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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 09.10.2009
Aktenzeichen: 13 S 1608/09
Rechtsgebiete: StAG


Vorschriften:

StAG § 12a Abs. 1 a.F.
Eine strafgerichtliche Verurteilung, die die Bagatellgrenze des § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder 3 StAG a.F. nicht übersteigt, ist nicht von vornherein ohne Relevanz. Sie kann, wenn eine weitere über der Bagatellgrenze liegende Verurteilung vorliegt, unmittelbar Bedeutung für die nach § 12 Abs. 1 Satz 2 StAG a.F. zu treffende Ermessensentscheidung haben und darf grundsätzlich von der Behörde herangezogen werden, um eine die Grenze übersteigende Verurteilung nicht unberücksichtigt zu lassen.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

13 S 1608/09

In der Verwaltungsrechtssache

hat der 13. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg am 9. Oktober 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 6. März 2009 - 11 K 349/08 - geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt seine Einbürgerung.

Er wurde am xx. Mai 1974 geboren und ist türkischer Staatsangehöriger aramäischer Volkszugehörigkeit und syrisch-orthodoxer Religionszugehörigkeit. Er reiste gemeinsam mit seiner Familie am 19. Oktober 1986 in die Bundesrepublik Deutschland ein.

Er ist als Asylberechtigter anerkannt und Inhaber eines Reiseausweises für Flüchtlinge. Am 17. November 1992 wurde ihm eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt.

Seit dem 12. Mai 2005 ist der Kläger mit einer bulgarischen Staatsangehörigen verheiratet. Am 9. April 2009 wurde das erste Kind geboren, das nach § 4 Abs. 3 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.

Der Kläger wurde, wie folgt, strafgerichtlich verurteilt:

- Durch Strafbefehl des Amtsgerichts Besigheim vom 14. August 1997 zu 90 Tagessätzen à 20,- DM wegen Beihilfe zum Diebstahl in zwei Fällen, zum besonders schweren Diebstahl in sieben Fällen, zum gemeinschaftlichen Diebstahl in drei Fällen und zum gemeinschaftlichen Diebstahl im besonders schweren Fall in vier Fällen.

- Durch Urteil des Amtsgericht Marbach vom 24. September 1998 unter Einbeziehung der Verurteilung vom 14. August 1997 zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, ausgesetzt auf drei Jahre zur Bewährung, sowie einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 20,- DM wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in zwei Fällen; drei weitere angeklagte Tatvorwürfe der Hehlerei wurden nach § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt. Nach Ablauf der Bewährungszeit wurde die Freiheitsstrafe mit Wirkung vom 10. Mai 2001 erlassen.

- Durch Strafbefehl des Amtsgerichts Besigheim vom 10. Dezember 2007 zu 50 Tagessätzen à 20 EUR wegen Beteiligung am unerlaubten Glücksspiel.

Einen ersten Einbürgerungsantrag im Jahr 2000 nahm der Kläger auf Anraten der Beklagten wieder zurück.

Am 19. Juni 2006 beantragte er bei der Beklagten erneut, ihn einzubürgern.

Mit Verfügung vom 31. Januar 2007 lehnte der Beklagte den Einbürgerungsantrag ab. Zur Begründung wurde ausgeführt: Der Kläger erfülle derzeit die Voraussetzungen für eine Einbürgerung nicht. Aufgrund der im Bundeszentralregister eingetragenen Verurteilungen vom 14. August 1997 und 24. September 1998 sei die Einbürgerungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG nicht erfüllt. Eine Verurteilung, wie sie der Kläger aufweise, führe gemäß § 12 a StAG dazu, dass im Einzelfall entschieden werde, ob die Straftat außer Betracht bleiben könne. Hier liege eine als schwerwiegend anzusehende Verurteilung vor. Zwar sei der Kläger seither nicht mehr straffällig geworden. Trotz dieser positiven Entwicklung in den letzten Jahren könne das Urteil des Amtsgerichts Marbach nicht außer Betracht gelassen werden, da der Kläger durch sein damaliges Handeln deutlich gezeigt habe, dass er massive Probleme gehabt habe, sich an die deutsche Rechtsordnung zu halten. Das Strafmaß der Verurteilung sei so hoch, dass ein längerer Zeitraum erforderlich sei, um Gewähr dafür zu bieten, dass er sich in Zukunft an die deutsche Rechtsordnung halten werde. Hierbei stellten die Tilgungsfristen im Bundeszentralregister ein geeignetes Mittel dar. Eine Einzelfallentscheidung, eine Verurteilung außer Betracht zu lassen, komme nur in begründeten Ausnahmefällen in Frage, z. B., wenn die Tilgung der Verurteilung in nächster Zeit zu erwarten sei. Das sei hier aber schon nicht der Fall. Wegen der Höhe des Strafmaßes und der Schwere der begangenen Straftaten könne die Verurteilung nicht außer Betracht bleiben. Auch eine Ermessenseinbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG komme nicht in Betracht. Es liege ein Ausweisungsgrund vor. Die Voraussetzung nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG sei damit nicht erfüllt. Dieser Ausweisungsgrund sei erst dann als verbraucht anzusehen, wenn die Verurteilungen im Bundeszentralregister getilgt seien.

Den vom Kläger fristgerecht eingelegten Widerspruch wies das Regierungspräsidium Stuttgart mit Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2007, zugestellt am 27. Dezember 2007, zurück. Zur Begründung wurde zunächst auf den Ausgangsbescheid verwiesen. Das Amtsgericht Marbach sei, wie das ausgewiesene Strafmaß zeige, zu Recht von Straftaten in einem ganz erheblichen Umfang ausgegangen. Dieses Strafmaß übersteige um mehr als das Dreifache eine Verurteilung, die nach § 12 a StAG a.F. außer Betracht bleiben könne. Es müsse daher von einer gravierenden Verurteilung ausgegangen werden, bei der nach der Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers die Einbürgerung unabhängig vom Vorliegen einer konkreten Wiederholungsgefahr nicht im öffentlichen Interesse liege. Auch ein Ausnahmefall sei nicht gegeben. Es sei zwar positiv festzustellen, dass der Kläger seither nicht mehr straffällig geworden sei und auch für sich und seine Ehefrau aus eigenen Mitteln sorge. Angesichts des erheblichen Umfanges der begangenen Straftaten und der Höhe des Strafmaßes sei aber ein längerer Zeitraum erforderlich, um Gewähr dafür zu bieten, dass der Kläger sich auch in Zukunft an die deutsche Rechtsordnung halten werde, zumal die im Bundeszentralregister eingetragene Verurteilung erst im Februar 2014 tilgungsreif werde. Durch die Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes i.d.F. vom 19. August 2007 hätten sich auch noch deutliche Verschärfungen hinsichtlich des Unbescholtenheitserfordernisses ergeben. So sei u.a. die Unbeachtlichkeitsschwelle abgesenkt und das Nichtberücksichtigungsermessen verschärft worden, wobei "Bagatellbestrafungen" nunmehr zusammenzurechnen seien.

Der Kläger erhob am 28. Januar 2008 - einem Montag - Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart und trug vor: Es müsse auch berücksichtigt werden, dass der im Jahre 1998 erfolgten Verurteilung ein sogenannter "Deal" mit der Staatsanwaltschaft vorausgegangen sei, um die Sache abzuschließen. Er sei damals auch erst 24 Jahre alt und in seiner Entwicklung noch nicht gefestigt gewesen. Ganz anders stelle sich dies heute dar. Er sei mittlerweile verheiratet, arbeite regelmäßig und stehe als Erwachsener fest im Leben. Die Ermessensbetätigung des Beklagten sei insbesondere auch deshalb fehlerhaft, weil eine Abwägung mit allen privaten Belangen, die für die Einbürgerung des Klägers sprächen, unterblieben sei. Dies sei aber im Rahmen der Anwendung des § 12 a StAG a.F. notwendig. Seine Ehefrau und er stünden kurz vor der Geburt des ersten gemeinsamen Kindes, das die deutsche Staatsangehörigkeit haben werde. Die Ehefrau sei Unionsbürgerin. Der Beklagte sei verpflichtet, ihn einzubürgern.

Der Beklagte trat der Klage unter Verweis auf die angegriffenen Bescheide entgegen. Ergänzend machte er geltend: Die neuerliche während des laufenden Einbürgerungsverfahrens erfolgte Verurteilung vom 10. Dezember 2007 zeige, dass der Kläger weiterhin Schwierigkeiten habe, sich an die deutschen Rechtsnormen zu halten.

Durch Urteil vom 6. März 2009 verpflichtete das Verwaltungsgericht Stuttgart den Beklagten unter Aufhebung der angegriffenen Bescheide, über den Einbürgerungsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Die weitergehende Verpflichtungsklage wies das Verwaltungsgericht ab.

Nach § 40c StAG in der seit 28. August 2007 geltenden Fassung sei auf Einbürgerungsanträge, die, wie hier, vor dem 30. März 2007 gestellt worden seien, die §§ 8 bis 14 StAG in ihrer vor dem 28. August 2007 geltenden Fassung anzuwenden, soweit diese günstigere Bestimmungen enthielten. Da dies für die hier in Rede stehenden Rechtsfragen sämtlich der Fall sei, seien daher die §§ 8 ff. StAG i.d.F. des Zuwanderungsgesetzes anzuwenden. lm maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung sei die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG a.F. nicht erfüllt, da der Kläger wegen Straftaten verurteilt worden sei. Für diesen Fall bestimme § 12 a StAG a.F., dass Strafen bis zu einer bestimmten Höhe außer Betracht zu bleiben hätten und darüber hinausgehend, dass die Einbürgerungsbehörde im Einzelfall nach Ermessen zu entscheiden habe, ob eine Straftat außer Betracht bleiben könne, wenn der Einbürgerungsbewerber zu einer höheren Strafe verurteilt worden sei. Danach habe gemäß § 12 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. die letzte gegen den Kläger ausgesprochene Verurteilung vom 10. Dezember 2007 durch das Amtsgericht Besigheim wegen Beteiligung am unerlaubten Glücksspiel mit einer ausgesprochenen Geldstrafe von 50 Tagessätzen kraft Gesetzes außer Betracht zu bleiben. Demgegenüber sei der Beklagten hinsichtlich der am 24. September 1998 durch das Amtsgericht Marbach erfolgten Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten nach § 12a Abs. 1 Satz 2 StAG a.F. eine Ermessensentscheidung abverlangt. Die Ermessensbetätigung der Behörden, diese strafrechtliche Verurteilung einbürgerungsrechtlich nicht unberücksichtigt zu lassen, sei jedoch fehlerhaft und zu beanstanden. Maßgeblich sei der angefochtene Verwaltungsakt in der Gestalt des Widerspruchsbescheides (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

Die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2007, wonach es bei Vorliegen einer gravierenden Verurteilung eine Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers gebe, dass die Einbürgerung dann nicht im öffentlichen Interesse liege, träfe so nicht zu. Diese Auffassung verkenne den Zweck und den Umfang der nach § 12 a StAG a. F. gebotenen Ermessensbetätigung. Der Gesetzgeber habe sich für den Fall, dass eine Anspruchseinbürgerung nach § 10 Abs. 1 StAG a. F. allein deshalb scheitere, weil die Tatbestandsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG a. F. nicht erfüllt sei, gerade nicht dazu entschlossen, den Einbürgerungsanspruch als solchen zu versagen und den Ausländer allein auf eine Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG zu verweisen. Vielmehr führe - gerade umgekehrt als es der Widerspruchsbescheid darstelle - die Systematik des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG a. F. durch das darin angesprochene Nichtberücksichtigungsermessen dazu, dass es im Falle einer entsprechenden Handhabung bei einem Einbürgerungsanspruch des Betreffenden nach § 10 Abs. 1 StAG a. F. verbleibe. Das bedeute, dass der Gesetzgeber grundsätzlich das öffentliche Interesse an der Einbürgerung auch dieses Personenkreises anerkenne, dies allerdings im Falle einer gravierenden strafrechtlichen Verurteilung von der zusätzlichen Voraussetzung einer ermessensweisen Nichtberücksichtigung derselben abhängig mache.

Ermessensfehlerhaft seien die angegriffenen Entscheidungen des Weiteren, weil maßgebliche Umstände in den angegriffenen Bescheiden keine Erwähnung fänden und deshalb angenommen werden müsse, dass sie in die Ermessensbetätigung nicht eingestellt worden seien. Die Ermessensbetätigung und die hierbei zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalles hätten sich daran zu orientieren, ob ungeachtet des die gesetzlichen Bagatellgrenzen übersteigenden Strafmaßes die strafrechtliche Verfehlung nach Art und Gewicht, den Umständen der Tatbegehung sowie der Person des Einbürgerungsbewerbers einer für die Einbürgerung hinreichenden Integration nicht entgegenstünden. Da es mithin um eine Abwägung zwischen der hinreichenden Integration des Einbürgerungsbewerbers mit dem einer solchen als Indiz entgegenstehenden strafrechtlichen Verfehlung gehe, habe die Einbürgerungsbehörde in Ausübung ihres Nichtberücksichtigungsermessens sämtliche Umstände, die einerseits die Straftat und ihre Begehung beträfen, als auch sämtliche Umstände, die die Integration des Einbürgerungsbewerbers beträfen, zu berücksichtigen. Daran fehle es hier in weitem Umfang. Die Behörden konstatierten allein eine positive Entwicklung in den letzten Jahren bzw. gingen davon aus, dass der Kläger seither nicht mehr straffällig geworden sei und für sich und seine Ehefrau aus eigenen Mitteln sorge. Dagegen fehlten sämtliche Umstände, die sich auf die Integration des Klägers in die hiesige Gesellschaft bezögen. Der Kläger sei als Christ in Deutschland als asylberechtigt anerkannt. Ein Widerrufsverfahren durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sei nicht ersichtlich. Er sei mit einer Unionsbürgerin verheiratet und daher zusätzlich freizügigkeitsberechtigt. Er sei mithin in der deutschen Gesellschaft fest verwurzelt und werde dieses Land nach Lage der Dinge nicht mehr verlassen müssen. Dann wären die Behörden aber verpflichtet gewesen, diese stark integrativen Umstände in die Ausübung ihres Nichtberücksichtigungsermessens einzustellen. Für die kommende Ermessensausübung gelte dies in besonderem Maße, soweit das vom Kläger und seiner Ehefrau erwartete Kind, das gemäß § 4 Abs. 3 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit erlangen werde, dann schon zur Welt gekommen sei. Denn der Umstand, dass dieses Kind dann als einziges Familienmitglied die deutsche Staatsangehörigkeit besitze, eine einheitliche Staatsangehörigkeit von Eltern und Kindern aber ausdrücklich auch von Art. 6 Abs. 1 GG erwünscht sei, werde von der Beklagten dann besonders zu berücksichtigen sein.

Fehlerhaft sei die Ermessensbetätigung der Behörden schließlich insoweit, als der Umstand der Eintragung der zugrunde liegenden strafrechtlichen Verurteilung im Bundeszentralregister und die hierbei nach dem BZRG eintretende Tilgungsreife erst in der ferneren Zukunft zu Unrecht als maßgebliches Ermessenskriterium (wenn nicht gar als allein ausschlaggebendes) fehlgewichtet worden sei. Die Annahme der Behörden, die strafrechtliche Verurteilung aus dem Jahre 1998 stehe einer Einbürgerung bis zur Tilgung im Bundeszentralregister entgegen, treffe so nicht zu. Aus dem Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG nach einer eingetretenen Tilgung folge gerade kein Verwertungsgebot bis zu diesem Zeitpunkt. Nach dieser Norm dürften die Tat und die Verurteilung dem Betroffenen im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwertet werden, wenn die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt worden sei oder wenn sie zu tilgen sei. Das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG markiere (auch) für Einbürgerungsverfahren grundsätzlich - von der vorliegend nicht einschlägigen Ausnahme des § 52 Abs. 1 Nr. 1 BZRG abgesehen - die äußerste zeitliche Grenze einer im Rechtsverkehr möglichen Verwertung. Eine Ermessensausübung, die den äußersten Rahmen aber als den Regelfall ansehe, wecke schon aus sich heraus Zweifel. Aus dem Verwertungsverbot lasse sich jedenfalls nicht - aufgrund eines Umkehrschlusses - auf die rechtlich gebotene Verwertbarkeit der Eintragung vor Ablauf der Tilgungsfrist schließen. Denn es könne nicht übersehen werden, dass die Tilgungsfristen in § 46 Abs. 1 BZRG äußerst pauschal gehalten seien und mit ihren Fünf-Jahres-Sprüngen auch vergleichsweise wenig Raum böten für eine Einzelfallbetrachtung. Dies möge für ein Registergesetz im Sinne einer Verwaltungspraktikabilität hinnehmbar sein. Wenn aber ein Einbürgerungsbewerber etwa die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) - c) BZRG nur geringfügig überschreite, sei es kaum zu rechtfertigen, ihm deshalb die Möglichkeit einer Einbürgerung statt für zehn Jahre, sogleich für fünfzehn Jahre (vgl. § 46 Abs. 1 Nr. 4 BZRG) zu versagen. Die Ausführung im Widerspruchsbescheid, das Strafmaß der Verurteilung, die 1998 gegen den Kläger ausgesprochen worden sei, übersteige die Bagatellgrenze nach § 12 a Abs. 1 Satz 1 StAG a. F. um mehr als das dreifache, lasse nicht erkennen, dass es der Behörde bewusst gewesen sei, dass insoweit eine zweistufige Ermessensbetätigung angezeigt gewesen sei. Die erste Frage sei, ob eine höhere Strafe i.S.v. § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG a.F. überhaupt beim grundsätzlichen Vorliegen eines Einbürgerungsanspruches nach § 10 Abs. 1 StAG a.F. berücksichtigt werden solle. Liege eine strafrechtliche Verurteilung nur ganz minimal über der Bagatellgrenze des Absatzes 1 Satz 1 der Norm, könne schon aus sich heraus die Ermessensbetätigung dazu führen, diese unberücksichtigt zu lassen. Dass die hier vorliegende strafrechtliche Verurteilung aus dem Jahr 1998 die Bagatellgrenze um mehr als das dreifache überschreite und damit grundsätzlich eine Berücksichtigung in Betracht komme, sei nur auf dieser ersten Ebene der Ermessensbetätigung zutreffend gewichtet worden. ln Anwendung von § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG a.F. habe die Behörde darüber hinaus aber zusätzlich zu prüfen, wie lange sie eine berücksichtigungsfähige Straftat berücksichtigen wolle. Insoweit sei dann der Umstand, wie deutlich die strafrechtliche Verurteilung über der Bagatellgrenze des Absatzes 1 Satz 1 der Norm liege, gerade nicht mehr von ausschlaggebender Bedeutung. Die verhängte Strafhöhe sowie alle weiteren Umstände der zugrunde liegenden Straftat seien nämlich nur insoweit von Interesse, als es um die Frage einer möglichen Wiederholungsgefahr weiterer Straftaten des Einbürgerungsbewerbers gehe. ln diesem Zusammenhang sei ein danach zurückgelegter langjähriger straffreier Lebensweg aber ebenso bedeutsam wie die Frage, welchen Zeitraum die "Kriminalitätsphase" des Ausländers insgesamt in seiner Biographie ausmache. Stelle sich die einer strafrechtlichen Verurteilung zugrunde liegende Straftat als eine im Verhältnis zur Gesamtlebensspanne des Einbürgerungsbewerbers "episodenhafte" Erscheinung dar, habe sie insbesondere zu einem Zeitpunkt stattgefunden, in dem die Persönlichkeitsentwicklung noch nicht völlig gefestigt gewesen sei, so komme eine ungleich kürzere zeitliche Berücksichtigung in Betracht, als in Fällen, in denen gänzlich andere Umstände zu konstatieren seien. Mit den Tilgungsfristen des BZRG habe dies nichts zu tun. Dabei sei auch zu berücksichtigen, inwieweit sich die Lebensumstände des Einbürgerungsbewerbers zwischenzeitlich von denen seiner vormaligen "Kriminalitätsphase" entfernt hätten. Seien - wie hier - insoweit gravierende Veränderungen zum Positiven eingetreten, müssten diese bei der vorzunehmenden zeitlichen Festlegung ebenfalls berücksichtigt werden. Zuletzt schließlich sei insoweit einzustellen, ob der Einbürgerungsbewerber eben erst die übrigen Einbürgerungsvoraussetzungen im Sinne des § 10 Abs. 1 StAG a.F. erfülle oder ob diese schon längere Zeit gegeben seien, was das öffentliche Interesse an einer Einbürgerung noch erhöhe. Der Kläger habe somit Anspruch darauf, dass der Beklagte sein Einbürgerungsbegehren nach §§ 10 Abs. 1, 12 a Abs. 1 S. 2 StAG a. F. unter Beachtung der oben dargestellten Erwägungen neu bescheide.

Das Urteil wurde dem Beklagten am 9. April 2009 zustellt.

Auf den vom Beklagten am 5. Mai 2009 gestellten und am 3. Juni 2009 begründeten Antrag hat der Senat durch Beschluss vom 16. Juli 2009 - dem Beklagten am 29.7.2009 zugestellt - die Berufung zugelassen.

Am 17. August 2009 hat der Beklagte die Berufung unter Stellung eines Antrags begründet. Zur Begründung hat er auf die Begründung des Zulassungsantrags Bezug genommen.

Da der Kläger wegen einer Straftat verurteilt worden sei, die nicht nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG a.F. außer Betracht zu bleiben habe, und diese Straftat nach dem Bundeszentralregistergesetz noch bis zum Jahre 2017 vorgehalten werden könne, habe der Kläger keinen Anspruch auf Einbürgerung, vielmehr sei im Ermessenswege darüber zu entscheiden gewesen, ob die Verurteilung vom 24. September 1998 außer Betracht bleibe. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei ohne Ermessensfehler diese Verurteilung nicht außer Betracht gelassen und die Einbürgerung abgelehnt worden.

Was zunächst die Frage betreffe, ob die Einbürgerung wegen gravierender Straftaten im öffentlichen Interesse liege, sei die Antwort durch die Systematik des Gesetzes vorgeprägt. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG a.F. normiere die Regel, während § 12a Abs. 1 Satz 2 StAG a.F. die Ausnahme bestimme. Wenn die Einbürgerungsbehörden dieses Regel-Ausnahmeverhältnis dahin gehend interpretierten, dass bei gravierenden strafgerichtlichen Verurteilungen die Einbürgerung nicht im öffentlichen Interesse liege und die Verurteilung zu einer höheren Strafe im Sinne des § 12a Abs. 1 Satz 2 StAG a.F. nur in begründeten Ausnahmefällen außer Betracht bleiben könne, so sei dies unbedenklich.

Nicht gefolgt werden könne dem Verwaltungsgericht, wenn es beanstande, dass bestimmte, für eine Integration sprechende Umstände nicht in die Ermessensentscheidung eingestellt worden seien. Die Tatsache, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge kein Widerrufsverfahren eingeleitete habe, sei nicht aussagekräftig und lasse keinen Schluss auf eine erfolgte Integration zu. Gleiches gelte für die Tatsache, dass der Kläger mit einer Unionsbürgerin verheiratet sei. Diesem Umstand werde namentlich im Rahmen des § 9 StAG Rechnung getragen. Der Einwand, dass die im Zeitpunkt der Behördenentscheidung noch ungewisse Geburt eines Kindes, das die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben werde, gewichtigen Einfluss auf die Ermessenentscheidung haben müsse, sei nicht schlüssig. Diese Auffassung lasse den Regelungsgehalt des § 4 Abs. 2 StAG unberücksichtigt. Denn diese Vorschrift intendiere geradezu eine unterschiedliche Staatsangehörigkeit, nehme sie jedenfalls als selbstverständlich hin. Deshalb könne es sich insoweit um keinen rechtlich relevanten Gesichtspunkt handeln, der im Rahmen der hier zu treffenden Ermessenentscheidung maßgeblich in die Wagschale falle.

Keinen Bedenke begegne, dass bei der Entscheidung von der nicht erfolgten Tilgung ausgegangen worden sei. Es sei zwar richtig, dass hieraus auf kein rechtliches Verwertungsgebot geschlossen werden könne. Gleichwohl komme der fehlenden Tilgungsreife bei der zu treffenden Ermessensentscheidung erhebliches Gewicht zu. Auch der Umstand, dass neue Straftaten zur Verlängerung der Fristen führten, decke sich durchaus mit den Zwecksetzungen des Staatsangehörigkeitsrechts, denn solche weitere Straftaten seien immerhin ein Anzeichen dafür, dass eine Einordnung des Einbürgerungsbewerbers in die hiesige Rechtsordnung noch nicht vollständig gelungen ist.

Nicht nachvollziehbar sei die Vorhaltung des Verwaltungsgerichts, der zweistufige Aufbau der Ermessensentscheidung sei verkannt worden. Sinn und Zweck dieser Abstufung blieben im Unklaren. Denn die maßgebliche Frage könne nur lauten, ob eine bestimmte Verurteilung im Zeitpunkt der Einbürgerung dem Anspruch entgegenstehe. Einer gedanklichen Trennung zwischen der grundsätzlichen Berücksichtigungsfähigkeit und ihrer aktuellen Relevanz bedürfe es nicht.

Auf die Frage, ob eine Wiederholungsgefahr bestehe, komme es nicht an. Vielmehr sei es unbedenklich, wenn sich die Einbürgerungsbehörden davon leiten ließen, dass bei gravierenden strafgerichtlichen Verurteilungen eine Einbürgerung nicht im öffentlichen Interesse liege, auch wenn keine Wiederholungsgefahr bestehe. Selbst wenn man aber die Feststellung einer Wiederholungsgefahr verlangen wollte, so wäre diese mit Rücksicht auf die Ende 2007 erfolgte Verurteilung ohnehin zu bejahen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 6. März 2009 - 11 K 349/08 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze vom 3. Juni 2009, 16. Juli 2009 und 10. August 2009 verwiesen.

Dem Senat lagen die Einbürgerungsakten des Landratsamts Ludwigsburg (Bl. 1-38), die Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums Stuttgart (Bl. 1- 8), die Ausländerakte der Stadt Bietigheim-Bissingen (Bl. 1-99), die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart (Bl. 1-99b), die Akten der Staatsanwaltschaft Heilbronn (12 Js 10620/98) sowie des Amtsgerichts Besigheim (6 Cs 64 Js 30301/07) vor.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zulässig. Insbesondere wurde sie mit der Bezugnahme auf die Begründung des Zulassungsantrags noch ausreichend begründet. Denn bereits die Begründung des Zulassungsantrags war weitgehend im Stile einer Berufungsbegründung gehalten, weshalb eine weitere Aufarbeitung und Durchdringung des Prozessstoffs nicht erforderlich war (vgl. etwa VGHBW, B.v. 26. Oktober 2000 - A 14 S 2235/00 - juris; Bader u.a., VwGO, 4. Aufl., § 124a Rdn. 121).

II. Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen.

Das Verwaltungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass auf das Einbürgerungsbegehren des Klägers mit Rücksicht auf die bereits am 19, Juni 2006 erfolgte Antragstellung § 12a Abs. 1 StAG in der bis zum 27. August 2007 geltenden Fassung anzuwenden ist (vgl. § 40c StAG). Die strafgerichtliche Verurteilung des Klägers durch das Amtsgericht Marbach vom 24. September 1998 konnte hiernach nicht nach § 12a Abs. 1 Satz 1 StAG a.F. außer Betracht bleiben. Die vom Beklagten daher nach § 12a Abs. 1 Satz 2 StAG a.F. getroffene Ermessensentscheidung ist - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - aber nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat, nachdem er nach Erlass des Widerspruchsbescheids von der schon vorher erfolgten Verurteilung durch das Amtsgericht Besigheim vom 10. Dezember 2007 Kenntnis erlangt hat, seine Ermessenserwägungen im Schriftsatz an das Verwaltungsgericht vom 16. Mai 2008 in zulässiger Weise ergänzt (vgl. § 114 Satz 2 VwGO) und dies auch noch einmal in der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Senat wiederholt.

In der Systematik des § 12a i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG a.F. kommt hinlänglich deutlich zu Ausdruck, dass immer dann, wenn eine die Schwelle des § 12a Satz 1 StAG a.F. übersteigende strafgerichtliche Verurteilung vorliegt, die Einbürgerung besonders begründungsbedürftig ist. Zwar wird durch die den Behörden eingeräumte Möglichkeit, im Ermessenswege von einer strafgerichtlichen Verurteilung abzusehen, nicht die Einbürgerung selbst zu einer umfassenden Ermessensentscheidung "herabgestuft" bzw. modifiziert (vgl. etwa Berlit, StAR, § 12a Rdn. 40). Davon ist auch der Beklagte nicht ausgegangen. Wenn jedoch nach Satz 2 eine Entscheidung vorgesehen ist, dass "im Einzelfall die Straftat außer Betracht bleiben kann", so wird entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts deutlich, dass dem Grundsatz nach solche Straftaten einbürgerungsschädlich sind. Insbesondere die Wendung des "Außerbetrachtbleibens" legt eine solche Sichtweise nahe (vgl. etwa BayVGH, B.v. 16. Juli 2008 - 5 ZB 08.840 - juris; Hailbronner, in: Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl., 2005, § 12a StAG Rdn. 6). Dies hat nichts mit der vom Verwaltungsgericht zu Recht verneinten Frage zu tun, ob hier etwa ein allgemeines und umfassendes Einbürgerungsermessen eingeräumt ist. Bei dieser rechtlichen Ausgangslage ist gegen die Erwägungen in den angegriffenen Bescheiden, wonach angesichts der erheblichen Überschreitung der Bagatellgrenzen des § 12a Satz 1 StAG a.F. eine Einbürgerung auch bei unterstellter fehlender Wiederholungsgefahr nicht im öffentlichen Interesse liege, nichts zu erinnern (vgl. auch Berlit, a.a.O., § 12a Rdn. 56). Abgesehen davon liegt mittlerweile eine weitere strafgerichtliche Verurteilung vom 10. Dezember 2007 vor, die hinlänglich deutlich macht, dass vom Kläger nach wie vor eine nicht nur abstrakte Gefahr der Begehung weiterer Straftaten ausgeht. Diese Straftat ist auch nach dem maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage, nämlich der mündlichen Verhandlung des Senats, noch zu berücksichtigen. Im Übrigen erfolgte die Verurteilung am 10. Dezember 2007 ohnehin noch kurz vor Erlass des Widerspruchsbescheids am 19. Dezember 2007. Das Verwaltungsgericht unterliegt einem grundsätzlichen Missverständnis des § 12a StAG a.F., wenn es pauschal darauf abstellt, diese strafgerichtliche Verurteilung sei mit Rücksicht auf die Strafhöhe von 50 Tagessätzen gänzlich irrelevant. Zwar kann die Verurteilung sicherlich nicht unmittelbar nach Satz 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG a.F. vorgehalten werden. Sie stellt aber ohne weiteres ein zulässiges Abwägungsmaterial für die nach Satz 2 zu treffende Ermessensentscheidung dar (vgl. etwa NiedersOVG, B.v. 26. Januar 2009 - 13 LA 166/08 - juris, das zu Recht auch strafrechtliche Ermittlungsverfahren, die eingestellt wurden, grundsätzlich als berücksichtigungsfähig ansieht, sofern die Einstellung nicht auf § 170 StPO beruhte; Berlit, a.a.O., § 12a Rdn. 48). Denn die dem Beklagten nach § 12a Abs. 1 Satz 2 StAG a.F. abverlangte Ermessensentscheidung hat, wie das Verwaltungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend hervorhebt, den Integrationsstand des Einbürgerungsbewerbers, namentlich besondere von ihm erbrachte Integrationsleistungen umfassend in den Blick zu nehmen und abwägend zu berücksichtigen (vgl. etwa Berlit, a.a.O., § 12a Rdn. 46 ff, insbes. 54; BayVGH, U. v. 6. Dezember 2005 - 5 BV 04.1561 - juris). Hierfür kann jedoch die Frage, ob die Betroffenen nach einer gem. § 12a Abs. 1 Satz 1 StAG nicht unbeachtlichen Verurteilung in der Folgezeit gänzlich straffrei geblieben sind oder nicht, von erheblicher Bedeutung sein. Die die Verurteilung vom 10. Dezember 2007 betreffenden Ausführungen des Beklagten im Schriftsatz vom 16. Mai 2008 an das Verwaltungsgericht tragen die Ablehnung der Einbürgerung bedenkenfrei. Unerheblich ist dabei, dass der neuerlichen Verurteilung kein besonders hervorgehobenes Gewicht zukommt. Dieses hat der Beklagte auch nicht unterstellt, zumal ihm auch aus dem Strafbefehl bekannt war, dass dem Kläger nur eine relativ geringe Summe des gesamten vorgefundenen Geldes zugeordnet werden konnte. Es kann auch im rechtlichen Ausgangspunkt im Übrigen nicht beanstandet werden, wenn im Widerspruchsbescheid - gewissermaßen im Vorgriff auf die hier unmittelbar noch nicht anzuwendenden verschärften Bestimmungen des § 12a Abs. 1 StAG a.F. - das Ermessen zusätzlich restriktiver ausgeübt wird.

Bei dieser neuen Sachlage bestand hiernach für den Beklagten gerade keine Veranlassung, den sonstigen privaten Belangen des Klägers von vornherein ein höheres oder gar ausschlaggebendes Gewicht beizumessen. Insbesondere gibt es nach der Rechtsprechung des Senats im Fall des Klägers keine Veranlassung, ausnahmsweise trotz nicht eingetretener Tilgungsreife die Verurteilung vom 24. September 1998 nicht mehr vorzuhalten (vgl. Senatsurteil v. 6. Mai 2009 - 13 S 2428/08 - juris). Denn die neuerliche Verurteilung vom 10. Dezember 2007 ist nicht etwa dafür verantwortlich, dass die frühere Verurteilung noch nicht zu tilgen ist. Vielmehr würde, wie im Widerspruchsbescheid zutreffend ausgeführt wird, die Tilgungsreife hinsichtlich der Verurteilung vom 24. September 1998 erst im Jahre 2014 eintreten, somit in 4 1/2 Jahren; die Tilgungsreife hätte daher auch nicht kurz bevorgestanden. Deshalb kann der Senat auch offen lassen, ob die Verurteilung zu 50 Tagessätzen wegen einer vorsätzlichen Tat durch den Strafbefehl vom 10. Dezember 2007 noch als eine nur geringfügige Tat anzusehen wäre, die als die Tilgung hindernd hinweggedacht werden könnte (vgl. hierzu nochmals Senatsurteil vom 6. Mai 2009 - 13 S 2428/08 -). Der im Klageverfahren vom Kläger erhobene Einwand, er habe mit den Taten nichts zu tun gehabt und von nichts gewusst, die Verurteilung habe nur auf einem "Deal" beruht, ist in keiner Weise plausibel. Zum einen leuchtet es nicht ein, dass jemand eine erhebliche Freiheitsstrafe auf sich nimmt, ohne schuldig zu sein, zumal im Beisein eines Verteidigers. Zum anderen wird in der Anklageschrift vom 3. Juni 1998 ausgeführt, dass der Kläger zwar in seiner ersten Vernehmung geleugnet habe, in den nachfolgenden Vernehmungen aber immer mehr zugegeben habe. In Anbetracht dessen kann ohne weiteres von der Richtigkeit der Verurteilung ausgegangen werden. Das in § 12a Abs. 1 Satz 2 StAG eröffnete Ermessen ist nicht dazu bestimmt, durch deutsche Strafgerichte erfolgte Verurteilungen umfassend auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Nur dann, wenn sich aufgrund eines substantiierten und detaillierten Vortrags Zweifel an der Richtigkeit aufdrängen und hiernach die Verurteilung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Unrecht erfolgt ist, muss die Behörde im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens diesem Umstand Rechnung tragen (vgl. auch Berlit, a.a.O., § 12a Rdn. 47).

Auch im Übrigen erweisen sich die Einwände des Verwaltungsgerichts gegen die (ursprünglichen) Ermessenserwägungen als nicht tragfähig. Es leuchtet zunächst schon nicht ein, weshalb die Tatsache, dass die Asyl- und Flüchtlingsanerkennung nicht widerrufen wurde und der Kläger mit einer Unionsbürgerin verheiratet ist, - ungeachtet der strafgerichtlichen Verurteilungen - Ausdruck einer in besonderem Maße erfolgten Integration sein soll. Diese beiden Umstände können zwar Grundlage und Voraussetzung einer Integration sein, diese jedoch nicht ersetzen. Ob eine Integration gelungen ist, erweist sich erst im konkreten Fall, wenn festgestellt werden kann, dass sich der Einbürgerungsbewerber u.a. auch konform mit der Strafrechtsordnung verhält; die Frage entscheidet sich jedoch nicht danach, ob ein Widerruf erfolgt ist oder nicht. Abgesehen davon ist nicht ersichtlich, dass dem Beklagten und dem Regierungspräsidium verborgen geblieben sein könnte, dass der Kläger anerkannter Asylbewerber ist. Dass er mit einer Unionsbürgerin verheiratet ist, wurde im Übrigen ebenso ausdrücklich im Ausgangsbescheid erwähnt wie - mit positiver Tendenz - der Umstand, dass er wirtschaftlich in der Lage ist, den Unterhalt für sich und seine Ehefrau zu erarbeiten. Der Beklagte hat all dies bei seiner von ihm geforderten umfassenden Abwägung gesehen und nicht von vornherein unzutreffend gewichtet, letztlich aber zulasten des Klägers die rechtlich mögliche Entscheidung, die strafgerichtliche Verurteilung nicht außer Betracht zu lassen, getroffen.

Was das mittlerweile geborene Kind betrifft, das die deutsche Staatsangehörigkeit hat, so weist der Beklagte zutreffend darauf hin, dass hier der maßgeblichen Vorschrift des § 4 Abs. 3 StAG keine hinreichend deutliche Wertung des Inhalts entnommen werden könne, dass diese eine einheitliche Staatsangehörigkeit der gesamten Familie intendiere und nach sich ziehen solle. Denn namentlich mit Rücksicht auf das Optionserfordernis mit Vollendung des 23. Lebensjahrs nach § 4 Abs. 1 StAG muss die weitere Entwicklung der staatsangehörigkeitsrechtlichen Verhältnisse in der Familie als offen angesehen werden, weshalb auch hiernach eine rechtliche Wertung in die eine oder andere Richtung nicht angelegt ist. Abgesehen davon trifft die Grundannahme des Verwaltungsgerichts nicht zu, da hier gar kein Fall einer herstellbaren familieneinheitlichen Staatsangehörigkeit vorliegt, denn die Ehefrau ist bulgarische Staatsangehörige.

Einen Ausnahmefall (vgl. Senatsurteil vom 6. Mai 2009 - 13 S 2428/08 - juris), der es rechtfertigen würde, der Straftat auch vor Tilgungsreife ein im Rahmen der Ermessensausübung von vornherein geringes bzw. überhaupt kein Gewicht mehr beizumessen, war, wie bereits ausgeführt, schon von Anfang an nicht gegeben. Ungeachtet der weiteren Verurteilung wäre auch ohne diese eine Tilgungsreife erst im Jahre 2014 eingetreten. Stand die Tilgungsreife somit nicht nahe bevor, so musste der Beklagte auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht ziehen, ausnahmsweise eine Straftat - von immerhin erheblichem Gesicht - unberücksichtigt zu lassen (vgl. Berlit, a.a.O., § 12a Rdn. 53).

Schließlich ist auch nicht ersichtlich, wie das Verwaltungsgericht zu der Annahme kommt, der bei Tatbegehung immerhin 23 Jahre alte Kläger sei in seiner Persönlichkeitsentwicklung noch nicht ausreichend gefestigt gewesen. Dem Urteil des Amtsgerichts Marbach und den Ausländerakten des Landratsamts lässt sich solches jedenfalls nicht entnehmen.

Die vom Verwaltungsgericht für richtig gehaltene zweistufige Ermessensbetätigung ist in der Vorschrift des § 12a Abs. 1 StAG a.F. nicht angelegt. Vielmehr kommt es allein auf eine Gewichtung der strafgerichtlichen Verurteilung(en) und eine umfassende Abwägung mit allen in den Blick zu nehmenden Belangen des Einbürgerungsbewerbers an. Dabei ist es dann denkbar, dass bei einer geringfügigen Überschreitung der Bagatellgrenze des § 12a Abs. 1 Satz 1 StaG a.F. in der noch nicht eingetretenen Tilgungsreife und damit in der strafgerichtlichen Verurteilung in Ansehung der Interessen des Einbürgerungsbewerbers im Ermessenswege kein Einbürgerungshindernis gesehen werden kann, nicht allerdings muss, wie das Verwaltungsgericht vermutlich auf der von ihm für richtig gehaltenen ersten Stufe annehmen will. Bei einer von dem Beklagten ohne Rechtsfehler zugrunde gelegten Überschreitung der Bagatellgrenze, die nach der alten Rechtslage im Übrigen relativ hoch lag, von mehr als das dem Dreifachen entspricht es aber einer nicht zu beanstandenden Ermessenbetätigung, wenn der Beklagte auch bei fehlender konkreter Wiederholungsgefahr und noch nicht eingetretener Tilgungsreife ein die Einbürgerung hinderndes entgegen stehendes öffentliches Interesse angenommen hat, sofern jedenfalls keine - hier nicht ersichtliche - völlig atypische Interessenlage des Einbürgerungsbewerbers gegeben ist.

III. Eine Ermessenseinbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG (alter wie neuer Fassung) scheidet gleichfalls aus. Es liegt ein Ausweisungsgrund vor, der, wie oben im Einzelnen ausgeführt, dem Kläger auch noch vorgehalten werden kann. Die Voraussetzung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. ist damit nicht erfüllt. Auch steht wegen der strafgerichtlichen Verurteilung § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG n.F. der Einbürgerung entgegen. Ein Fall besonderer Härte im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG n.F., der es zulassen würde, von der Verurteilung abzusehen, ist nicht ersichtlich. Die Vorschrift hat lediglich die Funktion, solchen Härten zu begegnen, die gerade durch die Versagung der Einbürgerung entstehen würden und die sich durch eine Einbürgerung vermeiden ließen (vgl. Senatsurteil v. 6. Mai 2009 - 13 S 2428.08 - juris; im gleichen Sinne VGH Kassel, Beschluss v. 21. Oktober 2008 - 5 A 1820.08.Z - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 11. Juni 2009 - 5 M 30.08 - juris). Dass eine Härte dieser Art vorliegen könnte, vermag der Senat nicht zu erkennen.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Ein Grund, die Revision zuzulassen, besteht nicht (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO).

Beschluss vom 9. Oktober 2009

Der Streitwert wird gem. § 63 Abs. 2 und § 52 Abs. 1 GKG auf 10.000,- EUR festgesetzt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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