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Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 19.05.2009
Aktenzeichen: 13 S 116/09
Rechtsgebiete: AufenthG, BZRG


Vorschriften:

AufenthG § 91 Abs. 2
BZRG § 61 Abs. 1
BZRG § 61 Abs. 3
BZRG § 63 Abs. 1
BZRG § 63 Abs. 3
1. Nach allgemeinen registerrechtlichen Grundsätzen ist auch im Falle des § 63 Abs. 2 BZRG nicht auf den Zeitpunkt der Rechtskraft, sondern auf den Zeitpunkt der strafgerichtlichen Verurteilung abzustellen.

2. Eine ausländerrechtliche Relevanz im Sinne von § 91 Abs. 2 AufenthG liegt nicht nur dann vor, wenn aufenthaltsbeendende Maßnahmen möglich sind, sondern auch dann, wenn Daten für sonstige Zwecke wie z.B. für die Erteilung eines bestimmten Aufenthaltstitels in Zukunft benötigt werden können.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

13 S 116/09

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Entfernens von Bestandteilen aus einer Behördenakte

hat der 13. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

am 19. Mai 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26. Oktober 2006 - 2 K 2901/06 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger möchte erreichen, dass bestimmte Bestandteile aus der über ihn geführten Ausländerakte entfernt werden.

Der am 4.5.1984 in Stuttgart geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Seine Eltern halten sich bereits seit 1973 in der Bundesrepublik Deutschland auf und sind beide in Besitz einer Niederlassungserlaubnis. Der Kläger erwarb Anfang 2000 einen Hauptschulabschluss. Eine danach begonnene Lehre als Industriemechaniker brach er nach neun Monaten ab. Ihm wurde erstmals am 17.3.1998 eine befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt, die zwischenzeitlich mehrfach verlängert wurde. Ab dem 12.9.2005 besuchte er einen zweijährigen Lehrgang bei einer privaten Handelsschule mit dem Ziel, die Fachschulreife zu erwerben.

Dem Kläger wurde am 25.1.1999 wegen Diebstahls einer geringwertigen Sache eine Arbeitsauflage erteilt. Am 11.10.2001 (wegen Beleidigung) und am 15.10.2002 (wegen gefährlicher Körperverletzung) wurde ihm jeweils eine Geldauflage auferlegt. Am 29.11.2003 wurde ihm wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit Beleidigung eine richterliche Weisung erteilt. Am 14.4.2003 erhielt er wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs eine Geldstrafe. Wegen vorsätzlicher Körperverletzung sowie wegen Trunkenheit im Verkehr wurden am 28.10.2003 und am 2.8.2004 weitere Arbeitsauflagen verhängt. Am 16.8.2004 erhielt er eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen wegen Beleidigung in Tateinheit mit Körperverletzung. Am 24.11.2004 wurde er wegen 25 Vergehen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu zwei Freizeitarresten sowie am 26.7.2005 wegen gemeinschaftlichen unerlaubten Handeltreibens mit als Betäubungsmittel ausgegebenen Substanzen zu einem vierwöchigen Dauerarrest verurteilt.

Im Rahmen eines anhängigen Klageverfahrens vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart, das ursprünglich allein auf die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis gerichtet war, forderte der Kläger die Beklagte auf, bestimmte Teile der über ihn geführten Ausländerakte zu entfernen. Nachdem die Beklagte dies abgelehnt hatte, hat er seine Klage am 8.5.2006 um diesen Streitgegenstand - der allein Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist - erweitert. Das Verwaltungsgericht hat daraufhin dieses Verfahren von dem übrigen Rechtsstreit abgetrennt.

Der Kläger trägt vor, die fraglichen Daten unterlägen gemäß § 61 BZRG einem Verwertungsverbot. Erzieherische Maßnahmen rechtfertigten bei einem Ausländer, der wie er die Rechte nach Art. 7 ARB 1/80 genieße, nicht die Entziehung eines Aufenthaltsrechts. Da die in der Akte befindlichen Daten für eine weitere Tätigkeit der Behörde nicht benötigt würden, seien sie zu entfernen.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie ist der Ansicht, § 61 Abs. 1 BZRG enthalte kein allgemeines Verwertungsverbot für in das Erziehungsregister eingetragene Entscheidungen. Diese Vorschrift hindere auch nicht die Verwertung der nach § 87 AufenthG der Ausländerbehörde mitgeteilten Informationen im Zusammenhang mit Strafverfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende. Für Informationen, welche die Behörde durch eine Abfrage nach § 73 AufenthG erlangt habe, könne nichts anderes gelten.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil vom 26. Oktober 2006 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Die Klage sei zulässig. Das Klagebegehren sei auf ein tatsächliches Verwaltungshandeln gerichtet. Deshalb sei das Begehren mit einer allgemeinen Leistungsklage zu verfolgen, für die kein Vorverfahren durchgeführt werden müsse. Die Klage sei jedoch nicht begründet. Nach § 91 Abs. 2 AufenthG seien Mitteilungen nach § 87 Abs. 1 AufenthG, die für eine anstehende ausländerrechtliche Entscheidung unerheblich seien und auch für eine spätere ausländerrechtliche Entscheidung nicht mehr erheblich werden könnten, unverzüglich zu vernichten. Der sich hieraus ergebende Anspruch des Ausländers erstrecke sich auch auf die Vernichtung von Mitteilungen, die den mit der Ausführung des Ausländergesetzes betrauten Behörden von Amts wegen zur Kenntnis gebracht worden seien. Bei den vom Kläger bezeichneten Bestandteilen der über ihn geführten Ausländerakte handele es sich um Mitteilungen der Polizeibehörden und der Staatsanwaltschaft Stuttgart, mit denen diese die Beklagte über die Einleitung von Ermittlungsverfahren bzw. die Anklageerhebung unterrichtet habe, sowie um vom Amtsgericht Stuttgart übersandte Urteile und Strafbefehle. Umfasst sei außerdem eine Auflistung diverser Strafverfahren, die das Landeskriminalamt Baden-Württemberg am 18.8.2005 der Beklagten übersandt habe. Diese von Amts wegen oder auf Anfrage der Beklagten getätigten Mitteilungen seien offensichtlich zu Recht erfolgt. Die Voraussetzungen eines Entfernungsanspruchs nach § 91 Abs. 2 AufenthG seien nicht erfüllt. Der Umstand, dass der Kläger die Rechte des Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 genieße, befreie ihn nicht von dem sich aus § 4 AufenthG ergebendem Erfordernis eines Aufenthaltstitels. Wie ein am 16.1.2006 anhängig gemachtes Verfahren bezüglich der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis zeige, seien die von ihm begangenen Rechtsverstöße nicht nur für eine anstehende ausländerrechtliche Entscheidung von Bedeutung, sondern könnten auch für spätere ausländerrechtliche Entscheidungen erheblich werden. Dies zeige schon § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, wonach ein Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nicht bestehe, wenn ein auf dem persönlichen Verhalten des Ausländers beruhender Ausweisungsgrund vorliege.

Zur Begründung seiner fristgerecht eingelegten Berufung, die der Senat zugelassen hat, trägt der Kläger vor: Der Sachverhalt des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AufenthG stelle einen Sondertatbestand dar, der den Rückgriff auf § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AufenthG ausschließe. Darüber hinaus sei hinsichtlich der ausschließlich im Erziehungsregister eingetragenen Vermerke zu beachten, dass es sich nicht um Vorstrafen handele, sondern lediglich um erzieherische Maßnahmen und Zuchtmittel, die dem Aufenthaltsanspruch nicht entgegengehalten werden könnten. Für aufenthaltsrechtliche Entscheidungen könnten lediglich strafrechtliche Verurteilungen maßgeblich sein. Die besonderen datenschutzrechtlichen Regelungen einschließlich der lediglich auf das Alter abstellenden Sperrvorschrift in § 63 BZRG seien Ausdruck dieser Besonderheit. Soweit eine nach dem JGG verhängte Maßnahme Strafcharakter habe, nämlich als Jugendstrafe, sei sie zugleich im Bundeszentralregister einzutragen. Nachdem er mittlerweile das 24. Lebensjahr vollendet habe, komme ihm § 63 BZRG zugute.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26 Oktober 2006 - 2 K 2901/06 - zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, die Blätter 10 bis 13, 25, 27 bis 33, 44, 48, 73 und 75 aus der von ihr geführten Ausländerakte zu entfernen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Ansicht, die in den Ausländerakten vorhandenen Unterlagen dokumentierten Umstände, die dem Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis entgegenstünden, da sie einen Ausweisungsgrund begründen könnten. Sie könnten auch für eine spätere Entscheidung - die Ausweisung des Klägers aus dem Bundesgebiet - erheblich werden. Eintragungen aus dem Erziehungsregister würden nur dann nach § 63 Abs. 2 BZRG entfernt, solange im Zentralregister eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe nicht mehr enthalten sei. Dies sei beim Kläger nicht der Fall. Nachdem er mittlerweile durch ein erneutes Urteil des Amtsgerichts Esslingen wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt worden sei, lägen auch die Voraussetzungen des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AufenthG vor.

Das Berufungsverfahren war zwischenzeitlich ausgesetzt worden, nachdem die Beklagte mitgeteilt hatte, dass die Staatsanwaltschaft Stuttgart ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen gefährlicher Körperverletzung eingeleitet hatte. Dieses Verfahren endete mit Urteil des Amtsgerichts Esslingen vom 7.1.2008, das am 15.5.2008 rechtskräftig geworden ist. Darin wurde der Kläger wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, die zur Bewährung augesetzt wurde.

Dem Senat liegen die den Kläger betreffenden Akten der Beklagten vor. Auf diese Akten wird ebenso wie auf die Verfahrensakten, die Akten des Verfahrens 13 S 2932/08 und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart verwiesen; diese Akten waren Gegenstand der Beratung.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung über die Berufung entscheiden, da die Beteiligten auf mündliche Verhandlung verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Sie ist nicht begründet.

1. Die Klage ist zulässig. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat, handelt es sich um eine allgemeine Leistungsklage. Das begehrte Entfernen von Bestandteilen aus einer Behördenakte ist kein Verwaltungsakt im Sinne von § 35 Satz 1 LVwVfG, denn ihm fehlt der Regelungsgehalt. Es handelt sich um eine rein tatsächliche Handlung, also um einen sog. Realakt (vgl. bereits Senatsbeschluss vom 13.3.2002 - 13 S 1505/01 - InfAuslR 2002, 361).

2. Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die von ihm beanstandeten Aktenbestandteile aus der von ihr geführten Ausländerakte entfernt. Ein solcher Anspruch folgt weder aus registerrechtlichen Vorschriften (a) noch aus § 91 Abs. 2 AufenthG (b).

a) Der geltend gemachte Anspruch lässt sich nicht auf Vorschriften des BZRG stützen.

aa) Zu Unrecht beruft sich der Kläger auf § 61 BZRG, soweit es um die von ihm begangenen Straftaten geht, die mit Erziehungsmaßnahmen bzw. Zuchtmitteln geahndet worden sind. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift gehört die Ausländerbehörde zwar nicht zu den im einzelnen genannten Behörden und Gerichten, an die Eintragungen im Erziehungsregister mitzuteilen sind; nach Abs. 3 dürfen demzufolge Auskünfte aus dem Erziehungsregister nicht an die Ausländerbehörde weitergeleitet werden.

Anders als der Kläger meint, enthält § 61 BZRG jedoch kein allgemeines Verwertungsverbot für in das Erziehungsregister eingetragene Entscheidungen und Anordnungen und die ihnen zugrunde liegenden Taten. Die Beklagte hat ihre Kenntnis von den hier verwerteten Taten des Klägers und ihrer strafgerichtlichen Ahndung nicht aufgrund einer entgegen § 61 Abs. 3 BZRG erteilten oder weitergeleiteten Auskunft aus dem Erziehungsregister, sondern aufgrund von Mitteilungen nach § 76 AuslG bzw. 87 AufenthG erhalten. Auch der Kläger stellt die Rechtmäßigkeit der Weitergabe der hier strittigen Informationen nicht in Frage.

§ 61 Abs. 1 BZRG beschränkt sich auf Auskünfte aus dem Erziehungsregister selbst und enthält keine Regelung über die Auskunftsgewährung durch die Behörden, die die eingetragenen oder einzutragenden Vorgänge in ihrer Zuständigkeit bearbeiten. Sinn und Zweck des § 61 Abs. 1 BZRG ist es lediglich, den Zugang zu den Eintragungen im Erziehungsregister selbst zu beschränken, nicht jedoch die Mitteilung von Informationen im Zusammenhang mit Strafverfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende durch Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte an nicht auskunftsberechtigte Behörden zu verhindern, soweit diese die entsprechenden Informationen zur Wahrnehmung der ihnen gesetzlich zugewiesenen Aufgaben benötigen (vgl. ausführl.: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 3.7.2002 - 11 S 494/02 - VBlBW 2003, Beilage I 6, 46 m.w. Nachw.; ebenso Hamb. OVG, Urteil vom 29.1.2008 - 3 Bf 149/02 - juris).

bb) Ein Anspruch auf Entfernung folgt auch nicht aus § 63 Abs. 1 und 4 i.V.m. § 51 BZRG.

Nach § 63 Abs. 1 BZRG werden Eintragungen im Erziehungsregister entfernt, sobald der Betroffene - wie hier der Kläger am 4.5.2008 - das 24. Lebensjahr vollendet hat. Nach § 63 Abs. 2 BZRG findet eine Entfernung aber nicht statt, solange im Zentralregister u.a. eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe eingetragen ist. Dies ist hier der Fall. Mit Urteil des Amtsgerichts Esslingen vom 7.1.2008 - und damit noch vor Vollendung seines 24. Lebensjahres - ist der Kläger vom Amtsgericht Esslingen zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt worden.

Allerdings ist das strafrechtliche Urteil erst am 15.5.2008 - und damit wenige Tage nach dem 24. Geburtstag des Klägers - rechtskräftig geworden. Es entspricht indes allgemeinen registerrechtlichen Grundsätzen bezüglich des Laufs von Tilgungsfristen, die von strafrechtlichen Verurteilungen abhängig sind, auf den Tag der Verkündung und nicht auf den Tag der Rechtskraft abzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 22.4.1980 - 1 StR 625/79 - BGHSt 29, 252; Urteil vom 17.10.1972 - 1 StR 423/72 - BGHSt 25, 19). Wie sich aus § 4 BZRG ergibt, werden nur rechtskräftige Verurteilungen in das Bundeszentralregister eingetragen; Verurteilungen, die keine Rechtskraft erlangen, bleiben registerrechtlich außer Betracht. In aller Regel wird zwischen der Verkündung einer strafgerichtlichen Verurteilung und dem Eintritt der Rechtskraft eine gewisse Zeitspanne liegen. Gleichwohl hat der Gesetzgeber nicht etwa den (späteren) Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft zum Anknüpfungspunkt der registerrechtlichen Regelung gewählt, sondern sich für das Verkündungsdatum entschieden. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 BZRG ist in das Register der Tag des ersten Urteils einzutragen; an diesem Tag beginnen auch die registerrechtlich maßgeblichen Fristen zu laufen (§§ 34, 45 Abs. 1 BZRG). Diese Entscheidung des Gesetzgebers ist nach Wortlaut, Sinnzusammenhang und Entstehungsgeschichte des Gesetzes eindeutig. Der Rechtsbegriff der (rechtskräftigen) Verurteilung kann nicht je nach der günstigen oder ungünstigen Auswirkung auf den Betroffenen als Verkündung oder Eintritt der Rechtskraft des Urteils begriffen werden.

Diesen allgemeinen registerrechtlichen Grundsätzen entspricht es, auch im Falle des § 63 Abs. 2 BZRG nicht auf den Zeitpunkt der Rechtskraft, sondern auf den Zeitpunkt der strafgerichtlichen Verurteilung abzustellen. Da hier der Kläger bereits vor seinem 24. Geburtstag zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden war, kommt eine Entfernung der Eintragungen im Erziehungsregister in seinem Fall demzufolge nicht in Betracht.

b) Auch § 91 Abs. 2 AufenthG scheidet im Falle des Klägers als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch aus.

Diese Vorschrift bestimmt, dass Mitteilungen nach § 87 Abs. 1 AufenthG, die für eine anstehende ausländerrechtliche Entscheidung unerheblich sind und auch für eine spätere ausländerrechtliche Entscheidung nicht mehr erheblich werden können, unverzüglich zu vernichten sind. Unter ergänzender Heranziehung des Grundgedankens des § 20 Abs. 2 Nr. 2 Bundesdatenschutzgesetz sind indes alle Daten, die zur behördlichen Aufgabenerfüllung nicht (mehr) erforderlich sind, zu vernichten. Der Anspruch aus § 91 Abs. 2 AufenthG erstreckt sich daher auch auf die Vernichtung sonstiger Aktenbestandteile, die den Ausländerbehörden zur Kenntnis gelangen, für eine anstehende ausländerrechtliche Entscheidung aber unerheblich sind und auch für eine spätere ausländerrechtliche Entscheidung nicht erheblich werden können. Es besteht aus datenschutzrechtlichen Gründen kein Anlass, Mitteilungen, die den mit der Ausführung des Ausländergesetzes betrauten Behörden auf Ersuchen bekannt werden, anders zu behandeln als solche, die ihnen von Amts wegen bekannt werden, soweit es um ihre Entfernung aus den Ausländerakten geht (vgl. bereits grundlegend Senatsbeschluss vom 13.3.2002 - 13 S 1505/01 - InfAuslR 2002, 361).

Auch wenn eine konkrete ausländerrechtliche Maßnahme nicht geboten ist, dürfen Aktenbestandteile belassen werden, wenn sie bei einer späteren ausländerrechtlichen Maßnahme, z.B. einer Ausweisungsverfügung erheblich werden können. Bei dieser Prüfung ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Es wird dabei einerseits die Schwere des strafrechtlichen Vorwurfs und die Möglichkeit - auch künftiger - ausländerrechtlicher Maßnahmen gegen das Interesse des Betroffenen zum Schutze seiner persönlichen Daten abzuwägen sein. Eine Mitteilung darf nicht in die Akte genommen werden und ist daher zu vernichten, wenn eine ausländerrechtliche Maßnahme überhaupt nicht in Frage kommt bzw. nach Sachlage Anhaltspunkte dafür fehlen, dass die Mitteilung zukünftig ausländerrechtlich relevant werden könnte.

Diese Maßgaben hat die Beklagte im Falle des Klägers beachtet. Der Kläger ist zwar türkischer Staatsangehöriger und fällt nach seinem unwidersprochenen Vorbringen in den Anwendungsbereich des Art. 7 ARB 1/80. Dennoch lässt es sich nicht ausschließen, dass die Unterlagen über seine als Jugendlicher begangenen Straftaten noch für zukünftige ausländerrechtliche Maßnahmen relevant werden können. Dabei kann offen bleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen ihn zulässig wären. Denn darauf sind die Aufgaben der Ausländerbehörde nicht beschränkt. Eine ausländerrechtliche Relevanz im Sinne von § 91 Abs. 2 AufenthG liegt nicht nur dann vor, wenn aufenthaltsbeendende Maßnahmen möglich sind, sondern auch dann, wenn Daten für sonstige Zwecke wie z.B. für die Erteilung eines bestimmten Aufenthaltstitels in Zukunft benötigt werden können.

Der Kläger ist als türkischer Staatsangehöriger zum Nachweis eines assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts zum Besitz einer Aufenthaltserlaubnis verpflichtet, sofern er keine Niederlassungserlaubnis und keine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzt (§ 4 Abs. 5 AufenthG). Insbesondere bei der Frage, ob ihm eine Niederlassungserlaubnis nach § 35 Abs. 1 AufenthG erteilt werden kann, können jedenfalls nach der erneuten strafgerichtlichen Verurteilung frühere strafrechtliche Vergehen, die "nur" zu Erziehungsmaßnahmen oder Zuchtmitteln geführt haben, eine Rolle spielen. Mittlerweile besitzt der Kläger unstreitig keinen gesetzlich gebundenen Anspruch mehr auf eine Niederlassungserlaubnis, weil er zwischenzeitlich zu einer Freiheitsstrafe von über 3 Monaten verurteilt worden ist (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AufenthG). Demgemäß stünde die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis im Ermessen der Behörde (§ 35 Abs. 3 Satz 2 AufenthG). Hierbei dürfte (und müsste) sie alle für und gegen den Kläger sprechenden Umstände in ihre Ermessensbetätigung einstellen. Hierzu gehören auch die strafrechtlichen Verfehlungen, die der Kläger als Jugendlicher und Heranwachsender begangen hat.

Die Angemessenheit dieses Ergebnisses wird durch einen Vergleich mit den Vorschriften des BZRG bestätigt. Nach der Wertung des § 63 BZRG sollen Verfehlungen, die ein Betroffener als Jugendlicher begangen hat, und die lediglich im Erziehungsregister eingetragen sind, zwar grundsätzlich mit Vollendung des 24. Lebensjahres entfernt werden (Abs. 1). Dies gilt aber dann ausdrücklich nicht, wenn sich - wie hier - wegen einer neuen Verurteilung des Betroffenen zu einer Freiheitsstrafe gezeigt hat, dass es sich nicht nur um episodenhafte, gewissermaßen jugendtypische Verfehlungen gehandelt hat (Abs. 2). In einem solchen Fall haben also auch nach den Regelungen des BZRG die datenschutzrechtlichen Belange des Betroffenen hinter dem öffentlichen Informationsinteresse zurückzutreten. Nur wenn umgekehrt ein Entfernungsanspruch nach § 63 Abs. 1 BZRG bestünde, würde es möglicherweise einen Wertungswiderspruch darstellen, die entsprechenden Mitteilungen einerseits in den Ausländerakten zu belassen, obwohl sie andererseits endgültig aus dem Erziehungsregister entfernt werden müssten.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss vom 19. Mai 2009

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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