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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 28.09.2004
Aktenzeichen: 12 S 1876/04
Rechtsgebiete: ZPO, VwGO


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 121 Abs. 2
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
VwGO § 146 Abs. 1
VwGO § 188 Satz 2
War bis zum Abschluss des erstinstanzlichen gerichtskostenfreien Sozialhilfeprozesses ein Rechtsanwalt für den Kläger nicht tätig, so besteht für die Weiterverfolgung eines vom Verwaltungsgericht abgelehnten Prozesskostenhilfeantrags im Beschwerdeverfahren kein Rechtsschutzinteresse; eine rückwirkende Beiordnung eines bisher nicht tätig gewordenen Rechtsanwalts scheidet nach dem Ende der ersten Instanz zwingend aus.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

12 S 1876/04

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Sozialhilfe

hier: Prozesskostenhilfe

hat der 12. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Kuntze, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Utz und den Richter am Verwaltungsgericht Frank

am 28. September 2004

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen den die Gewährung von Prozesskostenhilfe im Verfahren - 2 K 3379/02 - ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 22. April 2004 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Ein rechtlich schutzwürdiges Interesse an der begehrten Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das mittlerweile abgeschlossene erstinstanzliche Verfahren besteht nicht mehr.

Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO ist Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn eine Partei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Prozesskostenhilfe ist für jeden Rechtszug gesondert zu beantragen; sie wird nur für die jeweilige Instanz bewilligt (§§ 117, 119 Abs. 1 S. 1 ZPO). Ein Rechtsanwalt kann nach Maßgabe des § 121 Abs. 2 ZPO nur beigeordnet werden, wenn und soweit Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist.

§ 114 ZPO stellt auf die beabsichtigte Rechtsverfolgung ab, weshalb die Bewilligung von Prozesskostenhilfe grundsätzlich nicht mehr in Betracht kommt, wenn das Verfahren, für das sie begehrt wird, abgeschlossen ist. Eine Ausnahme hiervon gilt, wenn das Verwaltungsgericht über ein rechtzeitiges und vollständiges Prozesskostenhilfegesuch verspätet entscheidet (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 09.07.1990, VBlBW 1991, 17; Senatsbeschluss vom 14.06.2004, VBlBW 2004, 385; OVG Hamburg, Beschluss vom 06.08.2003, NordÖR 2004, 201; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 62. Aufl., § 119 RdNrn. 10 ff.). Sind sowohl die Prozesskostenhilfe als auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts vor Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens ordnungsgemäß beantragt worden und wird Prozesskostenhilfe erst danach - aber rückwirkend auf den Zeitpunkt der Entscheidungsreife - bewilligt, so erstreckt sich auch die Beiordnung des Rechtsanwalts rückwirkend auf diesen Zeitpunkt, sofern er damals bereits für die Partei im Rechtsstreit tätig war (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 15.12.1987 - OVG Bs III 710/87 -, juris; Wax in Münchener Kommentar zur ZPO, 2. Aufl., § 121 RdNr. 13).

Weder dem Beschwerdevorbringen noch den Akten ist zu entnehmen, dass im - inzwischen abgeschlossenen - Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, für welches das Prozesskostenhilfebegehren weiter verfolgt wird, ein Rechtsanwalt für den Kläger tätig war. Ein Anwalt kann im inzwischen abgeschlossenen erstinstanzlichen Verfahren heute bzw. rückwirkend nicht mehr tätig werden. Daher scheidet eine rückwirkende Beiordnung eines Rechtsanwalts im vorliegenden Fall zwingend aus (s.a. Hartmann, a.a.O. § 127 RdNr. 63: eine Rückwirkung muss konsequent durchführbar sein).

In Sozialhilfestreitigkeiten werden nach § 188 S. 2 Halbs. 1 VwGO Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) nicht erhoben. In solchen Verfahren scheidet in der Regel die Bewilligung von Prozesskostenhilfe aus, wenn - wie hier - die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht (mehr) in Frage kommt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.02.1989, NVwZ-RR 1989, 665; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 07.10.1997, VBlBW 1998, 15). Wegen der Gerichtskostenfreiheit entstehen der anwaltlich nicht vertretenen Partei vor allem Aufwendungen für Papier, Porti und Telefongebühren, von denen sie jedoch auch bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht befreit ist (§ 122 ZPO, s.a. § 123 ZPO).

Kosten, die von der Prozesskostenhilfe gedeckt werden, können somit im erstinstanzlichen Verfahren nicht (mehr) entstehen. Aufgrund der mit Wirkung vom 01.01.2002 erfolgten Neufassung des § 130 VwGO durch Art. 1 des Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelsrechts im Verwaltungsprozess vom 20.12.2001 (BGBl. I S. 3987) ist der Verwaltungsgerichtshof verpflichtet, im Berufungsverfahren die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden (§ 130 Abs. 1 VwGO). Eine Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und Zurückverweisung an das Verwaltungsgericht ist nur noch unter den engen Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 VwGO zulässig. Dass und weshalb ein solcher Ausnahmefall, in welchem überdies ein erneuter Prozesskostenhilfeantrag in Frage käme, hier gegeben sein könnte, wird vom Kläger nicht dargelegt und ist auch ansonsten nicht ersichtlich.

Aus all dem folgt, dass das für die Weiterverfolgung des inzwischen nutzlos gewordenen Prozesskostenhilfeantrags erforderliche allgemeine Rechtsschutzinteresse nicht (mehr) gegeben ist (vgl. Senatsbeschluss vom 24.06.2004 - 12 S 1207/04 -; VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 07.10.1997, VBlBW 1998, 15, und vom 09.07.1990, VBlBW 1991, 17; Hartmann, a.a.O. § 114 RN 100, 122).

Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 188 S. 2 Halbs. 1 VwGO). Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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