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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 08.10.2008
Aktenzeichen: 13 S 1336/08
Rechtsgebiete: AufenthG, ZPO


Vorschriften:

AufenthG § 5
AufenthG § 11 Abs. 1 Satz 2
AufenthG § 25 Abs. 3
AufenthG § 25 Abs. 5
ZPO § 118 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 118 Abs. 2
1. Der allgemeine Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG wird nicht durch § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG verdrängt.

2. Die Entscheidungsreife eines Prozesskostenhilfeantrags setzt auch voraus, dass dem Prozessgegner Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden ist (§ 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und das Gericht Gelegenheit hatte, die ihm nötig erscheinenden Erhebungen im Sinne des § 118 Abs. 2 ZPO anzustellen.

3. Macht ein Kläger ausdrücklich nur Ausführungen zur "(vorläufigen) Begründung" der Klage und verlangt er Einsicht in die Behördenakten, darf das Gericht die Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zunächst zurückstellen.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

13 S 1336/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Aufenthaltserlaubnis und Reiseausweis

hier: Prozesskostenhilfe

hat der 13. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

am 8. Oktober 2008

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 28. April 2008 - 1 K 6024/07 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, dem Kläger Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Denn die Klage hat auch nach Ansicht des Senats selbst bei Anwendung des gebotenen großzügigen Maßstabs (siehe BVerfG, Beschluss vom 14.10.2003 - 1 BvR 901/03 -, NVwZ 2004, 334 m.w.N.) im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidungsreife keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§§ 166 VwGO, 114 ZPO).

1. Der Hauptantrag des Klägers hat in der Sache keine hinreichende Erfolgsaussicht.

a) Der Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG, der im Falle einer Ausweisung die Erteilung eines Aufenthaltstitels ausschließt, ist entgegen der Auffassung des Klägers auch in den Fällen des § 25 Abs. 3 AufenthG anwendbar. Diese Vorschrift wird weder durch § 5 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 AufenthG noch durch § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG verdrängt.

aa) Es ist evident, dass die Regelung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen in § 5 AufenthG die Anwendung des § 11 AufenthG nicht ausschließt. Der Kläger hat für seine gegenteilige Auffassung keinen Beleg nennen können. Nach der Gesetzessystematik stehen die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG und die Einreise- und Aufenthaltsverbote des § 11 AufenthG unabhängig nebeneinander. Es ist nicht ersichtlich, weshalb insbesondere § 5 Abs. 3 AufenthG eine Spezialregelung enthalten sollte, welche die Anwendung des § 11 AufenthG ausschließen könnte. Dies gilt auch für das Vorliegen eines Ausweisungsgrundes, denn es sind viele Fälle denkbar, in denen zwar materiell ein Ausweisungsgrund vorliegt, dennoch aus den unterschiedlichsten Gründen aber letztlich keine Ausweisung verfügt wird. Sobald eine Ausweisung verfügt wurde, tritt deren Sperrwirkung nach § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG ein, und zwar unabhängig davon, ob die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG erfüllt sind.

bb) § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG wird auch nicht durch § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG verdrängt. Dieser allgemeine Versagungsgrund gehört systematisch zu den allgemeinen Regelungen zur "Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet", die in allen Fällen zu beachten sind, in denen keine abweichende Regelung existiert. Eine solche abweichende Sonderregelung enthalten die Absätze 1 und 5 des § 25 AufenthG. Schon daraus, dass der hier einschlägige 3. Absatz des § 25 AufenthG keine entsprechende Einschränkung enthält, folgt im Wege des Umkehrschlusses, dass die Bestimmung des § 11 Abs. 1 AufenthG in den Fällen des § 25 Abs. 3 AufenthG anwendbar ist. Auch Sinn und Zweck des § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG gebieten eine entsprechende Auslegung. Erkennbar ist diese Vorschrift an die in § 60 Abs. 8 AufenthG geregelten Fälle der "Asylunwürdigkeit" angelehnt. Da diese häufig an das Verhalten des Ausländers im Herkunftsstaat anknüpft, das in aller Regel keine Ausweisung durch deutsche Behörden rechtfertigen kann, spricht alles dafür, dass mit der entsprechenden Regelung in § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG ein zusätzlicher Versagungsgrund geschaffen und nicht die Anwendung des § 11 AufenthG ausgeschlossen werden sollte (ebenso VG Hamburg, Beschluss vom 17.7.2006 - 7 K 2289/05 -, juris; Burr in GK-AuslR, § 25 AufenthG Rn. 61; in diese Richtung auch schon Senatsbeschluss vom 27.3.2007 - 13 S 488/07 -; a.A. VG Stuttgart, Urteil vom 7.10.2005 - 9 K 2107/04 -, InfAuslR 2006, 78).

b) Weiter bestehen nach der derzeitigen Sach- und Rechtslage keine Bedenken gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, im Rahmen der Anwendung des § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG liege hier ein Ausnahmefall vor, der ein Abweichen von dieser "Soll-Vorschrift" rechtfertige. Wie Behörde und Gericht voraussichtlich zu Recht angenommen haben, dürfte ein solcher Ausnahmefall dann vorliegen, wenn ein Ausländer - wie hier der Kläger - selbst nach einer verfügten Ausweisung erneut wiederholt straffällig wird, denn dies dürfte kaum der Regelfall sein, den der Gesetzgeber bei Schaffung der Vorschrift vor Augen hatte. Dem setzt der Kläger in seiner Beschwerde kein nachvollziehbares Sachargument entgegen. In diesem Zusammenhang geht auch sein Verweis auf § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG fehl. Diese Regelung ist vielmehr ausschließlich im Rahmen des § 25 Abs. 3 AufenthG und nicht bei der Anwendung des § 25 Abs. 5 AufenthG zu berücksichtigen, denn wie die unterschiedlichen Regelungen zur Frage der Anwendung der Versagungsgründe in den Absätzen 1, 3 und 5 zeigen, handelt es sich jeweils nur um spezielle Vorschriften für den jeweiligen Aufenthaltstitel.

c) Der ebenfalls begehrte Reiseausweis für Ausländer im Inland kann dem Kläger nicht erteilt werden, da keine der in § 6 AufenthV genannten Voraussetzungen erfüllt ist.

2. Auch der hilfsweise gestellte Antrag des Klägers, der die Ausstellung eines Ausweisersatzes zum Gegenstand hatte, ist ohne Aussicht auf Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat in seiner angefochtenen Entscheidung zu Recht berücksichtigt, dass die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 12.4.2008 dem Begehren des Klägers insoweit abgeholfen hat. Von diesem Zeitpunkt an fehlte es diesbezüglich an einem Rechtsschutzbedürfnis des Klägers.

Anders als der Kläger meint, hat das Verwaltungsgericht über seinen Antrag auf Prozesskostenhilfe nicht verspätet entschieden. Maßgeblich für die Beurteilung der Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung ist der Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 23.4.2002 - 11 S 119/02 -, VBlBW 2002, 529 und Beschluss vom 6.5.1998 - 7 S 3090/97 -, NVwZ 1998, 1048; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17.5.2001 - 12 E 692/00 -, info also 2002, 86 jeweils m.w.N.). Die Entscheidungsreife eines Prozesskostenhilfeantrags setzt zum einen voraus, dass der Antragsteller selbst die Voraussetzungen des § 117 ZPO i.V.m. § 166 VwGO erfüllt hat, also den Antrag stellt, die sachdienliche oder angekündigte Begründung einreicht und die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beigebracht hat. Zum anderen kann sie erst dann angenommen werden, wenn dem Prozessgegner auch Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden ist (§ 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und das Gericht Gelegenheit hatte, die ihm nötig erscheinenden Erhebungen im Sinne des § 118 Abs. 2 ZPO anzustellen, insbesondere Urkunden beizuziehen und Auskünfte einzuholen (vgl. Senatsbeschluss vom 21.11.2005 - 13 S 2247/05 -).

Gemessen hieran hat das Verwaltungsgericht am 28.4.2008 nicht verspätet, sondern sogar zügig über den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers entschieden. Denn eine verfahrensrechtlich zulässige Entscheidung über seinen Prozesskostenhilfeantrag war frühestens nach Eingang seiner ergänzenden Klagebegründung am 25.4.2008 möglich. Der Kläger hat vor dem Verwaltungsgericht in seiner Klageschrift ausdrücklich nur Ausführungen zur "(vorläufigen) Begründung" der Klage gemacht und Einsicht in die Behördenakten verlangt, die er in der Folge auch erhalten hat. Bei dieser Sachlage ist das Gericht zu Recht davon ausgegangen, dass noch eine ergänzende Klagebegründung beabsichtigt ist. Im Hinblick darauf durfte es zunächst die Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückstellen. Die Beklagte hat zwar wohl eine angemessene Stellungnahmefrist überschritten, da sie erst am 12.4.2008 auf die Klage erwidert hat. Dies ist indes unbeachtlich, da der Kläger seinerseits seine ergänzende Klagebegründung erst am 25.4.2008 vorgelegt hat. Da das Gericht schon drei Tage später über den Prozesskostenhilfeantrag entschieden hat, ist der Vorwurf des Klägers in keiner Weise nachvollziehbar, es habe den Antrag bewusst aus sachwidrigen Gründen "liegengelassen".

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Festsetzung eines Streitwerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, da in Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses - Anl. 1 zum GKG - für die Zurückweisung der Beschwerde die Erhebung eines Festbetrags vorgesehen ist.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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