Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 28.07.2009
Aktenzeichen: 12 S 3035/06
Rechtsgebiete: AFBG, SGB III


Vorschriften:

AFBG § 3 a.F.
SGB III § 117 Abs. 1
Der Bezug von Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit schloss die Gewährung von Leistungen nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 10.01.2002 (BGBl. I S. 402 ff.) - AFBG a. F. - nicht aus.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

12 S 3035/06

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Aufstiegsfortbildungsförderung

hat der 12. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 28. Juli 2009

am 28. Juli 2009

beschlossen:

Tenor:

Das Verfahren wird nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache eingestellt.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 15. November 2006 - 10 K 1555/05 - ist unwirksam.

Der Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren durch die Klägerin wird für notwendig erklärt.

Gründe:

Beklagter des vorliegenden Berufungsverfahrens, in welchem die Klägerin weiterhin die Bewilligung einer Förderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 10.01.2002 (BGBl. I S. 402 ff.) - AFBG a.F. - begehrt hat, ist entsprechend der Fassung des Beschlussrubrums das Land Baden-Württemberg. Denn nach § 1 S. 1 der Verordnung des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg über Zuständigkeiten nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz - AFBGZuVO - vom 02.05.1996 (GBl. S. 353) sind zuständige Behörden nach dem 6. Abschnitt des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes in den Landkreisen die Landratsämter und in den Stadtkreisen die Gemeinden als untere Verwaltungsbehörden i.S.d. Landesverwaltungsgesetzes. Auch das in dem vorliegenden Fall zuständige Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis handelt danach bei der Ausführung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes als staatliche Behörde des Landes Baden-Württemberg (vgl. § 1 Abs. 3 S. 2 LKrO) und nicht als Behörde des Landkreises.

Das Verfahren ist durch die in der mündlichen Verhandlung abgegebenen übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten in der Hauptsache erledigt. Es ist daher in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen; das Urteil des Verwaltungsgerichts ist für unwirksam zu erklären (§ 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO in entspr. Anw.). Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden.

Dem Grundsatz der Billigkeit entspricht es in der Regel, dem Beteiligten die Verfahrenskosten aufzuerlegen, der in dem Rechtsstreit ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes voraussichtlich unterlegen wäre. Dieser Kostenverteilungsmaßstab ist jedoch nicht der allein Gültige. Insbesondere kann eine Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO auch darauf gestützt werden, ob ein Verfahrensbeteiligter das erledigende Ereignis durch eigenen Willensentschluss herbeigeführt hat bzw. sich "einseitig in die Rolle des Unterlegenen" begeben hat. Können die Erfolgsaussichten des Rechtsstreits nicht ohne Weiteres festgestellt werden, so sind die Kosten des Verfahrens in der Regel zu teilen. Allein im Hinblick auf die noch offene Kostenentscheidung ist das Gericht nicht verpflichtet, alle für eine abschließende Entscheidung sonst erforderlichen Feststellungen zu treffen, Beweise zu erheben oder offene Rechtsfragen zu klären (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Komm., 14. Aufl., § 161 RdNr. 16 ff. m.w.N.; Günther, Kostenentscheidungen nach Erledigungserklärung, DVBl. 1988, 613).

Hiervon ausgehend entspricht es im vorliegenden Fall der Billigkeit, die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge dem beklagten Land aufzuerlegen. Denn dieses wäre ohne den Eintritt des den Rechtsstreit erledigenden Ereignisses, welches hier in der erfolgten - von der Arbeitsverwaltung finanzierten - Nachholung der von der Klägerin erstrebten Fortbildungsmaßnahme Anfang des Jahres 2008 zu sehen ist, voraussichtlich unterlegen gewesen. Die Klägerin hätte nach der Auffassung des Senats die Übernahme des sog. Maßnahmebeitrags nach den §§ 10 Abs. 1 und 12 Abs. 1 AFBG a.F. in Gestalt der Lehrgangs- und Prüfungsgebühren für die von ihr Anfang des Jahres 2005 geplante Fortbildung in Vollzeitform zur Personalfachkauffrau IHK bei der xxx xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx in Höhe von insgesamt 3.920,-- EUR beanspruchen können. Die dem entgegen stehende Auffassung des Beklagten, wonach die Gewährung von Leistungen nach dem AFBG a.F. jedenfalls bei einer Vollzeitmaßnahme nicht in Betracht komme, wenn zugleich Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit bezogen werde, lässt sich nach der Auffassung des Senats dem Gesetz nicht entnehmen.

Der Beurteilung des vorliegenden Falles sind noch die Regelungen des AFBG a.F. zu Grunde zu legen. Denn nach § 30 Abs. 1 AFBG i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes vom 18.06.2009 (BGBl. I S. 1314 ff.) sind für die bis zum 30. Juni 2009 begonnenen Maßnahmen oder Maßnahmeabschnitte der beruflichen Aufstiegsfortbildung die Vorschriften des Gesetzes mit Ausnahme des § 13 b Abs. 2 in der bis zum Ablauf des 30.06.2009 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden.

Zwischen den Beteiligten ist mittlerweile unstreitig, dass die Klägerin während der Zeit, in der die von ihr angestrebte Maßnahme stattfinden sollte, kein "Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung" sondern "Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit" im Sinne der §§ 116 Nr. 1 Alt. 1, 117 Abs. 1 Nr. 1, 118 Abs. 1 SGB III erhalten hat. Einig sind sich die Beteiligten zwischenzeitlich auch darin, dass es sich bei dem Begriff "Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit" um einen vom Bundesgesetzgeber einheitlich verwendeten terminus technicus handelt, welcher von dem Begriff "Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung" zu unterscheiden ist. Dieses ist auch die Auffassung des Senats. Mangels einer Erwähnung in § 3 AFBG a.F. schließt somit ein Bezug von "Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit" die Förderung einer Maßnahme nach dem AFBG nicht aus. Solches trifft nur bei dem Bezug der in § 3 AFBG a.F. im einzelnen aufgeführten Leistungen zu, die von ihrem Zweck her der Gewährung von Aufstiegsfortbildungsförderungsleistungen gleich gerichtet sind (vgl. Trebes/Reifers, AFBG, Komm., Nr. 1 zu § 3). Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat diesbezüglich auf die überzeugende Begründung des angegriffenen Urteils des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 15.11.2006 - 10 K 1555/05 - sowie auf die dieselbe Auffassung vertretenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Schleswig in seinem Urteil vom 18.07.2008 - 9 A 271/06 - (nachgewiesen bei juris).

Auch die zum 01.07.2009 in Kraft getretene Neufassung des AFBG geht von einer strikten Trennung der Begriffe "Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung" und "Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit" aus. So regelt nunmehr § 3 S. 1 Nr. 3 AFBG, dass die Teilnahme an einer Fortbildungsmaßnahme auch dann nicht gefördert wird, wenn Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch geleistet wird und es sich um eine Maßnahme in Vollzeitform handelt, es sei denn, die Agentur für Arbeit hat mit dem Teilnehmer oder der Teilnehmerin vereinbart, dass die Maßnahme abgeschlossen werden kann. Das "Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung" ist nach wie vor Regelungsgegenstand des § 3 S. 1 Nr. 2 AFBG.

Die Auffassung des Beklagten, wonach der jetzt ausdrücklich in § 3 Abs. 1 Nr. 3 AFBG geregelte Förderungsausschluss bei dem Bezug von Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit im Wege einer Auslegung der Altfassung des AFBG auch bereits vor der Neuregelung geltendes Recht gewesen sei, teilt der Senat nicht. So ist die nunmehrige Ausschlussvorschrift des § 3 S. 1 Nr. 3 AFBG mit ihren Einschränkungen, dass der Ausschluss der Förderung bei dem Bezug von Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit nur dann gelten soll, wenn die Förderung für eine Maßnahme in Vollzeitform begehrt wird und wenn keine Vereinbarung der Agentur für Arbeit mit dem Teilnehmer darüber vorliegt, dass die Maßnahme doch abgeschlossen werden kann, zu ausdifferenziert, als dass sie bereits vor der Neuregelung - als ungeschriebenes Recht - hätte gelten können. Die Neuregelung mag zwar auch bereits vor ihrem Inkrafttreten dem Willen des Gesetzgebers entsprochen haben, worauf etwa der Inhalt der Begründung des Gesetzentwurfs (vgl. BT-Drs. 16/10996, S. 22/23) hindeutet. Indes hat ein etwaiger diesbezüglicher gesetzgeberischer Wille in der Altfassung des AFBG keinen Ausdruck gefunden, und ein solcher musste sich, wie dies bereits das Verwaltungsgericht Karlsruhe in dem angegriffenen Urteil und das Verwaltungsgericht Schleswig (a.a.O.) ausgeführt haben, auch keineswegs als selbstverständlich mit der Folge aufdrängen, dass eine Förderung der von der Klägerin beabsichtigten Maßnahme auch ohne eine ausdrückliche Regelung im Gesetz ausgeschlossen war. Die gegenteilige Auffassung des Beklagten findet insbesondere keinen dem Bestimmtheitsgebot entsprechenden hinreichend verlässlichen Anhalt in den von diesem herangezogenen Vorschriften des § 120 Abs. 3 SGB III und des § 9 AFGB a.F. Zwar ist dem Beklagten darin Recht zu geben, dass diese Vorschriften - was die jederzeitige Verfügbarkeit des Empfängers von Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit (vgl. § 119 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 SGB III) angeht - in einem gewissen Spannungsverhältnis stehen. Jedoch befasst sich die Regelung des § 9 AFBG a.F. im Rahmen des Zweiten Abschnittes des AFBG über "Persönliche Voraussetzungen" allein mit dem - vorliegend gar nicht interessierenden - Gesichtspunkt der Eignung des Teilnehmers unter Anknüpfung an seine Leistungen, weshalb sie für die hier interessierende Fragestellung nicht von Bedeutung ist. Die Neufassung des § 3 AFBG stellt letztlich nach der Auffassung des Senats keine Klarstellung schon bislang geltenden Rechts, sondern die Neuregelung einer bislang vom Gesetzgeber übersehenen und damit ungeregelt gelassenen Sachlage dar.

Da zwischen den Beteiligten im Übrigen die Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen der Gewährung von Leistungen nach dem AFBG a.F. an die Klägerin nicht in Streit standen, entspricht es der Billigkeit i.S.v. § 161 Abs. 2 S. 1 VwGO, die Kosten beider Rechtszüge dem beklagten Land aufzuerlegen.

Die Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 188 S. 2 VwGO. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren durch die Klägerin ist in Anwendung von § 162 Abs. 2 S. 2 VwGO für notwendig zu erklären, da die vorliegende Rechtssache jedenfalls nicht einfach gelagert ist (vgl. Bader u.a., VwGO, Komm. 4. Aufl., § 162 RdNr. 19).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

Zurück