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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 28.05.2008
Aktenzeichen: 13 S 136/08
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 7 Abs. 2 Satz 2
AufenthG § 31 Abs. 2 Satz 2
AufenthG § 60 Abs. 1
AufenthG § 72 Abs. 2
Beruft sich ein Ausländer gegenüber der Verkürzung seiner aus Familiennachzugsgründen erteilten Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG verteidigungsweise auf eine zielstaatsbezogene Härte im Sinn des § 31 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, die materiell einen spezifischen Asylgrund im Sinn des § 60 Abs. 1 AufenthG darstellt (hier: Verfolgung in Ägypten wegen Konversion zum christlichen Glauben), so ist dies im asylrechtlichen Statusverfahren und nicht im ausländerrechtlichen Aufenthaltserlaubnisverfahren geltend zu machen; ein "Wahlrecht" zwischen den Verfahren besteht insoweit nicht (Fortentwicklung von BVerwG, Beschluss vom 3.3.2006 -1 B 126/05 -, NVwZ 2006, 830).
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

13 S 136/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Verkürzung der Befristung der Aufenthaltserlaubnis und Abschiebungsandrohung

hat der 13. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

am 28. Mai 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 11. Oktober 2007 - 2 K 3853/07 - geändert; die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der im Jahr 1978 geborene Kläger ist ägyptischer Staatsangehöriger. Er reiste im Jahr 2004 mit einem zum Zweck der Eheschließung erteilten Visum in das Bundesgebiet ein und erhielt am 8.11.2004 eine bis zum 8.11.2007 befristete Aufenthaltserlaubnis. Am 10.3.2006 erklärte er gegenüber der Ausländerbehörde, er lebe bereits seit 1.1.2006 von seiner (zwischenzeitlich eingebürgerten) Ehefrau auf Dauer getrennt; diese erklärte, die eheliche Lebensgemeinschaft bestehe bereits seit dem 1.6.2005 nicht mehr, der Kläger sei aber erst am 1.3.2006 aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen.

Die Ehe des Klägers wurde vom Amtsgericht Böblingen mit Urteil vom 15.12.2006 rechtskräftig geschieden; in diesem Verfahren gaben die Beteiligten übereinstimmend an, sie lebten seit Mitte Dezember 2005 voneinander getrennt.

Mit Verfügung vom 26.10.2006 verkürzte die Beklagte die Gültigkeitsdauer der dem Kläger erteilten Aufenthaltserlaubnis nachträglich auf den Tag der Zustellung und drohte ihm die Abschiebung nach Ägypten für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise innerhalb eines Monats nach Zustellung der Verfügung unter der Voraussetzung an, dass die Ausreiseverpflichtung vollziehbar sei. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für die nach § 28 Abs. 1 AufenthG erteilte Aufenthaltserlaubnis lägen nicht mehr vor, und ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 31 AufenthG sei nicht entstanden. Den gegen diese Verfügung eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, bei einer Rückkehr drohe ihm familiäre Ächtung, weil er zum evangelischen Glauben konvertiert sei. Da sein Onkel sich in der verbotenen islamistischen Partei "Ansar al-Suna" engagiere, müsse er - der Kläger - befürchten, auf dessen Veranlassung aus der Familie verstoßen zu werden. Als Konvertit befürchte er bei einer Rückkehr sowohl staatliche als auch nichtstaatliche Verfolgung, so dass die Abschiebung eine besondere Härte darstelle.

Nach negativem Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart (Bescheid vom 24.5.2007 - zugestellt am 30.5.2007 -) hat der Kläger am 2.7.2007 (einem Montag) Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben und beantragt,

die Verfügung der Beklagten vom 26.10.2006 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 24.5.2007 aufzuheben.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger nähere Umstände zu seiner Konversion zum christlichen Glauben erläutert.

Mit Urteil vom 11.10.2007 - 2 K 3853/07 - hat das Verwaltungsgericht den Bescheid der Beklagten vom 26.10.2006 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 24.5.2007 aufgehoben. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, zwar sei mit dem Wegfall der familiären Lebensgemeinschaft seit Ende 2005 eine gesetzliche Voraussetzung der Aufenthaltserlaubnis entfallen; dem Kläger stehe aber ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 31 Abs. 2 AufenthG zu. Dies ergebe sich aus § 31 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, da es eine besondere Härte sei, wenn der Kläger nach Ägypten zurückkehre. Diese Härte ergebe sich zwar nicht aus wirtschaftlichen Schwierigkeiten, aber daraus, dass der Kläger wegen seines Übertritts zum evangelischen Glauben bei einer Rückkehr Verfolgung zu befürchten habe. Eine solche Verfolgung sei nicht deswegen rechtlich unbeachtlich, weil sie mit der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft in keinem Zusammenhang stehe; der Gesetzgeber verlange nicht, dass die bei einer Rückkehr drohenden erheblichen Beeinträchtigungen gerade auf den Umstand der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft zurückzuführen seien. Nach den dem Gericht vorliegenden Auskünften bedeute der - ernsthafte - Übertritt des Klägers zum evangelischen Glauben nach der islamischen Rechtslehre ein todeswürdiges Verbrechen. Konvertiten könnten durchaus von staatlicher Seite aus der Verächtlichmachung des Islams angeklagt werden, und ein solches Vorgehen sei auch im Heimatland des Klägers möglich. Der Kläger sei einer konkreten Leibes- und Lebensbedrohung ausgesetzt, wenn er nach Ägypten zurückkehre, da der ägyptische Staat nach der glaubhaften Einschätzung des deutschen Orient-Instituts nicht willens sei, ihn in welcher Art auch immer zu schützen.

Auf den hiergegen rechtzeitig gestellten Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat der Senat mit Beschluss vom 15.1.2008 - 13 S 2764/07 - die Berufung der Beklagten mit der Begründung zugelassen, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung seien deshalb gegeben, weil die zum Klageerfolg führenden Überlegungen des Gerichts möglicherweise nicht ausländerrechtlicher, sondern asylrechtlicher Natur und daher dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zur Entscheidung zugewiesen seien.

Die Beklagte hat nach der Zustellung des Zulassungsbeschlusses am 23.1.2008 mit Schriftsatz vom 8.2.2008 beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 11.10.2007 - 2 K 3853/07 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat die Beklagte auf die Begründung des Zulassungsantrags vom 10.12.2007 verwiesen und ausgeführt, die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stelle ausdrücklich darauf ab, ob das Vorbringen eines Ausländers im ausländerrechtlichen Verfahren materiell-rechtlich als Asylbegehren im Sinn des § 13 Abs. 1 AsylVfG zu qualifizieren sei. Inhaltlich mache der Kläger geltend, dass er bei einer Rückkehr nach Ägypten aufgrund seiner Eigenschaft als Konvertit von staatlicher Seite Probleme zu erwarten habe bzw. vom Staat nicht ausreichend geschützt werde; damit handle es sich um ein asylrechtliches Vorbringen, über das im Asylverfahren zu entscheiden sei. Es könne keine Rolle spielen, ob ein solches Vorbringen wie in der Fallgestaltung des Bundesverwaltungsgerichts in Verfahren der ausländerrechtlichen Duldung oder wie hier bei Prüfung einer besonderen Härte nach § 31 Abs. 2 AufenthG geltend gemacht werde; jedenfalls sei die Zuständigkeit des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge gegeben, soweit eine zielstaatsbezogene Verfolgung im Sinn des § 60 Abs. 1 AufenthG geltend gemacht werde.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er bezieht sich auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts und seinen Antrag im Berufungszulassungsverfahren und trägt vor, er mache nicht geltend, dass er nicht abgeschoben werden wolle, sondern er beanspruche die weitere Gültigkeit seiner Aufenthaltserlaubnis. Bei einem Obsiegen bedürfe es keiner Entscheidung über eine eventuelle Abschiebung, so dass der Fall anders liege als die vom Bundesverwaltungsgericht entschiedene Fallgestaltung, bei der es direkt um eine drohende Abschiebung gegangen sei. Nach der gesetzlichen Regelung seien im Rahmen des § 31 AufenthG sämtliche Benachteiligungen und Beeinträchtigungen im In- oder Ausland zu berücksichtigen, so dass die Beklagte als Ausländerbehörde verpflichtet gewesen sei, auch die in Ägypten drohenden Beeinträchtigungen bei der Entscheidung über die Verkürzung der Aufenthaltserlaubnis zu prüfen. Dies ergebe sich auch aus § 72 Abs. 2 AufenthG, wonach das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nur in den dort genannten Fällen von der Ausländerbehörde zu beteiligen sei; in allen anderen Fällen habe die Ausländerbehörde über das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots selbst zu entscheiden.

Beide Beteiligte haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Dem Senat liegen die den Kläger betreffenden Akten der Beklagten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts vor. Auf ihren Inhalt wird verwiesen; sie waren Gegenstand der Beratung.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte über die Berufung der Beklagten ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da beide Beteiligte auf mündliche Verhandlung verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die nach der Zulassung durch den Senat zulässige, insbesondere rechtzeitig begründete (siehe § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO) Berufung der Beklagten hat sachlich Erfolg; die mit der Klage angegriffene Verfügung der Beklagten vom 26.10.2006 i.d.F. des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 24.5.2007 ist im Sinn des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO rechtlich nicht zu beanstanden, so dass das stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen ist.

Zu Recht geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass die Tatbestandsvoraussetzungen der in formell-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstandenden Verfügung der Beklagten nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG gegeben sind. Nach dieser Vorschrift kann die Frist einer erteilten Aufenthaltserlaubnis (im vorliegenden Fall: Verfügung vom 8.11.2004, gültig bis zum 8.11.2007) nachträglich verkürzt werden, wenn eine für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis wesentliche Voraussetzung entfallen ist. So liegt es hier: Die Aufenthaltserlaubnis war dem Kläger zum Zweck der Führung einer ehelichen Lebensgemeinschaft erteilt worden, und seit Ende 2005/Januar 2006 bestand nach den eigenen Angaben des Klägers dieser Aufenthaltszweck nicht mehr. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht auch ausgeführt, dass im Rahmen einer derartigen "Verkürzungsverfügung" zu prüfen ist, ob dem Betroffenen - u.U. zwischenzeitlich - ein eigenes Aufenthaltsrecht zusteht oder ob sonstige Gründe der Verkürzung entgegenstehen; im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG sind nämlich die privaten Interessen des Ausländers am Verbleib im Bundesgebiet mit dem öffentlichen Interesse an der Befristung seines weiteren Aufenthalts abzuwägen (siehe dazu Hailbronner, AuslR, Rn 30 zu § 7 m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Vorgängervorschriften; siehe auch Bay. VGH, Beschluss vom 18.3.2008 - 19 ZB 08.259 -, juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.11.2007 - 11 S 1702/07 -, ZAR 2008, 66; OVG Münster, Beschluss vom 21.2.2007 - 18 B 690/06 -, juris); der Senat teilt auch die im Berufungsverfahren nicht in Frage gestellte Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass der Kläger ein im Rahmen der Ermessensausübung nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG zu berücksichtigendes eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG wegen zu kurzer Dauer der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht erworben hat.

Anders als das Verwaltungsgericht angenommen hat kann der Kläger gegen die in der angefochtenen Verfügung getroffene Ermessensausübung allerdings nicht einwenden, es bestehe ein eigenständiges Aufenthaltsrecht aus § 31 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, da ihm "wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange" drohe (siehe § 31 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Weder inlandsbezogene (§ 31 Abs. 2 Satz 2 2. Alt. AufenthG) noch zielstaatsbezogene (§ 31 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. AufenthG) Gründe ergeben, dass die Beklagte in der angefochtenen Verfügung bzw. das Regierungspräsidium Stuttgart im Widerspruchsbescheid (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) bei der Ermessensausübung von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist oder dass ein sonstiger Ermessensfehler im Sinn des § 114 Satz 1 VwGO vorliegt.

Anhaltspunkte für das Vorliegen inlandsbezogener Hinderungsgründe haben weder die beteiligten Behörden noch das Verwaltungsgericht gesehen; sie sind auch vom Kläger nicht substantiiert geltend gemacht worden. Aber auch sog. zielstaatsbezogene Gründe im Sinn des § 31 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. AufenthG (zu dieser Unterscheidung s. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22.2.2006 - 11 S 1066/05 -, LS in FamRZ 2006, 1534 und BVerwG, Urteil vom 21.9.1999 - 9 C 12.99 -, BVerwGE 109, 305 f.) kann der Kläger gegenüber der angefochtenen Verfügung zu seinen Gunsten nicht geltend machen. Insbesondere kann er eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange im Sinn dieser Vorschrift nicht daraus herleiten, dass ihm nach seinen Angaben bei einer Rückkehr in sein Heimatland eine (mittelbare oder unmittelbare) staatliche Verfolgung wegen seines Religionswechsels drohe.

Der Senat kann dabei offenlassen, ob im Rahmen des § 31 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nur solche "Härten" zu berücksichtigen sind, die sich unmittelbar auf die Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft zurückführen lassen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7.4.1997 - 1 B 118/96 -, DÖV 1997, 835 und BayVGH, Beschluss vom 24.1.2005 - 24 ZB 04.2182 -, juris), oder ob es - was näher liegt - nach dem AufenthG anders als möglicherweise nach der früheren Rechtslage auf alle aus der Auflösung der Lebensgemeinschaft folgenden Rückkehrverpflichtung sich ergebenden Beeinträchtigungen ankommt (siehe dazu Hailbronner, a.a.O., Rn 22 zu § 31; Storr/Wenger, Zuwanderungsrecht, 2008, Rn 27 zu § 31; Marx, Aufenthalts-, Asyl- und Flüchtlingsrecht, 2007, § 5 Rn 199, je m.w.N.). Auch bei Zugrundelegung der zuletzt genannten - großzügigeren - Betrachtungsweise kann nämlich im vorliegenden Fall von einer zugunsten des Klägers anzunehmenden besonderen Härte aus zielstaatsbezogenen Gründen nicht ausgegangen werden. Die konkret von dem Kläger in diesem Zusammenhang genannten Gründe - eine Gefährdung wegen seiner Konversion zum christlichen Glauben - sind nämlich als zielstaatsbezogene spezifisch asylrechtliche Abschiebeverbote dem asylrechtlichen Verfahren zugewiesen und dort geltend zu machen; die Ausländerbehörde darf damit im ausländerrechtlichen Verkürzungsverfahren nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG jedenfalls ohne positive asylrechtliche Entscheidung mit entsprechender Bindungswirkung nach § 42 AsylVfG nicht positiv von einer entsprechenden zielstaatsbezogenen Gefährdungssituation ausgehen, sondern hat diese bis dahin aus ihrem Prüfprogramm auszuklammern (s. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22.2.2006 a.a.O. und vom 6.4.2005 - 11 S 2779/04 -, juris). Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

Bei der von dem Kläger geltend gemachten "erheblichen Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange", aus der er nach § 31 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Satz 1 AufenthG das Vorliegen einer "besonderen Härte" und damit die Entstehung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts nach § 31 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 AufenthG und damit einen behördlichen Ermessensfehler bei der Verkürzung des eheabhängigen Aufenthaltsrechts nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ableitet, handelt es sich um zielstaatsbezogene Gründe, die als solche speziell einem bestimmten - hier: asylrechtlichen - Verfahren zugewiesen sind; es geht hier insbesondere nicht um die Geltendmachung "sonstiger" zielstaatsbezogener Gründe, die asylverfahrensirrelevante Beeinträchtigungen betreffen (vgl. dazu Marx, a.a.O., § 5 Rn 205 f. m.w.N.). Indem der Kläger behauptet, aufgrund seines auch vom Senat als glaubhaft unterstellten Übertritts zum christlichen Glauben in Ägypten Repressalien ausgesetzt zu sein, macht er im wesentlichen außer familiären Schwierigkeiten (siehe dazu unten) die Befürchtung zum Streitgegenstand, seitens des ägyptischen Geheimdienstes "angegangen" zu werden; er befürchtet unmittelbare staatliche Verfolgung als Konvertit, und er geht - wie später auch das Verwaltungsgericht in dem hier angefochtenen Urteil - zusätzlich davon aus, der ägyptische Staat könne ihm gegenüber familiären ernsthaften Nachstellungen wegen seiner Hinwendung zum christlichen Glauben keinen Schutz gewähren. Damit macht der Kläger explizit Gründe geltend, die asylrechtlicher Art sind; er beruft sich der Sache nach zur Begründung der besonderen Härte nach § 31 Abs. 2 AufenthG darauf, es liege ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 4 lit. a und c AufenthG vor. Konversion ist gerade bei islamischen Ländern ein typischer Fluchtgrund (siehe dazu etwa Marx, a.a.O. § 10 Rn 354 f.; Bay. VGH, Urteil vom 23.10.2007 - 14 B 06.30315 -, AuAS 2008, 20), betreffend unmittelbare Gefahren für Leben und körperliche Unversehrtheit, die auf der Zugehörigkeit des Betroffenen zu einer bestimmten Religion beruhen. Die Zuordnung dieses spezifischen Verfolgungsvortrags zum asylrechtlichen Verfahren nach § 60 Abs. 1 AufenthG wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass es sich hier um eine Konversion erst im Bundesgebiet, also um einen sog. Nachfluchtgrund handelt; es ist nämlich eine Frage des asylrechtlichen Verfahrens, insbesondere des Zusammenwirkens von § 60 Abs. 1 AufenthG mit der sog. Qualifikationsrichtlinie (RL 2004/38/EG, Art. 5), die Relevanz solcher Gründe als Abschiebeverbote festzustellen (siehe dazu Bay. VGH a.a.O.; Storr/Wenger, a.a.O. Rn 14 zu § 60; Marx a.a.O. Rn 355).

Was solche typischen zielstaatsbezogenen Feststellungen nach § 60 Abs. 1 AufenthG (nicht: § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG) angeht, so sind diese als aufenthaltserlaubnisbegründende Umstände nach der gesetzlichen Konzeption (s. §§ 60 Abs. 1 Satz 6, 25 Abs. 1 und 2 AufenthG) jedoch jedenfalls als Statusfeststellungen der Entscheidung im asylrechtlichen Verfahren vorbehalten. Davon geht auch die sog. Qualifikationsrichtlinie (RL 2004/83/EG vom 29.4.2004, ABl. EU Nr. L 304 S. 12, Art. 24) aus, an deren statusrechtliche Bestimmungen das AufenthG ausdrücklich in § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG anknüpft. In der Entscheidung vom 3.3.2006 (1 B 126/05, NVwZ 2006, 830) hat das Bundesverwaltungsgericht zur materiellen Berufung auf Asylgründe in einem ausländerrechtlichen Duldungsverfahren entschieden, dass über die Prüfung solcher Schutzersuchen das besonders sachkundige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zuständig ist und dass ein "Wahlrecht" des Ausländers zwischen asylrechtlichem oder ausländerrechtlichem Schutz vor Verfolgung im Heimatland nicht bestehe. Das Gericht geht davon aus, es sei gerade der Sinn des § 13 Abs. 1 AsylVfG, denjenigen Schutzsuchenden, der sich materiell auf Asylgründe beruft, zwingend auf das alle Schutzersuchen und Schutzformen erfassende (siehe BVerwG, Urteil vom 18.1.1994 - 9 C 48.92 -, BVerwG 95, 42) Asylverfahren zu verweisen und hiermit ausschließlich das besonders sachkundige Bundesamt zu befassen. Die Vorschrift sei zur Konzentration und zur Beschleunigung des Verfahrens und auch zum Ausschluss von Verfahrensverzögerungen durch nachgeschaltete Asylanträge geschaffen worden. Diese Grundsätze gelten nach Auffassung des Senats auch bei der hier vorliegenden Fallkonstellation.

Dem Kläger ist zuzugeben, dass der vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fallkonstellation keine nachträgliche Verkürzung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG zugrunde lag, bei der sich im Rahmen der Härtefallprüfung nach § 31 Abs. 2 AufenthG materiell asylrechtliche Fragen stellen, sondern ein Duldungsbegehren nach § 60a Abs. 2 AufenthG; dies ändert aber nichts daran, dass materiell dem Klagebegehren ein inhaltlich zu prüfendes asylrechtliches Schutzgesuch im Sinn des § 13 Abs. 1 AsylVfG zugrunde liegt. § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG in der vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der europäischen Union vom 19.8.2007 (GBl. I S. 1970) geltenden Fassung bestimmte bereits, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in einem Asylverfahren nach den Vorschriften des Asylverfahrensgesetzes feststellt, ob die Voraussetzungen vorliegen, wenn sich ein Ausländer "auf ein Abschiebungshindernis nach diesem Absatz beruft"; die nunmehr geltende Fassung (§ 60 Abs. 1 Satz 6 AufenthG) hat in der Sache an dieser Regelung nichts geändert. Mit dieser - nach dem Wortlaut nicht unbedingt nur Statusprozesse betreffenden - Regelung hat der Gesetzgeber dem Bundesamt einen speziellen Prüfungsbereich zugewiesen; er hat damit den allgemeinen Grundsatz der zulässigen "Mitprüfung" von Vorfragen (vgl. dazu schon BVerwG, Urteil vom 12.1.1966 - V C 62.64 -, BVerwGE 23, 123) zurückgestellt. Allerdings wird im vorliegenden Fall das Schutzgesuch des Klägers nicht im Rahmen einer Verpflichtungsklage auf eine positive Entscheidung über die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG geltend gemacht, sondern als Einwendung einer behördlichen Aufenthaltserlaubnisverkürzung entgegengehalten; insofern handelt es sich aber lediglich um eine andere prozessuale "Einkleidung" des materiell geltend gemachten Schutzbegehrens. Der Streitgegenstand einer Klage gegen eine Aufenthaltserlaubnisverkürzung nach § 7 Abs. 2 AufenthG unterscheidet sich im Kern nicht von einer Verpflichtungsklage, wie sie nach dem Ablauf der ursprünglich erteilten Aufenthaltserlaubnis (hier: 8.11.2007) mit der Begründung erheben werden könnte, es bestehe ein (weiteres) Aufenthaltsrecht aus § 31 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, weil nach § 60 Abs. 1 AufenthG wegen seiner Religion Verfolgung durch den Staat oder durch nichtstaatliche Akteure im Sinn des § 60 Abs. 1 Satz 4 lit. c AufenthG drohe und eine Rückkehr daher eine "besondere Härte" darstelle. Eine solche auf weitere Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 2 AufenthG gerichtete Klage wäre nach den vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Grundsätzen dem Asylverfahren zuzuweisen, weil sonst der Betroffene ein Wahlrecht zwischen den einzelnen schutzgewährenden Verfahren hätte. Wenn § 72 Abs. 2 AufenthG bestimmt, dass die Ausländerbehörde über das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 5 oder Abs. 7 nur nach vorheriger Beteiligung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge entscheiden darf, so folgt hieraus mittelbar, dass die Ausländerbehörde über das Vorliegen zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 1 AufenthG und damit über materielle Asylbegehren gerade nicht entscheiden soll, sondern dass es Sache des Ausländers ist, solche Abschiebungsverbote gerade in dem dafür vorgesehenen Asylverfahren geltend zu machen. Lediglich die Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG sind in bestimmten Fällen der Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde zugeordnet; der Anwendungsbereich des § 60 Abs. 1 AufenthG bleibt dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zur Entscheidung vorbehalten. In dieser Sicht macht es keinen Unterschied, ob sich Sachfragen des § 60 Abs. 1 AufenthG im Rahmen eines Duldungsbegehrens oder im Zusammenhang mit einem Begehren auf Aufenthaltserlaubnis, etwa bei Prüfung einer besonderen Härte nach § 31 Abs. 2 AufenthG, stellen (vgl. dazu auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22.2.2006, a.a.O.). Asylrechtlicher Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG verlangt mit anderen Worten eine einheitliche Entscheidung durch das Bundesamt (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 2.8.2007 - 10 C 13.07 -, juris; zur Zuständigkeitsverlagerung von der Ausländerbehörde auf das Bundesamt im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG siehe BVerwG, Urteil vom 11.9.2007 - 10 C 8.07 -, juris). Vor einer für den Kläger positiven Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, an das das materielle Schutzbegehren des Klägers weiterzuleiten gewesen wäre (siehe BVerwG, Beschluss vom 3.3.2006 a.a.O. Rn 7), kann es der Beklagten damit nicht als Ermessensfehler angerechnet werden, dass sie eine "besondere Härte" im Sinn des § 31 Abs. 2 Satz 2 AufenthG wegen zielstaatsbezogener Schutzgründe versagt hat.

Soweit der Kläger im Verwaltungs- und dem anschließenden Klageverfahren weitere - d.h. dem Prüfprogramm des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht zuordnungsfähige - Gründe angeführt hat, aus denen er eine besondere Härte im Sinn von § 31 Abs. 2 Satz 2 und eine entsprechende "erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange" ableitet, ist die angefochtene Befristungsverfügung gleichfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, inwieweit es - wie der Kläger vorträgt - in der ägyptischen Gesellschaft als Schande gilt, eine bereits geschiedene Frau mit einem Kind zu heiraten und ob der Vater des Klägers als Familienoberhaupt in der Lage ist, sämtlichen Familienmitgliedern zu befehlen, den Kontakt zu dem Kläger abzubrechen, so dass der Kläger in Ägypten ohne familiären Hintergrund dastehen würde und Schwierigkeiten haben könnte, eine neue Frau zu finden. Im Widerspruchsbescheid hat das Regierungspräsidium Stuttgart hierzu ausgeführt (vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), dass der Kläger auf seine Familie nicht angewiesen sei. Er sei inzwischen 29 Jahre alt und habe eine Universitätsausbildung als Buchhalter; es könne davon ausgegangen werden, dass er (neben der deutschen Sprache) die englische Sprache fließend spreche. Insbesondere in der Tourismusbranche könne der Kläger mit seinen Fähigkeiten voraussichtlich recht schnell wieder eine berufliche Integration in Ägypten erreichen, zumal er Ägypten ohnehin in dem Bewusstsein verlassen habe, dass er sich nicht mehr an seine Familie wenden könne, wenn er eine von der Familie nicht akzeptierte Frau heirate und zusätzlich zum Christentum konvertiere. Es sei anzunehmen, dass er bereits vor der Ausreise aus Ägypten dort relativ unabhängig sein Leben gestaltet habe, als er die Pläne offengelegt habe, eine Frau ohne Vermittlung durch die Familie zu heiraten und in die Bundesrepublik überzusiedeln. Auch sei der Vortrag, er könne in Ägypten keine Familie mehr gründen, nicht substantiiert, da die Scheidungsquote in islamischen Ländern nicht besonders niedrig sei und einem geschiedenen Mann aufgrund der Scheidung kein Makel anhafte. Diese Ausführungen, die im Klageverfahren nicht substantiiert angegriffen worden sind, sind auch für den Senat einleuchtend; sie belegen jedenfalls nicht, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Ägypten aus Gründen, die nicht spezifisch Gründe im Sinn des § 60 Abs. 1 AufenthG sind und daher der ausländerrechtlichen Würdigung offenstehen, Nachteilen und Beeinträchtigungen ausgesetzt wäre, die ihn ungleich härter treffen würden als andere Ausländer in vergleichbarer Situation (zu den Kriterien siehe Hailbronner a.a.O. Rn 22 zu § 31 m.w.N. sowie Marx a.a.O. § 5 Rn 208 f.).

Auch die Abschiebungsandrohung der Beklagten (Ziff. 2 und 3 der Verfügung vom 26.10.2006) ist rechtlich nicht zu beanstanden; da sie unter der Voraussetzung ergangen ist, "dass die Ausreiseverpflichtung vollziehbar ist", kommt es in diesem Zusammenhang auf die Problematik der Vollziehbarkeit von Ausreisepflichten als Voraussetzung von Abschiebungsandrohungen nicht an (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 15.1.2008 - 11 S 2589/07 -m.w.N.). Abschiebungsverbote stehen dem Erlass der Abschiebungsandrohung nicht entgegen (siehe § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG); und hinsichtlich der Zielstaatsbezeichnung (§ 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG) kann auch bei Prüfungen der Abschiebungsandrohung nicht davon ausgegangen werden, dass ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 1 AufenthG gegeben ist (siehe dazu oben).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision war zuzulassen, da es von grundsätzlicher Bedeutung und höchstrichterlich ungeklärt ist, ob die vom Bundesverwaltungsgericht für das ausländerrechtliche Duldungsverfahren entwickelten Grundsätze auch auf die hier vorliegende Konstellation einer Aufenthaltserlaubnisverkürzung und einer Entscheidung nach § 31 Abs. 2 AufenthG zu übertragen sind.

Beschluss vom 28. Mai 2008

Der Streitwert wird nach § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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