Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 15.10.2003
Aktenzeichen: 11 S 910/03
Rechtsgebiete: LVwVfG, AuslG, ARB 1/80


Vorschriften:

LVwVfG § 48 Abs. 1
LVwVfG § 48 Abs. 4
AuslG § 12 Abs. 2 Satz 2
AuslG § 19 Abs. 1
AuslG § 23 Abs. 1 Nr. 1
AuslG § 70 Abs. 1
ARB 1/80 Art. 6 Abs. 1
1. Eine ordnungsgemäße Beschäftigung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 setzt ein endgültig gesichertes und nicht nur vorläufiges nationales Aufenthaltsrecht des Betroffenen voraus. Daran kann es aus verfahrensrechtlichen Gründen (bloße aufschiebende Wirkung eines Rechtsmittels, nur fiktives Aufenthaltsrecht nach § 69 Abs. 3 AuslG, Rücknehmbarkeit einer Aufenthaltsgenehmigung) oder aus materiellen Gründen (Erlangung des Aufenthaltsrechts durch grob vorwerfbares Verhalten, etwa durch Täuschung) fehlen (Umsetzung und Weiterentwicklung von EuGH, Urteile vom 5.6.1997 - C-285/95 -<Kol>, vom 16.12.1992 - C-237/91 - <Kus> und vom 20.9.1990 - C 192/89 - <Sevince> und von BVerwG, Urteile vom 17.6.1998 - 1 C 27.96 - und vom 27.6.1995 - 1 C 5.94 - sowie Beschlüsse vom 5.5.1997 - 1 B 84.97 - und vom 10.5.1995 - 1 B 72.95 -).

2. Wird das nur vorläufige nationale Aufenthaltsrecht durch eine für den türkischen Arbeitnehmer positive unanfechtbare Entscheidung bestätigt oder entfällt die Rücknehmbarkeit der Aufenthaltsgenehmigung, so ist der Ausländer assoziationsrechtlich rückwirkend so zu behandeln, als habe er während des fraglichen Zeitraums die für eine ordnungsgemäße Beschäftigung vorausgesetzte gesicherte Stellung auf dem Arbeitsmarkt besessen (wie EuGH, Urteil vom 16.12.1992 a.a.O. sowie BVerwG, Beschluss vom 5.5.1997 a.a.O.).


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

11 S 910/03

In der Verwaltungsrechtssache

wegen zeitlicher Beschränkung der Aufenthaltserlaubnis

hat der 11. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf die mündliche Verhandlung vom 15. Oktober 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schaeffer, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Jakober und die Richterin am Verwaltungsgericht Fabian

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 20. November 2002 - 1 K 1747/02 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger - ein 1975 geborener türkischer Staatsangehöriger - wendet sich gegen die nachträgliche zeitliche Beschränkung seiner Aufenthaltserlaubnis.

Der Kläger reiste im Februar 1995 ohne Visum auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sein zunächst betriebenes Asylverfahren und ein im Juli 1999 gestellter Asylfolgeantrag blieben erfolglos. Vom 16.7.1999 bis 15.10.1999 war er im Besitz einer Duldung.

Am 13.8.1999 heiratete er eine deutsche Staatsangehörige. Seit dem 1.10.1999 arbeitet er im Restaurant xxx xxxx in Villingen-Schwenningen. Seit dem 16.12.1999 ist er im Besitz einer unbefristeten Arbeitserlaubnis.

Auf seinen Antrag vom 8.10.1999 erteilte ihm die Beklagte am 11.4.2000 eine bis zum 11.9.2000 befristete Aufenthaltserlaubnis, die am 10.8.2000 bis zum 10.8.2002 verlängert wurde.

Im März 2002 erfuhr die Beklagte, dass die Ehe des Klägers mit der deutschen Staatsangehörigen am 5.2.2002 geschieden worden ist. Eine Anfrage der Beklagten beim Amtsgericht Villingen-Schwenningen ergab, dass die Ehegatten sich Mitte Februar 2001 endgültig getrennt hatten.

Mit Verfügung vom 4.4.2002 - zugestellt am 6.4.2002 - beschränkte die Beklagte die bis zum 10.8.2002 verlängerte Aufenthaltserlaubnis nachträglich auf den Tag der Bekanntgabe dieser Verfügung, forderte den Kläger zur Ausreise auf, setzte ihm eine Frist zur freiwilligen Ausreise bis spätestens einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung und drohte ihm für den Fall der Weigerung die Abschiebung in die Türkei an. Zur Begründung führte die Beklagte unter anderem aus, die dem Kläger erteilte Aufenthaltserlaubnis habe gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 AuslG zeitlich befristet werden können, weil mit der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft eine für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis wesentliche Voraussetzung entfallen sei und weil der Kläger auch kein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 erworben habe. Er sei nur in der Zeit vom 11.4.2000 bis Mitte Februar 2001 ordnungsgemäß im Sinne des ARB 1/80 beschäftigt gewesen.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies das Regierungspräsidium Freiburg mit Widerspruchsbescheid vom 24.7.2002 - zugestellt am 31.7.2002 - zurück. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die Ordnungsmäßigkeit einer Beschäftigung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 setze eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position des türkischen Arbeitnehmers auf dem deutschen Arbeitsmarkt und damit das Bestehen eines nicht bestrittenen Aufenthaltsrechts voraus. Eine Beschäftigung sei nur ordnungsgemäß, wenn sie mit den aufenthaltsrechtlichen und arbeitserlaubnisrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Mitgliedstaates in Einklang stehe. Dabei komme es stets darauf an, dass die Arbeits- und die Aufenthaltsgenehmigung nicht nur in formaler Hinsicht, sondern auch in materieller Hinsicht zu Recht erteilt und verlängert worden seien. Eine ordnungsgemäße Beschäftigung habe nach der Trennung der Eheleute Mitte Februar 2001 nicht mehr vorgelegen, da ab diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen für den Fortbestand der dem Kläger erteilten Aufenthaltserlaubnis nicht mehr erfüllt gewesen seien. Zudem hätte der Kläger die Ausländerbehörde über das Ende der ehelichen Lebensgemeinschaft mit seiner deutschen Ehefrau informieren müssen.

Mit Verfügung vom 22.7.2002 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers vom 10.7.2002 auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis ab. Auf seinen Antrag vom 1.8.2002 ordnete das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des hiergegen eingelegten Widerspruchs an (vgl. den rechtskräftigen Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 26.8.2002 - 1 K 1572/02 -). Über den Widerspruch ist noch nicht entschieden.

Auf die am 28.8.2002 erhobene Klage hob das Verwaltungsgericht Freiburg mit Urteil vom 20.11.2002 - 1 K 1747/02 - die angefochtene Verfügung der Beklagten vom 4.4.2002 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 24.7.2002 auf. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus: Die Klage sei zulässig. Das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers sei nicht durch den Ablauf der ursprünglich erteilten Aufenthaltserlaubnis entfallen. Die Klage sei auch begründet. Zwar sei eine für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltserlaubnis des Klägers wesentliche Voraussetzung entfallen, nachdem sich seine deutsche Ehefrau Mitte Februar 2001 endgültig von ihm getrennt habe. Dem Kläger stehe jedoch ein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis aus Art. 6 Abs. 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 zu. Der Kläger gehöre als Mitarbeiter einer Imbissstube dem regulären Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland an und sei dort auch für mehr als ein Jahr ordnungsgemäß beschäftigt gewesen. Die ordnungsgemäße Beschäftigung des Klägers habe erst mit Erteilung der Aufenthaltserlaubnis am 11.4.2000 begonnen. Sein am 8.10.1999 gestellter Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis habe weder die Duldungsfiktion des § 69 Abs. 2 AuslG noch die Erlaubnisfiktion des § 69 Abs. 3 AuslG ausgelöst. Die ordnungsgemäße Beschäftigung habe bis zum Zeitpunkt der nachträglichen zeitlichen Beschränkung der Aufenthaltserlaubnis am 6.4.2002 und damit ununterbrochen mehr als ein Jahr gedauert. Die Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Februar 2001 stehe dem nicht entgegen, obwohl damit der Wegfall der materiell-rechtlichen Voraussetzungen der nach §§ 17 Abs. 1, 23 Abs. 1 Nr. 1 AuslG erteilten Aufenthaltserlaubnis verbunden sei, da das erforderliche unbestrittene Aufenthaltsrecht allein durch den Bestand der wirksamen Aufenthaltserlaubnis vermittelt werde. Denn die Aufenthaltserlaubnis entfalte auch gegenüber der Ausländerbehörde eine Bindungswirkung, solange sie wirksam sei. Es gebe für den hier vorliegenden Fall des nachträglichen Wegfalls einer Genehmigungsvoraussetzung keine Möglichkeit, die Wirksamkeit der Aufenthaltsgenehmigung rückwirkend, bezogen auf den Zeitpunkt des Wegfalls der Voraussetzungen, entfallen zu lassen. Die Rücknahme einer Aufenthaltsgenehmigung nach § 48 LVwVfG setze voraus, dass diese bereits im Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig gewesen sei. § 12 Abs. 2 Satz 2 AuslG ermächtige nur zur Beendigung des Aufenthaltsrechts für die Zukunft. Der Widerruf eines anfänglich rechtmäßigen Verwaltungsaktes sei gemäß § 49 LVwVfG ebenfalls nur mit Wirkung für die Zukunft möglich und sei durch das Ausländergesetz auf die Fälle des § 43 AuslG beschränkt worden. Die Berufung auf die Bindungswirkung der bis zum 6.4.2002 gültigen Aufenthaltserlaubnis sei auch nicht rechtsmissbräuchlich, denn der Kläger habe die Aufenthaltserlaubnis nicht durch Täuschung über den Zeitpunkt der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erschlichen. Er sei auch nicht verpflichtet gewesen, die Ausländerbehörde während der Gültigkeitsdauer seiner Aufenthaltserlaubnis davon zu unterrichten, dass die eheliche Lebensgemeinschaft aufgelöst worden sei. Eine solche Mitwirkungspflicht folge weder aus § 70 Abs. 1 AuslG noch aus § 26 Abs. 2 LVwVfG. Da der Kläger im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids nicht ausreisepflichtig gewesen sei, sei auch die Abschiebungsandrohung aufzuheben.

Gegen dieses ihr am 25.11.2002 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 4.12.2002 - eingegangen am 6.12.2002 - die Zulassung der Berufung beantragt. Daraufhin hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 23.4.2003 die Berufung wegen besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassen. Dieser Beschluss ist der Beklagten am 13.5.2003 zugestellt worden.

Die zugelassene Berufung hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 10.6.2003 - eingegangen am 12.6.2003 - begründet. Die Beklagte wiederholt darin ihre Auffassung, wonach es für die Ordnungsmäßigkeit der Beschäftigung i.S.v. Art. 6 Abs. 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 darauf ankomme, dass die erforderlichen Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen nicht nur in formaler Hinsicht, sondern auch in materieller Hinsicht zu Recht erteilt und verlängert worden seien, und dass die Voraussetzungen der Erteilung oder Verlängerung weiterhin Bestand hätten. Die ordnungsgemäße Beschäftigung des Klägers habe daher mit der erstmaligen Erteilung der Aufenthaltserlaubnis am 11.4.2000 begonnen und habe mit dem Ende der ehelichen Lebensgemeinschaft Mitte Februar 2001 geendet, so dass der nach Art. 6 Abs. 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 erforderliche Zeitraum von einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung nicht erreicht worden sei. Seit Februar 2001 habe der Kläger kein unbestrittenes Aufenthaltsrecht mehr, da die materiell-rechtlichen Voraussetzungen seines Aufenthaltsrechts nach §§ 23 Abs. 1 Nr. 1, 17 Abs. 1 AuslG mit der endgültigen Trennung von seiner deutschen Ehefrau entfallen seien. Im Zeitpunkt der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis am 10.8.2000 sei diese noch nicht rechtswidrig i.S.v. § 48 LVwVfG gewesen, da der Kläger zu diesem Zeitpunkt noch mit seiner deutschen Ehefrau zusammengelebt habe. Eine Rücknahme der Aufenthaltserlaubnis nach § 48 Abs. 1 LVwVfG sei deshalb nicht in Frage gekommen. Ein Widerruf gemäß § 49 LVwVfG komme ebenfalls nicht in Betracht, da die Widerrufsgründe in § 43 AuslG abschließend geregelt seien und somit kein Raum für eine Entscheidung nach § 49 LVwVfG gewesen sei. Eine durch vorsätzliche Täuschung erwirkte Aufenthaltserlaubnis könne nie eine gesicherte aufenthaltsrechtliche Position vermitteln. Ein türkischer Arbeitnehmer gelte daher während des mit einer durch vorsätzliche Täuschung erwirkten Aufenthaltsgenehmigung zurückgelegten Zeitraumes nie als ordnungsgemäß beschäftigt. Die frühere Ehefrau des Klägers habe sich erst am 12.7.2001 rückwirkend zum 1.3.2001 aus der ehelichen Wohnung abgemeldet, obwohl der Auszug bereits im Februar 2001 erfolgt sei. Mit dieser Vorgehensweise des Klägers und seiner Ehefrau sei bewusst über einen Zeitraum von viereinhalb Monaten der Anschein erweckt worden, dass die eheliche Lebensgemeinschaft noch bestehe. In diesem Zeitraum habe der Kläger eine Beschäftigungsdauer von einem Jahr erreicht, was nicht möglich gewesen wäre, wenn sich seine Ehefrau sofort abgemeldet hätte. Damit habe der Kläger gegen die Mitwirkungspflicht des § 70 AuslG verstoßen. Die Vorgehensweise des Klägers sei in derselben Weise zu werten wie eine arglistige Täuschung, da sie einen vergleichbaren Unwertgehalt aufweise.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 20.11.2002 - 1 K 1747/02 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung führt er aus, er habe ein Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erworben. Er habe die Ausländerbehörde nicht getäuscht und ein Aufenthaltsrecht nicht erschlichen. Das Ausländergesetz verpflichte den Ausländer nicht, den Wegfall der Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung unaufgefordert der Ausländerbehörde mitzuteilen.

Dem Senat liegen die den Kläger betreffenden Ausländerakten der Beklagten vor sowie die Akten des Regierungspräsidiums Freiburg und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Freiburg in den Verfahren 1 K 1747/02 und 1 K 1572/02. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf deren Inhalt und auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Senat zugelassene Berufung der Beklagten ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist insbesondere innerhalb der Frist des § 124 a Abs. 6 Satz 1 VwGO begründet worden.

Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben, denn die angefochtene Verfügung der Beklagten in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Freiburg ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

I. Die Klage ist zulässig. Die nachträgliche zeitliche Beschränkung der Aufenthaltserlaubnis hat sich durch den zwischenzeitlichen Ablauf der Gültigkeitsdauer dieser Aufenthaltserlaubnis am 10.8.2002 in ihren Rechtswirkungen nicht erledigt. Sie ist insbesondere nicht durch Zeitablauf unwirksam geworden (vgl. § 43 Abs. 2 LVwVfG). Denn die Beschränkung entfaltet auch in Zukunft noch Rechtswirkungen in Bezug auf die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts des Klägers im Bundesgebiet in dem Zeitraum, um den die Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis verkürzt worden ist - hier: 6.4.2002 bis 10.8.2002 - (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 8.5.1996 - 11 S 308/96 -, InfAuslR 1996, 293 und Beschl. v. 22.10.1998 - 10 S 1152/98 -, Juris), und hat damit auch Bedeutung für die vom Kläger beantragte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis über den 10.08.2002 hinaus.

II. Die Klage ist auch begründet. Für die rechtliche Beurteilung der Befristungsentscheidung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Eintritts der Wirksamkeit des Widerspruchsbescheids mit dessen Zustellung am 31.07.2002 maßgeblich (BVerwG, Urt. v. 21.1.1992 - 1 C 21.87 - BVerwGE 89, 296 = InfAuslR 1992, 205; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 15.10.2002 - 11 S 1104/01 -, VBlBW 2003, 169 = NVwZ-RR 2003, 385).

Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 AuslG kann eine befristete Aufenthaltsgenehmigung nachträglich zeitlich beschränkt werden, wenn eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer der Aufenthaltsgenehmigung wesentliche Voraussetzung entfallen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.6.1995 - 1 C 5.94 -, BVerwGE 99, 28 = NVwZ 1995, 1123 = InfAuslR 1995, 389; BVerwG, Urt. v. 12.12.1995 - 1 C 35.94 -, BVerwGE 100, 130 = NVwZ 1996, 1116 = InfAuslR 1996, 165). Der Kläger hatte am 11.4.2000 eine - nach am 10.8.2000 erfolgter Verlängerung - bis zum 10.8.2002 befristete Aufenthaltserlaubnis erhalten, und zwar im Hinblick auf seine im Bundesgebiet geführte eheliche Lebensgemeinschaft mit einer deutschen Staatsangehörigen. Mit Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft Mitte Februar 2001 war eine wesentliche Voraussetzung für die Erteilung bzw. Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis entfallen, so dass diese grundsätzlich nachträglich zeitlich beschränkt werden konnte.

Eine andere Beurteilung ist aber dann geboten, wenn dem Kläger ungeachtet der Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft ein Anspruch auf Erteilung, Verlängerung oder Aufrechterhaltung seiner Aufenthaltserlaubnis zusteht (BVerwG, Urt. v. 12.12.1995, a.a.O.). Dies ist hier der Fall.

1. Dem Kläger steht allerdings nach innerstaatlichem Recht kein derartiger Anspruch zu. So kommt ein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis als eigenständiges Aufenthaltsrecht des Ehegatten nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft nach § 19 AuslG nicht in Betracht, weil die in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG vorgeschriebene Mindestzeit des rechtmäßigen Bestands der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet von zwei Jahren nicht erfüllt ist. Denn die eheliche Lebensgemeinschaft bestand rechtmäßig im Bundesgebiet erst ab dem 11.04.2000 und endete mit der endgültigen Trennung der Eheleute Mitte Februar 2001. Anhaltspunkte für eine besondere Härte i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG sind nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.

Ein Anspruch auf Erteilung einer familienunabhängigen unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 1 AuslG entfällt ebenfalls, weil der Kläger nicht seit fünf Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, wie es § 24 Abs. 1 Nr. 1 AuslG voraussetzt.

Schließlich steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 10 Abs. 1 AuslG zu, weil er keine der erforderlichen Voraussetzungen der auf der Grundlage des § 10 Abs. 2 AuslG erlassenen Arbeitsaufenthalteverordnung vom 18.12.1990 (BGBl. I S. 2994) erfüllt.

2. Der Kläger hat jedoch einen - auf den maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt zurückwirkenden - Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach Art. 6 Abs. 1 erster Spiegelstrich des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei über die Entwicklung der Assoziation - ARB 1/80 -.

2.1 Nach Art. 6 Abs. 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 hat ein türkischer Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehört, in diesem Mitgliedstaat nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei demselben Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt. Diese rein beschäftigungsrechtliche Vorschrift impliziert nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (künftig: Europäischer Gerichtshof) jedoch, dass den davon Begünstigten auch ein Aufenthaltsrecht zusteht, weil sonst das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt und auf Ausübung einer Beschäftigung wirkungslos wäre (vgl. EuGH, Urt. v. 20.9.1990, - Rs. C-192/89 <Sevince> - Slg. 1990, I 3461 = NVwZ 1991, 255; BVerwG, Urt. v. 27.6.1995 - 1 C 5.94 -, BVerwGE 99, 28 = NVwZ 1995, 1123 = InfAuslR 1995, 389). Deswegen sind Rechtspositionen, die türkische Staatsangehörige in Anwendung der genannten Vorschrift erworben haben, grundsätzlich geeignet, der Entziehung einer bereits erteilten Aufenthaltserlaubnis entgegenzuwirken. Dabei ist es unerheblich, dass die Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen Zweck, etwa - wie hier - zum Zweck der Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft erteilt worden ist (BVerwG, Urt. v. 27.6.1995, a.a.O.). Denn die Zuerkennung des Anspruchs nach Art. 6 Abs. 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 "ist nicht von den Voraussetzungen abhängig, unter denen das Recht auf Einreise und Aufenthalt erlangt worden ist" (vgl. EuGH, Urteil vom 16.12.1992 - Rs. C-237/91 <Kus> -, Slg. 1992 I, 6781 = InfAuslR 1993, 41 = NVwZ 1993, 258).

Voraussetzung für einen Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach Art. 6 Abs. 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 ist eine einjährige ordnungsgemäße Beschäftigung ohne Unterbrechung. Die Ordnungsmäßigkeit der Beschäftigung setzt nach der in ständiger Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Umschreibung des Europäischen Gerichtshofs "eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position des Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats und damit das Bestehen eines nicht bestrittenen Aufenthaltsrechts" voraus. Hieran fehlt es, "solange nicht endgültig feststeht" , dass dem Arbeitnehmer während des in Rede stehenden Beschäftigungszeitraums "das Aufenthaltsrecht von Rechts wegen zustand", was anhand des jeweils einschlägigen nationalen Rechts zu beurteilen ist (vgl. zusammenfassend EuGH, Urt. v. 5.6.1997 - Rs. C-285/95 <Kol> -, Slg. 1997, I 3069 = NVwZ 1998, 50 = InfAuslR 1997, 338; ebenso BVerwG, Urt. v. 17.6.1998 - 1 C 27.96 -, BVerwGE 107, 58 = NVwZ 1999, 775 = DVBl. 1998, 1028). Nach dem insoweit maßgeblichen Recht der Bundesrepublik Deutschland muss die Beschäftigung daher grundsätzlich auf der Grundlage einer die Arbeitsaufnahme gestattenden Aufenthaltsgenehmigung und einer entsprechenden Arbeitserlaubnis der Arbeitsverwaltung ausgeübt worden sein. Fehlt es an einer solchen Aufenthaltsgenehmigung oder Arbeitserlaubnis oder besteht das (durch Bescheid oder kraft Gesetzes) gewährte Aufenthaltsrecht nur vorläufig, ohne aber endgültig gesichert zu sein, ist die Beschäftigung nicht ordnungsgemäß (vgl. EuGH, Urteil vom 20.9.1990 <Sevince> a.a.O., Urteil vom 16.12.1992 <Kus> a.a.O.; BVerwG, Urteile vom 17.6.1998 a.a.O., vom 27.6.1995 - 1 C 5.94 - a.a.O. und vom 23.5.1995 - 1 C 3.94 -, BVerwGE 98, 298 = NVwZ 1995, 1119 = InfAuslR 1995, 349, sowie Beschluss vom 5.5.1997 - 1 B 84.97 - [Juris]).

In Umsetzung und Weiterentwicklung der vorstehend zitierten Rechtsprechung kann von folgenden Fallgruppen eines in diesem Sinne "unvollständigen" Aufenthaltsrechts ausgegangen werden, wobei im Vordergrund formell-verfahrensrechtliche Defizite stehen, andererseits aber auch materielle Gesichtspunkte des Rechtsmissbrauchs bzw. des fehlenden Vertrauensschutzes eine Rolle spielen:

a) In formell-verfahrensrechtlicher Hinsicht liegt ein gesichertes Aufenthaltsrecht während des Zeitraums nicht vor, in dem Widerspruch oder Klage des Ausländers gegen eine aufenthaltsversagende oder -beendende behördliche Entscheidung (Ablehnung der Erteilung/Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis, Ausweisung, Rücknahme/Widerruf einer Aufenthaltsgenehmigung, nachträgliche Beschränkung erlaubnisfreien Aufenthalts etc.) kraft Gesetzes oder kraft gerichtlicher Anordnung aufschiebende Wirkung entfalten und die nachfolgende Klage entweder abgewiesen oder ihr jedenfalls noch nicht rechtskräftig stattgegeben ist (vgl. EuGH, Urteile vom 20.9.1990 <Sevince> und vom 16.12.1992 <Kus> a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 27.6.1995 a.a.O.). Der Europäische Gerichtshof weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass selbst im Fall eines das Aufenthaltsrecht bestätigenden erstinstanzlichen, im laufenden Berufungsverfahren noch aufhebbaren Urteils die aufenthaltsrechtliche Stellung des Betroffenen nicht "endgültig" geregelt sei (Urteil vom 16.12.1992 a.a.O.). Ein gesichertes Aufenthaltsrecht wird dementsprechend auch nicht schon dadurch vermittelt, dass der Ausländer sich - während des Zeitraums bis zur Entscheidung der Behörde über seinen Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung - vorläufig auf die Fiktion des erlaubten Aufenthalts nach § 69 Abs. 3 Satz 1 AuslG berufen kann und dieses Recht noch nicht gerichtlich unanfechtbar erstritten ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5.5.1997 a.a.O.). Wird in den genannten Fällen das - durch den Suspensiveffekt bzw. die gesetzliche Aufenthaltsfiktion gewährleistete - vorläufige verfahrensrechtliche Aufenthaltsrecht aber endgültig, d.h. unanfechtbar anerkannt, so ist der Ausländer r ü c k w i r k e n d so zu behandeln, als habe er während des fraglichen Zeitraums "ein nicht nur vorläufiges Aufenthaltsrecht und daher die für eine ordnungsgemäße Beschäftigung erforderliche gesicherte Stellung auf dem Arbeitsmarkt besessen" (EuGH, Urteil vom 16.12.1992 <Kus> a.a.O., Nr. 17; BVerwG, Beschlüsse vom 5.5.1997 und vom 10.5.1995 - 1 B 72.95 -, InfAuslR 1995, 312). In diesen Kontext eines zwar bestehenden, aber noch aufhebbaren und damit (noch) nicht endgültig gesicherten Aufenthaltsrechts sind nach Auffassung des Senats auch (erteilte) Aufenthaltsgenehmigungen einzuordnen, die zwar nicht zurückgenommen sind, deren rechtsfehlerfreie Rücknahme (wegen Vorliegens der Rücknahmevoraussetzungen) vor Ablauf der Sperrfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG aber noch in Betracht kommt. Ist die Frist des § 48 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG allerdings abgelaufen, gilt das Aufenthaltsrecht aber auch hier rückwirkend als gesichert, mit der Folge, dass die Beschäftigung des Ausländers während seiner gesamten Laufzeit "ordnungsgemäß" war.

b) In diesen Zusammenhang des "rücknahmebehafteten" und deshalb nicht endgültig gesicherten Aufenthaltsrechts gehören auch die Fälle, in denen die als Grundlage des Assoziationsanspruchs herangezogene Aufenthaltsgenehmigung allein aufgrund eines grob vorwerfbaren Verhaltens des Ausländers in Gestalt einer vorsätzlichen Täuschung der Ausländerbehörde über die tatsächlichen Voraussetzungen erteilt oder verlängert worden ist. Hier verdient der betreffende Ausländer aus materiellrechtlichen Gründen keinen Vertrauensschutz auf den Bestand seines rechtswidrig erlangten Aufenthaltsrechts. Diese Schranke gilt nicht nur im nationalen Recht (vgl. dort § 48 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG), sondern in gleicher Weise für den assoziationsrechtlichen Anspruch aus Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80. Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass Beschäftigungszeiten aufgrund einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, die allein durch eine - mit einer strafrechtlichen Verurteilung geahndeten - Täuschung erlangt wurden, nicht ordnungsgemäß im Sinne des Assoziationsrechts seien, weil die Aufenthaltserlaubnis zum einen "nach Aufdeckung der Täuschung wieder in Frage gestellt werden" könne, zum anderen die Beschäftigung ihm Rahmen einer solchen Aufenthaltserlaubnis aber auch kein "berechtigtes Vertrauen" des täuschenden Ausländers begründen könne (Urteil vom 5.6.1997 <Kol> a.a.O.). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn es wegen der Täuschungshandlung zu keiner Bestrafung gekommen ist. Entscheidend ist die Tatsache der vorsätzlichen Täuschungshandlung selbst und die dadurch begründete Angreifbarkeit des von der Behörde erteilten Aufenthaltstitels. Aufgrund des aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleiteten und auch im Assoziationsrecht geltenden Gedankens des Rechtsmissbrauchs ist das Vertrauen des Ausländers auch dann grundsätzlich nicht schutzwürdig (so zutreffend BVerwG, Urteil vom 17.6.1998 a.a.O.).

2.2 Gemessen an diesen Maßstäben steht dem Kläger ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach Art. 6 Abs. 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 zu, da er eine einjährige ordnungsgemäße Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland aufzuweisen hat, der eine Aufenthaltserlaubnis zugrunde liegt, die - zwischenzeitlich - weder aus formalen noch aus materiellen Gründen als ungesichert angesehen werden kann. Damit ist die nachträgliche zeitliche Befristung der ihm erteilten Aufenthaltserlaubnis rechtswidrig.

a) Der Kläger war seit dem 16.12.1999 im Besitz einer unbefristeten Arbeitserlaubnis. Seine ordnungsgemäße Beschäftigung konnte jedoch erst am 11.4.2000 beginnen, da er erst zu diesem Zeitpunkt eine Aufenthaltserlaubnis erhielt, in welcher ihm auch eine unselbständige Erwerbstätigkeit gestattet wurde. Die vor dem 11.4.2000 liegende Zeit kann hier keine Berücksichtigung finden, da er damals nicht im Besitz eines rechtserheblichen vorläufigen Aufenthaltsrechts nach § 69 Abs. 3 AuslG war, das mit Erteilung der Aufenthaltserlaubnis rückwirkend zu einer "ordnungsgemäßen" Beschäftigung hätte erstarken können. Sein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 8.10.1999 konnte diese Fiktionswirkung nicht auslösen. Die Voraussetzungen des § 69 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 AuslG waren nicht erfüllt, weil der Kläger nicht mit einem mit Zustimmung der Ausländerbehörde erteilten Visum eingereist war und er sich im Zeitpunkt der Antragstellung nicht seit mehr als sechs Monaten rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hatte. Der Kläger war damals lediglich im Besitz einer Duldung, aufgrund derer assoziationsrechtliche Ansprüche nicht entstehen konnten.

b) Der Kläger war ab dem 11.4.2000 auch länger als ein Jahr ordnungsgemäß in Deutschland beschäftigt. Seine ordnungsgemäße Beschäftigung in Deutschland endete - anders als die Beklagte meint - nicht mit dem Ende der ehelichen Lebensgemeinschaft Mitte Februar 2001, sondern galt noch im hier maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (Juli 2002) - und darüber hinaus - als fortbestehend.

aa) Es spricht freilich einiges dafür, dass die Ausländerbehörde - anders als das Verwaltungsgericht meint - die mit der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft rechtswidrig gewordene Aufenthaltserlaubnis nach § 48 LVwVfG - bezogen auf den Zeitpunkt des Endes der ehelichen Lebensgemeinschaft - hätte zurücknehmen und das Aufenthaltsrecht damit auf unter ein Jahr hätte verkürzen können.

§ 48 LVwVfG ist neben der Regelung des Ausländergesetzes über die Befristung einer Aufenthaltsgenehmigung anwendbar. Denn das Ausländergesetz regelt die Rücknahme von Aufenthaltsgenehmigungen nicht. Die Vorschriften über die Befristung (§ 12 Abs. 2 Satz 2 AuslG), den Widerruf (§ 43 AuslG) und über sonstige Erlöschensgründe (§ 44 AuslG) enthalten auch keine abschließende Regelung, mit der Folge, dass eine Rücknahme rechtswidriger Aufenthaltsgenehmigungen ausschiede. Diese Erlöschenstatbestände werden dem öffentlichen Interesse an der Beseitigung rechtswidriger Aufenthaltsgenehmigungen, gleich ob mit Wirkung für die Vergangenheit oder für die Zukunft, allein nicht gerecht. Das gilt insbesondere für die Befristung, die nur auf nachträglich eingetretene Umstände gestützt werden kann, also nicht auf die Rechtswidrigkeit der Aufenthaltsgenehmigung von Anfang an, und die zudem nicht rückwirkend verfügt werden darf. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Gerichtshofs ist deshalb anerkannt, dass ein Bedürfnis dafür besteht, rechtswidrig erteilte Aufenthaltsgenehmigungen - also Aufenthaltsgenehmigungen, die von Anfang an rechtswidrig sind - rückwirkend zurücknehmen zu können (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.5.1995 - 1 C 3/94 -, BVerwGE 98, 298 = InfAuslR 1995, 349; VGH Bad.-Württ., Urt. vom 11.1.1995 - 13 S 2512/93 -, VBlBW 1995, 436 = NVwZ 1995, 720). Auch für den - hier vorliegenden - Fall einer rechtmäßig erteilten, aber nachträglich rechtswidrig gewordenen Aufenthaltsgenehmigung besteht ein solches Bedürfnis. Denn andernfalls könnten die Ausländerbehörden nicht verhindern, dass Ausländer sich auf erforderliche Zeiträume rechtmäßigen Aufenthalts auch nach Wegfall der Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen berufen - hier: in eine assoziationsrechtliche Position hineinwachsen - können, nur weil die Ausländerbehörde vom Wegfall dieser Voraussetzungen keine Kenntnis erlangt hat und deshalb nicht rechtzeitig eine Befristung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 AuslG aussprechen konnte. Insoweit dürfte im Ausländergesetz eine Lücke bestehen. Die speziellen ausländerrechtlichen Regelungen führen in diesem Fall nämlich nicht weiter. Insbesondere ist die Befristung der Aufenthaltserlaubnis nach § 12 Abs. 2 Satz 2 AuslG nur mit Wirkung für die Zukunft möglich. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber diese Lücke bei der Neuregelung der nachträglichen zeitlichen Beschränkung der Aufenthaltsgenehmigung in § 12 Abs. 2 Satz 2 AuslG 1990 gesehen und gewollt hat, vermag der Senat - auch im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte (Übernahme der bisherigen wortgleichen Regelung nach § 7 Abs. 4 AuslG 1965 a.F. nur noch für befristete Aufenthaltsgenehmigungen; vgl. BT-Drucks. 11/6321 S. 58) - nicht ohne Weiteres zu erkennen. Dessen ungeachtet ist allerdings in Rechtsprechung und Literatur schon allgemein umstritten, ob die Rücknahme nach § 48 Abs. 1 LVwVfG nicht ausnahmslos voraussetzt, dass der Verwaltungsakt bereits im Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war (so Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Aufl., § 48 RdNr. 59 ff. und Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl., § 48 RdNr. 33) oder ob die Vorschrift auch auf Fälle anzuwenden ist, in denen der Verwaltungsakt ursprünglich rechtmäßig war und erst nachträglich aufgrund einer veränderten Sachlage unrichtig und damit im Sinne des § 48 LVwVfG rechtswidrig geworden ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat Letzteres immerhin bei auf Geldleistungen gerichteten, anfänglich rechtmäßigen Verwaltungsakten mit Dauerwirkung mehrfach bejaht und als mit der Systematik der §§ 48, 49 VwVfG für vereinbar erachtet (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.9.1993 - 2 C 34.91 -, DVBl. 1994, 115 = NVwZ-RR 1994, 369; BVerwG, Urt. v. 16.11.1989 - 2 C 43.87 -, BVerwGE 84, 111 = NVwZ 1990, 672).

bb) Ob § 48 LVwVfG auch auf nachträglich rechtswidrig gewordene Aufenthaltsgenehmigungen Anwendung findet, bedarf vorliegend jedoch keiner abschließenden Klärung. Denn die Beklagte hat die dem Kläger erteilte Aufenthaltserlaubnis nicht zurückgenommen und die Rücknahme ist zwischenzeitlich auch nicht mehr möglich. Nach § 48 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme von Tatsachen zulässig, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts rechtfertigen. Die Ausländerbehörde hat vom Zeitpunkt der endgültigen Trennung der Eheleute aber spätestens am 21.3.2002 Kenntnis erlangt. Deshalb hätte sie eine Rücknahme der dem Kläger erteilten Aufenthaltserlaubnis nur bis zum 21.3.2003 aussprechen können. Sie hat von dieser Möglichkeit aber keinen fristgerechten Gebrauch gemacht. Damit ist das Risiko der Auffhebbarkeit durch Rücknahme entfallen und die dem Kläger zum Zwecke der Herstellung und Wahrung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit seiner deutschen Ehefrau erteilte Aufenthaltserlaubnis ist rückwirkend zu einem verfahrensrechtlich endgültig gesicherten Aufenthaltsrecht erstarkt. Dies hat, wie oben dargelegt, nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Konsequenz, dass der Kläger rückwirkend so zu behandeln ist, als habe er während des fraglichen Zeitraumes bereits ein endgültiges nationales Aufenthaltsrecht und damit eine ordnungsgemäße Beschäftigung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 gehabt.

Diese Rechtwirkungen stehen nicht in Widerspruch zu dem Grundsatz, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die rechtliche Beurteilung der Befristungsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 AuslG der Zeitpunkt des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens ist, es also retrospektiv auf die Sach- und Rechtslage ankommt, wie sie sich damals darstellte. Denn von diesem Grundsatz ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes eine Ausnahme zu machen, wenn eine nachträglich ergangenen Rechtsvorschrift rückwirkend in Kraft tritt, wenn eine nachträglich ergangene Rechtsvorschrift einen "Dauersachverhalt" betrifft, der in einem sogenannten Verwaltungsakt mit Dauerwirkung geregelt worden ist, oder wenn eine nachträglich ergangene Rechtsvorschrift, ohne rückwirkend in Kraft zu treten, auch bereits vorher verwirklichte Sachverhalte erfasst (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.11.1979 - 3 C 103/79 -, BVerwGE 59, 1480 = DVBl 1980, 641). Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass ein Verwaltungsakt für die Zukunft nicht aufrecht erhalten werden kann, wenn die Rechtsänderung in die rechtlichen Wirkungen eines vorher verwirklichten Sachverhalts eingreift und diese für die Zukunft verändert. Ein damit vergleichbarer Sachverhalt liegt auch hier vor. Denn durch den Ablauf der Rücknahmefrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG für die dem Kläger erteilte Aufenthaltserlaubnis im März 2003 hat sich die assoziationsrechtliche Qualität seines früheren Aufenthalts im Bundesgebiet nach der oben dargestellten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nachträglich rückwirkend zu seinen Gunsten verändert. Da die angefochtene Verfügung dem nicht Rechnung trägt, kann sie nicht aufrecht erhalten werden.

cc) Schließlich kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Kläger aus materiellen Erwägungen (rechtsmissbräuchliches, grob vorwerfbares Verhalten, fehlender Vertrauensschutz) nicht auf die volle Laufzeit der ihm erteilte Aufenthaltserlaubnis berufen kann, weil er die endgültige Trennung von seiner Ehefrau im Februar 2001 der Ausländerbehörde nicht mitgeteilt hat.

Allerdings werden nach der oben dargestellten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 5.6.1997 <Kol>, a.a.O.) und des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 17.6.1998 -1 C 27.96 - a.a.O.) Beschäftigungszeiten auf der Grundlage einer Aufenthaltsgenehmigung, die dem türkischen Arbeitnehmer nur aufgrund einer Täuschung erteilt worden ist, nicht als ordnungsgemäß im Sinne des Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 angesehen, weil eine in derart vorwerfbarer Weise erlangte Aufenthaltsgenehmigung keine gesicherte Rechtsposition begründet. Beiden Verfahren lag der - insoweit identische - Sachverhalt zugrunde, dass die Kläger gegenüber der Ausländerbehörde im Rahmen ihrer Anhörung vor Erteilung bzw. Verlängerung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis bewusst unrichtige schriftliche Erklärungen über (u.a.) den Fortbestand ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft mit ihren Ehefrauen abgegeben hatten.

Mit diesem Sachverhalt ist der hier zu beurteilende Fall indessen nicht vergleichbar. Das Verhalten des Klägers reicht nach Vorwerfbarkeit und Unrechtsgehalt nicht an die in dortigen Täuschungshandlungen heran. Der Kläger hat weder bei der Ersterteilung noch bei der Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis falsche Angaben gemacht, da damals die eheliche Lebensgemeinschaft mit seiner deutschen Ehefrau jeweils noch bestand. Er hat es allerdings unterlassen, die Ausländerbehörde über den Auszug seiner Ehefrau aus der ehelichen Wohnung und das Ende der ehelichen Lebensgemeinschaft zu informieren. Diese Unterlassung ist aber nicht in derselben Weise zu missbilligen wie eine vorsätzliche Täuschung der Ausländerbehörde durch bewusst falsche Angaben zwecks erstmaliger Erteilung oder zwecks Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis. Denn ein Ausländer ist nach nationalem Recht grundsätzlich nicht verpflichtet, von sich aus gegenüber der Ausländerbehörde für ihn ungünstige Umstände zu offenbaren. Eine Offenbarungspflicht ergibt sich insbesondere nicht aus der ihm obliegenden Mitwirkungspflicht nach § 70 Abs. 1 AuslG. Danach obliegt es dem Ausländer zwar, seine Belange und für ihn günstige Umstände geltend zu machen. Hieraus folgt jedoch nicht die allgemeine Verpflichtung, ungefragt alle nachträglichen rechtserheblichen Änderungen der persönlichen Umstände zu offenbaren (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. vom 28.8.2002 - 11 S 658/02 -, EZAR 019 Nr. 17 = ZAR 2002, 419 sowie GK-AuslR, § 70 AuslG Rdnr. 26). Auch aus § 26 Abs. 2 LVwVfG lässt sich eine allgemeine Offenbarungspflicht nicht herleiten (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 26 RdNr. 46). Die Behörden haben, wollen sie sicher gehen, aber die Möglichkeit, bei den Ausländern rückzufragen, die erforderlichen Nachweise zu verlangen, gegebenenfalls das persönliche Erscheinen anzuordnen und dabei erneut schriftliche Erklärungen über den Fortbestand der ehelichen Lebensgemeinschaft einzuholen (vgl. § 70 Abs. 1 Sätze 2 bis 5 und Abs. 4 AuslG). Auf diese Weise können sie dem gewichtigen öffentlichen Interesse Rechnung tragen, ungerechtfertigte ehebezogene Aufenthaltstitel im Allgemeinen und ungerechtfertigte assoziationsrechtlicher Rechtstitel aus Art. 6 Abs. 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 im Besonderen zu verhindern. Den Ausländerbehörden obliegt insoweit eine eingehende Ermittlungspflicht (vgl. hierzu auch VGH Bad.- Württ., Urteil vom 28.8.2002 a.a.O., m.w.N.).

3. Da die Beklagte nach alledem die dem Kläger erteilte Aufenthaltserlaubnis nicht hätte befristen dürfen, ist auch die in der angefochtenen Verfügung enthaltene Abschiebungsandrohung rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Denn er ist nicht zur Ausreise verpflichtet (§ 42 Abs. 1 AuslG).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.

Beschluss

vom 15. Oktober 2003

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2, 14 Abs. 1 Satz 1, 25 Abs. 2 Satz 1 GKG auf 4.000,-- EUR festgesetzt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

Zurück