Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 18.11.2002
Aktenzeichen: 12 S 2217/02
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO


Vorschriften:

VwGO § 67 Abs. 1 Satz 1
VwGO § 67 Abs. 1 Satz 2
VwGO § 98
VwGO § 147 Abs. 1 Satz 1
VwGO § 147 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 380
ZPO § 381
Für die Beschwerde eines Zeugen gegen die Auferlegung eines Ordnungsgelds nach § 98 VwGO i.V. mit § 380 ZPO besteht Vertretungszwang.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

12 S 2217/02

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Rückforderung von Sozialhilfe;

hier: Ordnungsgeld gegen Zeugin

hat der 12. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Brockmann, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Utz und den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Schneider

am 18. November 2002

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 09. August 2002 - 8 K 592/00 - wird verworfen.

Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

Die Beschwerde, mit welcher sich die Beschwerdeführerin gegen den ihr am 27.08.2002 zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 09.08.2002 wendet, durch den ihr wegen Nichterscheinens als Zeugin zur mündlichen Verhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe von 50,- Euro, ersatzweise ein Tag Ordnungshaft auferlegt wurde, ist unzulässig.

Zwar ist die Beschwerde gemäß §§ 98 VwGO, 380 Abs. 3 ZPO i. V. m. § 146 Abs. 1 VwGO statthaft (vgl. auch Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 380 RdNr. 15). Die Beschwerdeführerin ist als sonst von der Entscheidung Betroffene im Sinne von § 146 Abs. 1 VwGO beschwerdebefugt.

Es kann dahinstehen, ob die Beschwerde rechtzeitig erhoben wurde. Gemäß § 147 Abs. 1 S. 1 VwGO sind Beschwerden innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen. Unter Zugrundelegung dieser Zwei-Wochen-Frist wäre die am 27.09.2002 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangene Beschwerde verfristet. Allerdings wird die Zwei-Wochen-Frist des § 147 Abs. 1 S. 1 VwGO nur bei einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung in Lauf gesetzt, was hier fraglich erscheint, da die dem Ordnungsgeldbeschluss des Verwaltungsgerichts beigefügte Rechtsmittelbelehrung im zweiten Absatz einen irreführenden Zusatz enthält, der geeignet sein könnte, die Einlegung des statthaften Rechtsbehelfs zu erschweren (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 11. Aufl., § 58 RdNr. 12 m.w.N.). Denn darin wird der Eindruck erweckt, als sei bei der gegen einen Ordnungsgeldbeschluss gerichteten Beschwerde - wie bei der Beschwerde gegen Beschlüsse im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (vgl. § 146 Abs. 4 S. 1 VwGO) - neben der Einlegungsfrist zusätzlich eine Begründungsfrist von einem Monat zu wahren, was nicht zutrifft. Im Falle einer fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung wäre aber die Einlegung eines Rechtsmittels nicht nach Maßgabe der Frist des § 147 Abs. 1 S. 1 VwGO, sondern innerhalb eines Jahres nach Zustellung der Entscheidung (§ 58 Abs. 2 VwGO) zulässig.

Die Beschwerde der Beschwerdeführerin ist jedenfalls deswegen als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht ordnungsgemäß durch einen postulationsfähigen Bevollmächtigten eingelegt wurde.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg muss sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Das gilt auch für Beschwerden (vgl. § 67 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwGO in der seit 1.1.2002 geltenden Fassung des Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess vom 20.12.2001, BGBl. I S. 3987). Die Bestimmung des § 147 Abs. 1 Satz 2 VwGO unterwirft durch die Verweisung auf § 67 Abs. 1 S. 2 sämtliche Beschwerden, also auch die von sonst von der Entscheidung Betroffenen erhobenen, grundsätzlich dem Vertretungszwang. Dem steht § 67 Abs. 1 S.1 VwGO, wonach sich "jeder Beteiligte" vor dem Oberverwaltungsgericht, soweit er einen Antrag stellt, vertreten lassen muss, nicht entgegen. Gesetzessystematisch ist die Anwendbarkeit dieser Bestimmung im Beschwerdeverfahren gemäß §§ 146 ff. VwGO schon nicht zweifelsfrei, verweist doch § 147 Abs. 1 S. 2 VwGO lediglich auf § 67 Abs. 1 Satz 2, nicht aber auf Satz 1. Selbst wenn man die Geltung von § 67 Abs. 1 S. 1 VwGO für das Beschwerdeverfahren im Hinblick darauf bejaht, dass § 67 Abs. 1 S. 2 VwGO seinerseits ("Das gilt auch...") hieran anknüpft, ist daraus nicht notwendig der Schluss zu ziehen, ein Zeuge, der sich mit der Beschwerde gegen die Verhängung von Ordnungsmitteln wehrt, sei im Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht persönlich postulationsfähig. Zwar gehört ein Zeuge nicht zu dem in § 63 VwGO genannten Personenkreis. Seine Befugnis, gegen die Auferlegung von Ordnungsmitteln Beschwerde zu erheben, beruht nicht auf seiner Beteiligteneigenschaft im vorangegangenen Verfahren, sondern auf der Stellung als "sonst von der Entscheidung Betroffener" (§ 146 Abs. 1 VwGO), die es ihm eröffnet, durch Erhebung einer Beschwerde ein gerichtliches Zwischenverfahren eigener Art rechtshängig zu machen, in welchem ihm nun die Stellung eines Verfahrensbeteiligten zukommt. Dies rechtfertigt es, den Beteiligtenbegriff des § 67 Abs. 1 S. 1 VwGO in einem weiteren Sinne als den des § 63 VwGO zu verstehen. Danach ist jeder Beschwerdeführer im Sinne von § 146 Abs. 1 VwGO ein Beteiligter im Sinne des § 67 Abs. 1 S. 1 VwGO und unterliegt als solcher dem Vertretungszwang im Beschwerdeverfahren (vgl. entsprechend für das finanzgerichtliche Beschwerdeverfahren, BFH, Urteil vom 16.01.1984 - GrS 5/82 -, BFHE 140, 408 und Beschluss vom 26.03.2002 - IV B 181/01 -; a. A. zur Postulationsfähigkeit eines ehrenamtlichen Richters im Beschwerdeverfahren gegen eine Ordnungsgeldfestsetzung gemäß § 33 VwGO, OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 25.06.2002 - 2 P 6/02 und 2 O 47/02 -).

Dieses Normverständnis, das auch dem durch das Sechste Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung (6. VwGOÄndG) vom 01.11.1996 (BGBl I S. 1626) realisierten gesetzgeberischen Anliegen, vor dem Oberverwaltungsgericht einen generellen Vertretungszwang einzuführen, Rechnung trägt, wird nicht dadurch gehindert, dass nach der zivilprozessualen Regelung dort Beschwerden von Zeugen gegen die Auferlegung von Ordnungsmitteln vom Anwaltszwang ausgenommen sind (§ 78 Abs. 3, § 381 Abs. 2, § 569 Abs. 2 S. 2 ZPO). Zwar enthält § 98 VwGO für das Recht der Beweisaufnahme eine Verweisung auf die Bestimmungen der Zivilprozessordnung und damit auch auf § 380 ZPO. Diese Vorschrift steht allerdings - in gleicher Weise wie andere Verweisungsnormen auf die ZPO - unter dem Vorbehalt abweichender und in diesem Falle vorrangiger Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung, wie sie hier für die Postulationsfähigkeit Dritter im Beschwerdeverfahren getroffen wurden.

Schließlich rechtfertigt sich der Vertretungszwang vor dem Oberverwaltungsgericht auch vor dem Hintergrund, dass ein Zeuge regelmäßig nicht auf die Einlegung der Beschwerde angewiesen ist, um seine Belange geltend zu machen und rechtliches Gehör zu finden. Ihm ist die Möglichkeit eröffnet, gegen die Auferlegung von Ordnungsmitteln den formlosen Rechtsbehelf der nachträglichen Entschuldigung vor dem Verwaltungsgericht zu ergreifen (§ 98 VwGO i.V.m. § 381 Abs. 1 S. 2 ZPO). Macht der Zeuge jedoch statt von diesem formlosen Rechtsbehelf von der förmlichen Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Gebrauch, so erscheint es sachgerecht, diese dem Vertretungszwang zu unterwerfen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 188 Satz 2 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

Zurück