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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 10.10.2007
Aktenzeichen: 11 S 2967/06
Rechtsgebiete: AuslG, ARB 1/80


Vorschriften:

AuslG § 12 Abs. 2
ARB 1/80 Art. 6 Abs. 1
1. Die nachträgliche zeitliche Beschränkung einer Aufenthaltserlaubnis bleibt auch nach Ablauf der ursprünglichen Geltungsdauer dieses Aufenthaltstitels wirksam, wenn der Ausländer rechtzeitig einen Verlängerungsantrag gestellt hat.

2. Für die Beantwortung der Frage, ob der türkische Arbeitnehmer i. S. des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 ordnungsgemäß im regulären Arbeitsmarkt beschäftigt ist, sind steuer- und sozialversicherungsrechtliche Rechtsverstöße im Zusammenhang mit der Beschäftigung allenfalls erheblich, wenn der türkische Arbeitnehmer insoweit gegen ihn selbst treffende Rechtspflichten verstößt oder wenn er sich an entsprechenden Rechtsverstößen des Arbeitgebers kollusiv beteiligt, etwa indem er mit ihm die Abrede trifft, dass die Arbeitsvergütung ohne Berücksichtigung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen - "schwarz" - ausgezahlt werden soll (hier verneint).


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

11 S 2967/06

In der Verwaltungsrechtssache

wegen nachträglicher zeitlicher Beschränkung der Aufenthaltserlaubnis und Abschiebungsandrohung

hat der 11. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 10. Oktober 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 31. August 2006 - 2 K 2059/04 geändert. Die Regelungen Nrn. I. bis III. in der Verfügung der Beklagten vom 16. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 29. Juni 2004 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1966 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Nach Eheschließung mit einer türkischen Staatsangehörigen hielt er sich erstmals ab September 1995 im Bundesgebiet auf. Aus dieser ersten Ehe ging ein 1996 geborener Sohn hervor. Nach Trennung der Eheleute kehrte der Kläger im Juli 1999 in die Türkei zurück. Sein Sohn lebt bis heute bei der Mutter in Bayern.

Am 23.08.2002 reiste der Kläger mit einem Visum zur Eheschließung erneut in das Bundesgebiet ein. Am 15.11.2002 schloss er die Ehe mit einer in Pforzheim wohnhaften deutschen Staatsangehörigen. Daraufhin erteilte die Beklagte ihm am 21.11.2002 eine bis zum 24.08.2005 befristete Aufenthaltserlaubnis. Anschließend erteilte das Arbeitsamt Pforzheim dem Kläger am 29.11.2002 eine unbefristete Arbeitsgenehmigung für eine berufliche Tätigkeit jeder Art. Am 28.01.2003 schloss der Kläger mit der Firma "xxxxxx-xxxxxxxx" (Auto-Kosmetik-Salon) in xxxxxxxxx einen schriftlichen Arbeitsvertrag über eine Tätigkeit als "Aufbereiter im Bereich der Autokosmetik" ab dem 03.02.2003.

Am 21.09.2003 meldete die Ehefrau den Kläger nach "unbekannt" ab. Darauf hin kündigte die Beklagte dem Kläger an, es sei beabsichtigt, seine Aufenthaltsgenehmigung nachträglich zeitlich zu beschränken und ihn zur Ausreise aus dem Bundesgebiet aufzufordern. Ende November 2003 erschien die Ehefrau bei der Ausländerbehörde und übergab die Kopie einer Erklärung über ein dauerndes Getrenntleben im steuerlichen Sinne seit 21.09.2003. Der Kläger sprach anschließend bei der Ausländerbehörde vor und versicherte, die Abmeldung aus der ehelichen Wohnung sei ein Missverständnis. Noch am selben Tag teilte die Ehefrau der Behörde fernmündlich mit, die Abmeldung sei endgültig und eine Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht beabsichtigt.

Mit Verfügung vom 16.12.2003, zugestellt am 18.12.2003, beschränkte die Beklagte die Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis des Klägers auf den Tag der Zustellung der Verfügung (Nr. I.) und drohte dem Kläger für den Fall, dass er nicht bis zum 20.01.2004 aus dem Bundesgebiet ausgereist sei, die Abschiebung in die Türkei an (Nrn. II. und III.). Sie ordnete ferner die sofortige Vollziehung der Beschränkung an (IV.) und bestimmte, dass die Kosten einer Abschiebung zu Lasten des Klägers gingen (Nr. V.) und der Kläger bis zum 13.01.2004 unter Vorlage seines Passes bei der Ausländerbehörde vorzusprechen habe (Nr. VI.). Zur Begründung der zeitlichen Beschränkung verwies die Behörde auf § 12 Abs. 2 Satz 2 AuslG und darauf, dass die eheliche Lebensgemeinschaft, derentwegen die Aufenthaltserlaubnis erteilt worden sei, nicht fortbestehe. Die Voraussetzungen eines eigenständigen Aufenthaltsrechts nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 AuslG seien nicht erfüllt. Sonstige Rechtsgrundlagen für ein Aufenthaltsrecht seien nicht ersichtlich. Die auf § 42 Abs. 3 AuslG gestützte Ausreisefrist sei angemessen. Die Abschiebungsandrohung beruhe auf § 50 Abs. 1 und 2 AuslG. Die Kosten einer Abschiebung gingen nach § 82 Abs. 1 AuslG zu Lasten des Klägers. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens beruhe auf § 70 Abs. 4 AuslG.

Mit seinem Widerspruch brachte der Kläger vor: Zwar lebe er seit September 2003 von seiner Ehefrau getrennt. Er sei jedoch nach Art. 6 Abs. 1 erster Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei - ARB 1/80 - weiter aufenthaltsberechtigt, um seine Beschäftigung bei der Firma xxxxxxxxxxxx xxxxxx in xxxxxxxxx fortzusetzen, die er auf Grund mündlicher Vereinbarung bereits im Dezember 2002 aufgenommen habe. Der Kläger legte Kopien seiner Arbeitsberechtigung, einer EDV-Anmeldung des Arbeitgebers zur Sozialversicherung bei der AOK Pforzheim ab Februar 2003, des Arbeitsvertrages vom 28.01.2003, einer Arbeitsbescheinigung der Firma xxxxxx vom 18.11.2003 über den Eintritt in das Unternehmen am "03.02.2003" und von Lohnabrechungen dieser Firma für die Monate Februar bis Dezember 2003 vor. Ferner versicherte er unter dem 09.02.2004 an Eides statt, dass er seine Tätigkeit bei der Firma xxxxxx am 02.12.202 begonnen habe; er habe mit dem Firmeninhaber xxxxxx vereinbart, dass er zunächst für ca. zwei Monate die anfallenden Tätigkeiten verrichte bzw. von Herrn xxxxxx oder dessen Vorarbeiter in diese Tätigkeiten eingewiesen werde; über eine Entlohnung sei dergestalt gesprochen worden, dass er dann, wenn er einen Festvertrag erhalte, zum einen laufenden Lohn und dann auch rückwirkend für die Monate Dezember 2002 und Januar 2003 eine noch zu vereinbarende Pauschale erhalte; ab Februar 2003 habe er seine Arbeit aufgrund "offiziellen" Arbeitsvertrages fortgesetzt.

Einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes des Klägers lehnte das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 12.03.2004 - 2 K 220/04 - ab. Auf die Beschwerde des Klägers änderte der erkennende Senat mit Beschluss vom 05.05.2004 - 11 S 898/04 - diese Entscheidung, stellte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die nachträgliche zeitliche Beschränkung der Aufenthaltserlaubnis in der Verfügung der Beklagten vom 16.12.2003 wieder her und ordnete die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Abschiebungsandrohung in dieser Verfügung an.

Mit Bescheid vom 29.06.2004, zugestellt am 01.07.2004, wies das Regierungspräsidium Karlsruhe den Widerspruch des Klägers zurück.

Am 29.07.2004 hat der Kläger Klage erhoben mit dem Antrag, die Verfügung der Beklagten vom 16.12.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 29.06.2004 aufzuheben. Zur Begründung hat er noch vorgebracht: Er habe für Dezember 2002 netto 700 EUR und für Januar 2003 netto 600 EUR Lohn erhalten. Zum Beweis für seine Arbeitnehmertätigkeit in diesem Zeitraum hat er das Zeugnis des Firmeninhabers xxxxxx, eines Vorarbeiters "xxxxxx" sowie der Herren xxxxx und xxxxxx angeboten. Ihm stehe auch wegen seiner Beziehung zu seinem Sohn ein Recht auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis zu. Seit seiner Rückkehr nach Deutschland bemühe er sich um einen Kontakt zu seinem Sohn. Sein Rechtsanwalt sei beauftragt, ein Umgangsrecht durchzusetzen. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Eine besondere Härte i. S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG sei nicht gegeben. Der Kläger habe keinen persönlichen Kontakt zu seinem Sohn. Der Vortrag, ab Dezember 2002 in der Firma xxxxxx beschäftigt gewesen zu sein, sei eine Schutzbehauptung. Ungeachtet dessen sei der Kläger mangels Entlohnung in den Monaten Dezember 2002 und Januar 2003 kein Arbeitnehmer gewesen. In der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts hat der Kläger ergänzend angegeben, seit Dezember 2002 für die Firma xxxxxx gearbeitet zu haben. Er habe bis zu seiner Entlassung für jedes Auto eine Pauschale von 31 EUR erhalten, wobei er täglich bis zu drei Autos hergerichtet habe. Sein monatliches Einkommen habe zwischen 1.000 und 1.200 EUR betragen. Zum Beweis dafür, dass er seit dem 02.12.2002 bei der Firma xxxxxx gearbeitet und hierfür auch Lohn erhalten habe, hat er die Vernehmung des Zeugen xxxxxx beantragt.

Am 15.08.2005 hat der Kläger einen Antrag auf Verlängerung der ursprünglichen Geltungsdauer seiner Aufenthaltserlaubnis gestellt, über den bislang noch nicht entschieden wurde.

Mit Urteil vom 31.08.2006 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die Klage sei zulässig, aber nicht begründet. Die Beschränkungsverfügung habe sich nicht durch Zeitablauf erledigt, da sie auch in Zukunft noch Rechtswirkungen hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts des Klägers im Bundesgebiet in dem Zeitraum entfalte, um den die Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis verkürzt worden sei. Die Beschränkung sei nach der maßgebenden Sach- und Rechtslage bei Zustellung des Widerspruchsbescheids gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 AuslG, die Abschiebungsandrohung nach §§ 49, 50 AuslG rechtmäßig. Die Beklagte habe die Aufenthaltserlaubnis nachträglich zeitlich beschränken dürfen, weil die Voraussetzungen ihrer Erteilung nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 AuslG i. V. m. § 17 Abs. 1 AuslG ab dem 21.09.2003 entfallen seien. Die von der Behörde angestellten Ermessenserwägungen seien rechtsfehlerfrei. Der Beschränkung entgegenstehende schutzwürdige Belange des Klägers seien nicht erkennbar. Das gelte auch für die Beziehung des Klägers zu seinem Sohn. Denn es fehle eine familiäre Lebensgemeinschaft. Dass der Kläger sich neuerdings um die Wiederherstellung einer solchen Lebensgemeinschaft bemühe, sei unerheblich, weil es für die Rechtmäßigkeit der Beschränkungsverfügung auf den Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung ankomme. Auch die Voraussetzungen eines eigenständigen Aufenthaltsrechts nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 AuslG seien nicht erfüllt. Schließlich habe dem Kläger mangels einer mindestens einjährigen ordnungsgemäßen Beschäftigung auch kein Aufenthaltsrecht aus Art. 6 Abs. 1 erster Gedankenstrich ARB 1/80 zugestanden. Nach der Rechtsprechung des EuGH setze die Ordnungsmäßigkeit einer Beschäftigung voraus, dass der Betroffene im Einklang mit den deutschen arbeitserlaubnis- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften arbeite und zudem als Arbeitnehmer eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position auf dem Arbeitsmarkt innehabe. Beides sei erst ab dem 03.02.2003 der Fall gewesen, wobei zugunsten des Klägers unterstellt werden könne, dass er bereits seit dem 02.12.2002 für die Firma xxxxxx gearbeitet und Lohn erhalten habe, weshalb auch die beantragte Beweiserhebung nicht erforderlich sei. Denn für die Monate Dezember 2002 und Januar 2003 fehle es an einem Arbeitsvertrag, der den gesetzlichen, insbesondere steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Vorgaben entspreche. Zwar werde die Ordnungsmäßigkeit der Beschäftigung nicht dadurch berührt, dass der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer gegen einschlägiges Steuer-, Sozialversicherungs- oder Arbeitsrecht verstoße. Für die Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt und eine gesicherte Position auf dem Arbeitsmarkt sei die Vereinbarung eines Arbeitsvertrages mit entsprechendem Inhalt erforderlich, "Schwarzarbeit" genüge diesen Anforderungen nicht. Dass der Tätigkeit des Klägers bei der Firma xxxxxx auch in den Monaten Dezember 2002 und Januar 2003 ein solcher Arbeitsvertrag zugrunde gelegen habe, sei aber nicht ersichtlich. Die ordnungsgemäße Beschäftigung des Klägers habe mit Zustellung der Beschränkungsverfügung am 18.12.2003 geendet. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ändere daran nichts.

Auf Antrag des Klägers hat der Senat die Berufung zugelassen. Zur Begründung der Berufung wiederholt und vertieft der Kläger seinen Vortrag aus erster Instanz, nimmt Bezug auf seine Beweisangebote und die Begründung des Zulassungsantrages und beruft sich dafür, seit Dezember 2002 bei der Firma xxxxxx beschäftigt gewesen zu sein, auch auf das Zeugnis des Herrn xxxxx xxxxxxx. In der Berufungsverhandlung hat der Kläger weitere Angaben zu seiner Beschäftigung bei der Firma xxxxxx gemacht; wegen der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 31. August 2006 - 2 K 2059/04 - zu ändern und die Regelungen Nrn. I bis III. in der Verfügung der Beklagten vom 16. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 29. Juni 2004 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil, verweist auf ihren Vortrag erster Instanz sowie im Berufungszulassungsverfahren und erwidert: Da der schriftliche Arbeitsvertrag als Beginn des Arbeitsverhältnisses den 03.02.2003 und eine Probezeit von sechs Monaten festlege und keinerlei Anhaltspunkte dafür enthalte, dass es sich um die Fortsetzung einer bereits am 02.12.2002 probeweise begonnenen Beschäftigung handele, sei der Vortrag des Klägers, schon zuvor bei der Firma xxxxxx ordnungsgemäß beschäftigt gewesen zu sein, unglaubhaft. Dagegen sprächen auch die vorgelegten Lohnabrechnungen und der Umstand, dass der Kläger im Eilverfahren keine Bestätigung des Arbeitgebers über einen früheren Beginn des Arbeitsverhältnisses vorgelegt habe. Ungeachtet dessen wäre eine Beschäftigung vor dem 03.02.2003 keine Arbeitnehmertätigkeit i. S. des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80, weil kein Lohn vereinbart worden sei bzw. der Kläger keinen Lohn erhalten habe. Der gegenteilige Vortrag des Klägers sei unglaubhaft. Im übrigen sei nach dem Vortrag des Klägers davon auszugehen, dass er nicht dem regulären Arbeitsmarkt angehört habe, weil er "Schwarzarbeit" verrichtet habe. Die angeblich mit der Firma xxxxxx für die Monate Dezember 2002 und Januar 2003 geschlossene Vereinbarung habe nicht den deutschen steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Vorgaben entsprochen. Eine etwaige Beschäftigung des Klägers sei daher jedenfalls nicht i. S. des Art. 6 Abs.1 ARB 1/80 ordnungsgemäß gewesen. Indiz für eine vorsätzliche Umgehung steuer- und sozialversicherungsrechtlicher Vorgaben sei, dass keine Steuern und Sozialabgaben abgeführt, kein Arbeitsvertrag schriftlich fixiert und eine Vergütungspauschale vereinbart worden seien. Gegen ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht spreche schließlich, dass der Kläger zwischenzeitlich nicht mehr bei der Firme xxxxxx beschäftigt sei. Nach Aktenlage sei er seit dem 01.09.2005 durchgängig arbeitslos und beziehe Arbeitslosengeld.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen xxxxxx und xxxxx. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Dem Senat liegen die einschlägigen Akten der Beklagten, des Regierungspräsidiums Karlsruhe und des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vor. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage, die bei sachdienlicher Auslegung (§ 88 VwGO) auf die Aufhebung - nur - der nachträglichen zeitlichen Beschränkung der Aufenthaltserlaubnis und der mit einer Ausreisefrist verbundenen Abschiebungsandrohung (Regelungen Nrn. I. bis III.) in den angefochtenen Bescheiden beschränkt ist, stattgeben müssen. Die Klage ist zulässig und begründet. Die auch nach Außerkrafttreten des Ausländergesetzes und Ablauf der ursprünglichen Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis wirksam gebliebenen und demzufolge anfechtbaren Regelungen Nrn. I. bis III. in der Verfügung der Beklagten vom 16.12.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 29.06.2004 sind nach der maßgebenden Sach- und Rechtslage bei Zustellung des Widerspruchsbescheids rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten. Die nachträgliche zeitliche Beschränkung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis findet ungeachtet dessen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung dieses Aufenthaltstitels weggefallen sind, in § 12 Abs. 2 Satz 2 AuslG (vgl. nunmehr § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG) keine Rechtsgrundlage, weil der Kläger im maßgebenden Zeitpunkt der Zustellung des Widerspruchsbescheids ein supranationales europarechtliches Aufenthaltsrecht zur Fortsetzung seiner Beschäftigung bei der Firma xxxxxx in xxxxxxxxx nach Art. 6 Abs. 1 erster Gedankenstrich ARB 1/80 besaß. Mangels Ausreisepflicht sind daher auch Ausreisefrist und Abschiebungsandrohung rechtswidrig.

Gegenstand der uneingeschränkt zugelassenen Berufung ist das gesamte Klagebegehren erster Instanz. In erster Instanz hatte der Kläger in der mündlichen Verhandlung die Aufhebung der Verfügung vom 16.12.2003 und des Widerspruchsbescheids vom 29.06.2004 beantragt (vgl. Sitzungsprotokoll vom 31.08.2006, S. 133 der Akten des VG). An die Fassung des Klageantrages besteht aber keine strikte Bindung. Maßgebend ist das sich aus dem gesamten Vortrag des Klägers, insbesondere der Klagebegründung ergebende Rechtsschutzziel (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.07.1976 - IV C 15.76 - Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 5; Rennert in Eyermann, VwGO, Kommentar, 12. Auflage § 88 Rn. 8 m. w. N.). Danach hat der Kläger die Aufhebung dieser Behördenentscheidungen nur insoweit begehrt, als seine Aufenthaltserlaubnis nachträglich zeitlich beschränkt, eine Ausreisefrist bestimmt und die Abschiebung für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise angedroht worden sind (Regelungen Nrn. I. bis III.). Die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. IV ist nicht mit einer Klage anfechtbar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.10.1968 - IV C 33.68 - NJW 1969, 202) und der Ausspruch in Nr. V. erschöpft sich in einem ebenfalls nicht anfechtbaren tatsächlichen Hinweis auf die gesetzliche Kostentragungspflicht nach § 82 Abs. 1 AuslG (jetzt § 66 Abs. 1 AufenthG). Gegen die in Nr. VI verfügte Pflicht zur Vorsprache und Vorlage des Passes hat der Kläger im übrigen nichts eingewandt.

Die angegriffenen ausländerrechtlichen Verwaltungsakte sind trotz Außerkrafttretens des Ausländergesetzes am 31.12.2004 nach § 102 Abs. 1 Satz 1 AufenthG wirksam geblieben. Die nachträgliche zeitliche Beschränkung der Aufenthaltserlaubnis hat sich auch nicht dadurch auf sonstige Weise erledigt (§ 43 Abs. 2 LVwVfG), dass die ursprüngliche Geltungsdauer der beschränkten Aufenthaltserlaubnis am 24.08.2005 abgelaufen und die Aufenthaltserlaubnis daher spätestens zu diesem Zeitpunkt erloschen wäre (vgl. § 101 Abs. 2 i. V. m. § 51 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG). Denn sie entfaltet ungeachtet dessen auch gegenwärtig und künftig noch Rechtswirkungen in Bezug auf die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts im Bundesgebiet in dem Zeitraum, um den die Geltungsdauer verkürzt worden ist (vgl. bereits Senatsurteil vom 02.02.1994 - 11 S 1014/93 - juris, m. w. N., im Ergebnis bestätigt durch BVerwG, Urteil vom 27.06.1995 - 1 C 5.94 - BVerwGE 99, 28; ebenso: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 22.10.1998 - 10 S 1152/98 -; BayVGH, Beschluss vom 18.01.2007 - 24 ZB 06.421 - juris; VG Hamburg, Urteil vom 17.08.1999 - 10 VG 5331/98 - juris). Das gilt jedenfalls dann, wenn der Ausländer - wie der Kläger - rechtzeitig vor Ablauf der ursprünglichen Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis einen Verlängerungsantrag gestellt hat. Denn die Beschränkung verkürzt die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts und die Dauer des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis. Das schließt nicht nur den vorläufigen Fortbestand des bisherigen Aufenthaltstitels aufgrund des rechtzeitigen Verlängerungsantrages nach § 81 Abs. 4 AufenthG aus. Es wirkt sich auch nachteilig auf die für die Entscheidung über den Verlängerungsantrag möglicherweise erhebliche rechtliche Verfestigung des Aufenthalts aus. Auch kann die Verkürzung der Geltungsdauer des Aufenthaltstitels für die Dauer ordnungsgemäßer Beschäftigung i. S. des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erheblich sein. Die Ausreisefrist und die Abschiebungsandrohung sind ebenfalls weiterhin wirksam (§ 102 Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Die Wiederherstellung und Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Klägers haben daran nichts geändert. Dadurch entfiel zwar die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht (§ 42 Abs. 2 Satz 2 AuslG, § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG) und der Abschiebungsandrohung (§ 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO i. V. m. § 12 LVwVG). Das bewirkt aber lediglich eine Unterbrechung der Ausreisefrist (§ 50 Abs. 4 AuslG, § 50 Abs. 3 AufenthG).

Für die verwaltungsgerichtliche Kontrolle der nachträglichen zeitlichen Beschränkung eines befristeten Aufenthaltstitels, der - wie hier - ein nationales Aufenthaltsrecht konstitutiv begründet, ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung abzustellen (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urteil vom 01.07.2003 - 1 C 32.02 - NVwZ 2004, 245 m. w. N.). Das ist hier der Tag der Zustellung des Widerspruchsbescheids am 01.07.2004. Als Rechtsgrundlage ist demzufolge noch § 12 Abs. 2 Satz 2 AuslG heranzuziehen (vgl. nunmehr § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Danach kann eine befristete Aufenthaltsgenehmigung nachträglich zeitlich beschränkt werden, wenn eine für ihre Erteilung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen ist. Das gilt allerdings nicht, wenn dem Ausländer im maßgebenden Zeitpunkt ungeachtet des Wegfalls einer solchen Voraussetzung ein Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis aus einem anderen Rechtsgrund zusteht, etwa weil er ein Recht zum Aufenthalt nach Art. 6 ff. ARB 1/80 besitzt (BVerwG, Urteil vom 27.06.1995 - 1 C 5.94 - BVerwGE 99, 28; Urteil vom 01.07.2003, a. a. O.). Ist Letzteres nicht der Fall, sind bei der Ausübung des nach § 12 Abs. 2 Satz 2 AuslG eröffneten Ermessens die eine Aufenthaltsbeendigung rechtfertigenden öffentlichen Belange gegen die privaten Interessen des Ausländers am weiteren Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland pflichtgemäß (§ 40 LVwVfG) abzuwägen (BVerwG, Urteil vom 01.07.2003, a. a. O., m. w. N.).

Gemessen daran ist die unter Nr. I. des angefochtenen Bescheids verfügte nachträgliche Beschränkung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis des Klägers rechtswidrig. Zwar waren die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine solche Beschränkung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 AuslG erfüllt, weil die für die Erteilung dieses Aufenthaltstitels nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 AuslG i. V. m. § 17 Abs. 1 AuslG wesentliche Voraussetzung des Bestehens einer familiären - ehelichen - Lebensgemeinschaft nicht mehr vorlag. Auch bestand aus sonstigen Gründen kein Anspruch auf Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach nationalem Recht. Das wird im angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt und mit der Berufungsbegründung auch nicht angegriffen, weshalb der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit auf die Begründung des angefochtenen Urteils Bezug nimmt. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts und der Beklagten stand dem Kläger in dem für die gerichtliche Kontrolle maßgebenden Zeitpunkt am 01.07.2004 jedoch ein Aufenthaltsrecht zur Fortsetzung seiner Beschäftigung bei der Firma xxxxxx nach Art. 6 Abs. 1 erster Gedankenstrich ARB 1/80 zu. Ob die Verkürzung der Geltungsdauer des Aufenthaltstitels des Klägers darüber hinaus zum maßgebenden Zeitpunkt gegen das supranationale europarechtliche Gleichbehandlungsgebot nach Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 verstößt, weil sie die Ausübung eines "überschießenden" Beschäftigungsrechts auf Grund einer unbefristeten nationalen Arbeitsgenehmigung vereitelt (vgl. EuGH, Slg. 2006, I-10279 - Güzeli - Rn. 48 ff. = NVwZ 2007, 187; Slg. 2006, I-11917 - Gattoussi - Rn. 42 f. = NVwZ 2007, 430; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.09.2007 - 13 S 1059/07 -; a. A. BVerwG, Urteil vom 01.07.2003 - 1 C 18.02 - NVwZ 2004, 241), kann daher offen bleiben.

Das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei - Assoziierungsabkommen - wurde am 12.09.1963 in Ankara von der Republik Türkei einerseits und den damaligen Mitgliedstaaten der EWG sowie der Gemeinschaft andererseits unterzeichnet und durch den Beschluss 64/732/EWG des Rates vom 23.12.1963 (ABl. 1964, Nr. 217, S. 3685; BGBl. 1964 II S. 509) im Namen der Gemeinschaft geschlossen, gebilligt und bestätigt. Nach Artikel 36 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen vom 23.11.1970 (ABl. 1972 L 293/1; BGBl. 1972 II S. 385) legt der Assoziationsrat die erforderlichen Regeln für die schrittweise Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und der Türkei nach den Grundzügen des Artikels 12 des Assoziierungsabkommens fest. Demgemäß erließ der Assoziationsrat den Beschluss Nr. 1/80 vom 19.09.1980 über die Entwicklung der Assoziation - ARB 1/80 (der Beschluss wurde nicht im Amtsblatt veröffentlicht; er ist abgedruckt in: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, Assoziierungsabkommen und Protokolle EWG-Türkei sowie andere Basisdokumente, Brüssel 1992 und auszugsweise wiedergegeben in Amtliche Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit <ANBA> 1981 S. 4 sowie in InfAuslR 1982, 33 f.). Artikel 6 Absatz 1 ARB 1/80 bestimmt:

"Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehört, in diesem Mitgliedstaat

- nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;

- nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung - vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;

- nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis."

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften verleiht diese Bestimmung, der unmittelbare Wirkung zuerkannt worden ist, türkischen Arbeitnehmern ein individuelles Recht im Bereich der Beschäftigung und ein damit einhergehendes Aufenthaltsrecht (vgl. EuGH, Slg. 2005, I-4759 - Dörr und Ünal - Rn. 66, m. w. N. = InfAuslR 2006, 72; BVerwG, Urteil vom 24.01.1995 - 1 C 2.94 - BVerwGE 97, 301 <304>). Diese Rechte werden nach der Dauer einer ordnungsgemäßen Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis in der in den drei Gedankenstrichen abgestuften Weise erweitert und bezwecken, die Situation der Betroffenen im Aufnahmemitgliedstaat schrittweise zu festigen. Aus Systematik und praktischer Wirksamkeit dieses Systems folgt, dass die in den drei Gedankenstrichen des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 jeweils aufgestellten Bedingungen von den Betroffenen nacheinander erfüllt werden müssen (vgl. EuGH, Slg. 2006, I-157 - Sedef - Rn. 34 ff., m. w. N. = NVwZ 2006, 315).

Dem Kläger stand am 01.07.2004 ein Beschäftigungsrecht und damit ein Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1 erster Gedankenstrich ARB 1/80 zur Fortsetzung seiner Beschäftigung bei der Firma xxxxxx in xxxxxxxxx zu. Er verfügte zu diesem Zeitpunkt nach einer mehr als einem Jahr währenden ordnungsgemäßen Beschäftigung bei der Firma xxxxxx über einen Arbeitsplatz bei diesem Arbeitgeber.

Der Kläger war - das ist durch die von ihm vorgelegten Nachweise zweifelsfrei belegt und zwischen den Beteiligten zudem unstreitig - ab dem 03.02.2003 bei der Firma xxxxxx als "Aufbereiter im Bereich der Autokosmetik" beschäftigt und erhielt dafür ein entsprechendes monatliches Gehalt. Aufgrund der Angaben des Klägers in der Berufungsverhandlung sowie des Ergebnisses der Beweisaufnahme ist der Senat darüber hinaus überzeugt, dass der Kläger diese Tätigkeit auch bereits in den beiden Monaten zuvor bei der Firma xxxxxx gegen Entgelt ausgeübt hat. Danach hat der Zeuge xxxxx, den der Kläger nach seiner Einreise kennengelernt hatte und der bei der Firma xxxxxx beschäftigt war, dem Kläger im November 2002 die Stelle bei der Firma xxxxxxx vermittelt. Der Kläger wurde, nachdem er dem dafür zuständigen Mitarbeiter der Firma seine Arbeitsgenehmigung sowie Lohnsteuerkarte, Sozialversicherungsnachweis und Meldebestätigung übergeben hatte, Ende November 2002 zunächst für eine Woche eingelernt und anschließend nach Weisung des Arbeitgebers auf auswärtigen Arbeitsstellen eingesetzt. Er erhielt im Dezember 2002 und Januar 2003 jeweils Mitte und Ende des Monats Lohn in bar ausgezahlt, im Dezember insgesamt etwa 700 EUR, im Januar 2003 etwas mehr. Der schriftliche Arbeitsvertrag von Ende Januar 2003 kam erst auf Drängen des Klägers zustande, nachdem dieser bei seinem Arbeitgeber mehrfach reklamiert hatte, keine Lohnabrechnungen erhalten zu haben.

Die detailreichen, in sich im Wesentlichen schlüssigen und widerspruchsfreien Ausführungen des Klägers zu seiner Tätigkeit bei der Firma xxxxxx im Dezember 2002 und im Januar 2003 in der Berufungsverhandlung sind glaubhaft und werden durch die Angaben des Zeugen xxxxx bestätigt, der einen glaubwürdigen Eindruck hinterließ. Der Zeuge xxxxx war sich bei der zeitliche Einordnung der Vorgänge im Laufe der Vernehmung zwar zunächst nicht mehr sicher, konnte dann aber doch mit überzeugender Gewissheit darlegen, dass er den Kläger bereits Ende November/Anfang Dezember 2002 in den Betrieb des Zeugen xxxxxx vermittelt hatte. Der Zeuge xxxxxx konnte allerdings nicht bestätigen, dass der Kläger bereits im Dezember 2002 bei seiner Firma beschäftigt war, obwohl er sich an der Kläger persönlich "ganz gut" erinnern konnte. Sein Hinweis darauf, dass es darüber keine schriftlichen Unterlagen bei seiner Firma gebe, widerspricht dem Vortrag des Klägers jedoch nicht. Er belegt eher dessen Richtigkeit, soweit der Kläger dargelegt hat, dass er zunächst ohne schriftlichen Arbeitsvertrag angestellt worden und der schriftliche Arbeitsvertrag erst auf sein Drängen zustande gekommen sei, nachdem er keine Lohnabrechnungen erhalten habe. Die pauschale Einlassung des Zeugen xxxxxx, gerade deshalb genau zu wissen, dass der Kläger im Dezember 2002 noch nicht bei seiner Firma beschäftigt gewesen sei, weil das ja "Schwarzarbeit" wäre, was seine Firma nicht mache, wertet der Senat als bloße Schutzbehauptung. Diese Aussage des Zeugen xxxxxx, die er trotz Belehrung über sein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 98 VwGO i. V. m. § 384 Abs. 1 Nr. 2 ZPO gemacht hat, dürfte allein dadurch motiviert sein, den im Raum stehenden Vorwurf eines Verstoßes gegen steuer- oder sozialversicherungsrechtlichen Arbeitgeberpflichten zu entkräften. Der Zeuge xxxxxx hatte bereits im Vorfeld der Berufungsverhandlung alles daran gesetzt, seiner Vernehmung aus dem Weg zu gehen und ist zur Berufungsverhandlung erst nach mehrmaligen richterlichen Hinweisen über die möglichen Folgen einer Verletzung seiner Zeugenpflichten erschienen. Auch ließ sein Verhalten während seiner Vernehmung teilweise deutliche Voreingenommenheit gegenüber dem Kläger erkennen. Seine Angaben wirkten im Gegensatz zu denen des Klägers und des Zeugen xxxxx detailarm und präpariert. Für die Richtigkeit der Angaben des Klägers spricht zudem, dass selbst der Zeuge xxxxxx nicht auszuschließen vermochte, dass der Zeuge xxxxx den Kläger bereits im Jahr 2002 in seinen Betrieb vermittelt und dass der Kläger auch vor dem 03.02.2003, wenn auch angeblich nur für ein oder zwei Wochen, "zur Probe" bei ihm gearbeitet hat.

Der Senat verkennt nicht, dass die Angaben des Klägers in der Berufungsverhandlung teilweise in deutlichem Widerspruch zu seinen bisherigen Angaben im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren stehen, insbesondere zu seiner eidesstattlichen Versicherung vom 09.02.2004. Das stellt ihre Glaubhaftigkeit und die Glaubwürdigkeit des Klägers zur Überzeugung des Senats aber nicht entscheidend in Frage. Dem Kläger wurden die Ungereimtheiten vorgehalten. Er hat sie mit Missverständnissen oder Fehlern bei der Übersetzung aus der türkischen in die deutsche Sprache erklärt. Das erscheint plausibel. Wie der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter glaubhaft angegeben haben, beruhen die Angaben zur Beschäftigung des Klägers in den Monaten Dezember 2002 und Januar 2003 in den bisherigen Schriftsätzen seines Prozessbevollmächtigten und in der eidesstattlichen Versicherung vom 09.02.2004 im Wesentlichen auf der Übersetzung durch Landsleute des Klägers, die bei den Besuchen in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten jeweils als Dolmetscher fungiert und offenbar wesentliche Details unzutreffend, nicht präzise oder gar nicht übersetzt haben. Dafür spricht nicht zuletzt auch, dass die Angaben des Klägers zu seiner Beschäftigung bei der Firma xxxxxx in den Monaten Dezember 2002 und Januar 2003 in den Schriftsätzen seines Prozessbevollmächtigten und in der eidesstattlichen Versicherung vom 09.02.2004 jedenfalls i m K e r n auch mit den heutigen Angaben des Klägers und des Zeugen xxxxx übereinstimmen.

Die mithin bereits ab Anfang Dezember 2002 aufgenommene Beschäftigung des Klägers bei der Firma xxxxxx erfüllt alle Merkmale einer Arbeitnehmertätigkeit i. S. des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80. Insoweit ist die Auslegung des Arbeitnehmerbegriffes im Gemeinschaftsrecht heranzuziehen (EuGH, Slg. 1998, I-7747, Rn. 23 - Birden -). Danach ist Arbeitnehmer, wer eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei solche Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die wegen ihres geringen Umfangs völlig untergeordnet und unwesentlich sind. Das wesentliche Merkmal eines Arbeitsverhältnisses in diesem Sinne besteht darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält (st. Rspr., vgl. etwa EuGH, Slg. 2004, I-7573 - Trojani - Rn. 15). Die rechtliche Natur des Beschäftigungsverhältnisses ist unerheblich (EuGH, Slg. 1974, 153 - Sotgiu - Rn. 5; Slg. 1989, 1621 - Bettray - Rn. 16; Slg. 2004, I-7573 - Trojani - Rn. 16). Höhe und Herkunft der Vergütung sowie Produktivität sind unerheblich, auch Teilzeitbeschäftigungen, kurz befristete Arbeiten (EuGH, Slg. 2003, I-13187 - Ninni-Orasche -) oder Gelegenheitsarbeiten (EuGH Slg. 1986, 2121 - Lawrie-Blum -; Slg. 1988, 3205 - Brown -) können umfasst sein. Nur Tätigkeiten, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen, sind keine Arbeitnehmertätigkeit (EuGH, Slg. 1982, 1035 - Levin; Slg. 1999, I-3289 - Meeusen). Die Voraussetzung der Ausübung einer tatsächlichen und echten Tätigkeit ist nach objektiven Kriterien zu prüfen, und in einer Gesamtbetrachtung sind alle Umstände zu würdigen, die die Art der in Rede stehenden Tätigkeiten und des fraglichen Arbeitsverhältnisses betreffen (EuGH, Slg. 2003, I-13187 - Ninni-Orasche - Rn. 27). Gemessen daran ist der Kläger ab Dezember 2002 als Arbeitnehmer bei der Firma xxxxxx beschäftigt gewesen. Denn er hat eine tatsächliche und echte, nicht völlig untergeordnete und unwesentliche Tätigkeit als "Aufbereiter im Bereich der Autokosmetik" nach Weisung des Arbeitgebers ausgeübt, für die ihm als Gegenleistung monatlich - bereits im Dezember 2002 - eine Vergütung gezahlt wurde.

Die Beschäftigung des Klägers war auch ordnungsgemäß im regulären Arbeitsmarkt. Der Begriff "ordnungsgemäße Beschäftigung" setzt eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position des Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats und damit das Bestehen eines nicht bestrittenen Aufenthaltsrechts voraus (EuGH Slg. 1990, I-3461, Rn. 30 - Sevince -; Slg. 1995, I-1475, Rn. 26 - Bozkurt -; Slg. 1992, I-6781, Rn. 12, 22 und 49 - Kus -). Der Begriff "regulärer Arbeitsmarkt" bestimmt ferner, dass das Arbeitsverhältnis im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats lokalisiert sein muss oder eine enge Verknüpfung zu diesem Gebiet aufweist (EuGH, Slg. 1997, I-143 - Günaydin - Rn. 29; Slg. 1998, I-7747 - Birden - 33; Slg. 1997, I-5179 - Ertanir - Rn. 39). Er stellt aber keine Voraussetzungen auf, die über das Erfordernis der ordnungsgemäßen Beschäftigung hinausgehen. Die in der deutschen Sprachfassung des Beschlusses Nr. 1/80 verwendeten Begriffe "regulär" und "ordnungsgemäß" sind synonym (EuGH, Slg. 1998, I-7747 - Birden - Rn. 47 ff.). Der Begriff "regulärer Arbeitsmarkt" umschreibt demzufolge die Gesamtheit der Arbeitnehmer, die den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats nachkommen und somit das Recht haben, dort eine Berufstätigkeit auszuüben (EuGH Slg. 1998, I-7747 - Birden - Rn. 51; Slg. 2000, I-957 - Nazli - Rn. 31; Slg. 2006, I-10279 - Güzeli - Rn. 32). In der Rechtsprechung deutscher Verwaltungsgerichte wird im Anschluss daran im Wesentlichen auf den Einklang mit den arbeitserlaubnis- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften abgestellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.01.1995 - 1 C 2.94 - BVerwGE 97, 301; HessVGH, Beschluss vom 20.05.1994 - 12 TH 986/94 - InfAuslR 1994, 307 <308>). Fraglich ist allerdings, ob die Ordnungsmäßigkeit der Beschäftigung nicht auch berührt wird, wenn der türkische Arbeitnehmer oder sein Arbeitgeber - wie von der Beklagten und vom Verwaltungsgericht in Bezug auf den Tatsachenvortrag des Klägers zu seiner Beschäftigung im Dezember 2002 und im Januar 2003 bei der Firma xxxxxx angenommen - gegen einschlägiges Steuer- oder Sozialversicherungsrecht verstoßen. Denn auch dabei handelt es sich um Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats, die die Beschäftigung des Arbeitnehmers zum Gegenstand haben oder an sie anknüpfen. Zwar sind steuer- und sozialversicherungsrechtliche Rechtsverstöße des Arbeitgebers für die Frage, ob der türkische Arbeitnehmer i. S. des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 ordnungsgemäß beschäftigt ist, nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift unerheblich (vgl. auch HessVGH, Beschluss vom 22.04.2004 - 12 UE 234/04 - InfAuslR 2004, 333). Anderes könnte freilich gelten, wenn der türkische Arbeitnehmer sich an Verstößen des Arbeitgebers gegen Vorschriften dieser Art kollusiv beteiligt, etwa indem er mit dem Arbeitgeber die Abrede trifft, dass die Arbeitsvergütung ohne Berücksichtigung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen - "schwarz" - ausgezahlt werden soll (so genannte Schwarzgeldvereinbarung, vgl. BAG, Urteil vom 26.02.2003 - 5 AZR 690/01 - BAGE 105, 187), oder wenn der türkische Arbeitnehmer mit der Ausübung der Beschäftigung gegen ihn selbst treffende steuer- oder sozialversicherungsrechtliche Rechtspflichten verstößt. In einem solchen Fall dürfte wohl - zumindest - ein Fall der Rechtsmissbrauchs vorliegen, der die Berufung auf eine Rechtsposition nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 ausschlösse. Das bedarf hier indes keiner Vertiefung, weil ein solcher Fall - entgegen der Annahme der Beklagten und wohl auch des Verwaltungsgerichts - nicht vorliegt.

Die Beschäftigung des Klägers bei der Firma xxxxxx ab Dezember 2002 war ordnungsgemäß und erfolgte im regulären Arbeitsmarkt. Der Kläger war sowohl im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis als auch der erforderlichen Arbeitsgenehmigung. Der Kläger hatte, wie dies zur Überzeugung des Senats auf Grund der Beweisaufnahme erwiesen ist (s. o. ), zu Beginn seiner Beschäftigung zudem die für die Abführung von Steuern und Sozialversicherungsabgaben durch den Arbeitgeber notwendigen Unterlagen vorgelegt, insbesondere seine Lohnsteuerkarte. Er erfüllte auch keinen Tatbestand einer ordnungswidrigen Schwarzarbeit i. S. der §§ 1, 2 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit vom 30.03.1957 (BGBl I 1957, 315) in der im Dezember 2002 und Januar 2003 geltenden Fassung. Schließlich ergibt sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kein konkreter Anhaltspunkt für eine "Schwarzgeldvereinbarung" zwischen dem Kläger und dem Firmeninhaber xxxxxx als Arbeitgeber.

Die Beschäftigung des Klägers bei der Firma xxxxxx war auch mindestens ein Jahr ordnungsgemäß. Zwar endete die Ordnungsmäßigkeit der Beschäftigung mit Zustellung der angefochtenen nachträglichen Beschränkung der Geltungsdauer seiner Aufenthaltserlaubnis am 18.12.2003. Denn infolge dieser Verfügung hatte der Kläger keine gesicherte und nicht nur vorläufige Position auf dem Arbeitsmarkt mehr inne, wie sie der Begriff der ordnungsgemäßen Beschäftigung voraussetzt (vgl. EuGH Slg. 1990, I-3461, Rn. 30 - Sevince - = NVwZ 1991, 255 <256>; Slg. 1995, I-1475, Rn. 26 - Bozkurt -;Slg. 1992, I-6781, Rn. 12, 22 und 49 - Kus -). Nach dem insoweit maßgeblichen nationalen Recht muss die Beschäftigung grundsätzlich auf der Grundlage einer die Arbeitsaufnahme gestattenden Aufenthaltsgenehmigung und einer entsprechenden Arbeitsgenehmigung ausgeübt worden sein (vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss vom 15.07.1997 - 1 C 24.96 - InfAuslR 1998, 4 m. w. N.). Nach Zustellung der sofort vollziehbaren Beschränkungsverfügung war das Aufenthaltsrecht des Klägers erloschen (§ 44 Abs. 1 AuslG). Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Eilverfahren hatte daran nichts - rückwirkend - geändert (§ 72 Abs. 2 Satz 1 AuslG). Zwar waren die Ausreisepflicht des Klägers nicht mehr vollziehbar und die verfügte Ausreisefrist unterbrochen (§§ 42 Abs. 2 Satz 2, 50 Abs. 4 AuslG) und der Kläger nach § 80 Abs. 1 VwGO einstweilen so zu behandeln, wie wenn die Beschränkungsverfügung nicht ergangen wäre. Dieses mit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes einhergehende einstweilige Bleiberecht begründete jedoch keine gesicherte Position auf dem Arbeitsmarkt (EuGH, Slg. 1990, I-3461, Rn. 31 - Sevince - = NVwZ 1991, 255 <256>). Der Kläger war jedoch bis zur Zustellung der angefochtenen Beschränkungsverfügung bereits - wie oben dargelegt - seit Anfang Dezember 2002 und damit mehr als ein Jahr bei der Firma xxxxxx ordnungsgemäß beschäftigt. Das dadurch unmittelbar nach Art. 6 Abs. 1 erster Gedankenstrich ARB 1/80 begründete supranationale europarechtliche Beschäftigungs- und Aufenthaltsrecht zur Fortsetzung dieser Beschäftigung bei dem selben Arbeitgeber blieb dem Kläger auch nach Erlöschen seines nationalen Aufenthaltstitels "kraft Gesetzes" erhalten, solange er einen Arbeitsplatz bei der Firma xxxxxx besaß, was bei Zustellung des Widerspruchsbescheids am 01.07.2004 noch der Fall war. Der Einwand der Beklagten, der Kläger sei mittlerweile arbeitslos, ist insoweit unerheblich.

Mangels Ausreisepflicht des Klägers sind demzufolge auch die Bestimmung einer Ausreisefrist und die Abschiebungsandrohung in den Regelungen Nrn. II und III der angefochtenen Verfügung rechtswidrig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.

Beschluss vom 10. Oktober 2007

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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