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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 21.11.2006
Aktenzeichen: 11 S 1918/06
Rechtsgebiete: GG, VwGO, ZPO


Vorschriften:

GG Art. 101 Abs. 1 Satz 2
VwGO § 87a Abs. 1 Nr. 3
VwGO § 87a Abs. 3
VwGO § 123
VwGO § 125 Abs. 1
VwGO § 146 Abs. 1
VwGO § 166
ZPO § 114
Hat sich das auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gerichtete Eilverfahren und Beschwerdeverfahren in der Hauptsache erledigt, bleibt für die Beschwerde gegen die erstinstanzliche Ablehnung von Prozesskostenhilfe der Senat zuständig. Eine Entscheidung durch den Berichterstatter in entsprechender Anwendung des § 87a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 VwGO kommt nicht in Betracht.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

11 S 1918/06

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Abschiebung; vorläufiger Rechtsschutz

hier: Prozesskostenhilfe

hat der 11. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

am 21. November 2006

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 14. Juli 2006 - 4 K 722/06 -, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Eilantrag abzulehnen, geändert. Dem Antragsteller wird für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt xxxxx xxxxx-xxxxxxxxx, xxxxxxxx, beigeordnet, soweit der Antragsteller die Aussetzung der Abschiebung bis zum Abschluss seines Asylverfahrens verfolgt hat.

Gründe:

Der Antragsteller wendet sich mit seiner Beschwerde bei sachdienlicher Auslegung (nur) gegen die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe für den Antrag auf Aussetzung der Abschiebung bis zum (rechtskräftigen) Abschluss seines Asylverfahrens, bezüglich dessen beim erkennenden Gerichtshof ein Antrag auf Berufungszulassung anhängig ist (Az. A 6 S 231/06).

Die Entscheidung hierüber obliegt dem Senat, da § 87a Abs. 1 Nr. 3 VwGO auf den vorliegenden Fall keine Anwendung findet.

Nach § 87a Abs. 1 Nr. 3 VwGO entscheidet der Vorsitzende (bzw. im Fall des § 87a Abs. 3 VwGO der Berichterstatter) nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache nicht nur über die Kosten des Hauptsacheverfahrens, sondern auch über einen - als Annex zur Hauptsache gestellten - Antrag auf Prozesskostenhilfe. Dies gilt nach § 125 Abs. 1 VwGO in Berufungsverfahren sowie entsprechend für Beschwerdeverfahren (vgl. § 122 Abs. 1 VwGO). Sinn und Zweck der Regelung ist es, eine Befassung des gesamten Spruchkörpers dann entbehrlich zu machen, wenn nach Erledigung der Hauptsache im erledigten Verfahren nur noch Nebenentscheidungen zu treffen sind. So liegt der Fall hier aber nicht. Im Beschwerdeverfahren ist keine Nebenentscheidung zu treffen, wie sie die Regelung des § 87a Abs. 1 Nr. 3 VwGO im Auge hat, sondern zu entscheiden, ob dem Kläger zu Recht Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug versagt wurde. Eine Erledigung ist insoweit nicht eingetreten. Auch die Tatsache, dass es sich bei § 87a Abs. 1 Nr. 3 VwGO um eine die Vorschriften über den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) modifizierende Ausnahmevorschrift handelt, spricht dagegen, sie über ihren Wortlaut hinaus erweiternd auszulegen (ebenso Bay. VGH, Beschluss vom 11.08.2005 - 24 C 05.1190 - <juris>; a. A. OVG NW, Beschluss vom 13.09.2006 - 18 E 895/06 - <juris>).

Die nach § 146 Abs. 1 VwGO statthafte und auch sonst zulässig erhobene Beschwerde des Antragstellers hat auch in der Sache Erfolg.

Nach der Rechtsprechung des Senats ist die rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht trotz zwischenzeitlich eingetretener Hauptsacheerledigung zulässig, denn im maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfeantrages war die Rechtsverfolgung noch i.S.d. § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO "beabsichtigt" (vgl. Senatsbeschluss vom 19.04.2005 - 11 S 735/05 - m.w.N.).

Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Die vom Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung bot zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs hinreichende Aussicht auf Erfolg. Bezüglich der Erfolgsaussicht reicht es aus, wenn sich die Erfolgsaussicht des Antrags als offen darstellt (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 05.02.2003 - 1 BvR 1526/02 -, NJW 2003, 2976 und vom 14.04.2003 - 1 BvR 1998/02 -, NJW 2003, 2976).

In Anwendung dieser Grundsätze war dem Antragsteller die beantragte Prozesskostenhilfe zu bewilligen, da ihm entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts zur Durchführung seines Asylverfahrens der Aufenthalt wohl zu gestatten war. Der erkennende Gerichtshof hat mit Urteil vom 21.06.2006 (- A 3 S 258/06 -, InfAuslR 2006, 429 ff.) entschieden, dass die Antragsfiktion des § 14a Abs. 2 Satz 3 AsylVfG auch für Kinder gilt, die - wie der Antragsteller - vor dem In-Kraft-Treten dieser Bestimmung im Bundesgebiet geboren wurden. Diese Rechtsauffassung hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteilen vom heutigen Tag (Az. 1 C 5.06, 8.06, 10.06 und 20.06) bestätigt. Auf den ebenfalls am heutigen Tag ergangenen Beschluss der Berichterstatterin im Verfahren 11 S 1820/06 wird ergänzend verwiesen.

Der Antragsteller war nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen auch nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen, da er ausweislich der von ihm vorgelegten Unterlagen weder über eigenes Einkommen noch über Vermögen verfügt.

Die Beiordnung des Prozessbevollmächtigten ergibt sich aus § 166 VwGO i.V.m. § 121 Abs. 1 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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