf hingewiesen, dass das Bundesamt im vorliegenden Fall keine Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG feststellen kann" und die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung daher nicht beschränkt worden seien. Insbesondere bestehe kein Anlass, der Klägerin Abschiebungsschutz wegen einer in Angola zu erwartenden erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung zu gewähren. Ebenfalls mit Bescheid vom 9.6.1994 wurde der Asylantrag des Klägers zu 2. als offensichtlich unbegründet abgelehnt und festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG offensichtlich nicht und auch Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Der Kläger zu 2. wurde ferner aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen, andernfalls werde er nach Angola oder einen anderen zur Aufnahme bereiten oder zur Rückübernahme verpflichteten Staat abgeschoben. Dieser Bescheid ist seit dem 22.12.1994 bestandskräftig. Auf einen Asylfolgeantrag des Klägers zu 2. vom 30.5.2003 hin lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 8.6.2004 die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und die Abänderung des Bescheides vom 9.6.1994 bezüglich der Feststellung zu § 53 AuslG ab und drohte erneut die Abschiebung nach Angola an. Der Kläger zu 3. stellte unter dem 28.5.2003 einen (ersten) Asylantrag, der mit Bescheid des Bundesamtes vom 3.6.2004 abgelehnt wurde; gleichzeitig wurde festgestellt, dass weder die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG noch Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen, und wurde dem Kläger zu 3. die Abschiebung nach Angola angedroht. Die Bescheide vom 3.6. und 8.6.2004 sind noch nicht bestandskräftig geworden.

Bei ihrer Einreise ins Bundesgebiet war die Klägerin im Besitz eines bis zum 16.11.1993 gültigen angolanischen Reisepasses. Auf Aufforderung übersandte die Beklagte im Oktober 1995 dem Regierungspräsidium Karlsruhe die von der Klägerin für sich und ihre Kinder ausgefüllten Anträge für die Ausstellung von Reisedokumenten. Mit Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 5.2.1997 wurde die Klägerin aufgefordert, bis spätestens 10.3.1997 der Ausländerbehörde der Beklagten gültige Reisedokumente vorzulegen. Mit weiterer Verfügung vom 22.5.1997 forderte die Beklagte die Klägerin auf, sich innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Zustellung bei der zuständigen Auslandsvertretung ihres Heimatlandes um die Neuausstellung eines Nationalpasses zu bemühen und diesen nach Erhalt umgehend der Beklagten vorzulegen. Die Klägerin legte daraufhin am 27.5.1997 der Beklagten eine Bestätigung der angolanischen Botschaft vor, wonach sie dort am 26.5.1997 einen Reisepass beantragt habe, das angolanische Konsulat derzeit jedoch nicht über Reisepässe verfüge. Unter dem 3.12.1997 forderte die Beklagte die Klägerin über ihren damaligen Verfahrensbevollmächtigten erneut auf, bei der Botschaft der Republik Angola in Bonn vorzusprechen und nachzufragen, ob die Ausstellung eines Passes nunmehr möglich sei. Auf Anfrage der Beklagten teilte die angolanische Botschaft unter dem 29.1.1998 mit, dass die Ausstellung von Heimreisedokumenten, Passersatzpapieren und Ausweisdokumenten für angolanische Staatsangehörige nur nach persönlicher Vorsprache erfolgen könne. Daraufhin forderte die Beklagte die Klägerin nochmals über ihren Verfahrensbevollmächtigten auf, sich um die Ausstellung eines gültigen Passes zu bemühen. Die Klägerin erklärte anlässlich einer Vorsprache am 14.4.1998 bei der Beklagten, dass sie nicht bei der Botschaft gewesen sei, weil die Fahrtkosten nicht von der Sozialhilfe übernommen würden. Die Botschaft teilte mit, dass die Klägerin am 24.9.1998 vorgesprochen und einen Reisepass beantragt habe, doch hätten die notwendigen Dokumente für dessen Ausstellung gefehlt. Anlässlich einer Vorsprache bei der Beklagten erklärte die Klägerin am 30.12.1998, sie könne laut Mitteilung ihres in Angola lebenden Bruders einen Pass ausgestellt erhalten, doch seien für sie, die von Sozialhilfe lebe, die Kosten in Höhe von 300 $ nicht finanzierbar. Am 11.4.2000 wurde die Klägerin bei der angolanischen Botschaft vorgeführt. Bei dieser Gelegenheit wurde die Ausstellung eines Passes seitens der Botschaft zugesagt. Inzwischen besitzt die Klägerin einen bis zum 14.4.2005 gültigen angolanischen Pass, in den auch die Kläger zu 2. und 3. eingetragen sind.

Seit November 1994 wurden die Kläger geduldet. Derzeit sind die Klägerin und der Kläger zu 2. im Besitz von bis zum 18.10.2004 befristeten Duldungen, der Kläger zu 3. besitzt eine bis 25.10.2004 gültige Aufenthaltsgestattung.

Seit dem 1.11.1993 bezog die Klägerin für sich und ihre Familie laufend Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in Höhe von 2.294,-- DM monatlich einschließlich der Kosten der Unterkunft. Mit Schreiben vom 28.2.2000 verzichteten die Kläger auf die Weitergewährung dieser Leistungen. Unter Berücksichtigung der von der Klägerin seinerzeit ausgeübten geringfügigen Beschäftigungen sowie der Einkünfte ihres volljährigen Sohnes, des Klägers im Verfahren 11 S 1449/03, besaßen die Klägerin und ihre Familie im März 2000 (und voraussichtlich auch in den Folgemonaten) noch einen Anspruch auf Leistungen nach dem AsylbLG in Höhe von 784,45 DM. Im September 2001 betrug der Bezug öffentlicher Leistungen 1.919,--DM. Außerdem befand sich die Klägerin in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis für die Tätigkeit als Zimmermädchen, gültig ab dem 1.9.2001 und mit einer vereinbarten Probezeit bis zum 22.10.2001. Derzeit bezieht die Klägerin Arbeitslosenhilfe. Zusammen mit den Klägern zu 2.und 3. erhält sie monatlich 89,22 EUR an Leistungen nach dem AsylbLG, darüber hinaus wird ihr eine städtische Asylbewerberunterkunft zur Verfügung gestellt.

Am 28.10.1996 beantragten die Kläger erstmals die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen nach der Härtefallregelung des Innenministeriums vom 15.5.1996, was die Beklagte mit Bescheid vom 14.11.1997 ablehnte. Hiergegen legten die Kläger Widerspruch ein. Mit Schreiben ihres damaligen Verfahrensbevollmächtigten vom 7.4.2000 stellten die Kläger einen Antrag auf Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen nach der Härtefallregelung in Ausführung des Beschlusses der Innenministerkonferenz vom 18./19.11.1999. Unter Einbeziehung dieses weiteren Antrags wies das Regierungspräsidium Karlsruhe mit Widerspruchsbescheid vom 5.7.2000 die Widersprüche der Kläger gegen die Bescheid der Beklagten vom 14.11.1997 zurück. Zur Begründung führte das Regierungspräsidium aus, dass der Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen nach § 32 AuslG i.V.m. der Härtefallregelung vom 13. (richtig: 12.)1.2000 die selbst verursachte Passlosigkeit der Kläger und deren sukzessive Asylanträge entgegenstünden, die zu einer vorsätzlichen Hinauszögerung der Aufenthaltsbeendigung geführt hätten. Außerdem komme die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen wegen der fehlenden Sicherung des Lebensunterhalts ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfe nicht in Betracht. Die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen nach § 30 Abs. 3 und 4 AuslG scheitere an der Möglichkeit der freiwilligen Ausreise der Kläger, die erst nach einem gescheiterten - und vorliegend bislang nicht unternommenen - Einreiseversuch ins Heimatland verneint werden könne. Aufgrund der mit bindender Wirkung für die Ausländerbehörde getroffenen Feststellung des Bundesamtes, dass keine Hindernisse für eine Abschiebung bestünden, müsse erst recht von der Zumutbarkeit einer freiwilligen Ausreise ausgegangen werden.

Am 21.7.2000 haben die Kläger Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren auf Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen weiter verfolgt haben. Zur Begründung haben sie im Wesentlichen geltend gemacht, sie könnten wegen bestehender faktischer Hindernisse nicht nach Angola abgeschoben werden. Die Lage in ihrem Heimatland mache wegen des Bürgerkriegs und dessen Folgen eine Rückkehr dorthin unzumutbar. Die Beklagte ist dem entgegengetreten.

Mit dem angegriffenen Urteil vom 21.9.2001 hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe den Klagen der Kläger teilweise stattgegeben und diesen einen Anspruch gegen die Beklagte auf erneute Bescheidung ihrer Anträge auf Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen zuerkannt. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Kläger zwar keinen Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen auf der Grundlage der Anordnung des Innenministeriums Baden-Württemberg nach § 32 AuslG über die Härtefallregelung für ausländische Familien mit langjährigem Aufenthalt vom 12.1.2000 hätten, weil für sie der im Erlass geregelte Ausschlussgrund der selbst verursachten Passlosigkeit zu bejahen sei. Die Kläger, die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Besitz eines Passes seien, hätten zuvor die Erlangung eines solchen verzögert. Die Kläger hätten auch keinen gebundenen Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen nach § 30 AuslG, doch stünde ihnen insofern ein Anspruch auf Neubescheidung ihrer Anträge zu. Weil die Asylanträge der Klägerin und des Klägers zu 2. unanfechtbar abgelehnt worden seien, komme gemäß § 30 Abs. 5 AuslG eine Aufenthaltsbefugnis nur nach Maßgabe von § 30 Abs. 3 und 4 AuslG in Betracht. Für den Kläger zu 3., der kein Asylverfahren durchlaufen habe, gelte diese Beschränkung nicht. Die Kläger seien gemäß § 30 Abs. 3 und 4 AuslG seit mindestens zwei Jahren unanfechtbar ausreisepflichtig und im Besitz von Duldungen. Da sie auch im Besitz von Reisepässen seien, stünden ihrer freiwilligen Ausreise keine von ihnen zu vertretenden Hindernisse entgegen. Sie könnten sich auch auf das Vorliegen von Duldungsgründen nach § 55 Abs. 2 AuslG berufen. Für die Klägerin bestehe ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 AuslG. Zwar sei die Ausländerbehörde grundsätzlich an eine Feststellung des Bundesamtes über das Nichtvorliegen von Abschiebungshindernissen gebunden, doch enthalte der Bescheid des Bundesamtes vom 9.6.1994, in dem der Antrag der Klägerin auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt worden sei, nicht die Feststellung, dass hinsichtlich Angola keine Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorlägen. Der Hinweis in der Begründung des Bescheides könne nicht als eine solche ausdrückliche - eigentlich in den Tenor aufzunehmende - Feststellung gewertet werden. Vom Gericht sei daher zu prüfen gewesen, ob im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ein zwingendes Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 AuslG i.V.m. Art. 1 und 2 GG hinsichtlich Angola vorliege. Dies sei zu bejahen, denn es sei davon auszugehen, dass in Angola landesweit eine extreme allgemeine Gefahrenlage gegeben sei, die die Klägerin im Falle der Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen bzw. dem baldigen sicheren Hungertod ausliefere. Auf diese Gefahrenlage könne sich auch der Kläger zu 3. berufen, der kein Asylverfahren betrieben habe. Beim Kläger zu 2. bestehe zwar eine Bindung an die negative Entscheidung des Bundesamts zum Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 6 AuslG. Dessen Abschiebung sei aber deswegen rechtlich unmöglich, weil er sich als Minderjähriger auf Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK, also auf ein "inlandsbezogenes" Abschiebungshindernis, berufen könne. Es sei dem 1991 geborenen Kläger zu 2. im Hinblick auf die familiäre Lebensgemeinschaft mit seiner Mutter nicht zumutbar, diese zu verlassen und alleine nach Angola auszureisen. Der Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen an die Kläger stehe auch nicht der Regelversagungsgrund des § 7 Abs. 2 Nr. 2 AuslG entgegen, weil sie sich auf einen atypischen Ausnahmefall berufen könnten. Bei der Frage, ob das Vorliegen eines Regelversagungsgrundes zu bejahen sei, müssten Sinn und Zweck der §§ 30 ff. AuslG mit einbezogen werden. Eine Aufenthaltsbefugnis solle dann erteilt werden, wenn dem vorliegenden Abschiebungshindernis sonst nur weiterhin durch die Erteilung einer Duldung Rechnung getragen werden könne, was aber der Funktion der Duldung widerspreche, eine Abschiebung nur zeitweise auszusetzen. Im Falle der Klägerin sei davon auszugehen, dass sie und ihre zwei minderjährigen Kinder in absehbarer Zeit nicht nach Angola abgeschoben werden könnten und ihnen daher weiterhin Duldungen zu erteilen wären. Unter Beachtung dieser Zielsetzung stehe der im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch gegebene Sozialhilfebezug unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles der Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nicht entgegen. Die Klägerin sei als alleinerziehende Mutter sowie aufgrund ihres Ausbildungsstandes in der Vergangenheit nicht in der Lage gewesen, von der Sozialhilfe ganz bzw. teilweise unabhängig zu werden. Von ihrem ältesten Sohn und einem ebenfalls von ihr betreuten Mündel, die beide noch die Schule besuchten, könne nicht verlangt werden, zum Lebensunterhalt beizutragen. Die Klägerin habe gezeigt, dass sie arbeitswillig sei und habe in der Vergangenheit schon verschiedene Putzstellen angenommen. Es sei davon auszugehen, dass sie noch länger und öfter gearbeitet hätte, wenn sie die dafür erforderliche Arbeitserlaubnis erhalten hätte. Außerdem habe die Klägerin in der mündlichen Verhandlung die Kopie eines unbefristeten Arbeitsvertrages über wöchentlich 39 Stunden und einen Bruttolohn von 2.653,-- DM vorgelegt. Es sei daher im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung beachtlich wahrscheinlich, dass sich der Sozialhilfebezug der Klägerin und ihrer Kinder in Zukunft weiter verringern werde. Die Atypik sei darin zu sehen, dass die Klägerin als alleinerziehende Mutter von drei Kindern und Vormund eines weiteren Kindes, die alle noch die Schule besuchten und nicht zum Lebensunterhalt beitragen könnten, zumindest in letzter Zeit unverschuldet nicht in der Lage gewesen sei, durch eigene Erwerbstätigkeit von der Sozialhilfe unabhängig zu sein. Dennoch sei nicht von einer Reduzierung des Ermessens auf Null auszugehen. Die Beklagte sei vielmehr nur verpflichtet, über die Aufenthaltsbefugnisanträge der Kläger neu zu entscheiden.

Gegen das ihr am 16.11.2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 28.11.2001 die Zulassung der Berufung beantragt, soweit den Klagen stattgegeben wurde. Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 25.6.2003 - 11 S 2622/01 - die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen Dieser Beschluss ist der Beklagten am 11.7.2003 zugestellt worden.

Die zugelassene Berufung hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 7.8.2003 zusammengefasst wie folgt begründet. Die Kläger hätten keinen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihre Anträge auf Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 30 Abs. 3 AuslG nicht gegeben seien. Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 AuslG bei der Klägerin geprüft und bejaht. Für diese Feststellung sei nämlich die alleinige Zuständigkeit des Bundesamtes gegeben. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG bei der Klägerin nicht vor. Dasselbe gelte für den Kläger zu 3.. Der Kläger zu 2. könne sich nicht auf ein Abschiebungshindernis aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK berufen, da er zusammen mit seiner Mutter nach Angola abgeschoben werden könne.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 21.9.2001 - 3 K 2084/00 - zu ändern und die Klagen in vollem Umfang abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung führen sie aus, das Verwaltungsgericht habe zu Recht das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses für die Klägerin festgestellt, da weder im Rahmen des Asylerstverfahrens noch im Folgeverfahren insoweit eine negative Feststellung getroffen worden sei. Darüber hinaus wäre eine bestandskräftige negative Feststellung nach § 48 Abs. 1 VwVfG zurückzunehmen. Das Verwaltungsgericht habe auch nicht unter Missachtung der alleinigen Zuständigkeit des Bundesamtes hinsichtlich der Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen eine derartige Feststellung getroffen, sondern dies nur als tatbestandliche Vorfrage bejaht. Der Kläger zu 2. könne sich auf Art. 6 GG und Art. 8 EMRK berufen. Gleiches gelte für den Kläger zu 3., nachdem sich bei ihm aufgrund des nunmehr gestellten Asylantrags eine ausschließliche Zuständigkeit des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge bezüglich der Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG ergebe.

Dem Senat liegen die die Kläger betreffenden Ausländerakten der Beklagten und des Regierungspräsidiums Karlsruhe sowie die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Karlsruhe - 3 K 2084/00 - vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf deren Inhalt und auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere fristgerecht begründet worden (vgl. § 124 a Abs. 6 Satz 1 VwGO) und genügt auch den inhaltlichen Anforderungen des § 124 a Abs. 6 Satz 3, Abs. 3 Satz 4 VwGO (bestimmter Antrag, Darlegung der Berufungsgründe).

Die Berufung ist jedoch nur teilweise begründet. Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht den zulässigen Verpflichtungsklagen der Kläger zu 2. und 3. auf Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen insoweit stattgegeben, als es den Bescheid der Beklagten vom 14.11.1997 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 5.7.2000 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet hat, über die Anträge der Kläger zu 2. und 3. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden (dazu A.). Hinsichtlich der Klägerin zu 1. erweist sich das Urteil des Verwaltungsgerichts hingegen als zutreffend (dazu B.).

Zu Recht ist Verwaltungsgericht freilich bei allen Klägern davon ausgegangen, dass sie weder einen Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen noch einen Anspruch auf Neubescheidung ihrer diesbezüglichen Anträge auf der Grundlage von § 32 AuslG in Verbindung mit den Härtefallregelungen des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 15.5.1996 und vom 12.1.2000 haben. Wie im Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 14.11.1997 ausgeführt, stand der Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach der Härtefallregelung vom 15.5.1996 im letztmöglichen Entscheidungszeitpunkt am 31.12.1996, bis zu dem über sämtliche Anträge aufgrund der Härtefallregelung abschließend zu entscheiden war (vgl. Ziff. 3.3 der Anordnung), entgegen, dass die Klägerin damals mit noch nicht tilgungsreifen Eintragungen im Bundeszentralregister verzeichnet war, die die Höchstgrenze einer Geldstrafe von bis zu 50 Tagessätzen überschritten. Auf den Bescheid der Beklagten vom 14.11.1997 wird insoweit ergänzend verwiesen (§§ 125 Abs. 1, 117 Abs. 5 VwGO). Da somit der Klägerin nach § 32 AuslG i.V.m. der Härtefallregelung vom 15.5.1996 keine Aufenthaltsbefugnis erteilt werden konnte, kam auch ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht der Kläger zu 2. und 3. als Familienangehörige nicht in Betracht.

Den Klägern steht auch kein Anspruch auf Aufenthaltsbefugnisse mit Blick auf die Härtefallregelung in der Anordnung des Innenministeriums Baden-Württemberg nach § 32 AuslG vom 12.1.2000 zu. Denn sie müssen sich den Ausschlussgrund der langjährigen selbstverursachten Passlosigkeit entgegenhalten lassen. Dies hat das Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil zu Recht festgestellt. Den dortigen Ausführungen schließt sich der Senat an und sieht gemäß § 130b Satz 2 VwGO von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

A. Die Kläger zu 2. und 3. haben keinen Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen nach § 30 AuslG und entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch nicht darauf, dass die Beklagte erneut über ihre diesbezüglichen Anträge entscheidet. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 5.7.2000 ist in Bezug auf die Kläger zu 2. und 3. daher rechtmäßig und verletzt sie nicht in ihren Rechten (§§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 2, 114 VwGO).

Der Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen an die Kläger zu 2. und 3. steht bereits die Rechtsschranke des § 11 Abs. 1 AuslG entgegen. Danach "kann", d.h. darf einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, vor dem bestandskräftigen Abschluss des Asylverfahrens grundsätzlich keine Aufenthaltsgenehmigung - dazu zählt nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 AuslG auch die Aufenthaltsbefugnis - erteilt werden. Asylantrag in diesem Sinne ist nach Sinn und Zweck der Vorschrift auch ein Asylfolgeantrag (vgl. Senatsurteile vom 18.1.1996 - 11 S 3001/94 - [Juris] und vom 17.4.1996 - 11 S 156/96 -, InfAuslR 1996, 303; vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 6.11.1996 - 17 B 1743/96 - [Juris]; Hamburgisches OVG, Urteil v. 27.11.1998 - Bf IV 45/96 -, EZAR 017 Nr. 18). Das Asylfolgeverfahren des Klägers zu 2. und das Asyl(erst)verfahren des Klägers zu 3. sind indessen noch nicht bestandskräftig abgeschlossen. Ausnahmen vom Verbot des § 11 Abs. 1 AuslG gelten nur im Falle eines gesetzlichen Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung sowie bei Zustimmung der obersten Landesbehörde, wenn wichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland die Erteilung erfordern. Bei den Klägern zu 2. und 3. liegt weder eine derartige Zustimmung vor noch sind wichtige Interessen im genannten Sinne ersichtlich. Auch ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung ist nicht gegeben. Die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis käme bei den Klägern zu 2. und 3. allenfalls im Ermessenswege nach § 30 Abs. 2-5 AuslG in Betracht. Selbst wenn dieses Ermessen eröffnet und der Ermessensspielraum "auf Null" reduziert wäre, würde dies nicht ausreichen, um einen - unmittelbar sich aus dem Gesetz ergebenden - Anspruch nach § 11 Abs. 1 AuslG zu begründen.

B.. Hinsichtlich der Klägerin zu 1. folgt der Senat dem Verwaltungsgericht darin, dass der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 14.11.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.7.2000 rechtswidrig, weil ermessensfehlerhaft, ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt, mit der Folge, dass der Klägerin ein Anspruch auf Neubescheidung ihres Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis zusteht (§§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 2, 114 VwGO).

Zunächst ist festzustellen, dass eine bestehende Anordnung nach § 32 AuslG die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach §§ 30, 31 AuslG nicht von vorne herein ausschließt. Eine Anordnung nach § 32 AuslG stellt vielmehr regelmäßig eine die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis erleichternde, aber keine abschließende Regelung dar. Sie lässt die §§ 30, 31 AuslG unberührt, so dass unter den dort genannten Bedingungen eine Aufenthaltsbefugnis nach Ermessen erteilt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil v. 19.9.2000 - 1 C 19.99 -, NVwZ 2001, 210; VGH Bad.-Württ., Beschluss v. 5.1.2001 - 11 S 2034/00 -; Beschluss v. 10.9.2001 - 11 S 2212/00 -, InfAuslR 2002, 20).

Bei der Klägerin, deren Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist, kommt gemäß § 30 Abs. 5 AuslG lediglich die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach Maßgabe von § 30 Abs. 3 und 4 AuslG in Betracht. Nach § 30 Abs. 3 AuslG kann einem Ausländer, der unanfechtbar ausreisepflichtig ist, eine Aufenthaltsbefugnis abweichend von § 8 Abs. 1 AuslG erteilt werden, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 AuslG für eine Duldung vorliegen, weil seiner freiwilligen Ausreise und seiner Abschiebung Hindernisse entgegenstehen, die er nicht zu vertreten hat. Gemäß § 30 Abs. 4 AuslG kann im Übrigen einem Ausländer, der seit mindestens zwei Jahren unanfechtbar ausreisepflichtig ist und eine Duldung besitzt, abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 AuslG eine Aufenthaltsbefugnis erteilt werden, es sei denn, der Ausländer weigert sich, zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des Abschiebungshindernisses zu erfüllen.

Die Klägerin erfüllt im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die Tatbestandsvoraussetzungen des § 30 Abs. 3 AuslG.

I. Die Klägerin ist zunächst seit langem unanfechtbar ausreisepflichtig, nachdem der Asylablehnungsbescheid des Bundesamtes vom 22.10.1990 am 26.3.1993 unanfechtbar wurde, was zum Erlöschen der Aufenthaltsgestattung der Klägerin führte (vgl. §§ 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylVfG, 42 Abs. 1 und 2 Satz 2 AuslG). Im Übrigen wurde auch die Abschiebungsandrohung vom 9.6.1994 vollziehbar (vgl. §§ 67 Abs. 1 Nr. 4, 71 Abs. 4 i.V.m. §§ 34, 36 AsylVfG).

II. Die Klägerin kann sich auch auf das Vorliegen eines Duldungsgrundes nach § 55 Abs. 2 AuslG berufen, weil ihrer freiwilligen Ausreise und ihrer Abschiebung von ihr nicht zu vertretende Hindernisse entgegen stehen.

§ 30 Abs. 3 AuslG fordert insoweit zweierlei. Zum einen müssen eine Duldung nach § 55 Abs. 2 AuslG begründende Abschiebungshindernisse vorliegen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat. Dabei ist zwischen rechtlichen und tatsächlichen Abschiebungshindernissen zu unterscheiden. Zu den rechtlichen Abschiebungshindernissen gehören außer den insbesondere durch höherrangiges Verfassungs- oder supranationales Recht gebotenen inlandsbezogenen Abschiebungshindernissen auch zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse nach §§ 51 Abs. 1 und 53 AuslG. Die tatsächlichen Abschiebungshindernisse betreffen Fälle der faktisch unmöglichen Rückübernahme durch den Herkunfts- oder einen Drittstaat, z.B. wegen Passlosigkeit. § 30 Abs. 3 AuslG verlangt zum anderen, dass der Ausländer nicht freiwillig ausreisen kann, weil einer solchen freiwilligen Ausreise nicht zu vertretende Hindernisse entgegenstehen (nicht zu vertretendes Ausreisehindernis). Für die Trennung dieses Merkmals vom Merkmal des "nicht zu vertretenden Abschiebungshindernisses" spricht schon der eindeutige, oben zitierte Wortlaut des § 30 Abs. 3 AuslG (ausführlich hierzu Senatsurteil v. 21.6.2004 - 11 S 770/04 - m.w.N.). Zusammengefasst kommt es mithin darauf an, dass nicht nur die Beseitigung von Abschiebungshindernissen, sondern auch die freiwillige Ausreise unmöglich oder unzumutbar sein muss (vgl. Senatsurteil v. 21.6.2004, a.a.O.; ebenso OVG Lüneburg, Beschluss v. 27.1.1997 - 12 L 264/97 -, NVwZ-Beilage 1997, 28). Beides ist bei der Klägerin der Fall.

1. Der Klägerin steht zunächst ein nicht zu vertretendes Abschiebungshindernis zur Seite. Zwar fehlt es an einem tatsächlichen Abschiebungshindernis, denn die Klägerin besitzt einen bis 14.4.2005 gültigen angolanischen Reisepasses. Es liegt jedoch ein rechtliches Abschiebungshindernis vor.

a) Anders als vom Verwaltungsgericht angenommen, kann sich die Klägerin im vorliegenden Verfahren gegenüber der Beklagten allerdings nicht auf ein rechtliches zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis berufen. Denn dem steht das gesetzliche System der ausschließlichen Entscheidungsbefugnis und Entscheidungspflicht des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge entgegen (Konzentrationsprinzip). Dazu ist im Einzelnen folgendes auszuführen:

aa) Nach § 24 Abs. 2 AsylVfG obliegt dem Bundesamt nach Stellung eines förmlichen Asyl- oder Asylfolgeantrags (§§ 13, 14 AsylVfG) auch die Entscheidung, ob zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG bestehen. Dies gilt auch dann, wenn auf einen Asylfolgeantrag hin, weil die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Asylverfahrens nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen, kein weiteres Asylverfahren durchgeführt wird (vgl. BVerwG, Urteil v. 7.9.1999 - 1 C 6.99 -, InfAuslR 2000, 16; Beschluss v. 23.11.1999 - 9 C 3.99 -, NVwZ 2000, 941, Urteil v. 21.3.2000 - 9 C 41.99 -, BVerwGE 11, 77; VGH Bad.-Württ., Urteil v. 20.7.1999 - A 9 S 96/99 - [Juris]; Urteil v. 10.7.2002 - 13 S 1871/01 -, EZAR 043 Nr. 55; Urteil v. 15.5.2003 - 13 S 1113/02 -, VBlBW 2003, 486, Urteil v. 21.6.2004 - 11 S 770/04 - [Juris]). Die Zuständigkeit des Bundesamtes besteht "von Amts wegen", auch wenn der Asylsuchende sich nur auf einen Asylantrag beschränkt und diesen nicht ausdrücklich um einen Antrag auf Feststellung von Abschiebungshindernissen ergänzt (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss v. 30.5.2000 - A 6 S 281/00 -, AuAS 2000, 201). Durch die Entscheidungskonzentration beim Bundesamt sollen Doppelprüfungen mit unter Umständen widersprechenden Ergebnissen und dadurch bedingte Verfahrensverzögerungen vermieden werden. Zudem hat das Bundesamt gemäß § 73 Abs. 3 AsylVfG die Feststellung nach § 53 Abs. 1, 2, 4 und 6 AuslG zurückzunehmen, wenn sie fehlerhaft ist und zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen der damaligen Erteilung nicht mehr vorliegen. Das Bundesamt hat also auch von Amts wegen die Statusentscheidung nach § 53 AuslG unter Kontrolle zu halten. Korrespondierend zur Alleinzuständigkeit erlegt der Gesetzgeber dem Bundesamt nach § 24 Abs. 2 i.V.m. §§ 31 ff. AsylVfG auch eine Entscheidungspflicht über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 53 AuslG auf. Das Feststellungsverfahren betreffend Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG ist dabei - wie das Verfahren auf Anerkennung als Asylberechtigter und als Flüchtling nach § 51 Abs. 1 AuslG - als Statusverfahren ausgestaltet (vgl. §§ 31 Abs. 3, 32, 39 AsylVfG). Das Asylverfahrensgesetz schreibt verbindlich vor, in welchen Verfahrenskonstellationen eine Feststellung zu § 53 AuslG zu treffen ist und wann davon abgesehen werden kann. Bei ablehnenden Entscheidungen zur Flüchtlingsankerkennung oder bei sonstigen Verfahrensbeendigungen (Rücknahme des Asylantrags, Nichtbetreiben des Verfahrens) muss die Feststellung nach § 53 AuslG getroffen werden (vgl. §§ 31 Abs. 3 Satz 1, 32, 33 AsylVfG). Wird der Ausländer als Asylberechtigter oder als Flüchtling anerkannt, kann von Feststellungen zu § 53 AuslG zwar abgesehen werden (§ 31 Abs. 3 Satz 2 Nrn. 1 und 2 AsylVfG). Diese Statusentscheidung ist vom Bundesamt jedoch nachzuholen, wenn das Verwaltungsgericht die Anerkennung aufgehoben hat (§ 39 Abs. 2 AsylVfG). Hieraus lässt sich die gesetzliche Konzeption ableiten, dass die Frage des Abschiebungsschutzes immer vom Bundesamt geklärt werden muss, wenn "höherrangiger" Verfolgungsschutz nach Art. 16a Abs. 1 GG oder § 51 Abs. 1 AuslG nicht gewährt wird (vgl. BVerwG, Urteil v. 21.3.2000, a.a.O.; Beschluss v. 23.11.1999, a.a.O.; ebenso VGH Bad.-Württ., Urteil v. 20.7.1999, a.a.O.). Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Konzeption zutreffend auch für die Zeit nach dem Abschluss des Asylverfahrens weiterentwickelt und dem Bundesamt die Kompetenz (und Pflicht) zuerkannt, Statusentscheidungen über das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG erstmals auch nachträglich zusammen mit dem Widerruf einer Asylanerkennung nach § 73 Abs. 1 AsylVfG zu treffen. Diese Berechtigung leitet das Bundesverwaltungsgericht aus einer Rechtsanalogie zu den - oben erwähnten - Regelungen in §§ 24 Abs. 2, 31 Abs. 2 Satz 1, 31 Abs. 3 Satz 1, 32, 39 Abs. 2 und 73 Abs. 1 bis 3 AsylVfG her. Ihnen entnimmt das Gericht den gemeinsamen Leitgedanken, dass in einem Asylverfahren eine umfassende Entscheidung über "alle Arten des Schutzes vor zielstaatsbezogenen Gefahren" zu ergehen hat und namentlich nach der Beendigung eines Asylverfahrens nicht offen bleiben soll, ob und in welcher Form dem Ausländer Abschiebungsschutz gewährt wird. Aufgrund der Sachnähe zum Asylverfahren und der besonderen Sachkunde des Bundesamts sei es sinnvoll, dieser Fachbehörde auch im Widerrufsverfahren - gleichermaßen wie bei der Ablehnung des Asylantrags - die Befugnis zur zusätzlichen und erstmaligen Prüfung der Voraussetzungen des Abschiebungsschutzes nach § 53 AuslG zuzuerkennen (vgl. BVerwG, Urteil v. 20.4.1999 - 9 C 29.98 -, InfAuslR 1999, 373; ebenso schon Urteil v. 27.2.1996 - 9 C 145.95 -, InfAuslR 1996, 322).

bb) Aus diesem das Asylverfahren prägenden Konzentrationsgrundsatz folgt weiterhin, dass das Bundesamt auch dann nach - negativem - Abschluss des Asylverfahrens für die Feststellung der Voraussetzungen nach § 53 AuslG zuständig bleibt, wenn es im Ablehnungsbescheid entgegen dem gesetzlichen Gebot nach § 31 Abs.2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 AsylVfG eine derartige Entscheidung nicht getroffen hat (für eine solche umfassende Zuständigkeit "für die Zukunft" auch GK-AsylVfG, § 71 Rdnr. 204 m.w.N.). Das Bundesamt ist nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, von dieser Zuständigkeit Gebrauch zu machen und seine Entscheidung von Amts wegen gegebenenfalls nachzuholen. Der Ausländerbehörde ist es auch während dieses durch einen rechtlichen Schwebezustand gekennzeichneten Zeitraums verwehrt, die Voraussetzungen des § 53 AuslG von sich aus zu prüfen, ihre Zuständigkeit wird verdrängt. Die Ausländerbehörde kann aber zumindest beim Bundesamt anregen, dass die Feststellung nachgeholt wird. Dem Ausländer steht das Recht zu, die unterlassene Entscheidung nach § 53 AuslG gegenüber dem Bundesamt einzuklagen.

Nur vor oder ohne Stellung eines Asylantrags dürfen und müssen die Ausländerbehörden über das Vorliegen von zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG entscheiden und die Ergebnisse entsprechend den Vorgaben des Ausländergesetzes berücksichtigen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil v. 10.7.2002, a.a.O.). Die Ausländerbehörden haben dann inhaltlich die volle Prüfungskompetenz. Eine selbstständige Statusfeststellung wie das Bundesamt treffen die Ausländerbehörden hingegen nicht, ihre Prüfung erfolgt inzident als Vorfrage im Rahmen des jeweiligen Verfahrensgegenstands. Das Zuständigkeitsmonopol des Bundesamts besteht freilich nur so lange, wie dafür nach dem Gesetzeszweck ein Bedürfnis besteht. Dieses Bedürfnis entfällt dann, wenn der Ausländer nach Abschluss des Asylverfahrens ein asylunabhängiges Aufenthaltsrecht erhält.

cc) Für den vorliegenden Rechtsstreit folgt daraus, dass mit Stellung des Asylfolgeantrags der Klägerin und nach der Entscheidung des Bundesamtes im Bescheid vom 9.6.1994, kein weiteres Asylverfahren durchzuführen, die Befugnis und gleichzeitig auch die Pflicht auf das Bundesamt übergegangen ist, über das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG bei der Klägerin zu entscheiden.

Dieser Pflicht hat das Bundesamt indes nicht genügt. Im Bescheid vom 9.6.1994 hat es das Nichtvorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG nur in der Begründung des Bescheids den Hinweis aufgenommen, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG bei der Klägerin nicht feststellbar sind, die es rechtfertigen würden, die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung zu beschränken. Damit hat das Bundesamt die verfahrensrechtlichen Anforderungen der §§ 24 Abs. 2, 31 Abs. 3 AsylVfG nicht erfüllt. Nach § 24 Abs. 2 AsylVfG obliegt dem Bundesamt die "Entscheidung" über das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG, und nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG hat es "festzustellen", ob diese Abschiebungshindernisse gegeben sind; mit dieser Feststellung wird ein Rechtsstatus des Ausländers begründet (vgl. auch §§ 32 und 39 AsylVfG). Schon aus diesen terminologischen Gründen folgt, dass das Bundesamt nach §§ 24 Abs. 2 AsylVfG verpflichtet ist, eine ausdrückliche - positive oder negative - Feststellung über das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG im Tenor seines Bescheids zu treffen; insofern kann nichts anderes gelten als für die Statusentscheidung über den eigentlichen Asylantrag nach §§ 13 Abs. 2, 14 Abs. 1 AsylVfG, die wirksam nur im Tenor ergehen kann. Eine bloße Inzidentprüfung der Voraussetzungen des § 53 AuslG in den Entscheidungsgründen - auf der Ebene der Prüfung des Abschiebezielstaats bei der Abschiebungsandrohung nach §§ 71 Abs. 4, 34 Abs. 1 AsylVfV, 50 Abs. 3 Satz 2 AuslG - ist nicht ausreichend (offen gelassen von OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 24.2.1997 - 25 A 3389/95.A -, EZAR 224 Nr. 27). Für die Notwendigkeit einer eindeutigen Statusentscheidung im Tenor sprechen zudem Gründe der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Im Hinblick auf die weitreichende - positive wie negative - Bindungswirkung der Entscheidung des Bundesamts nach § 42 Satz 1 AsylVfG für die Ausländerbehörde darf kein Zweifel über ihren gewollten Inhalt bestehen. Solche Zweifel wären aber in der Verwaltungspraxis nahezu vorprogrammiert, wenn man Erwägungen zu § 53 AuslG in den Entscheidungsgründen ausreichen ließe, da das Bundesamt den Ausländerbehörden nach den Erfahrungen des Senats häufig nur die erste Seite seines Bescheids mit den Entscheidungssätzen übersendet.

dd) Dass das Bundesamt mithin im Bescheid vom 9.6.1994 keine "Feststellung" zu § 53 AuslG getroffen hat, eröffnet jedoch nicht für die Ausländerbehörde die Möglichkeit, nunmehr entsprechende Feststellungen zu treffen. Dies würde nämlich dem dargestellten Konzept der ausschließlichen Kompetenz und der damit einhergehenden Pflicht des Bundesamtes für Statusfestellungen nach § 53 AuslG widersprechen. Der Klägerin bleibt es jedoch - ebenso wie der Beklagten - unbenommen, vom Bundesamt eine Ergänzung des Bescheides vom 9.6.1994 um die Feststellung über das (Nicht-)Vorliegen von Abschiebungshindernissen zu verlangen und gegebenenfalls auch gerichtlich zu erstreiten.

b) Die Klägerin kann sich jedoch auf einen Duldungsgrund nach § 55 Abs. 2 AuslG i.V.m. Art. 6 GG, Art. 8 EMRK und damit auf ein inlandsbezogenes rechtliches Abschiebungshindernis berufen. Art. 6 GG und Art. 8 EMRK stellen rechtliche Gründe dar, die die Abschiebung der Klägerin im Sinne des § 55 Abs. 2 AuslG unmöglich machen. Der aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK fließende Schutzgedanke für die Familie und das Elternrecht gebieten es vorliegend, die Klägerin so lange zu dulden, wie der Kläger zu 3. sich wegen seines Asylverfahrens gestattet im Bundesgebiet aufhält. Es wäre mit den Verbürgungen des Art. 6 GG und des Art. 8 EMRK unvereinbar, die Klägerin und den 12-jährigen Kläger zu 3., der schon angesichts seines Alters der Betreuung durch seine allein erziehende Mutter bedarf und dem während des laufenden Asylverfahrens ein freiwilliges Verlassen der Bundesrepublik Deutschland nicht zuzumuten ist, zu trennen.

Das somit bestehende Abschiebungshindernis hat die Klägerin nicht zu vertreten. Das "Vertretenmüssen" hinsichtlich des Bestehens von Abschiebungshindernissen beschränkt sich nicht auf schuldhaftes (vorsätzliches oder fahrlässiges) Handeln oder Unterlassen. Es genügt, dass der Ausländer durch ihm zurechenbares vorwerfbares - in seinem Verantwortungsbereich liegendes - Handeln die Ursache für das Abschiebungshindernis gesetzt hat oder eine solche Ursache mit zumutbaren Bemühungen wieder beseitigen könnte (vgl. dazu auch VGH Bad.-Württ., Urteil v. 13.6.2001 - 13 S 1983/00 - [Juris]; Jakober/Welte, Aktuelles Ausländerrecht, Bd. 2, § 30 AuslG Rdnr. 32 mit Rechtsprechungsnachweisen). Die zu stellenden Anforderungen und zumutbaren Mitwirkungspflichten hängen von der Art des jeweiligen Hindernisses -rechtliches oder tatsächliches - ab. Der Klägerin kann es nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass für den Kläger zu 3. überhaupt ein Asylantrag gestellt wurde und sich hieraus für diesen ein Aufenthaltsrecht ergibt. Die Wahrnehmung eines von der Rechtsordnung vorgesehenen Rechts vermag keinen solchen Vorwurf zu begründen. Die Beseitigung des Abschiebungshindernisses durch Rücknahme des Asylantrags ist vor diesem Hintergrund nicht zumutbar. Ein zurechenbares vorwerfbares Verhalten der Klägerin kann wegen der spezifischen Verhältnisse des Einzelfalls auch nicht aus einer Verzögerung der Asylantragstellung hergeleitet werden. Zwar fällt bei den Klägern auf, dass sie ihre Asylanträge jeweils zeitlich versetzt gestellt haben und gerade auch mit dem Asylantrag des Klägers zu 3. über Jahre zugewartet wurde. Eine solche Verhaltensweise wird es im Regelfall nahe legen, eine Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 3 AuslG zu versagen, sofern nicht im Einzelfall plausible und nachvollziehbare Gründe für die späte Asylantragstellung dargelegt werden können. Solche besonderen Gründe sind hier bezüglich des Klägers zu 3. gegeben. Dass dessen Asylantrag erst im Jahre 2003 gestellt wurde, hat die Klägervertreterin in der mündlichen Verhandlung überzeugend und für den Senat nachvollziehbar damit erklärt, dass sich die Rechtsprechung im Hinblick auf das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 Abs. 6 AuslG wegen Verlustes der so genannten Semi-Immunität nach Auslandsaufenthalt geändert habe (vgl. zu diesem Problembereich etwa neuerdings auch Hess. VGH, Beschluss v. 14.10.2003 - 3 UE 466/02.A - [Juris]) .

2. Die Klägerin kann sich des weiteren auch auf ein von ihr nicht zu vertretendes Ausreisehindernis im Sinne von § 30 Abs. 3 AuslG berufen. Ob die freiwillige Ausreise möglich und zumutbar ist, ist - wie die Feststellung von Abschiebungshindernissen - in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu beurteilen, wobei auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abzustellen ist (etwa: Möglichkeit und Zumutbarkeit der Einreise in den Herkunftsstaat auch ohne Pass [dazu VGH Bad.-Württ., Urteil v. 13.6.2001- 13 S 1983/00 - und Urteil v. 6.5.2003 - 13 S 1234/01 -], ohne Besitz der betreffenden Staatsangehörigkeit, unter Umgehung der Grenzkontrollen etc.). Bei der Frage der rechtlichen Möglichkeit und Zumutbarkeit einer freiwilligen Ausreise kommt es auf die jeweilige Wertung des Gesetzgebers an. Entscheidend ist, ob die Rechtsordnung es dem Betroffenen ansinnt, die - faktisch mögliche - freiwillige Ausreise anzutreten (vgl. Senatsurteil v. 21.6.2004, a.a.O.). Maßgeblich für diese Beurteilung können das materielle Gewicht des das Ausreisehindernis bildenden Duldungsgrundes oder verfahrensrechtliche Entscheidungen des Gesetzgebers sein, die es im Hinblick auf den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung verbieten, dem Ausländer die freiwillige Ausreise abzuverlangen.

Gemessen daran kann sich die Klägerin zwar nicht auf ein tatsächliches Ausreisehindernis berufen, da sie im Besitz eines gültigen angolanischen Passes ist. Ihrer freiwilligen Ausreise stehen jedoch - ebenso wie ihrer Abschiebung - Art. 6 GG und Art. 8 EMRK als rechtliche Hindernisse entgegen, die zugunsten der Klägerin einen Duldungsgrund bilden, den sie aus den oben genannten Gründen auch nicht zu vertreten hat. Denn es liegt auf der Hand, dass ihr die Ausreise unter Zurücklassung ihres hier sein Asylverfahren betreibenden minderjährigen Sohnes, des Klägers zu 3., nicht zumutbar ist.

3. Der Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis an die Klägerin steht, wie das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht ausgeführt hat, auch nicht der Regelversagungsgrund des § 7 Abs. 2 Nr. 2 AuslG entgegen, wonach die Aufenthaltsgenehmigung in der Regel versagt wird, wenn der Ausländer seinen Lebensunterhalt einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes nicht aus eigener Erwerbstätigkeit, eigenem Vermögen oder sonstigen eigenen Mitteln, aus Unterhaltsleistungen von Familienangehörigen oder Dritten, aus Stipendien, Umschulungs- oder Ausbildungsbeihilfen, aus Arbeitslosengeld oder sonstigen auf einer Beitragsleistung beruhenden öffentlichen Mitteln bestreiten kann. In gleicher Weise ist auch der Regelversagungsgrund nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 AuslG, nämlich das Vorliegen eines auf Sozialhilfebezug beruhenden Ausweisungsgrundes nach § 46 Nr. 6 AuslG, zu verneinen.

a) Zwar erfüllt die Klägerin die tatbestandlichen Voraussetzungen der Regelversagungsgründe des § 7 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 46 Nr. 6 AuslG und des § 7 Abs. 2 Nr. 2 AuslG, die auch im Anwendungsbereich des § 30 Abs. 3 AuslG Geltung beanspruchen (vgl. BVerwG, Beschluss v. 26.3.1999 - 1 B 18.99 -, InfAuslR 1999, 332 mit zahlreichen weiteren Nachweisen; VGH Bad.-Württ., Urteil v. 17.12.1998 - 13 S 3121/96 -, VBlBW 1999, 150; Urteil v. 29.6.2000 - 13 S 2740/99 -, VBlBW 2001, 30; Beschluss v. 10.9.2001 - 11 S 2212/00 -, InfAuslR 2002, 20). Denn die Klägerin bezieht auch gegenwärtig noch Leistungen nach dem AsylbLG in Höhe von monatlich 89,22 € und zudem Arbeitslosenhilfe, die kein auf einer Beitragsleistung beruhendes Einkommen darstellt (vgl. Renner, AuslR, § 7 AuslG Rdnr. 19; Hailbronner, AuslR, § 7 AuslG Rdnr. 30). Die Klägerin kann sich aber, was der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil v. 21.2.1994 - 1 S 1450/93 -, EZAR 017 Nr. 7 im Anschluss an BVerwG, Urteil v. 29.7.1993 - 1 C 25.93 -, DVBl. 1994, 52), auf einen durch einen atypischen Geschehensablauf gekennzeichneten Ausnahmefall berufen, der das sonst ausschlaggebende Gewicht des gesetzlichen Regelversagungsgrundes beseitigt. Dabei ist auf die Umstände zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht abzustellen, wenn - wie hier - das Ermessen noch nicht ausgeübt worden ist (BVerwG, Urteil v. 28.1.1997 - 1 C 23.94 -, InfAuslR 1997, 240; Urteil v. 15.2.2001 - 1 C 23.00 -; VGH Bad.-Württ., Beschluss v. 10.9.2001, a.a.O.).

b) Ein Ausnahmefall ist unter anderem gegeben, wenn es mit verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen unvereinbar wäre, die Aufenthaltsgenehmigung allein wegen des Vorliegens eines Regelversagungsgrundes ohne konkrete Abwägung der Interessen zu versagen (BVerwG, Urteil v. 27.8.1996 - 1 C 8.94 -, BVerwGE 102, 12, 17; st.Rspr.). Als solche Wertentscheidung kommt insbesondere Art. 6 Abs. 1 GG in Frage (vgl. BVerwG, Beschluss v. 26.3.1999, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Urteil v. 5.7.2000 - 13 S 1726/99 -, VBlBW 2001, 113; Urteil v. 29.6.2000, a.a.O.).

So liegt es hier. Die Klägerin kann sich, wie schon dargelegt, auf eine nach Art. 6 GG geschützte familiäre Lebensgemeinschaft mit dem minderjährigen Kläger zu 3. im Bundesgebiet berufen. Der Kläger zu 3. ist auf Grund des von ihm betriebenen Asylverfahrens im Besitz einer Aufenthaltsgestattung, und ihm ist es während des laufenden Asylverfahrens nicht zumutbar, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen. Im Hinblick auf den Regelversagungsgrund und den Gewährleistungsgehalt des Art. 6 GG ist dabei zum einen zu berücksichtigen, dass derzeit nicht absehbar ist, wann das Asylverfahren rechtskräftig abgeschlossen und damit das Aufenthaltsrecht des Klägers zu 3. erloschen sein wird (vgl. § 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylVfG). Folglich zeichnet sich auch nicht ab, dass das der Klägerin aus Art. 6 GG zustehende Abschiebungshindernis demnächst entfallen wird (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil v. 17.12.1998, a.a.O.; s. auch Beschluss v. 29.1.2001 - 13 S 413/00 -, InfAuslR 2001, 169). Zum anderen würden Kosten durch die Inanspruchnahme von Sozialhilfe auch dann nicht vermieden werden, wenn dem Abschiebungshindernis weiterhin nur durch Erteilung einer Duldung Rechnung getragen würde. Die Höhe der Kosten auch bei Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis wird zudem dadurch steuerbar, dass die Erteilung und Verlängerung einer Aufenthaltsbefugnis gegebenenfalls mit kurzen und an den Gang des Asylverfahrens des Klägers zu 3. angepassten Fristen erfolgen kann. Zudem scheidet eine Verlängerung zwingend aus, sobald das der Erteilung zugrunde liegende Abschiebungshindernis entfallen ist (§ 34 Abs. 2 AuslG). Durch die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen für jeweils kurze Zeiträume ist damit der Ausländerbehörde nicht nur die Möglichkeit eröffnet, beim Wegfall des Abschiebungshindernisses umgehend durch die Versagung der Verlängerung des Aufenthaltstitels zu reagieren, sondern auch einer ungerechtfertigten "überschießenden" Aufenthaltsverfestigung nach § 35 AuslG vorzubeugen.

Jedenfalls ist eine zwingende Versagung der Aufenthaltsbefugnis bei einer Fallgestaltung der vorliegenden Art nicht gerechtfertigt. Vielmehr kann das Spannungsverhältnis im Einzelfall nur durch ein Zurücktreten des Regelversagungsgrundes des Sozialhilfebezugs und der fehlenden Sicherung des Lebensunterhalts aufgelöst werden, wobei den Besonderheiten des Einzelfalls im Rahmen der von der Behörde zu treffenden Ermessensentscheidung Rechnung getragen werden muss (VGH Bad.-Württ., Urteil v. 5.7.2000, a.a.O.). Damit wird auch nicht eine tatbestandliche Voraussetzung des § 30 Abs. 3 AuslG zugleich zur Begründung der Atypik herangezogen, denn nicht das aus Art. 6 Abs. 1 GG hergeleitete Abschiebungshindernis als solches, sondern dessen voraussichtlich länger andauernder Fortbestand beseitigt das Gewicht des gesetzlichen Regelversagungsgrunds (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil v. 17.12.1998, a.a.O.).

4. Bei der Klägerin ist danach ein atypischer Ausnahmefall anzunehmen, und die Beklagte hat über deren Aufenthaltsbefugnisantrag - erstmals - nach Ermessen zu entscheiden.

Bei der gebotenen Ermessensausübung sind sämtliche einschlägigen öffentlichen und privaten Belange gegeneinander abzuwägen, wobei auch die vorliegenden Regelversagungsgründe mit dem ihnen nach der Entscheidung des Gesetzgebers zukommenden Gewicht einbezogen werden dürfen. Sie haben nicht allein deshalb, weil ein von der Regel abweichender Fall vorliegt, zurückzutreten; es kommt ihnen allerdings nicht - wie im Regelfall - von vornherein ein ausschlaggebendes Gewicht zu (vgl. BVerwG, Urteil v. 29.7.1993, - 1 C 25.93 -, BVerwGE 94, 35; Beschluss v. 26.3.1999, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Urteile v. 5.7.2000, v. 29.6.2000 und v. 17.12.1998, jeweils a.a.O.). Das gilt auch für den Regelversagungsgrund des Sozialhilfebezugs (VGH Bad.-Württ., Urteil v. 29.6.2000, a.a.O.). Wie der erkennende Gerichtshof entschieden hat, wirkt bei Vorliegen von Abschiebungshindernissen (Anwendungsbereich des § 30 Abs. 3 und 4 AuslG) die Regelversagung wegen Sozialhilfe in Fällen vermeidbarer Hilfebedürftigkeit als Druckmittel gegenüber dem Ausländer oder seinen nächsten, unterhaltspflichtigen Angehörigen, im Interesse der Legalisierung seines Aufenthaltes oder desjenigen des Angehörigen alle zumutbaren Anstrengungen zur Beseitigung der wirtschaftlichen Notlage (insbesondere Bemühungen um Aufnahme oder Aufrechterhaltung einer Erwerbstätigkeit) zu unternehmen. Mit Blick auf die Verhinderung des Missbrauchs der Sozialhilfe besteht ein erhebliches öffentliches Interesse an dieser Anreizfunktion des Regelversagungsgrundes. Für die Ausübung des Ermessens in atypischen Fällen folgt daraus, dass die Frage der Vermeidbarkeit des Sozialhilfebezuges durch zumutbare Anstrengungen des Ausländers oder seiner unterhaltspflichtigen nächsten Familienangehörigen ein wesentlicher, wenn auch nicht allein maßgeblicher Gesichtspunkt sein kann (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil v. 29.6.2000, a.a.O.). Im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung wird die Beklagte daher auch zu prüfen haben, ob die Klägerin sich in ausreichendem Maße bemüht hat, durch Erwerbstätigkeit unabhängig von Sozialhilfe und sonstigen öffentlichen Leistungen zu werden. Auch bei der Beantwortung der Frage, für welchen Zeitraum die Aufenthaltsbefugnis zu erteilen ist (vgl. § 34 Abs. 1 AuslG), sind die genannten Gesichtspunkte von der Beklagten in die zu treffende Ermessensentscheidung einzustellen.

Nach alledem kann im vorliegenden Fall von einer Reduzierung des Ermessens auf Null und damit einem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis jedenfalls nicht ausgegangen werden. Denn dem öffentlichen Interesse an der Vermeidung des Sozialhilfebezuges von Ausländern kann nicht von vorne herein ein geringeres Gewicht gegenüber dem privaten Interesse an der Legalisierung des grundrechtlich geschützten Aufenthalts und dem öffentlichen Interesse an einer funktionsgerechten Abgrenzung der Duldung von der Aufenthaltsbefugnis beigemessen werden. Zu berücksichtigen ist nämlich das weitere öffentliche Interesse, eine Aufenthaltsverfestigung (vgl. § 35 AuslG) trotz fehlender wirtschaftlicher Integration zu vermeiden und auch der Umstand, dass das bestehende Abschiebungshindernis vom Ausgang des Asylverfahrens des Klägers zu 3. abhängt und, da dieser Ausgang derzeit noch offen ist, sich die Klägerin auch nicht in einer derart aufenthaltsrechtlich gefestigten Position befindet wie in dem Fall, in dem ein Asylverfahren bereits zu einer positiven Entscheidung wie einer Asylanerkennung, der Feststellung der Flüchtlingseigenschaft oder von Abschiebungshindernissen geführt hat.

Nachdem der Klägerin ein Anspruch auf Neubescheidung ihres Antrags auf Aufenthaltsbefugnis gemäß § 30 Abs. 3 AuslG zusteht, kann offen bleiben, ob sich ein derartiger Anspruch auch im Hinblick auf § 30 Abs. 4 AuslG ergeben würde.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 2, 155 Abs. 1 Satz 1, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO analog.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss

vom 6. Oktober 2004

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 14 Abs. 1 Satz 1, 25 Abs. 2 Satz 1 GKG a.F. (vgl. § 72 Nr. 1 GKG in der Fassung des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes - KostRMoG - vom 5.5.2004, BGBl. I, 718, 731 i.V.m. § 5 ZPO analog) auf 12.000,-- EUR festgesetzt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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