Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 12.09.2002
Aktenzeichen: 11 S 636/02
Rechtsgebiete: AuslG, DVAuslG, ARB 1/80, VwGO


Vorschriften:

AuslG § 3 Abs. 3
AuslG § 17 Abs. 1
AuslG § 19 Abs. 1
AuslG § 19 Abs. 2
AuslG § 23 Abs. 1 Nr. 1
AuslG § 42 Abs. 1
AuslG § 42 Abs. 2 Satz 2
AuslG § 69 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
AuslG § 69 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3
AuslG § 69 Abs. 3 Satz 3
AuslG § 72 Abs. 1
DVAuslG § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
ARB 1/80 Art. 6 Abs. 1
ARB 1/80 Art. 6 Abs. 2
VwGO § 80 Abs. 5
1. Wenn der Ausländer seinen zunächst verfolgten Aufenthaltszweck vollständig aufgibt und nunmehr aus gänzlich anderen Gründen den (weiteren) Aufenthalt erstrebt, handelt es sich um einen Wechsel des Verfahrensgegenstandes, den er in das Widerspruchsverfahren und ein begleitendes gerichtliches Aussetzungsverfahren nicht mehr einbringen kann.

2. Der Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei vom 19.9.1980 über die Entwicklung des Assoziation verpflichtet und ermächtigt die Ausländerbehörde nicht dazu, türkischen Staatsangehörigen, die noch keine Rechtsposition aus diesem Beschluss erlangt haben, die Stellung eines Antrags auf Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung entgegen nationalen Bestimmungen im Inland zu ermöglichen, damit zu ihren Gunsten auf der Grundlage der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (Urteil vom 30.9.1997, C-98/96, NVwZ 1999, 286) eine solche (nachträglich) entstehen kann (im Anschluss an BVerwG, Beschluss vom 10.5.1995 - 1 B 72.95 -, InfAuslR 1995 1995, 312)


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

11 S 636/02

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Aufenthaltserlaubnis

hier: vorläufiger Rechtsschutz

hat der 11. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schaeffer, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Jakober und die Richterin am Verwaltungsgericht Dr. Paehlke-Gärtner

am 12. September 2002

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 14. Februar 2002 - 8 K 56/02 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers ist statthaft und auch sonst zulässig; sie wurde insbesondere fristgerecht eingelegt und rechtzeitig und inhaltlich ordnungsgemäß begründet (vgl. dazu §§ 146 Abs. 1 und 4, 147 Abs. 1 VwGO i.d.F. vom 20.12.2001, BGBl. I, S.3987). Ferner hat der Antragsteller auch einen eindeutigen, bestimmten Antrag (Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO) gestellt (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO). Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

I. Der Antrag des seit dem 8.2.2000 bis zur Ablehnung der Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis nicht (mehr) vollziehbar ausreisepflichtigen Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Ablehnungsentscheidung und Abschiebungsandrohung im Bescheid der Antragsgegnerin vom 27.12.2001 anzuordnen, ist zulässig (zur Statthaftigkeit vgl. § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 VwGO i.V.m. § 72 Abs. 1 AuslG und § 12 Satz 1 LVwVG; zum Rechtsschutzinteresse vgl. §§ 42 Abs. 2 Satz 2, 49 Abs. 1, 50 Abs. 1 AuslG). Gegen die Ablehnung dieses Antrags als unbegründet durch den angegriffenen Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 14.2.2002 ergeben sich aus dem Beschwerdevorbringen im Ergebnis keine rechtliche Bedenken. Der Senat folgt dem Verwaltungsgericht darin, dass dem öffentlichen Interesse an der - vom Gesetz jeweils als Regelfall ausgestalteten - sofortigen Vollziehung der angegriffenen Entscheidungen gegenüber dem Interesse des Antragstellers, vorläufig vom Vollzug der angegriffenen Maßnahmen verschont zu werden, der Vorrang gebührt.

Mit dem Beschwerdevorbringen, das allein die Grundlage der Überprüfung des angefochtenen Beschlusses bildet (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), macht der Antragsteller geltend, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass ihm ein Aufenthaltsrecht aus Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 zustehe. Die Ansicht, dass eine ordnungsgemäße Beschäftigung, die einen ordnungsgemäßen Aufenthalt voraussetze, während des Zeitraums eines fiktiven Aufenthaltsrechts nach § 69 Abs. 3 AuslG nicht vorgelegen habe, sei unzutreffend. Die vom Verwaltungsgericht zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.5.1995 (InfAuslR 1995, 312) beziehe sich auf die Fiktionswirkung eines Erstantrags auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung. Im Falle eines rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrags könne ein gesicherter Aufenthalt nicht dadurch nachträglich entfallen, dass die Aufenthaltserlaubnis zunächst lediglich befristet erteilt worden sei. Zudem habe die - fiktive - Aufenthaltserlaubnis ein Jahr nach Beschäftigungsbeginn ohnehin nur noch deklaratorische Bedeutung. Das durch die Beschäftigungsdauer entstandene Aufenthaltsrecht habe mit der Entscheidung vom 27.12.2001 nicht mehr vernichtet werden können.

Weiterhin macht der Antragsteller - noch fristgerecht - geltend, dass er sich zwischenzeitlich mit seiner deutschen Ehefrau wieder versöhnt habe und die eheliche Lebensgemeinschaft seit dem 13.3.2002 in der früheren ehelichen Wohnung wieder aufgenommen worden sei. Zur Glaubhaftmachung hat er hierzu eine eidesstattliche Versicherung seiner deutschen Ehefrau vom 17.6.2002 nachgereicht.

Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Beschluss vom 14.2.2002 zur Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Antrags des Antragstellers - eines am 1.1.1976 geborenen türkischen Staatsangehörigen - auf Verlängerung seiner ihm aufgrund seiner am 16.9.1998 geschlossenen Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen am 8.2.2000 erteilten und am 20.7.2000 bis zum 1.8.2001 verlängerten Aufenthaltserlaubnis ausgeführt, dass dem Antragsteller ein Anspruch auf die begehrte Verlängerung weder nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG noch nach Art. 6 Abs. 1 1. Spiegelstrich des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei vom 19.9.1980 über die Entwicklung des Assoziation - ARB 1/80 - zustehe. Der Antragsteller sei im Zeitraum vom 8.2.2000 bis 1.8.2001 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gewesen. Die eheliche Lebensgemeinschaft habe jedoch im Januar 2001 geendet, so dass die eheliche Lebensgemeinschaft nicht einmal 12 Monate rechtmäßig bestanden habe. Selbst wenn - wie dies die Antragsgegnerin getan habe - der (angebliche) einmonatige Versöhnungsversuch im November 2001 hinzuzurechnen wäre, wäre der Mindestzeitraum von zwei Jahren nicht erreicht. Der Zeitraum ab Stellung des Antrags auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis am 24.9.1998 bis zu deren Erteilung am 8.2.2000 sei nicht anrechnungsfähig. Die Voraussetzungen des § 69 Abs. 3 AuslG für den Eintritt der Erlaubnisfiktion hätten nicht vorgelegen. Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass auch der Zeitraum nach Stellung des Antrages auf Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung hinzuzurechnen sei, für den die Aufenthaltsgenehmigung (rückwirkend) hätte erteilt werden müssen, ergebe sich im vorliegenden Fall kein anderes Ergebnis. Die Antragsgegnerin habe zu Recht erst am 8.2.2000 die Aufenthaltserlaubnis erteilt, nachdem dem Antragsteller am 2.2.2000 vom türkischen Generalkonsulat ein Reisepass ausgestellt worden sei.

Der Antragsteller könne auch kein Aufenthaltsrecht aus Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 herleiten. Die Ordnungsgemäßheit der Beschäftigung setze eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position des Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt voraus. Ein türkischer Arbeitnehmer erfülle diese Voraussetzung nicht, wenn er die Beschäftigung im Rahmen eines Aufenthaltsrechts ausgeübt habe, das ihm nur aufgrund einer nationalen Regelung eingeräumt gewesen sei, nach der der Aufenthalt während des Verfahrens zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Aufnahmeland erlaubt werde. Daher sei eine Beschäftigung während des Zeitraumes eines fiktiven Aufenthaltsrechts nach § 69 Abs. 3 AuslG nicht ordnungsgemäß i.S. des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80. Der Antragsteller sei mithin weniger als ein Jahr, nämlich vom 1.10.2000 (Arbeitsbeginn bei der Firma xxxxxxxxx) bis zum 1.8.2001 (Ablauf der erteilten Aufenthaltserlaubnis) "ordnungsgemäß" beschäftigt gewesen. Die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung seien ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie entsprächen den Maßgaben der §§ 49, 50 AuslG.

II. Gründe, die die Abänderung dieser verwaltungsgerichtlichen Entscheidung und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Ablehnung der Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis und der Abschiebungsandrohung rechtfertigen könnten, ergeben sich aus dem Beschwerdevorbringen nicht.

1. Soweit das Verwaltungsgericht seine Entscheidung damit begründet hat, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf die von ihm begehrte Aufenthaltserlaubnis nach § 19 AuslG hat, weil die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vorliegen, greift der Antragsteller die Entscheidung mit seinem Beschwerdevorbringen nicht an.

2. Aus seinem neuen Vorbringen, mit dem er einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 17 Abs. 1, 23 Abs. 1 Nr. 1 AuslG geltend macht, ergeben sich keine Erfolgsaussichten im anhängigen Widerspruchsverfahren oder einem nachfolgenden Klageverfahren. Denn mit dem Vortrag des Antragstellers, dass er nun erneut die eheliche Lebensgemeinschaft mit seiner Ehefrau aufgenommen habe, beruft er sich auf einen neuen Lebenssachverhalt und einen neuen Aufenthaltszweck, die nicht Gegenstand des Widerspruchsverfahrens sind. Der Zweck und die beabsichtigte Dauer des Aufenthalts sind für die Entscheidung über die Erteilung bzw. die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis von wesentlicher Bedeutung. Daraus folgt ohne weiteres, dass z.B. die Absichten, die der Ausländer mit dem Aufenthalt tatsächlich verfolgt, sowie die Umstände, aus denen sich ergibt, ob eine Verwirklichung dieser Absichten möglich und mit den öffentlichen Interessen vereinbar ist oder nicht, zu dem Tatsachenkomplex gehören, aus dem sich im Streitfall der Erlaubnisanspruch herleitet. Demnach handelt es sich jedenfalls dann um ein Auswechseln des Verfahrensgegenstandes, wenn der Ausländer seine zunächst verfolgten Absichten vollständig aufgibt und nunmehr aus gänzlich anderen Gründen den (weiteren) Aufenthalt erstrebt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21.10.1983 - 1 B 116/83 -, DÖV 1984, 299 f. zum Vorliegen einer Klageänderung im Fall der Einbeziehung eines weiteren Ablehnungsbescheids).

Ein solches Auswechseln des Verfahrensgegenstandes ist dem Antragsteller aber innerhalb des anhängigen Widerspruchsverfahrens nicht möglich. Dem Ausländer ist es zwar unbenommen, seine Angaben über den Aufenthaltszweck vor einer Entscheidung der Ausländerbehörde über seinen Antrag zu ändern; hat die Ausländerbehörde jedoch über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung ablehnend entschieden, so kann er in einem Widerspruchsverfahren und einem sich anschließenden gerichtlichen Rechtsschutzverfahren den Verfahrensgegenstand, so wie er durch den beschiedenen Antrag unter Beachtung des ursprünglich geltend gemachten Aufenthaltszwecks näher bestimmt und begrenzt wurde, nicht mehr in der Weise auswechseln, dass er einen gänzlich anderen Aufenthaltszweck in das anhängige Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren einführt. Der die Sachherrschaft der Widerspruchsbehörde bewirkende Devolutiveffekt des Widerspruchs erfasst nur den bisherigen Verfahrensgegenstand. Ohne eine weitere Entscheidung der Ausgangsbehörde und einen weiteren Widerspruch kann die Widerspruchsbehörde oder das Gericht (außer im Fall der Untätigkeitsklage, die aber ebenfalls ein weiteres Verwaltungsverfahren voraussetzt) nicht erstmals über die Frage entscheiden, ob einem Ausländer ein bestimmter Aufenthaltstitel des Ausländergesetzes im Hinblick auf einen Aufenthaltszweck zuzubilligen ist, der überhaupt noch nicht Gegenstand der Prüfung und der Entscheidung durch die für den Antrag primär zuständige Ausländerbehörde war (vgl. HessVGH, Beschluss vom 16.3.1993 - 10 TH 579/93 -; Beschluss vom 27.3.1996 - 13 TG 475/96 -; Beschluss vom 22.5.1997 - 13 TG 744/96 -; Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Urteil vom 28.1.1998 - 65/97 -, NVwZ 1998, Beilage Nr. 5, S. 41).

Demgegenüber ist der Ausländer nicht gehindert, auch noch in einem Widerspruchs- oder Gerichtsverfahren nähere Ausführungen zu machen, die den ursprünglich angegebenen Aufenthaltszweck nicht verändern, sondern lediglich dazu dienen sollen, das bereits geltend gemachte und von der Ausländerbehörde abgelehnte Begehren näher zu rechtfertigen, zu begründen und argumentativ zu vertiefen. Solche Angaben sind, soweit keine Präklusion nach § 70 Abs. 1 Satz 3 AuslG gegeben ist, im Widerspruchsverfahren und im Gerichtsverfahren im Hinblick auf den jeweils für die Sachlage maßgeblichen Zeitpunkt zu berücksichtigen.

So liegt es hier jedoch nicht. Bereits mit Schreiben vom 23.2.2001 hatte der Bevollmächtigte der Ehefrau des Antragstellers der Antragsgegnerin gegenüber erklärt, dass der Antragsteller und seine Ehefrau getrennt lebten und der Antragsteller am 14./15.2.2001 die Ehewohnung verlassen habe und in die xxxxxxxxxxxxx umgezogen sei. Mit Schreiben vom 18.5.2001 teilte der damalige Bevollmächtigte des Antragstellers der Antragsgegnerin mit, dass er den Antragsteller auch in dem anhängigen Scheidungsverfahren vertrete, und ist der Absicht der Antragsgegnerin, die damalige Aufenthaltserlaubnis zu widerrufen, mit der alleinigen Begründung entgegengetreten, dass die Voraussetzungen des § 19 AuslG vorlägen. In dem Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vom 2.7.2001 hat der Antragssteller keinen Aufenthaltszweck angegeben. Aus dem Antrag und der beigefügten Wohnraumbescheinigung ging aber ebenfalls hervor, dass der Antragsteller im März 2001 allein in die xxxxxxxxxxxxxxxx umgezogen war und die eheliche Wohnung im xxxxxxxxxxxxxx verlassen hatte. Vor diesem Hintergrund fragt sich bereits, ob die Feststellung in den Gründen der Verfügung der Antragsgegnerin vom 27.12.2001, dass die Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers nicht zu dem in §§ 23 i.V.m. § 17 AuslG genannten Zweck verlängert werden kann, weil eine eheliche Gemeinschaft zwischen ihm und seiner Ehefrau nicht mehr bestehe, als ein Hinweis darauf verstanden werden konnte, dass dieser Aufenthaltszweck Gegenstand des Ausgangsverfahrens und der Entscheidung gewesen ist, obwohl der Antragsteller die Aufenthaltserlaubnis offensichtlich nicht zur Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft begehrte. Gegenstand des Widerspruchsverfahrens konnte dieser Aufenthaltszweck aber jedenfalls deshalb nicht werden, weil der Antragssteller mit seinem Widerspruch vom 11.1.2002, mit dem er auf seinen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz vom gleichen Tag Bezug nahm, sein Begehren dahingehend konkretisierte, dass er eine Aufenthaltserlaubnis nach Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft ausschließlich als eigenständiges Aufenthaltsrecht beansprucht. Zur Begründung wurde vorgetragen, dass der Antragsteller und seine Ehefrau seit Januar 2001 getrennt lebten. Es sei dem Antragsteller aber erst im März 2001 gelungen, eine eigene Wohnung zu finden. Da die Ehe bereits am 16.9.1998 geschlossen und die eheliche Lebensgemeinschaft unmittelbar danach aufgenommen worden sei, habe diese bis zur endgültigen Trennung im Januar 2001 bereits zwei Jahre lang bestanden, so dass er einen Anspruch nach § 19 AuslG auf die beantragte Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis habe. Nunmehr beruft sich der Antragsteller aber allein auf ein Aufenthaltsrecht zur Führung der am 13.3.2002 neu aufgenommenen ehelichen Gemeinschaft mit seiner Ehefrau und verfolgt den ursprünglich geltend gemachten Antrag nach § 19 AuslG nicht weiter. Der Antragsteller stützt den von ihm geltend gemachten Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis damit im Beschwerdeverfahren aber auf einen neuen Lebenssachverhalt, einen neuen Aufenthaltszweck und mithin auf einen neuen Verfahrensgegenstand (erneute Aufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft), der, wie dargelegt, jedenfalls nicht Gegenstand des Widerspruchsverfahrens ist, auf das sich sein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO bezieht.

3. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann sich der Antragsteller aber auch nicht auf Art. 6 Abs. 1, 1. Spiegelstrich ARB 1/80 berufen, weil es in seinem Falle an einer ordnungsgemäßen Beschäftigung bei einem Arbeitgeber für die Dauer eines Jahres fehlt. Der Antragsteller hat am 8.2.2000 eine bis zum 1.8.2001 befristete Aufenthaltserlaubnis erhalten. Seine Tätigkeit bei der Firma xxxxxxxxx hat er am 1.10.2000 aufgenommen. Er hatte damit zum Zeitpunkt des Ablaufs der Aufenthaltserlaubnis am 1.8.2001 keinen Anspruch aus Art. 6 Abs. 1, 1. Spiegelstrich ARB 1/80 erlangt. Danach konnte ein solches Recht bis zur Ablehnung des Verlängerungsantrags mit Verfügung vom 27.12.2001 nicht mehr entstehen, weil sein Aufenthalt, anders als der Antragsteller meint, allein durch die mit der rechtzeitigen Stellung des Verlängerungsantrags ausgelöste Fiktionswirkung nicht im Sinne der Anforderungen an eine "ordnungsgemäße" Beschäftigung nach Art. 6 Abs. 1, 1. Spiegelstrich ARB 1/80 gesichert war (vgl. EuGH, Urteile vom 16.12.1992 - C-237/91 -, EZAR 810 Nr. 7, und vom 20.9.1990 - C-192/89 -, EZAR 811 Nr. 11). Nach der zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften erfasst der Begriff der ordnungsgemäßen Beschäftigung nicht den Fall eines türkischen Arbeitnehmers, der eine Beschäftigung ausüben darf, weil ihm während eines Verfahrens auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zu dessen Durchführung der Aufenthalt ermöglicht worden ist. Dieser Grundsatz muss auch dann gelten, wenn der Aufenthalt des Ausländers bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde nach § 69 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AuslG, wie hier, als erlaubt gilt, weil er sich seit mehr als sechs Monaten rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (so auch Kemper, Auswirkungen des Assoziationsratsbeschlusses EWG/Türkei auf das Aufenthaltsrecht türkischer Staatsangehöriger, ZAR 1995, 114, 117; Gutmann, Die Assoziationsfreizügigkeit türkischer Staatsangehöriger, 1996, S. 84f.). Denn ein Aufenthaltsrecht aufgrund der Fiktionswirkung des § 69 Abs. 3 AuslG ist wegen seiner vorläufigen Natur - unter Berücksichtigung der durch die zitierte Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften dazu entwickelten und vom Bundesverwaltungsgericht geteilten Grundsätze (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 27.6.1995 - 1 C 5/94 -, BVerwGE 99, 28 [32 f.]) - zur Begründung einer ordnungsgemäßen Beschäftigung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 nicht ausreichend (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.5.1995 - 1 B 72.95 - Buchholz 402.240 § 69 AuslG 1990 Nr. 1 = InfAuslR 1995, 312 m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 5.5.1997 - 1 B 84.97 -). Gleichgültig ist, ob das fiktive Aufenthaltsrecht auf einem Erst- oder Verlängerungsantrag beruht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.5.1995 a.a.O.).

Etwas anderes gilt nur dann, wenn im Verfahren das Aufenthaltsrecht des Ausländers endgültig anerkannt wird. Dann ist er rückwirkend so zu behandeln, als habe er während des fraglichen Zeitraums ein nicht nur vorläufiges Aufenthaltsrecht und daher die für eine ordnungsgemäße Beschäftigung vorausgesetzte gesicherte Stellung auf dem Arbeitsmarkt besessen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.5.1995 a.a.O. und Beschluss vom 5.5.1997 - 1 B 84.97 -). Dies ist aber nur der Fall, wenn das Aufenthaltsrecht, das der Ausländer zunächst begehrt hat und dessen Beantragung die Fiktion ausgelöst hat, in dem anhängigen Verfahren bestätigt wird. Diese Folge tritt dagegen nicht ein, wenn, wie hier, der zunächst geltend gemachte Anspruch zu Recht abgelehnt worden ist, damit die Fiktion beendet wurde und dann ein neuer Anspruch auf Aufenthalt zu einem anderen Zweck geltend gemacht wird, der nicht Gegenstand des bisherigen Verfahrens ist.

Eine andere Einschätzung der Erfolgsaussichten des Widerspruchsverfahrens ergibt sich schließlich auch nicht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften. Danach ist Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 zwar so auszulegen, dass bei der Berechnung der Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung im Sinne dieser Vorschrift sogar kurze Zeiträume zu berücksichtigen sind, in denen der türkische Arbeitnehmer im Aufnahmemitgliedstaat keine gültige Aufenthalts- oder Arbeitserlaubnis besitzt und die nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 2 ARB 1/80 fallen, wenn die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats nicht deswegen die Ordnungsmäßigkeit des Aufenthalts des Betroffenen im Inland in Frage gestellt, sondern ihm vielmehr eine neue Aufenthalts- oder Arbeitserlaubnis erteilt haben (EuGH [6. Kammer], Urteil vom 30.9.1997, C-98/96, NVwZ 1999, 286). Eine in diesem Sinne anspruchsbegründende Berücksichtigung des Zeitraums zwischen der hier vorliegenden Ablehnungsentscheidung und einer möglichen Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Neubegründung der ehelichen Lebensgemeinschaft ist jedoch auszuschließen, weil die Änderung des Aufenthaltszwecks, wie dargelegt, eine erneute Antragstellung bei der Ausgangsbehörde und diese die Einhaltung des Sichtvermerksverfahrens erforderlich macht, so dass der Antragsteller eine neue Einreiseerlaubnis der zuständigen Behörden benötigt und nicht im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs an seinen rechtmäßigen Aufenthalt vor der Ablehnung seines Verlängerungsantrags anknüpfen kann. Denn eine rechtliche Grundlage für die Stellung des Antrags für die nun begehrte Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Neubegründung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Inland gibt es im vorliegenden Fall nicht. Maßgeblich ist insoweit zunächst die Bestimmung des § 69 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AuslG, die auf die Erlaubnisfiktion des § 69 Abs. 3 AuslG entsprechend Anwendung findet (§ 69 Abs. 3 Satz 3 AuslG). Danach tritt weder die Duldungs- noch die Erlaubnisfiktion ein, wenn der Ausländer nach Ablehnung seines Antrags und vor Ausreise einen neuen Antrag stellt. Mit der Ablehnung des Antrags auf Aufenthaltsgenehmigung erlischt die Duldungs- oder Erlaubnisfiktion des § 69 Abs. 2 Satz 1 bzw. Abs. 3 AuslG. Der Ausländer ist dann gemäß § 42 Abs. 1 AuslG zur Ausreise verpflichtet, und diese Pflicht ist nach § 42 Abs. 2 Satz 2 AuslG vollziehbar, da Widerspruch und Klage gegen die Versagung der Aufenthaltsgenehmigung nach § 72 Abs. 1 AuslG keine aufschiebende Wirkung haben. Durch dieses Regelungssystem bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass ein erneuter Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung an dem durch die Ablehnung eines früheren Antrags eingetretenen Rechtszustand nichts ändert und eine erneute Antragstellung unter Einhaltung des Sichtvermerkverfahrens zu erfolgen hat.

Auch eine Ausnahme vom Sichtvermerksverfahren greift zugunsten des Antragstellers nicht ein. Die Anwendung des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 DVAuslG scheitert hier bereits daran, dass er sich seit der Versagung der Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, so dass sein Aufenthalt auch im Zeitpunkt der von ihm vorgetragenen Neubegründung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht rechtmäßig war.

Eine Ermächtigung und Verpflichtung der Behörde, dem Antragsteller die Möglichkeit der Antragstellung im Bundesgebiet einzuräumen, kann sich auch nicht aus den Vorschriften des ARB 1/80 ergeben. Denn insoweit wird auch vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nicht in Frage gestellt, dass die Befugnisse der Mitgliedstaaten, Einreise und Aufenthalt zur Ausübung oder zum Zugang zu einer Beschäftigung bis zur Entstehung eines Beschäftigungsrechts (hier: nach Art. 6 ARB 1/80) zu reglementieren, von diesen Vorschriften unberührt bleiben (vgl. EuGH [6. Kammer], Urteil vom 23.1.1997 - C-171/95 -, NVwZ 1997, 677; Urteil vom 19.11.1998 - C-210/97 -, NVwZ 1999, 281; Urteil vom 10.2.2000 - C-340/97 -, InfAuslR 2000, 161). In diesem Zusammenhang kommt dem einschränkenden Erfordernis der Ordnungsmäßigkeit der Beschäftigung nach seinem Sinn und seiner Zielrichtung die Aufgabe zu, die Möglichkeit auszuschließen, dass sich der türkische Arbeitnehmer ein Aufenthaltsrecht nach Art. 6 ARB 1/80 während eines Zeitraums verschafft, für den eine positive Entscheidung in diesem Sinne nicht vorliegt (im Anschluss an BVerwG, Beschluss vom 190.5.1995 a.a.O. unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 20.9.1990 - C-192/89 -, InfAuslR 1991, 2 [5]; Urteil vom 16.12.1992 - C-237/91 -, InfAuslR 1993, 41 [42] Rdnr. 15). Demnach kann sich auch der Ausländer nicht auf den Beschluss Nr. 1/80 berufen, um im Widerspruch hierzu, eine solche Möglichkeit des Rechtserwerbs entgegen nationalen Bestimmungen zu beanspruchen.

Damit ist es aber ausgeschlossen, dass der vom Antragsteller geltend gemachte Anspruch aus Art. 6 ARB 1/80 im Widerspruchsverfahren dann Aussicht auf Erfolg haben könnte, wenn dem Antragsteller der von ihm nun geltend gemachte - neue -Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 17 Abs. 1, 23 Abs. 1 Nr. 1 AuslG zustünde.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 25 Abs. 2 Satz 1, 14 Abs. 1 und 2, 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

Zurück