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Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 22.05.2007
Aktenzeichen: 13 S 152/07
Rechtsgebiete: VwGO, AufenthG
Vorschriften:
VwGO § 91 | |
AufenthG § 56 Abs. 4 |
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss
In der Verwaltungsrechtssache
wegen Ausweisung
hier: Antrag auf Zulassung der Berufung
hat der 13. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg
am 22. Mai 2007
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 6. Dezember 2006 - 16 K 1954/05 - und - 16 K 2893/06 - wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
Gründe:
Der rechtzeitig gestellte und begründete Zulassungsantrag (siehe § 124a Abs. 4 Satz 1 und 4 VwGO) hat sachlich keinen Erfolg; der Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (siehe § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), den der Kläger allein geltend macht, liegt der Sache nach nicht vor (vgl. § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor, wenn unter Berücksichtigung der vom Antragsteller dargelegten Gesichtspunkte (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) die Richtigkeit des angefochtenen Urteils weiterer Prüfung bedarf, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens mithin möglich ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.3.2004 - 7 AV 4/03 -, DVBl. 2004, 838). Es kommt dabei darauf an, ob vom Antragsteller ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten derart in Frage gestellt worden ist, dass der Erfolg des Rechtsmittels mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie sein Misserfolg (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 -, juris und vom 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458). Dazu müssen zum einen die angegriffenen Rechtssätze oder Tatsachenfeststellungen - zumindest im Kern - zutreffend herausgearbeitet werden (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 30.4.1997 - 8 S 1040/97 -, VBlBW 1997, 299). Zum anderen sind schlüssige Bedenken gegen diese Rechtssätze oder Tatsachenfeststellungen aufzuzeigen, wobei sich der Darlegungsaufwand im Einzelfall nach den Umständen des jeweiligen Verfahrens richtet (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.7.1997 - 7 S 216/98 -, VBlBW 1998, 378 m.w.N.), insbesondere nach Umfang und Begründungstiefe der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Der Streitstoff muss dabei unter konkreter Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil gesichtet, rechtlich durchdrungen und aufbereitet werden; erforderlich ist eine fallbezogene Begründung, die dem Berufungsgericht eine Beurteilung der Zulassungsfrage ohne weitere eigene aufwendige Ermittlungen ermöglicht (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 30.6.2006 - 5 B 99/05 -, juris). Selbst wenn aber - auf die Argumentation des Verwaltungsgerichts bezogen - rechtliche Zweifel im oben genannten Sinn gegeben sind, ist ein Zulassungsantrag abzulehnen, wenn das Urteil jedenfalls im Ergebnis richtig ist; in diesem Fall wird nämlich ein Berufungsverfahren nicht zu einer Abänderung im Sinn des jeweiligen Klägers führen (siehe BVerwG, Beschluss vom 10.03.2004, a.a.O.). So liegt es hier.
Im vorliegenden Fall bestehen deswegen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, weil jedenfalls das Ergebnis der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht zu beanstanden ist. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage bereits deswegen abweisen müssen, weil der Erlass des Ergänzungsbescheides vom 12.07.2006 keine Erledigung des Rechtsstreits herbeigeführt hat. Die von dem Kläger prozessual in Anspruch genommene Wahlmöglichkeit zwischen Erledigungserklärung einerseits und Fortführung des Verfahrens mit geändertem Streitgegenstand andererseits besteht bei einem Abänderungsbescheid wie dem vorliegenden nämlich nicht. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Da der Kläger den Rechtsstreit nicht nur hinsichtlich der (aufgehobenen) Abschiebungsandrohung für erledigt erklärt hat, hinsichtlich derer das Verfahren eingestellt worden ist, sondern (auch) hinsichtlich der ursprünglichen Ausweisungsverfügung vom 31.5.2005, war nach dem Widerspruch der Beklagten gegen diese Erledigungserklärung nicht mehr über die Rechtmäßigkeit der Ausweisungsverfügung, sondern vielmehr darüber zu entscheiden, ob Erledigung des Rechtsstreits vorlag, ob also von der Ausweisungsverfügung gegen den Kläger vom 31.5.2005 nunmehr keine Rechtswirkungen mehr ausgehen; die ursprüngliche Anfechtungsklage wandelte sich - einer der wenigen Ausnahmefälle liegt offensichtlich nicht vor - in eine entsprechende Feststellungsklage um (siehe dazu etwa Sodan/Ziekow, VwGO, 2006, Rn 117 ff. m.z.w.N.; siehe auch Kopp/Schenke, VwGO, 2005, Rn 20 m.w.N.). Diese Feststellungsklage war zwar entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht bereits aus Subsidiaritätsgründen (§ 43 Abs. 2 VwGO) unzulässig, da sie ein anderes Ziel als die auf Aufhebung des Verwaltungsakts gerichtete Anfechtungsklage verfolgt; sie wäre aber als unbegründet abzuweisen gewesen, da der Rechtsstreit durch den Erlass der Ergänzungsverfügung gerade nicht erledigt war. Die ursprüngliche Ausweisungsverfügung vom 31.3.2005 hat sich nämlich durch die ergänzende Änderungsverfügung vom 12.7.2006 nicht erledigt, sondern behielt - allerdings ergänzt durch die nachträglich erlassene Bedingung - ihre rechtliche Bedeutung und Wirksamkeit (vgl. § 43 Abs. 2 LVwVfG). Im Einzelnen:
Der Ausweisung des Klägers (Verfügung vom 31.03.2005, Ziff. 1) wurde durch Ziff. 1 der Ergänzungsverfügung vom 12.7.2006 die Bedingung beigefügt, dass das von ihm betriebene Asylverfahren unanfechtbar ohne seine Anerkennung als Asylberechtigter oder ohne die Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 1 AufenthG abgeschlossen werde. Die Änderungsverfügung hat damit - unabhängig von der Frage, wieweit sie selbst anfechtbar ist - die ursprüngliche Ausweisungsverfügung vom 31.5.2005 lediglich nachträglich ergänzt, aber gerade nicht die ursprüngliche Verfügung in ihrer Regelung der Ausweisung als solcher ersetzt. Sie baut gewissermaßen auf der Ausweisung auf und passt sie der neuen Sachlage (Asylantrag des Klägers) an. Dies ergibt sich bereits daraus, dass andernfalls die erforderliche Begründung für die Ausweisung des Klägers (siehe § 38 Abs. 1 VwVfG) fehlen würde; die Abänderungsverfügung begründet lediglich die nachträgliche Hinzufügung der in § 56 Abs. 4 Satz 1 AufenthG für Asylbewerber ausdrücklich vorgesehenen Bedingung, enthält aber zu den sonstigen Fragen der Ausweisung keinerlei eigenen Ausführungen. Die in der ursprünglichen Ausweisungsverfügung bereits getroffene Regelung blieb - mit anderen Worten - in ihrem "eigentlichen" Ausspruch aufrecht erhalten und damit wirksam.
In dieser prozessualen Konstellation hatte der Kläger, der sich nach wie vor gegen seine Ausweisung wendet, nicht das von ihm im Zulassungsantrag in Anspruch genommene Wahlrecht, anstelle der Fortführung der Klage über die Ausweisungsverfügung in ihrer geänderten Gestalt (so die auf § 86 Abs. 3 VwGO beruhende Anregung des Verwaltungsgerichts) den Rechtsstreit über die ursprüngliche Verfügung für erledigt zu erklären und die Ergänzungsverfügung mit einer neuen Klage anzufechten. Ein solches Wahlrecht mag dann gegeben sein, wenn eine Verfügung durch eine andere Verfügung ersetzt wird oder wenn eine Ergänzungsverfügung die zuvor ergangene Verfügung gewissermaßen neu aufgreift und inkorporiert (zur Unterscheidung der Fallgestaltungen vgl. Preusche DVBl 1992, S. 797 und 802). Eine solche - hier nicht vorliegende - Konstellation betrifft die von dem Kläger im Zulassungsantrag angeführte Rechtsprechung des Bay.VGH (Urteil vom 17.9.1992 - 6 B 92.2315 -, juris; ebenso auch VG Bayreuth, Urteil vom 13.11.2002 - B 4 K 02.446 - juris). Ausgangspunkt der Überlegungen des Senats ist die zutreffende Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 23.12.1994 - 4 B 262/94 -, juris), wonach es Sache des Klägers ist, bei einer Änderung oder Ergänzung eines bereits gerichtlich angefochtenen Bescheides die prozessualen Konsequenzen zu ziehen; ist ein ursprünglich rechtswidriger Verwaltungsakt durch die Änderung rechtmäßig geworden, so kann der Kläger die Hauptsache für erledigt erklären und eine Kostenentscheidung zu seinen Gunsten erwirken; insofern wird seinem Kosteninteresse ausreichend Rechnung getragen. Er akzeptiert dann allerdings die Änderung als solche; aus der Erledigungserklärung ergibt sich, dass er sich nunmehr rechtlich nicht mehr belastet fühlt (siehe auch BVerwG, Urteil vom 18.05.1990 - 8 C 48/88 -, DVBl 1990, S. 1351 und Preusche a.a.O. S. 803 Fn. 37 m.w.N.). Will er aber auch (oder erst recht) den Bescheid in seiner geänderten Gestalt gerichtlich überprüfen lassen, dann kann er ihn ohne weiteres als neuen, einheitlichen Bescheid zum Gegenstand des Anfechtungsantrags machen (zur Änderung eines Verwaltungsakts in einem Nebenaspekt vgl. schon BVerwG, Urteil vom 23.01.1981 - 4 C 68/78 -, NJW 1982, S. 951, siehe auch Preusche a.a.O. S. 802); in diesem Verfahren ist dann zu prüfen, ob der geänderte Verwaltungsakt rechtlich fehlerfrei ist und inwieweit dem ursprünglichen Verwaltungsakt noch eine nachträgliche Nebenbestimmung beigefügt werden durfte. Für die Zeit vor der Änderung (ursprüngliche Fassung des Verwaltungsakts) kommt dann gegebenenfalls ein Antrag nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO (Fortsetzungsfeststellungsklage) in Betracht (so BVerwG a.a.O.). Auch insofern wird dem Interesse an der Vermeidung der Kostenlast und dem Gedanken der prozessualen Waffengleichheit beider Beteiligter Rechung getragen. Allerdings kann sich ein Kläger mit einer Klage auch isoliert gegen die nachträgliche Hinzufügung einer Nebenbestimmung wenden; Prüfungsgegenstand ist dann aber lediglich die (neue) Nebenbestimmung, nicht auch die ursprüngliche Verfügung als solche.
Der im vorliegenden Fall von dem Kläger gewählte Weg - Erledigungserklärung hinsichtlich der ursprünglichen Verfügung, neue Klage hinsichtlich der Änderungsverfügung - ist dagegen bei Verfügungen, die sich auf die bloße Hinzufügung einer Nebenbestimmung zum ursprünglichen Verwaltungsakt beschränken, prozessual nicht gangbar. Dies ergibt sich bereits daraus, dass andernfalls das rechtliche Schicksal der wie ausgeführt durchaus in ihrem wesentlichen Ausspruch noch wirksamen Hauptverfügung unklar bliebe. Da die Hinzufügung der Nebenbestimmung durch die Verfügung vom 12.7.2006 die ursprüngliche Ausweisungsverfügung nicht "inkorporiert" hat, sondern sich lediglich auf die beigefügte Bedingung beschränkte, hat das Verwaltungsgericht die gegen diese Verfügung erhobene Klage auch zu Recht abgewiesen; insofern war lediglich noch die Nebenbestimmung selbst zu prüfen, und diese stellt - abgesehen davon, dass sie sich unmittelbar auf § 56 Abs. 4 AufenthG zurückführen lässt - gegenüber der Ausgangsverfügung in der Tat lediglich eine Begünstigung des Klägers dar. Das hat der Kläger verkannt, indem er die spätere Ergänzungsverfügung isoliert zur gerichtlichen Überprüfung gestellt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 2 GKG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Ende der Entscheidung
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