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Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 28.07.2009
Aktenzeichen: 12 S 753/08
Rechtsgebiete: BAföG, WaldorfFHSchulRV BW


Vorschriften:

BAföG § 2 Abs. 4 S. 1
WaldorfFHSchulRV BW § 12
WaldorfFHSchulRV BW § 16
Bei der im Rahmen des berufsbezogenen Teils der Qualifikation für das Studium an einer Fachhochschule in Baden-Württemberg durch Absolventen der Klasse 12 der Freien Waldorfschulen geforderten praktischen Tätigkeit im außerschulischen Bereich von mindestens 12 Monaten handelt es sich nicht um ein Praktikum, dessen Inhalt entsprechend dem Erfordernis des § 2 Abs. 4 S. 1 BAföG in Ausbildungsbestimmungen geregelt ist.

Insbesondere stellen die §§ 12, 16 der Verordnung des Kultusministeriums Baden-Württemberg über den Erwerb der Fachhochschulreife an Freien Waldorfschulen vom 27. Oktober 1986 (GBl. S. 376) keine den Anforderungen des § 2 Abs. 4 S. 1 BAföG genügenden Ausbildungsbestimmungen dar.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

12 S 753/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Ausbildungsförderung

hat der 12. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Schenk und die Richter am Verwaltungsgerichtshof Utz und Kümpel aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28. Juli 2009

am 28. Juli 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 13. Februar 2008 - 1 K 871/07 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Bewilligung von Ausbildungsförderung für ein Praktikum.

Nach dem Abschluss der 12. Klasse der staatlich anerkannten Freien Waldorfschule Esslingen stellte das Regierungspräsidium Stuttgart dem Kläger unter dem 23.05.2006 das Zeugnis der Fachhochschulreife (schulischer und berufsbezogener Teil) aus. Hierin war vermerkt, dass für die Einschreibung zum Studium an einer Fachhochschule in Baden-Württemberg mit einer besonderen Bescheinigung des Regierungspräsidiums eine praktische Tätigkeit im außerschulischen Bereich von mindestens 12 Monaten nachzuweisen ist. Der Kläger beabsichtigte, diese praktische Tätigkeit in der Zeit vom 01.12.2006 bis zum 30.11.2007 in der fachlichen Richtung "Kinder- und Jugendarbeit" bei dem Veranstalter von Kinder- und Jugendfreizeiten und von Studien- und Erlebnisreisen Aventerra e.V. in Stuttgart abzuleisten.

Zu diesem Zweck beantragte er am 31.01.2007 bei dem Beklagten die Gewährung von Ausbildungsförderung bei auswärtiger Unterbringung.

Mit Bescheid vom 23.03.2007 lehnte der Beklagte den Antrag unter Hinweis auf § 2 Abs. 4 BAföG ab. Ausbildungsförderung für die Teilnahme an einem Praktikum - so der Beklagte - werde nur geleistet, wenn dessen Inhalt in Ausbildungsbestimmungen geregelt sei. Insoweit sei nicht ausreichend, wenn allein die Dauer des Praktikums und die Art der Einrichtung bestimmt werde. Vielmehr müsse den einschlägigen Ausbildungsbestimmungen auch zu entnehmen sein, welche konkreten Tätigkeiten oder Fertigkeiten die Auszubildenden während des Praktikums kennenlernen sollten. Derartige Bestimmungen gebe es indes nicht.

Mit seinem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, die von dem Beklagten vermisste Regelung finde sich in den §§ 16 und 17 der Verordnung des Kultusministeriums Baden-Württemberg über den Erwerb der Fachhochschulreife an Freien Waldorfschulen vom 27.10.1986.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14.05.2007 wies das Regierungspräsidium Stuttgart - Landesamt für Ausbildungsförderung - den Widerspruch des Klägers zurück. Darin wird ausgeführt, nach § 2 Abs. 4 BAföG werde Ausbildungsförderung auch für die Teilnahme an einem Praktikum geleistet, das im Zusammenhang mit dem Besuch einer Ausbildungsstätte nach § 2 Abs. 1 bis 3 BAföG gefordert werde und dessen Inhalt in Ausbildungsbestimmungen geregelt sei. Für die Förderungsfähigkeit eines Praktikums sei danach entscheidend, ob es sich um ein in einer Ausbildungsordnung inhaltlich geregeltes Praktikum oder lediglich um eine vorgeschriebene fachpraktische Tätigkeit handele, welche nur der allgemeinen Einführung in praktische Tätigkeitsbereiche eines Berufsfeldes, nicht hingegen der geordneten Vermittlung bestimmt beschriebener Kenntnisse und Fertigkeiten diene. Das Bundesausbildungsförderungsgesetz ziele auf die Ermöglichung qualifizierter Ausbildungen, weshalb es Leistungen nur für ein inhaltlich bestimmtes, geordnetes Praktikum vorsehe. Hierzu rechne nicht die nach § 16 der Verordnung des Kultusministeriums vom 27.10.1986 vorgesehene praktische Tätigkeit.

Der Kläger hat am 15.06.2007 vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen Klage erhoben, zu deren Begründung er vorgetragen hat, in seinem Fall seien die Voraussetzungen für ein zu förderndes Praktikum ausreichend bestimmt, sie seien einem inhaltlich vollständig geregelten Praktikum gleichzustellen. Gemäß einer Empfehlung des Regierungspräsidiums Stuttgart sollten während der praktischen Tätigkeit praktisch-technische Kenntnisse, die im Unterricht an der Freien Waldorfschule erworben würden, angewandt werden, z.B. Inhalte aus 1.300 Stunden bzw. der Jahresarbeit.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 23. März 2007 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 14. Mai 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat geltend gemacht, die einschlägige Verordnung vom 27.10.1986 regele lediglich, dass überhaupt eine praktische Tätigkeit erfolgen müsse, sie bestimme jedoch nicht Inhalt, Umfang und Ablauf des erforderlichen Praktikums, weshalb sie keine Ausbildungsbestimmung i.S.v. § 2 Abs. 4 BAföG darstelle. Eine solche müsse Regelungen darüber treffen, welche Kenntnisse und Fertigkeiten das Praktikum im Zusammenhang mit der schulischen Ausbildung vermitteln solle. Da die Durchführung der schulischen Ausbildungen Sache der Länder sei, existierten von Bundesland zu Bundesland verschiedene schulische Ausbildungs- und Praktikumsbestimmungen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 13.02.2008 hat der Kläger eine Bescheinigung des Regierungspräsidiums Stuttgart vorgelegt, wonach er zwischenzeitlich im Zusammenhang mit dem Erwerb der Fachhochschulreife eine praktische Tätigkeit im außerschulischen Bereich i.S.v. § 16 der Verordnung des Kultusministeriums über den Erwerb der Fachhochschulreife an Freien Waldorfschulen von mindestens 12 Monaten nachgewiesen habe. Der Kläger hat hierauf ein Studium an einer Fachhochschule aufgenommen.

Mit Urteil vom 13.02.2008 - 1 K 871/07 - hat das Verwaltungsgericht Sigmaringen den Bescheid des Beklagten vom 23.03.2007 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 14.05.2007 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, dem Kläger für das von ihm in der Zeit vom 01.12.2006 bis zum 30.11.2007 beabsichtigte Praktikum Ausbildungsförderung in gesetzlicher Höhe zu bewilligen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die von dem Kläger durchlaufene Freie Waldorfschule sei eine weiterführende allgemeinbildende Schule i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 BAföG. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei auch der Inhalt des von dem Kläger absolvierten Praktikums in Ausbildungsbestimmungen i.S.v. § 2 Abs. 4 BAföG geregelt. Dabei handele es sich um die Regelung des § 16 der Verordnung des Kultusministeriums über den Erwerb der Fachhochschulreife an Freien Waldorfschulen. Nach dieser Regelung diene die praktische Tätigkeit dem Kennenlernen der Arbeitswelt und der Anwendung der im Unterricht der Freien Waldorfschule erworbenen praktisch-technischen Kenntnisse. Welche praktisch-technischen Kenntnisse im Unterricht der Freien Waldorfschulen erworben würden, sei in § 12 Abs. 1 der Verordnung bestimmt. Hiernach umfasse der Unterricht im praktisch-technischen Bereich in den Klassen 9 bis 12 nach dem Lehrplan mindestens 1.300 Unterrichtsstunden. § 12 Abs. 2 der Verordnung schreibe darüber hinaus vor, dass der Schüler zu einem von ihm gewählten Thema aus dem praktisch-technischen Bereich selbstständig eine Jahresarbeit mit einem kurz gefassten Protokoll über Planung, Verlauf und die hierbei auftauchenden Probleme und deren Lösungen zu fertigen habe. Durch diese Regelungen werde inhaltlich vorgegeben, welche im Unterricht erworbenen praktisch-technischen Kenntnisse im Rahmen der praktischen Tätigkeit nach § 16 Abs. 1 S. 1 der Verordnung angewandt werden sollten, womit § 2 Abs. 4 S. 1 BAföG Genüge getan werde. Die darin geforderte inhaltliche Bestimmung müsse erkennen lassen, auf welche Ausbildungsinhalte das Praktikum bezogen sein solle. Welche Anforderungen an die Genauigkeit der inhaltlichen Regelung zu stellen seien, hänge von der Funktion des Praktikums im Ausbildungskonzept ab. Die Abgrenzung zu einer nicht förderungswürdigen bloßen praktischen Tätigkeit als allgemeine Einführung in die Arbeitswelt sei im vorliegenden Fall schon dadurch gewährleistet, dass die praktische Tätigkeit des Klägers als Leistungsnachweis zur Erlangung der Fachhochschulreife notwendig sei.

Gegen das dem Beklagten am 20.02.2008 zugestellte Urteil hat dieser mit am 12.03.2008 eingegangenem Schriftsatz die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt.

Zur Begründung der Berufung macht der Beklagte geltend, nach der Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs erfordere § 2 Abs. 4 BAföG, dass die Ausbildungsbestimmungen zumindest näher definierte Lernziele oder Regelungen darüber enthalten müssten, welche konkreten Tätigkeiten und Fertigkeiten der Auszubildende kennenlernen solle. Ein förderfähiges Praktikum sei danach nur dann gegeben, wenn es auch inhaltlich Teil einer zielgerichteten Ausbildung sei. § 16 der einschlägigen Verordnung des Kultusministeriums führe selbst keinerlei Tätigkeitsmerkmale auf. Die Bestimmung nehme lediglich Bezug auf den praktisch-technischen Unterricht, der in den Klassenstufen 9 bis 12 der Freien Waldorfschulen mit mindestens 1.300 Unterrichtsstunden durchzuführen sei. Dieser Unterricht werde laut den Informationen der Freien Waldorfschule Esslingen im Internet in den Fächern Schreinern, Kupfertreiben, Hell-Dunkel-Zeichnen, plastisches Gestalten und Gartenbau erteilt. Entsprechend einer Auflistung des Regierungspräsidiums Stuttgart könne das Praktikum in höchst unterschiedlichen Betrieben und Einrichtungen, u.a. auch im sozialen Bereich geleistet werden. Der Kläger habe seine Tätigkeit im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit ausgeübt. Ein inhaltlicher Zusammenhang dieser Tätigkeit mit den praktisch-technischen Unterrichtsfächern sei daher nicht gegeben, so dass der praktisch-technische Unterricht auch nicht habe vertieft werden können. Bei dem von dem Kläger besuchten Praktikum handele es sich nach allem nicht um eine zielgerichtete Weiterführung der bisherigen Ausbildung, sondern lediglich um eine nicht förderfähige praktische Tätigkeit, die in keinem inhaltlich Zusammenhang mit dem Theorieunterricht stehe.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 13. Februar 2008 - 1 K 871/07 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger ist der Berufung entgegengetreten und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er erwidert, der Beklagte stelle zu eingeschränkt darauf ab, dass ein enger Zusammenhang zwischen Praktikum und schulischem Unterricht erforderlich sei. Bei dem von ihm abgeleisteten Praktikum habe er die Arbeitswelt kennengelernt aber auch zusätzlich die von ihm an der Waldorfschule erworbenen praktisch-technischen Kenntnisse umgesetzt.

Dem Senat liegen die Akten des Beklagten, des Regierungspräsidiums Stuttgart und des Verwaltungsgerichts vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diese Akten und die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist statthaft und auch ansonsten zulässig, insbesondere fristgerecht begründet worden. Sie ist auch begründet.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben; denn diese ist zwar zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Ausbildungsförderung für das von ihm absolvierte Praktikum nach § 1 Nr. 2 c und § 16 der Verordnung des Kultusministeriums über den Erwerb der Fachhochschulreife an Freien Waldorfschulen vom 27.10.1986 (GBl. S. 376), zuletzt geändert durch Art. 25 der Änderungsverordnung vom 21.05.1999 (GBl. S. 213).

Neben dem Besuch einer der in § 2 Abs. 1 und 2 BAföG bezeichneten oder nach § 2 Abs. 3 BAföG bestimmten Ausbildungsstätten wird nach § 2 Abs. 4 S. 1 BAföG Ausbildungsförderung auch für die Teilnahme an einem Praktikum geleistet, das in Zusammenhang mit dem Besuch einer der genannten Ausbildungsstätten gefordert wird und dessen Inhalt in Ausbildungsbestimmungen geregelt ist. Wird das Praktikum im Zusammenhang mit dem Besuch einer in Abs. 1 Nr. 1 bezeichneten Ausbildungsstätte gefordert, wird Ausbildungsförderung nur geleistet, wenn der Auszubildende nicht bei seinen Eltern wohnt (§ 2 Abs. 4 S. 2 BAföG).

Der Kläger begehrte als Absolvent der Klasse 12 einer Freien Waldorfschule i.S.d. Verordnung der Landesregierung über die Freien Waldorfschulen vom 13.11.1973 (GBl. S. 454) den Erwerb der Qualifikation für das Studium an einer Fachhochschule in Baden-Württemberg (Fachhochschulreife). Hierfür bedurfte er allein noch gemäß § 1 Nr. 2 c der Verordnung des Kultusministeriums über den Erwerb der Fachhochschulreife an Freien Waldorfschulen der Ableistung einer praktischen Tätigkeit im außerschulischen Bereich nach § 16 dieser Verordnung. Diese praktische Tätigkeit ist Teil des sog. berufsbezogenen Teils der Qualifikation für das Studium an einer Fachhochschule in Baden-Württemberg durch Absolventen der Klasse 12 der Freien Waldorfschulen. Bei der Tätigkeit handelt es sich - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - um eine solche, die im Zusammenhang mit dem Besuch einer weiterführenden allgemeinbildenden Schule i.S.v. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BAföG gefordert wird (vgl. Nr. 2.4.9 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföGVwV 2001 -, wonach, wenn das Praktikum eine Schulausbildung ergänzt, die selbst zum Besuch einer anderen Schule oder Hochschule nicht ausreicht, es im Zusammenhang mit dem Besuch der zuvor besuchten Ausbildungsstätte, deren Abschluss durch das Praktikum ergänzt wird, steht; s.a. Ramsauer/Stallbaum/Sternal, BAföG, Komm., 4. Aufl., § 2 RdNr. 93).

Der Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach in dem vorliegenden Fall der Inhalt der praktischen Tätigkeit des Klägers - wie dies § 2 Abs. 4 S. 1 BAföG zusätzlich erfordert - auch in Ausbildungsbestimmungen, nämlich in § 12 Abs. 1 sowie § 16 Abs. 1 S. 1 der Verordnung des Kultusministeriums über den Erwerb der Fachhochschulreife an Freien Waldorfschulen, geregelt sei, vermag der Senat indes nicht zu folgen.

Während § 2 Abs. 4 BAföG in seiner ursprünglichen Fassung die Förderung der Teilnahme an einem Praktikum nur davon abhängig machte, dass dieses im Zusammenhang mit dem Besuch einer der in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten oder nach Absatz 3 bestimmten Ausbildungsstätten gefordert wurde, führte das 2. BAföG-Änderungsgesetz vom 31.07.1974 (BGBl. I S. 1649) das zusätzliche Erfordernis einer Regelung des Inhalts des Praktikums in Ausbildungsbestimmungen ein. Die Normierung dieser zusätzlichen Voraussetzung bezweckte eine schärfere Abgrenzung zu praktischen Tätigkeiten, die zwar als Zulassungsvoraussetzung erforderlich sind, weil sie der allgemeinen Einführung in die Arbeitswelt dienen sollen, die aber selbst keine geordneten Ausbildungen vergleichbar denen sind, für die sonst Ausbildungsförderung geleistet wird. Anders als bei allgemein in die Arbeitswelt einführenden praktischen Tätigkeiten muss also die inhaltliche Bestimmung erkennen lassen, auf welche Ausbildungsinhalte das Praktikum bezogen sein soll. Welche Anforderungen dabei an die Genauigkeit der inhaltlichen Regelung zu stellen sind, hängt von der Funktion des Praktikums im Ausbildungskonzept ab (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.08.1991 - 5 B 20.90 -, Buchholz 436.36 § 2 BAföG Nr. 22).

Mit der Änderung des § 2 Abs. 4 BAföG durch das 2. BAföG-Änderungsgesetz nahm der Gesetzgeber in Kauf, dass in dem Fall, in welchem der Inhalt einer Praktikums nicht in Ausbildungsbestimmungen geregelt ist, ein Anspruch auf Gewährung von Ausbildungsförderung nicht besteht, selbst wenn dieses Praktikum im Zusammenhang mit dem an sich förderungsfähigen Besuch einer Ausbildungsstätte gefordert wird. Praktika, die selbst nicht den Charakter einer geordneten Ausbildung aufweisen, sollten nach dem Willen des Gesetzgebers von einer Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz ausgeschlossen sein (vgl. Ramsauer/Stallbaum/Sternal, a.a.O., § 2 RdNr. 95).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg genügt vor diesem Hintergrund ein "offenes" durch keinerlei Ausbildungsbestimmungen inhaltlich festgelegtes Praktikum nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine förderungswürdige Ausbildung. Praktika können danach nur gefördert werden, wenn eine Regelung der Ausbildungsinhalte getroffen worden ist, die eine gewisse - mit den Studienordnungen vergleichbare - Dichte erreicht haben (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.02.1991 - 7 S 1236/90 -, juris).

Für die Regelung des Inhalts eines Praktikums i.S.v. § 2 Abs. 4 BAföG reicht es danach nicht aus, wenn lediglich die Dauer des Praktikums und die Art der Einrichtungen, in der es abzuleisten ist, in Ausbildungsbestimmungen festgelegt sind. Ebensowenig reicht es aus, wenn sich Ausbildungsbestimmungen lediglich auf eine allgemeine Beschreibung des Ausbildungsziels beschränken. Zwar hängen die Anforderungen an die Genauigkeit der inhaltlichen Regelung auch von der Funktion des Praktikums im jeweiligen Ausbildungskonzept ab. Nicht verzichtet werden kann indes - um eine Förderfähigkeit nach § 2 Abs. 4 S. 1 BAföG annehmen zu können - auf die konkrete Beschreibung wenigstens der wesentlichen Inhalte derjenigen praktischen Tätigkeit, die Gegenstand des Praktikums sein soll. Nicht von § 2 Abs. 4 S. 1 BAföG werden danach etwa Zeiten praktischer Betätigungen erfasst, die lediglich dem Zweck dienen, eine gewisse "Berufserfahrung" zu erlangen, ohne dass es dabei auf das Erlernen inhaltlich konkret bestimmter Fertigkeiten ankommt (vgl. zu allem Hessischer VGH, Urteil vom 22.02.1983 - IX OE 16/82 -, juris, Urteil vom 05.11.1985 - 9 OE 55/83 -, juris, Urteil vom 03.11.1992 - 9 UE 329/88 -, FamRZ 1993, 1501 und Urteil vom 15.02.1994 - 9 UE 1115/91 -, FamRZ 1995, 639; VG Meiningen, Urteil vom 03.09.1998 - 8 K 1059/96.ME -, juris; Ramsauer/Stallbaum/Sternal, a.a.O., § 2 RdNr. 96; Rothe/Blanke, Bundesausbildungsförderungsgesetz, Komm., § 2 RdNrn. 29 f.).

Die vom Verwaltungsgericht in dem vorliegenden Fall herangezogenen Bestimmungen der Verordnung des Kultusministeriums über den Erwerb der Fachhochschulreife an Freien Waldorfschulen vom 27.10.1986 genügen diesen Anforderungen nicht und es lassen sich auch keine weiteren, auf das Praktikum des Klägers bezogene Bestimmungen finden, die den Anforderungen des § 2 Abs. 4 S. 1 BAföG genügen.

Was die vom Verwaltungsgericht herangezogene Bestimmung des § 16 Abs. 1 S. 1 der genannten Verordnung anbetrifft, soll nach deren erstem Halbsatz die zum Erwerb der Fachhochschulreife erforderliche praktische Tätigkeit dem Kennenlernen der Arbeitswelt dienen. Allein dieses aber entspricht nach der Vorstellung des Gesetzgebers gerade nicht den Erfordernissen des § 2 Abs. 4 BAföG. Aber auch der zweite Halbsatz des § 16 Abs. 1 S. 1 der Verordnung stellt keine Regelung des Inhalts des Praktikums in Ausbildungsbestimmungen dar. Dass die praktische Tätigkeit danach auch der "Anwendung der im Unterricht der Freien Waldorfschule erworbenen praktischtechnischen Kenntnisse" dienen soll, ist eher eine allgemeine Beschreibung des Ziels und Zwecks der Tätigkeit und gerade nicht eine wenigstens einigermaßen konkrete Regelung deren Inhalts. Der Bestimmung fehlt im Gegenteil jegliche Regelungsdichte. Immerhin soll die praktische Tätigkeit nach § 16 der genannten Verordnung nicht nur wenige Wochen, sondern ein ganzes Jahr andauern, und auch eine wesentliche Voraussetzung für die Aufnahme eines Fachhochschulstudiums darstellen. Vor diesem Hintergrund hätte es aber einer wesentlich detaillierteren Regelung bedurft, wenn es dem Normgeber der Verordnung tatsächlich darum gegangen wäre, eine geordnete "Ausbildung", für die auch sonst Ausbildungsförderung geleistet wird, festzulegen.

Eine solche Regelung lässt sich auch bei zusätzlicher Heranziehung des § 12 der Verordnung nicht erkennen, dem lediglich zu entnehmen ist, dass der "praktisch-technische Bereich" an den Freien Waldorfschulen über vier Schuljahre mit mindestens 1300 Unterrichtsstunden zu unterrichten ist und dass der Schüler in der Klasse 12 eine Jahresarbeit aus dem praktisch-technischen Bereich zu fertigen hat. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass gerade durch § 12 der Verordnung inhaltlich vorgegeben werde, welche im Unterricht erworbenen praktisch-technischen Kenntnisse nach § 16 Abs. 1 S. 1 der Verordnung im Rahmen der geforderten praktischen Tätigkeit angewandt werden sollen, teilt der Senat nicht. Denn weder gibt die Bezugnahme auf einen vier Schuljahre und mindestens 1300 Unterrichtsstunden umfassenden Lehrplan hinreichend konkrete Hinweise auf einen qualifizierten Inhalt des geforderten Praktikums, noch kann aus der bloß geforderten, nicht näher beschriebenen "Anwendung" der während der Schulzeit erworbenen praktisch-technischen Kenntnisse hinreichend deutlich auf einen bestimmten einheitlichen Inhalt der erforderlichen praktischen Tätigkeit geschlossen werden.

Der Fall des Klägers zeigt im Übrigen, dass sich die Praxis der Kultusverwaltung bei der Bescheinigung des Nachweises der Durchführung einer praktischen Tätigkeit nach § 16 der Verordnung vom 27.10.1986 als durchaus großzügig darstellt. Eine Anwendung strikter "Ausbildungsbestimmungen" unter genauer Prüfung, ob die praktische Tätigkeit auch mit den im Unterricht der Freien Waldorfschule erworbenen praktisch-technischen Kenntnissen in einem Zusammenhang steht, erfolgte in dem Fall des Klägers wohl jedenfalls nicht. Denn dass sein Praktikum bei einem Veranstalter von Kinder- und Jugendfreizeiten sowie von Studien- und Erlebnisreisen bestimmten gerade an der Freien Waldorfschule Esslingen erworbenen praktisch-technischen Kenntnissen entsprach, lässt sich für den Senat nicht erkennen.

Die Regelung in § 16 der Verordnung - auch in Verbindung mit § 12 - stellt sich nach allem nicht als eine hinreichend qualifizierte Regelung einer "Ausbildung" nach § 2 Abs. 4 S. 1 BAföG dar. Sie soll ersichtlich lediglich sicherstellen, dass ein Studierender an einer Fachhochschule, der zuvor eine Freie Waldorfschule besucht hat, wenigstens ein Jahr außerhalb der Schule im Arbeitsleben verbracht und damit praktische Erfahrung gesammelt hat. Ein derart intendiertes Praktikum stellt sich aber - wie ausgeführt - nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz gerade nicht als förderungswürdig dar.

Mit der Ausbildungsförderung gewährt die staatliche Gemeinschaft Leistungen, bei deren Verteilung ihr ein weites Ermessen zusteht. Die Beschränkung der Förderung auf den Besuch der in § 2 Abs. 1 und 2 BAföG bezeichneten oder nach § 2 Abs. 3 BAföG bestimmten Ausbildungsstätten sowie auf lediglich qualifizierte Praktika nach § 2 Abs. 4 BAföG ist unter Berücksichtigung des weiten gesetzgeberischen Ermessens nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, jeden möglichen Ausbildungsgang mit öffentlichen Mitteln zu fördern (vgl. etwa VG Düsseldorf, Urteil vom 06.07.1977 - 7 K 563/77 -, FamRZ 1978, 284).

Die Klage auf Gewährung von Ausbildungsförderung ist nach allem unter Aufhebung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzuweisen.

Das Verfahren ist nach § 188 S. 2 VwGO gerichtskostenfrei.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO erfüllt ist.

Ende der Entscheidung

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