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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 11.01.2006
Aktenzeichen: 12 S 1962/05
Rechtsgebiete: ZPO, VwGO


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 127 Abs. 1 Satz 2
VwGO § 146 Abs. 1
VwGO § 166
Wird die Klage nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts über ein Prozesskostenhilfegesuch erweitert, ist hinsichtlich des zusätzlich in das Verfahren eingeführten Streitgegenstandes ein weiterer Prozesskostenhilfeantrag beim Verwaltungsgericht zu stellen. Die Beschwerde ist insoweit erst zulässig, nachdem das Verwaltungsgericht über diesen Antrag entschieden hat.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

12 S 1962/05

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Sozialhilfe

hier: Prozesskostenhilfe

hat der 12. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

am 11. Januar 2006

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 31. August 2005 - 5 K 4089/03 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO ist Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dies verlangt nicht, dass der Prozesserfolg gewiss oder überwiegend wahrscheinlich ist, vielmehr genügt eine offene Prozesssituation. Die Prozesskostenhilfe darf allerdings verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist. Dabei ist in eng begrenztem Rahmen auch eine Beweisantizipation zulässig, nämlich dann, wenn es sehr unwahrscheinlich ist, dass eine weitere Sachaufklärung zugunsten des Antragstellers ausgehen würde (vgl. BVerfG [Kammer], Beschluss vom 07.05.1997 - 1 BvR 296/94 -, NJW 1997, 2745).

Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen erbringt das Beschwerdevorbringen nichts dafür, dass der angegriffene Beschluss hinsichtlich der Verneinung der Erfolgsaussichten der Klage unzutreffend ist.

Soweit der Kläger - ausweislich des mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 29.09.2005 unter Nr. 1 gestellten Klageantrages - unter entsprechender Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 19.02.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.10.2003 die Verpflichtung der Beklagten begehrt, im Rahmen der bewilligten Hilfe zur Pflege die tatsächlich anfallenden Kosten für besondere Pflegekräfte im Zusammenhang mit der selbst organisierten 24-Stunden-Pflege über den Stundensatz von 9,20 EUR hinaus zu dem Stundensatz einer Pflegefachkraft nach der jeweils gültigen Vergütungsvereinbarung gemäß § 89 SGB XI zu übernehmen, ist die Klage wohl unzulässig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 08.06.1995 - 5 C 30.93 -, FEVS 46, 94 = DVBl. 1996, 304) kann ein Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe grundsätzlich (nur) in dem zeitlichen Umfang in zulässiger Weise zum Gegenstand verwaltungsgerichtlicher Kontrolle gemacht werden, in dem der Träger der Sozialhilfe den Hilfefall geregelt hat. Das ist regelmäßig der Zeitraum bis zur letzten Verwaltungsentscheidung, also bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides. Dies beruht darauf, dass es sich bei der Bewilligung von Sozialhilfe um zeitabschnittsweise Hilfegewährung handelt, deren Voraussetzungen vom Träger der Sozialhilfe stets neu zu prüfen sind. Eine Ausnahme von der Regel, dass Gegenstand der gerichtlichen Nachprüfung nur die Zeit bis zum Erlass des letzten Behördenbescheides ist, gilt aber dann, wenn die Behörde den Hilfefall statt für den dem Bescheid nächstliegenden Zahlungszeitraum für einen längeren Zeitraum geregelt hat. Denkbar ist auch, dass sie Hilfeleistungen für einen in die Zukunft hineinreichenden, über den Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides hinausgehenden Zeitraum abgelehnt hat, indem sie beim Streit der Beteiligten über eine einzelne Frage der Sozialhilfe und bei invariablem Sachverhalt eine Vorabentscheidung dem Grunde nach über diese Frage trifft (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.07.1998 - 5 C 2.97 - NVwZ-RR 1999, 34 = FEVS 48, 535 m.N.).

Offen bleiben kann, ob die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden eine Vorabentscheidung dem Grunde nach getroffen hat. Jedenfalls war die zum Gegenstand der Klage gemachte Frage, ob der Kläger in der Zukunft die Übernahme der "Kosten für besondere Pflegekräfte ... über den Stundensatz von 9,20 EUR hinaus zu dem Stundensatz einer Pflegefachkraft nach der jeweils gültigen Vergütungsvereinbarung gemäß § 89 SGB XI" beanspruchen kann, nicht Gegenstand der Prüfung der Beklagten im Vorverfahren. Soweit aus der vorliegenden Akte ersichtlich, hat der Kläger seit dem 01.10.1999 - seitdem beschäftigt er selbst Pflegekräfte und rechnet die Kosten mit der Beklagten ab - nie geltend gemacht, er benötige eine Pflegefachkraft, weil die bislang von Hilfskräften erbrachte Pflege nicht ausreichend sei. Insbesondere hat er in der Abrechnung für Dezember 2002, die Anlass für die hier angefochtenen Entscheidungen war, keinen entsprechenden Bedarf dargelegt. Er hat lediglich darauf hingewiesen, dass der Stundenlohn dem seit längerem gültigen Tarif von 9,20 EUR pro Stunde angepasst worden sei, nachdem der Steuerberater darauf hingewiesen habe, dass die Urlaubsvergütung zwingend mit diesem Tarif zu errechnen sei. Auch mit dem Widerspruch gegen den Bescheid vom 19.02.2003, mit welchem die Beklagte einen Vergütungssatz von 9,20 EUR pro Stunde (in Anlehnung an die Vergütungsgruppe X) zuzüglich der zu entrichtenden Lohnnebenkosten für die vom Kläger eingesetzten privaten Pflegehilfskräfte anerkannt hat, hat er lediglich geltend gemacht, die Vergütung der Pflegehilfskräfte erfolge gemäß Dauerverwaltungsakt vom 16.11.2000 (richtig wohl: 16.02.2000). Darin sei eine Anbindung an die Vergütungsgruppe X erfolgt. Die regelmäßigen Anpassungen der Vergütungsgruppe seien damit Bestandteil des Dauerverwaltungsaktes. Zu Unrecht versuche die Beklagte mit dem Bescheid vom 19.02.2003 diese Anbindung aufzuheben. Dementsprechend ist auch von der Beklagten keine Entscheidung über die Frage der Übernahme der Kosten für eine Pflegefachkraft getroffen worden. Dies folgt bereits aus dem Entscheidungssatz im Bescheid vom 19.02.2003, in dem Bezug auf die "Pflegeabrechnungen Ihrer privaten Pflegehilfskräfte" genommen wird. Auch haben die vom Kläger angestellten Pflegekräfte ihre Kosten nicht entsprechend "der jeweils gültigen Vergütungsvereinbarung gemäß § 89 SGB XI" abgerechnet, so dass sich die Frage, ob solche Kosten von der Beklagten zu übernehmen (gewesen) wären, gar nicht stellte. In die angefochtenen Bescheide kann daher nicht - wie der Kläger meint - als Regelungsgehalt hineingelesen werden, dass mit der Bewilligung eines Vergütungssatzes von 9,20 EUR pro Stunde gleichzeitig die Übernahme von (höheren) Kosten entsprechend der Vergütungsvereinbarung gemäß § 89 SGB XI abgelehnt werden sollte.

Unzulässig ist die Beschwerde, sofern sie sich auch auf den mit Schreiben vom 29.09.2005 unter Nr. 2 gestellten Klageantrag beziehen sollte, mit dem im Klageverfahren erstmals die Übernahme von Steuerberatergebühren begehrt wurde. Insoweit ist das Prozesskostenhilfegesuch mangels Entscheidung des Verwaltungsgerichts bisher nicht in der Beschwerdeinstanz angefallen (vgl. LAG Hamm <Westfalen>, Beschluss vom 13.03.2002 - 4 Ta 124/02 - juris). Wird nach Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts über das Prozesskostenhilfegesuch die Klage erweitert, ist der zusätzlich in das Verfahren eingeführte Streitgegenstand nicht von dem bereits gestellten Prozesskostenhilfeantrag erfasst. Es bedarf vielmehr grundsätzlich eines zusätzlichen Antrages, damit die Prüfung von Erfolgsaussichten und Mutwillen durch das zuständige erstinstanzliche Gericht erfolgen kann (vgl. Baumbach/Lauter-bach/Albers/Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 119 RdNr. 39; Wax in Münchener Kommentar, ZPO, 2. Aufl., § 119 RdNr. 14; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe 3. Aufl., RdNr. 488, 510; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 04.02.1987 - 16 WF 13/87 -, AnwBl 1987, 340).

Hier fehlt es bislang an einem bei dem nach § 127 Abs. 1 S. 2 ZPO zuständigen Verwaltungsgericht zu stellenden Antrag auf Prozesskostenhilfe hinsichtlich des unter Nr. 2 gestellten Klageantrages und demzufolge auch an einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts über diesen Antrag. Weder der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts noch dem Nichtabhilfebeschluss vom 19.09.2005 lag ein Klagebegehren zugrunde, das auf Übernahme der seit 1999 im Zusammenhang mit der Erstellung der Lohnabrechnungen für die Pflegekräfte angefallenen Steuerberatergebühren gerichtet war.

Ob ein weiterer Prozesskostenhilfeantrag entbehrlich ist, wenn die Klage nach Einreichung des Prozesskostenhilfegesuchs, aber noch vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichts über den Prozesskostenhilfeantrag erweitert wird (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, aaO, RdNr. 510), oder wenn nach § 264 ZPO keine Klageänderung vorliegt (vgl. Thüringisches LSG, Beschluss vom 18.08.2003 - L 2 B 19/03 RJ - juris), muss hier nicht entschieden werden. Denn der Kläger hat mit dem Klageantrag Nr. 2 ein selbständiges Begehren in das Verfahren eingeführt, das nicht Gegenstand der ursprünglich angefochtenen Bescheide vom 19.02. und 02.10.2003, sondern des Bescheides vom 08.09.2000 war.

Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich, Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 188 S. 2 VwGO). Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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