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Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 14.05.2007
Aktenzeichen: 11 S 1640/06
Rechtsgebiete: VwGO, GG, EGBGB
Vorschriften:
VwGO § 80 Abs. 7 | |
VwGO § 123 | |
GG Art. 6 | |
EGBGB Art. 11 | |
EGBGB Art. 13 |
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss
In der Verwaltungsrechtssache
wegen Duldung;
hier: vorläufiger Rechtsschutz, Abänderungsantrag
hat der 11. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg
am 14. Mai 2007
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 4. Juli 2006 - 1 K 1104/06 - wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500.- EUR festgesetzt.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 04.07.2006, mit dem dem erneut auf Abschiebungsschutz gerichteten Antrag des Antragstellers gemäß § 123 Abs. 1 i. V. m. § 80 Abs. 7 VwGO analog stattgegeben wurde, ist zwar fristgerecht eingelegt (§ 147 Abs. 1 VwGO) und begründet (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) worden und auch sonst zulässig. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Die von dem Antragsgegner vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung sich das Beschwerdeverfahren zu beschränken hat (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), gebieten keine andere Entscheidung.
Zum Sachverhalt kann wiederum (vgl. Senatsbeschluss vom 28.04.2006 - 11 S 284/06 -) auf die Ausführungen in dem von dem Bundesverfassungsgericht (Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23.01.2006 - 2 BvR 1935/05 - juris) aufgehobenen Senatsbeschluss vom 28.09.2005 - 11 S 501/05 - verwiesen werden. Ergänzend ist auf die am 11.05.2006 erfolgte Eheschließung des Antragstellers mit Frau P. in Logumkloster Kommune/Dänemark sowie auf die am 13.03.2007 in Heidelberg erfolgte Geburt der zweiten Tochter des Antragstellers und von Frau P. hinzuweisen.
Der Senat lässt offen, ob der Antragsteller seinen Eilrechtsschutzantrag zutreffend als Abänderungsantrag analog § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO gestellt und ob das Verwaltungsgericht diesen Antrag zu Recht auch unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO geprüft hat. Zweifel an der in Literatur und Rechtsprechung verbreitet bejahten Statthaftigkeit des Verfahrens nach § 80 Abs. 7 VwGO auch in den Fällen des § 123 VwGO (vgl. u. a. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 123, Rn. 174 ff.; Eyermann/Happ, 12. Aufl., § 123 Rn. 77 ff.; Kopp, VwGO, 14. Aufl., § 123 Rn. 35; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 03.08.2006 - NC 9 S 9/06 - VBlBW 2007, 34; Beschluss vom 06.12.2001 - 13 S 1824/01 - NVwZ-RR 2002, 908; Senatsbeschluss vom 06.05.2002 - 11 S 616/02 - NVwZ-RR 2002, 911; BVerfG, Beschluss vom 23.03.1995 - 2 BvR 492/95 - und - 2 BvR 493/95 -, BVerfGE 92, 245 ff.) könnten sich daraus ergeben, dass - wie hier - im Fall einer ablehnenden Erstentscheidung nach § 123 VwGO ohne weiteres auch ein erneuter Antrag nach § 123 VwGO - unter Beachtung der (beschränkten) Rechtskraftwirkung des Erstbeschlusses - gestellt werden könnte und daher eine die Analogie rechtfertigende Regelungslücke fraglich ist (vgl. Funke-Kaiser in Bader, VwGO, 3. Aufl., § 123 Rn. 67; offen gelassen im Senatsbeschluss vom 12.01.2007 - 11 S 1438/06 -). Letztlich braucht darauf jedoch nicht näher eingegangen zu werden. Die Umstände, mit denen der Antragsteller den erneuten Eilrechtschutzantrag begründet hat - seine Heirat am 11.05.2006 sowie die weitere Zeit der Straflosigkeit seit der von dem Amtsgericht Heidelberg mit Urteil vom 15.05.2002 (- 6 Ls 45 Js 22052/01 -) abgeurteilten Tat vom 14.11.2001 - sind nachträglich entstanden. Sie stellen eine maßgebliche Veränderung der dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 11.02.2005 (- 1 K 2821/04 -) bzw. dem Senatsbeschluss vom 28.04.2006 (- 11 S 284/06 -) zu Grunde liegenden Sachlage dar, die nicht nur den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO, sondern ebenso eine Beschlussänderung nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO rechtfertigen könnte.
Die Frage des statthaften Antrags kann darüber hinaus auch deshalb offen bleiben und muss nicht vertieft werden, weil die von dem Antragsgegner mit seiner Beschwerde vorgebrachten Gründe keine andere Entscheidung als die von dem Verwaltungsgericht getroffene gebieten. Der Antragsgegner trägt im Wesentlichen vor, durch die "formale dänische Eheschließung" habe sich im Hinblick auf die Abwägung zu Art. 6 GG kein entscheidungsrelevant veränderter Umstand ergeben. Die in Dänemark vorgenommene Eheschließung sei nicht rechtswirksam gewesen und könne in Deutschland daher auch keine Rechtswirkungen entfalten (unter Bezugnahme auf OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.09.2006 - 18 B 1682/06 - NJW 2007, 314). Bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes angezeigten summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage vermag der Senat dieser Einschätzung nicht zu folgen. Die von dem Antragsteller am 11.05.2006 mit Frau P. in Dänemark geschlossene Ehe dürfte vielmehr rechtswirksam sein, im Übrigen auch ohne dass es hierzu etwa einer Legalisierungsbescheinigung (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 30.03.2006 - 13 S 389/06 - InfAuslR 2006, 323) oder eines formellen Aktes in der Bundesrepublik (wie bspw. der Anlegung eines Familienbuches nach § 15 a Abs. 1 Nr. 1 PStG; vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 28.08.2002 - 8 Wx 32/02 - InfAuslR 2002, 478) bedarf.
Ob eine im Ausland geschlossene Ehe rechtswirksam ist, richtet sich grundsätzlich nach dem durch das Internationale Privatrecht berufenen Recht. Gegen die Formwirksamkeit der Eheschließung des Antragstellers bestehen hiernach keine Bedenken. Denn gemäß Art. 11 Abs. 1 EGBGB genügt die Einhaltung der dänischen Ortsform, die durch die im Verfahren vorgelegte Heiratsurkunde - "Trauschein" vom 11.05.2006 - belegt ist (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 03.08.2006 - 15 W 23/06 - FamRZ 2007, 656). Zwar trifft es zu, dass nach § 11 a Abs. 1 des dänischen Ehegesetzes (abgedr. in Bergmann/Ferid/Henrich, Int. Ehe- und Kindschaftsrecht, Dänemark, S. 43 ff.) eine Ehe in Dänemark zwischen Ausländern regelmäßig nur dann geschlossen werden darf, wenn sich beide Partner gemäß dem dänischen Aufenthaltsgesetz rechtmäßig im Inland aufhalten, was bezüglich des sich in Deutschland derzeit ohne Aufenthaltstitel aufhaltenden Antragstellers kaum der Fall gewesen sein dürfte. Gemäß § 11 a Abs. 2 des dänischen Ehegesetzes kann das Standesamt hiervon jedoch Ausnahmen zulassen. Im Übrigen geht auch die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Kopenhagen nach dem von dem Antragsgegner vorgelegten "Informationsblatt zu Eheschließungen in Dänemark" (Stand: Februar 2006) davon aus, dass eine vor dänischen Standesämtern geschlossene Ehe schon dann wirksam ist, wenn sie - wie offenbar hier - vor einem dazu befugten Standesbeamten unter Anwesenheit der heiratswilligen Verlobten stattfindet, dieser Beamte die beiden fragt, ob sie die Ehe schließen möchten und er sie nach deren Einverständnis zu Mann und Frau erklärt. Ob sich die Verlobten legal in Dänemark aufhalten und/oder die vorgelegten Ausweispapiere und Antragsunterlagen gefälscht oder verfälscht sind, oder die Ehe gar unter falschem Namen geschlossen wird, spiele zivilrechtlich keine Rolle. Nachdem sich des Weiteren die materielle Wirksamkeit einer im Ausland geschlossenen Ehe gemäß Art. 13 Abs. 1 EGBGB nach dem jeweiligen Heimatrecht der Eheschließenden richtet und Unwirksamkeitsgründe hier weder nach nigerianischem noch nach deutschem Recht ersichtlich sind, ebenso wenig wie ein Verstoß gegen den deutschen ordre public, geht der Senat davon aus, dass die Ehe des Antragstellers mit Frau P. am 11.05.2006 rechtswirksam geschlossen worden ist. Auch der Vorwurf des "Missbrauchs", d. h. der Umgehung der strengeren deutschen Formvorschriften, kann angesichts der nach Art. 11 Abs. 1 EGBGB ausdrücklich zugelassenen Ortsform nicht durchgreifen (Palandt, BGB, 66. Aufl., Art. 13 EGBGB Rn. 19, m.w.N.). Die ausländerrechtlichen Rechte und Pflichten werden durch die dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG unterliegende im Ausland geschlossene Ehe beeinflusst (BVerfG, Beschluss vom 12.05.1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - BVerfGE 76, 1). Das Verwaltungsgericht hat deshalb zu Recht den neuen Umstand der Verheiratung des Antragstellers in seine Einzelfallabwägung eingestellt.
Diese Einzelfallabwägung wird auch durch die weiteren Argumente der Beschwerdebegründung nicht mit Erfolg angegriffen. Das Verwaltungsgericht hat - ausgehend von den durch das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 23.01.2006, a.a.O.) in den Mittelpunkt gestellten Kindeswohlgesichtspunkten - die aufenthaltsrechtlichen Verstöße des Antragstellers zurücktreten lassen und mit schlüssiger Argumentation nunmehr ganz erheblich veränderte Umstände in dessen Lebensverhältnissen im Vergleich zum Zeitpunkt der strafgerichtlichen Verurteilung im Jahr 2002 angenommen. Damit setzt sich die Beschwerdebegründung nicht substantiiert auseinander.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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