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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 13.03.2001
Aktenzeichen: 11 S 2374/99
Rechtsgebiete: AsylVfG, AuslG, LVwVfG


Vorschriften:

AsylVfG § 73 Abs. 1
AuslG § 43 Abs. 1 Nr. 4
LVwVfG § 36 Abs. 2 Nr. 2
Es ist nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG grundsätzlich nicht zulässig, die unbefristete Aufenthaltserlaubnis des anerkannten Asylbewerbers unter der aufschiebenden Bedingung des Eintritts der Bestandskraft des mit der Klage angefochtenen Widerrufs der Asylanerkennung zu widerrufen.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

11 S 2374/99

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Widerrufs der Aufenthaltserlaubnis

hat der 11. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Peter und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Jakober und Albers aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13. März 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 2. Juni 1999 - 5 K 2704/98 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Bescheid des Landratsamts Sigmaringen vom 6. August 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Tübingen vom 14. Oktober 1998 aufgehoben wird, soweit die unbefristeten Aufenthaltserlaubnisse der Kläger widerrufen wurden und den Klägern die Abschiebung angedroht wurde.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen den Widerruf von unbefristeten Aufenthaltserlaubnissen samt der Androhung ihrer Abschiebung.

Der 1949 geborene Kläger zu 1 und die 1984 bzw. 1989 geborenen Kläger zu 2 und 3 - Söhne des Klägers zu 1 - sind jugoslawische Staatsangehörige aus dem Kosovo. Sie reisten (auch die nicht am Rechtsstreit beteiligte Ehefrau des Klägers zu 1 und Mutter der beiden Söhne, für die das Folgende ansonsten entsprechend gilt) im Frühjahr 1991 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragten Asyl. Mit Bescheid vom 9.7.1991 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) die Asylanträge ab. Mit - rechtskräftig gewordenem - Urteil vom 21.10.1992 hob das Verwaltungsgericht Stuttgart diesen Bescheid auf und verpflichtete die Bundesrepublik Deutschland, die Kläger als Asylberechtigte anzuerkennen und bezüglich des Klägers zu 1 festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Mit Bescheid vom 14.1.1993 erkannte das Bundesamt die Kläger als Asylberechtigte an und stellte hinsichtlich des Klägers zu 1 fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Darauf erteilte das Landratsamt Reutlingen am 16.4.1993 dem Kläger zu 1 und am 20.4.1993 den Klägern zu 2 und 3 jeweils eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Ferner stellte es dem Kläger zu 1 einen Reiseausweis für Flüchtlinge aus, in den die Kläger zu 2 und 3 eingetragen wurden; den Klägern zu 2 und 3 stellte es daneben jeweils einen Kinderausweis aus.

Mit Bescheid vom 23.12.1997 - den Klägern am 6.2.1998 zugestellt - widerrief das Bundesamt unter Hinweis auf § 73 Abs. 1 AsylVfG die Anerkennung der Kläger als Asylberechtigte und die hinsichtlich des Klägers zu 1 getroffene Feststellung zu § 51 Abs. 1 AuslG; zugleich stellte es fest, dass bei den Klägern Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Gegen diesen Bescheid erhoben die Kläger am 20.2.1998 beim Verwaltungsgericht Sigmaringen Klage, über die noch nicht entschieden ist. Das betreffende Verfahren ruht.

Mit Bescheid vom 6.8.1998 widerrief das Landratsamt Sigmaringen als nunmehr zuständige Ausländerbehörde die den Klägern erteilten Aufenthaltserlaubnisse "unter der auflösenden Bedingung des Stattgebens der Klage" gegen die Entscheidung des Bundesamts vom 23.12.1997 und drohte den Klägern die Abschiebung nach Jugoslawien oder in einen anderen zu ihrer Aufnahme bereiten oder verpflichteten Staat an, falls sie die Bundesrepublik Deutschland nicht innerhalb einer Frist von 3 Monaten ab Bestandskraft der Entscheidung des Bundesamts vom 23.12.1997 verlassen. Außerdem wurden die Kläger aufgefordert, die erwähnten Ausweise innerhalb von 10 Tagen nach Bestandskraft der Entscheidung des Bundesamts vom 23.12.1997 beim Landratsamt abzugeben. In dem Bescheid heißt es zur Begründung: Der Widerruf der Aufenthaltserlaubnisse stehe nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG im pflichtgemäßen Ermessen der Ausländerbehörde. Er setze an sich die Unanfechtbarkeit des Bescheids des Bundesamts vom 23.12.1997 voraus, könne jedoch auch unter der genannten Bedingung ausgesprochen werden. Der Widerruf vor Eintritt der Bestandskraft der Entscheidung des Bundesamts sei erforderlich, damit das spätere Einlegen von Rechtsmitteln keinen vermeidbaren Zeitverlust nach sich ziehe. Durch den Widerruf werde keine Rückkehrpflicht zum jetzigen Zeitpunkt ausgelöst. Das öffentliche Interesse an einer Ausreise der Kläger überwiege ihre persönlichen Interessen an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet. Der Kläger zu 1 und dessen Ehefrau hätten den überwiegenden Teil ihres Lebens in ihrem Heimatstaat verbracht. Wirtschaftliche oder sonstige besondere Bindungen im Bundesgebiet seien bei den Klägern nicht ersichtlich. Die Familie bestreite ihren Lebensunterhalt aus dem Bezug von Sozialhilfe.

Unter dem 25.9.1998 erklärte das Landratsamt gegenüber den Klägern, der Entscheidungsausspruch des Bescheids vom 6.8.1998 enthalte einen redaktionellen Fehler. Der Widerruf der Aufenthaltserlaubnisse erfolge "unter der aufschiebenden Bedingung des Stattgebens der Klage" gegen die Entscheidung des Bundesamts vom 23.12.1997.

Den Widerspruch der Kläger gegen den Bescheid vom 6.8.1998 wies das Regierungspräsidium Tübingen mit Bescheid vom 14.10.1998 mit der Maßgabe zurück, dass der Widerruf der Aufenthaltserlaubnisse "unter der aufschiebenden Bedingung des Eintritts der Bestandskraft" des Bescheids des Bundesamts vom 23.12.1997 erfolgt. Das Regierungspräsidium führte aus: Nach dem Widerruf der Asylanerkennungen bestehe ein vorrangiges öffentliches Interesse daran, die erteilten Aufenthaltserlaubnisse ebenfalls zu widerrufen. Dem nunmehr siebenjährigen Aufenthalt der Familie im Bundesgebiet komme kein ausschlaggebendes Gewicht zu, zumal sie ihren Lebensunterhalt überwiegend aus Mitteln der Sozialhilfe bestritten habe. Zwar lägen derzeit Duldungsgründe gemäß § 55 Abs. 2 AuslG vor (gemeint ist offenbar wegen der Verhältnisse in Jugoslawien), doch seien diese nicht so gewichtig, dass das öffentliche Interesse am Widerruf der Aufenthaltserlaubnisse hinter dem privaten Interesse an deren Aufrechterhaltung zurücktreten müsste. Den privaten Belangen der Kläger könne auch durch die Erteilung von Duldungen entsprochen werden. Ohnehin werde der Widerruf der Aufenthaltserlaubnisse erst bei Eintritt der Bestandskraft der Entscheidung des Bundesamts vom 23.12.1997 wirksam, so dass die derzeit vorhandenen Duldungsgründe bei Eintritt des zukünftigen Ereignisses möglicherweise gar nicht mehr erheblich seien. Der Widerspruchsbescheid wurde den Klägern am 26.10.1998 zugestellt.

Am 18.11.1998 haben die Kläger beim Verwaltungsgericht Sigmaringen Klage erhoben mit dem Antrag, den Bescheid des Landratsamts Sigmaringen vom 6.8.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Tübingen vom 14.10.1998 aufzuheben.

Die Kläger haben vorgetragen: Es sei nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG nicht zulässig, die Aufenthaltserlaubnis zu widerrufen, bevor der Widerruf der Asylanerkennung bestandskräftig geworden sei. Das Gesetz sehe einen Widerruf der Aufenthaltserlaubnis unter der aufschiebenden Bedingung des Eintritts der Bestandskraft der Entscheidung des Bundesamts nicht vor. Im Übrigen sei der Widerruf ihrer Aufenthaltserlaubnisse ermessensfehlerhaft. Sie lebten seit über sieben Jahren in Deutschland. Die beiden Söhne seien hier integriert. Auch wäre die Familie bei einer Rückkehr nach Jugoslawien einer äußerst gefährlichen Lage ausgesetzt.

Der Beklagte ist den Klagen unter Bezugnahme auf die angefochtenen Bescheide entgegengetreten.

Mit - ohne mündliche Verhandlung ergangenem -Urteil vom 2.6.1999 hat das Verwaltungsgericht den Klagen stattgegeben. Es hat ausgeführt: Die Klagen seien begründet. Der angefochtene Widerruf der Aufenthaltserlaubnisse sei rechtswidrig und verletze die Kläger in ihren Rechten. § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG lasse es nicht zu, die auf dem Asylstatus beruhende unbefristete Aufenthaltserlaubnis unter der aufschiebenden Bedingung des Eintritts der Bestandskraft des Widerrufs der Asylanerkennung zu widerrufen. § 36 Abs. 2 Nr. 2 LVwVfG ermögliche es nicht, einen belastenden Verwaltungsakt unter der aufschiebenden Bedingung des Eintritts einer fehlenden Tatbestandsvoraussetzung zu erlassen. Ein belastender Verwaltungsakt könne nur dann unter einer aufschiebenden Bedingung erlassen werden, wenn er zu demselben Zeitpunkt auch unbedingt erlassen werden könne. Daran fehle es hier. § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG setze das Unwirksamwerden der Anerkennung als Asylberechtigter voraus. Die Asylanerkennung werde jedoch nicht bereits mit dem Ausspruch ihres Widerrufs (§ 73 AsylVfG) unwirksam. Denn eine Klage gegen den Widerruf der Asylanerkennung habe nach § 75 AsylVfG aufschiebende Wirkung. Auch ergebe sich aus dem asylrechtlich begründeten Aufenthaltsrecht nach § 68 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, dass die unbefristete Aufenthaltserlaubnis von dem Widerruf der Asylanerkennung unberührt bleiben solle, solange der Widerruf gemäß § 75 AsylVfG nicht vollziehbar sei. Der aufschiebend bedingte Widerruf der Aufenthaltserlaubnis stelle eine unzulässige Umgehung des Anspruchs des als asylberechtigt anerkannten Ausländers auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis dar. Auch stehe einem aufschiebend bedingten Widerruf der Aufenthaltserlaubnis entgegen, dass § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG eine Ermessensentscheidung vorsehe. Im Rahmen der Ausübung des Ermessens seien u.a. die in § 45 Abs. 2 AuslG genannten Umstände zu berücksichtigen. Insofern müsste bei einem aufschiebend bedingten Widerruf der Aufenthaltserlaubnis einer zukünftigen Situation Rechnung getragen werden. Das sei aber regelmäßig unmöglich, weshalb sich zwangsläufig ein Ermessensausfall ergebe. Ein belastender Verwaltungsakt, der im Ermessen der Behörde stehe, könne nicht "auf Vorrat" mit Wirkung für die Zukunft erlassen werden. In Anbetracht der aufgezeigten Rechtslage sei auch die Abschiebungsandrohung rechtswidrig.

Auf Antrag des Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 27.9.1999 die Berufung gegen dieses Urteil zugelassen. Der Beschluss enthält keine Belehrung über das zugelassene Rechtsmittel. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 2.3.2000 die Berufung begründet.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 2. Juni 1999 zu ändern und die Klagen abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor: Entgegen der Beurteilung des Verwaltungsgerichts sei es nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG zulässig, die auf dem Asylstatus beruhende unbefristete Aufenthaltserlaubnis unter der aufschiebenden Bedingung des Eintritts der Bestandskraft des Widerrufs der Asylanerkennung zu widerrufen. Ein belastender Verwaltungsakt könne nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 LVwVfG unter der aufschiebenden Bedingung des Eintritts einer fehlenden Tatbestandsvoraussetzung erlassen werden. Es sei gerade der Sinn einer aufschiebenden Bedingung, die innere Wirksamkeit des Verwaltungsakts erst dann eintreten zu lassen, wenn das zukünftige Ereignis eintrete. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Widerruf der Asylanerkennung schließe es nicht aus, den Widerruf der Aufenthaltserlaubnis schon vor Eintritt der Bestandskraft der asylrechtlichen Entscheidung auszusprechen. Auch liege in dem aufschiebend bedingten Widerruf der Aufenthaltserlaubnis keine unzulässige Umgehung des Anspruchs des als asylberechtigt anerkannten Ausländers auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis. Einwendungen seien im vorliegenden Fall auch nicht insofern zu erheben, als der Widerruf der Aufenthaltserlaubnis nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG im Ermessen der Behörde stehe. Denn es sei nur dann kein vorrangiges öffentliches Interesse am Widerruf einer allein auf der widerrufenen Asylanerkennung beruhenden unbefristeten Aufenthaltserlaubnis gegeben, wenn dem Ausländer aus anderen Rechtsgründen eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt werden müsste. Ob dem Ausländer möglicherweise - aufgrund seiner persönlichen Situation - eine andere (befristete) Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen wäre, sei unerheblich. Denn der Gegenstand des Widerrufs sei nicht teilbar. Mithin sei das Ermessen für die Entscheidung über den Widerruf auf Null geschrumpft. Es sei in Fällen der vorliegenden Art nicht vertretbar und vom Gesetzgeber auch nicht gewollt, einen jahrelangen Asylrechtsstreit erst abwarten zu müssen, bevor eine daran anschließende ausländerrechtliche Entscheidung getroffen werde, die dann ebenfalls den gerichtlichen Instanzenzug durchlaufen müsse.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Kläger verteidigen das Urteil des Verwaltungsgerichts. Sie betonen, mit einem Widerruf der Aufenthaltserlaubnis unter der aufschiebenden Bedingung des Eintritts der Bestandskraft des Widerrufs der Asylanerkennung gehe notwendigerweise ein Ermessensausfall einher. Entgegen dem Vorbringen des Beklagten sei nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG eine umfassende Ermessensentscheidung zu treffen, bei der auch die Gründe für den Verlust des Asylstatus, die Dauer des bisherigen Aufenthalts samt Integrationsleistung und die persönliche Lage des Ausländers nach Rückkehr in den Heimat- und ehemaligen Verfolgerstaat zu berücksichtigen seien. Die Behörde könne aber bei einem aufschiebend bedingten Widerruf der Aufenthaltserlaubnis die für die Ermessensausübung erhebliche Sachlage zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Widerrufs überhaupt noch nicht absehen.

Die Kläger tragen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch vor: Sie seien nicht, wovon das Bundesamt ausgegangen sei, albanische Volkszugehörige, sondern Angehörige des Volks der Roma (Ashkali). Zur Zeit der Widerspruchsentscheidung habe die Ehefrau des Klägers zu 1 und Mutter der Kläger zu 2 und 3 von der Familie getrennt gelebt. Nunmehr seien sie wieder zusammen. Die Familie bestreite den Lebensunterhalt auch derzeit überwiegend von Sozialhilfe.

Ergänzend wird auf die gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Akten verwiesen. Dem Senat liegen die einschlägigen Ausländerakten vor, auf die ebenfalls Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Da der Zulassungsbeschluss vom 27.9.1999 keine Rechtsmittelbelehrung zur Notwendigkeit und Fristgebundenheit der Berufungsbegründung enthält, wurde die Monatsfrist des § 124 a Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht in Lauf gesetzt (dazu BVerwG, Urt. v. 4.10.1999, BVerwGE 109, 336). Die mit Schriftsatz des Beklagten vom 2.3.2000 eingereichte Berufungsbegründung ist daher rechtzeitig.

Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den zulässigen Anfechtungsklagen zu Recht stattgegeben.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid des Landratsamts Sigmaringen vom 6.8.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Tübingen vom 14.10.1998, soweit die unbefristeten Aufenthaltserlaubnisse der Kläger widerrufen wurden und den Klägern die Abschiebung angedroht wurde. Dies haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat einvernehmlich klargestellt.

Der Widerruf der unbefristeten Aufenthaltserlaubnisse der Kläger und die Abschiebungsandrohung sind rechtswidrig und verletzen die Kläger daher in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der Widerruf der unbefristeten Aufenthaltserlaubnisse der Kläger, ein rechtsgestaltender belastender Verwaltungsakt, ist im Rahmen der Anfechtungsklage nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, also der Widerspruchsentscheidung vom 14.10.1998 zu beurteilen. Daran ändert die untrennbar mit dem Widerruf als Hauptverwaltungsakt verbundene Nebenbestimmung einer aufschiebenden Bedingung nichts, derzufolge der Eintritt der mit dem Verwaltungsakt erstrebten Rechtswirkungen (innere Wirksamkeit) von dem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses, nämlich dem Eintritt der Bestandskraft des Bescheids des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) vom 23.12.1997, abhängt (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 LVwVfG).

Rechtsgrundlage für den Widerruf der Aufenthaltsgenehmigung und damit einer Aufenthaltserlaubnis (§ 5 Nr. 1 AuslG) bildet die Regelung des § 43 AuslG, die der Ausländerbehörde unter den dort festgelegten tatbestandlichen Voraussetzungen ein Ermessen zur Entscheidung über den Widerruf einräumt. Nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG kann die Aufenthaltsgenehmigung widerrufen werden, wenn die Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter, seine Rechtsstellung als ausländischer Flüchtling oder die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG "erlischt oder unwirksam wird". Im hier zu beurteilenden Fall kommt die Tatbestandsvoraussetzung des Unwirksamwerdens der Asylanerkennung sowie der Feststellung zu § 51 Abs. 1 AuslG in Betracht. Denn das Bundesamt hat mit dem Bescheid vom 23.12.1997 nach § 73 Abs. 1 AsylVfG die Asylanerkennungen der Kläger und die hinsichtlich des Klägers zu 1 getroffene Feststellung zu § 51 Abs. 1 AuslG widerrufen. Soweit im Folgenden auf den Widerruf der Asylanerkennungen Bezug genommen wird, gilt das Gesagte in gleicher Weise für den Widerruf der Feststellung zu § 51 Abs. 1 AuslG.

Der Bescheid des Bundesamts vom 23.12.1997 war im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung vom 14.10.1998 - und ist im Übrigen auch bislang - nicht unanfechtbar geworden. Die Kläger haben dagegen rechtzeitig Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Der Bescheid war - und ist - auch nicht etwa im Hinblick auf die nach § 75 AsylVfG gegebene aufschiebende Wirkung einer solchen Klage für sofort vollziehbar erklärt worden. Bei dieser Sachlage war der Tatbestand des § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG für einen Widerruf der unbefristeten Aufenthaltserlaubnisse der Kläger (Hauptverwaltungsakt) im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung vom 14.10.1998 nicht erfüllt.

Ein Widerruf der Asylanerkennung nach § 73 Abs. 1 AsylVfG, ebenfalls ein rechtsgestaltender belastender Verwaltungsakt, ist freilich unmittelbar darauf gerichtet, die Asylanerkennung unwirksam werden zu lassen. Er führt kraft seiner inneren Wirksamkeit eine derartige Rechtsgestaltung herbei. Die innere Wirksamkeit eines Verwaltungsakts tritt gemäß § 43 Abs. 1 LVwVfG grundsätzlich zugleich mit seiner äußeren Wirksamkeit, also der Bekanntgabe des Verwaltungsakts an die Betroffenen ein (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 43 RdNr. 6; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl. 1998, § 43 RdNr. 161). Nimmt man eine solche Gleichzeitigkeit bei einem Widerruf der Asylanerkennung an, wird die Asylanerkennung bereits mit der Bekanntgabe der sie widerrufenden Entscheidung des Bundesamts unwirksam. Die für einen Widerruf der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis des anerkannten Asylbewerbers nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG erforderliche Tatbestandsvoraussetzung des Unwirksamwerdens der Asylanerkennung könnte demnach an sich schon vor Unanfechtbarkeit der Entscheidung des Bundesamts nach § 73 Abs. 1 AsylVfG vorliegen (ausdrücklich in diesem Sinn Welte, Praxishilfen Ausländerrecht, F 163; vgl. auch AuslG-VwV Nr. 43.1.4.1 Satz 1, wonach die Entscheidung über den Widerruf unabhängig davon zu treffen ist, ob die Entscheidung des Bundesamts unanfechtbar ist). Indessen äußert das Schrifttum demgegenüber zum Teil die Auffassung, die Stellung als Asylberechtigter ende erst mit Unanfechtbarkeit der Entscheidung des Bundesamts (so etwa Hailbronner, AuslR, § 73 AsylVfG RdNr. 52; Renner, AuslR, 7. Aufl. 1999, § 73 AsylVfG RdNr. 26). Dazu weist man auf die Regelung in § 73 Abs. 6, § 72 Abs. 2 AsylVfG hin, welche die Pflicht zur Abgabe des Anerkennungsbescheids und des Reiseausweises an die Unanfechtbarkeit der asylrechtlichen Entscheidung knüpft. Die genannte Auffassung bedeutet allerdings - wie der Senat im Hinblick auf das noch zu würdigende Vorgehen mit der Nebenbestimmung einer aufschiebenden Bedingung bemerkt - für sich nicht ohne weiteres, dass über den Widerruf nicht schon vor Unanfechtbarkeit der Entscheidung des Bundesamts entschieden werden darf. Es wird jedoch auch betont, über den Widerruf dürfe überhaupt erst entscheiden werden, wenn die Entscheidung des Bundesamts unanfechtbar sei (so etwa Westphal, in: Huber, Handbuch des Ausländer- und Asylrechts, § 43 AuslG RdNr. 72; vgl. auch VG Sigmaringen, Urt. v. 22.7.1998, InfAuslR 1999, 47). Der Senat sieht davon ab, das Gesagte näher zu erörtern (übrigens lassen insoweit vorhandene Stellungnahmen nicht immer eindeutig erkennen, welche rechtliche Tragweite die Aussagen haben). Es kommt darauf für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht an.

Jedenfalls in Anbetracht der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Bundesamts vom 23.12.1997 war der Tatbestand des § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG für einen Widerruf der unbefristeten Aufenthaltserlaubnisse der Kläger (Hauptverwaltungsakt) im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung vom 14.10.1998 nicht erfüllt. Das gilt nicht etwa nur bei einem Verständnis der aufschiebenden Wirkung als vorläufiger Hemmung der Wirksamkeit des angefochtenen Verwaltungsakts. Begreift man die aufschiebende Wirkung als vorläufige Hemmung der Vollziehbarkeit des angefochtenen Verwaltungsakts, besteht ihre Bedeutung insbesondere darin, dass sie die Behörde einstweilen verpflichtet, Maßnahmen zu unterlassen, welche die Wirksamkeit des angefochtenen Verwaltungsakts voraussetzen (siehe zu der aufschiebenden Wirkung - von der nach § 80 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch ein rechtsgestaltender Verwaltungsakt erfasst wird - im Sinn der sog. Vollziehbarkeitstheorie BVerwG, Urt. v. 21.6.1961, BVerwGE 13, 1; zu dem Theorienstreit mit weiteren Nachweisen Eyermann/Schmidt, VwGO, 11. Aufl. 2000, § 80 RdNr. 6). Auch insofern konnte daher im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung vom 14.10.1998 nicht von einer Gestaltungswirkung der Entscheidung des Bundesamts ausgegangen werden, die als tatbestandliche Grundlage für einen Widerruf der unbefristeten Aufenthaltserlaubnisse der Kläger aktuell hätte herangezogen werden können. Aus der Regelung in § 72 Abs. 2 Satz 1 AuslG ergibt sich nichts Gegenteiliges. Danach lassen Widerspruch und Klage unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit der Ausweisung und eines sonstigen Verwaltungsakts, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet, unberührt. Das betrifft Verwaltungsakte nach dem Ausländergesetz. Die Regelung kann nicht - ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage - mittelbar auf Verwaltungsakte nach dem Asylverfahrensgesetz ausgedehnt werden (so mit Recht Westphal, in: Huber, Handbuch des Ausländer- und Asylrechts, § 43 AuslG RdNr. 72; offenbar anders Hailbronner, AuslR, § 43 AuslG RdNr. 16 a). Im Übrigen ist ein Widerruf der Asylanerkennung kein Verwaltungsakt, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet. Er führt als solcher keineswegs zur Beendigung des Aufenthaltsrechts. Die Norm des § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG zeigt gerade, dass es zur Beendigung des Aufenthaltsrechts eines konstitutiven Verwaltungsakts der Ausländerbehörde bedarf, wobei insoweit zudem Ermessenserwägungen anzustellen sind.

Im Blick auf den anhängigen asylrechtlichen Prozess verfügte das Landratsamt bzw. das Regierungspräsidium den Widerruf der unbefristeten Aufenthaltserlaubnisse der Kläger denn auch - nur - unter der aufschiebenden Bedingung des Eintritts der Bestandskraft des Bescheids des Bundesamts vom 23.12.1997. Damit ist, was in dem Urteil des Verwaltungsgerichts offenbar nicht berücksichtigt wird, bei konstruktiver Betrachtung dem Tatbestand des § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG genügt. Denn danach soll der Widerruf der Aufenthaltserlaubnisse eben erst dann wirksam werden (innere Wirksamkeit), wenn der Widerruf der Asylanerkennungen bestandskräftig wird, insbesondere also die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Entscheidung des Bundesamts nicht mehr besteht. Die Konstruktion als solche setzt freilich voraus, dass über den Widerruf überhaupt entschieden werden darf, bevor die Entscheidung des Bundesamts unanfechtbar ist. Sie scheitert entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht schon an § 68 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, wonach der unanfechtbar anerkannte Asylbewerber einen Anspruch auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis hat. Denn dieser Anspruch ist bei Eintritt des Bedingungsfalls nicht mehr gegeben. Auch verstößt die Zuhilfenahme der Nebenbestimmung einer aufschiebenden Bedingung wohl nicht schon für sich gegen insoweit einschlägige rechtliche Vorgaben. Das Vorgehen mit der Nebenbestimmung einer aufschiebenden Bedingung erweist sich jedoch jedenfalls deshalb als rechtswidrig, weil es in der Sache der Ermessensermächtigung des § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG nicht gerecht wird.

Das Ausländergesetz, insbesondere die Regelung über den Widerruf der Aufenthaltsgenehmigung in § 43 AuslG enthält unmittelbar keine Aussage, nach der ein aufschiebend bedingter Widerruf der Aufenthaltsgenehmigung von vornherein ausgeschlossen wäre. § 14 Abs. 1 Satz 1 AuslG lässt die Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung, damit auch die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis mit Bedingungen ausdrücklich zu. Ein aufschiebend bedingter Widerruf der Aufenthaltserlaubnis ist mit der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unter einer auflösenden Bedingung vergleichbar.

Nach allgemeinem Verwaltungsrecht gelten rechtsgestaltende Verwaltungsakte vielfach als bedingungsfeindlich, zumal soweit sie einer statusrechtlichen Bedeutung wegen einen durch die Bedingung herbeigeführten Schwebezustand zwischen dem Erlass des Verwaltungsakts und dem Eintritt seiner inneren Wirksamkeit nicht zulassen (vgl. etwa Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl. 2000, § 36 RdNr. 5; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl. 1998, § 36 RdNr. 62). Das wird mit den Erfordernissen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit begründet. In dieser Hinsicht sind hier wohl keine Einwendungen zu erheben. Ferner sind auch bei belastenden Verwaltungsakten Bedingungen möglich. Die Regelung des § 36 LVwVfG gestattet es in ihrem Abs. 2 Nr. 2 (unbeschadet ihres Abs. 1), nach pflichtgemäßem Ermessen den Eintritt einer Belastung von dem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängig zu machen. Eine gesetzliche Ermächtigung für den Hauptverwaltungsakt - als solche wäre hier § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG in Betracht zu zie- hen - reicht an sich in Verbindung mit § 36 LVwVfG auch für die Beifügung einer Nebenbestimmung nach den dortigen Maßgaben aus (dazu Kopp/Ramsauer, aaO, § 36 besonders RdNr. 39 a; Stelkens, aaO, § 36 besonders RdNr. 74). Die Ansicht des Verwaltungsgerichts, ein belastender Verwaltungsakt könne nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 LVwVfG nicht unter der aufschiebenden Bedingung des Eintritts einer fehlenden Tatbestandsvoraussetzung erlassen werden, trifft so allgemein nicht zu (vgl. z.B. BVerwG, Urt. v. 15.11.1978, BVerwGE 57, 69; Zulässigkeit der durch den Eintritt des Bereitschaftsfalls oder Verteidigungsfalls aufschiebend bedingten Einberufung gedienter Wehrpflichtiger). § 36 Abs. 1 LVwVfG sieht eine Nebenbestimmung zur Sicherung der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts vor. Allerdings hat die Behörde es grundsätzlich nicht in der Hand, - im Widerspruch zum Rechtscharakter einer Nebenbestimmung - wesentliche Voraussetzungen des Verwaltungsakts auf eine Nebenbestimmung "abzuschieben", d.h. diesbezüglich lediglich in einer Nebenbestimmung eine Regelung zu treffen, insbesondere etwa in Gestalt einer Auflage nach § 36 Abs. 2 Nr. 4 LVwVfG (dazu Kopp/Ramsauer, aaO, § 36 besonders RdNr. 45; Stelkens, aaO, § 36 besonders RdNr. 67). Derartiges steht hier jedoch nicht in Rede. Denn hier handelt es sich um eine durch eine aufschiebende Bedingung herbeigeführte Anknüpfung der Regelung einer Behörde an den Eintritt der Bestandskraft der Regelung einer anderen Behörde.

Indessen setzt der Erlass eines Verwaltungsakts mit einer Nebenbestimmung voraus, dass im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung eine Regelung des zu regelnden Gegenstands im Wesentlichen überhaupt - fehlerfrei - getroffen werden kann (der Sache nach ebenso in diesem Sinn Stelkens, aaO, § 36 RdNr. 67). Jedenfalls von daher ergeben sich hier, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, im Hinblick auf das nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG auszuübende Ermessen durchgreifende rechtliche Bedenken gegen das Vorgehen mit der Nebenbestimmung einer aufschiebenden Bedingung.

Die Ausländerbehörde ist nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG zu einer Ermessensentscheidung aufgerufen. Sie muss im Rahmen der Ausübung des Ermessens die Interessen und Belange abwägen, die für und gegen einen Widerruf der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis des Ausländers streiten, dessen Asylanerkennung widerrufen worden ist. Der Zweck der Ermessensermächtigung spricht zwar grundsätzlich für ein vorrangiges öffentliches Interesse am Widerruf der allein auf der früheren Stellung als anerkannter Asylbewerber beruhenden, nicht auf einen bestimmten Aufenthaltszweck beschränkten unbefristeten Aufenthaltserlaubnis (dazu insbesondere VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.10.1996, EZAR 214 Nr. 5). Doch sind nach allgemeiner Auffassung zugunsten des Ausländers die in § 45 Abs. 2 AuslG für das Ausweisungsermessen genannten Umstände zu berücksichtigen (siehe AuslG-VwV Nr. 43.1.4.3 Satz 2; ferner die Nachweise im Folgenden). Ebenso wird hervorgehoben, bei der Ermessensentscheidung seien die Gründe für den Verlust der Stellung als anerkannter Asylbewerber, die bisherige Aufenthaltsdauer des Ausländers, seine Integration im Bundesgebiet und seine persönliche Lage nach einer Rückkehr in den Heimat- und ehemaligen Verfolgerstaat einzubeziehen (so z.B. Westphal, in: Handbuch des Ausländer- und Asylrechts, § 43 AuslG RdNr. 73; GK-AuslR, § 43 AuslG RdNr. 54). Zudem können im Einzelfall weitere Gesichtspunkte beachtlich sein. Ein Widerruf der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis des anerkannten Asylbewerbers nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG betrifft nämlich nur das durch die Asylanerkennung vermittelte Aufenthaltsrecht, er lässt eine sonstige (bei einem Widerruf verbleibende) aufenthaltsrechtliche Position des Ausländers unberührt. Der Widerruf der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis ist in dieser Hinsicht ausgeschlossen, wenn dem Ausländer - ungeachtet des Wegfalls der früheren Stellung als anerkannter Asylbewerber - aus einem anderen Rechtsgrund eine gleichwertige, nämlich unbefristete Aufenthaltsgenehmigung zusteht. Ein Widerruf der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis kommt hingegen in Betracht - gegebenenfalls unter Erteilung einer geringerwertigen Aufenthaltsgenehmigung -, wenn der Ausländer solchermaßen nur einen geringerwertigen Aufenthaltstitel (befristete Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltsbefugnis oder Aufenthaltsbewilligung) beanspruchen kann (zum Ganzen, wobei Einzelheiten hier auf sich beruhen können: Renner, AuslR, 7. Aufl. 1999, § 43 AuslG RdNr. 9; Westphal, aao, § 43 AuslG RdNr. 76; Hailbronner, AuslR, § 43 AuslG RdNr. 16b, 18, 19; GK-AuslR, § 43 AuslG RdNr. 56, 57; vgl. auch AuslG-VwV Nr. 43.1.4.4; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.10.1996, EZAR 214 Nr. 5).

Angesichts der nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG gebotenen Ausübung des Ermessens ist es grundsätzlich nicht zulässig, die unbefristete Aufenthaltserlaubnis des anerkannten Asylbewerbers unter der aufschiebenden Bedingung des Eintritts der Bestandskraft des mit der Klage angefochtenen Widerrufs der Asylanerkennung zu widerrufen (a.A. - jedoch ohne diesbezüglich auf das behördliche Ermessen einzugehen - Welte, Praxishilfen Ausländerrecht, F 163). Denn da der Widerruf der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis erst bei Eintritt des Bedingungsfalls wirksam werden soll, müsste eine - fehlerfreie - Ermessensentscheidung von den dann gegebenen Verhältnissen ausgehen. Solches kann die Ausländerbehörde in Fällen der vorliegenden Art im Zeitpunkt ihrer Entscheidung jedoch in der Regel nicht leisten, weil die Dauer des Schwebezustands ungewiss ist. Die maßgeblichen Verhältnisse sind nicht im Vorhinein zuverlässig absehbar. Sie lassen sich nicht im Vorhinein sachgerecht beurteilen. Das Vorgehen mit der Nebenbestimmung einer aufschiebenden Bedingung ist daher in der Regel rechtswidrig. Es erweist sich als durch die Ermessensermächtigung nicht gedeckt. Denn die unerlässliche Ermessenswürdigung darf und kann nicht vorweggenommen werden. Der hier in Rede stehende Sachverhalt bietet keinen Anhalt für eine andere Beurteilung. Der Senat erblickt nach dem Ausgeführten keinen Anlass für eine Erörterung, was alles mit welcher Maßgabe im Einzelnen in die Ermessenserwägungen eingestellt werden muss. Soweit die Berufungsbegründung in Fällen wie hier von vornherein und unabhängig von den Verhältnissen bei Eintritt des Bedingungsfalls eine Schrumpfung des Ermessens auf Null zum Nachteil des Ausländers annimmt, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Im Übrigen legt der angefochtene Bescheid nebst dem Widerspruchsbescheid derartiges ersichtlich auch nicht zugrunde.

Ist demnach der Widerruf der unbefristeten Aufenthaltserlaubnisse der Kläger aufzuheben, kann auch die Abschiebungsandrohung keinen Bestand haben. Es fehlt insofern an einer vollziehbaren Ausreisepflicht der Kläger (vgl. dazu § 42 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1, § 50 Abs. 1 AuslG).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Revision ist nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Beschluss vom 13. März 2001

Der Streitwert wird für das Verfahren beider Rechtszüge - unter entsprechender Änderung der Streitwertbestimmung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen - gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 und 2 GKG und § 14 Abs. 1 Satz 1, § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG sowie § 5 ZPO entsprechend auf jeweils 24.000,-- DM festgesetzt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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