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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 24.09.2008
Aktenzeichen: 13 S 1812/07
Rechtsgebiete: StAG


Vorschriften:

StAG § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4
StAG § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3
1. Zur Frage des Erwerbs der kosovarischen Staatsangehörigkeit bei Personen, die im Zeitpunkt der Unabhängigkeit ihren Wohnsitz nicht in dem Gebiet des neu gegründeten Staates Kosovo hatten und nicht beabsichtigen, jemals auf Dauer dorthin zurückzukehren.

2. Für männliche albanische Volkszugehörige, die aus dem Kosovo stammen, ihren Wehrdienst nicht abgeleistet haben und nicht im Besitz eines serbischen Reisepasses sind, besteht keine Möglichkeit, ihre reguläre Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG auf legale Weise und in zumutbarer Zeit zu erreichen.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

13 S 1812/07

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Einbürgerung

hat der 13. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 24. September 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 8. Dezember 2004 - 1 K 353/04 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt seine Einbürgerung.

Der am xxxxxxxxxxxxxxxxx in xxxxxxxxx geborene Kläger ist Staatsangehöriger von Serbien (früher: Serbien und Montenegro), möglicherweise mittlerweile (auch) der Republik Kosovo, und albanischer Volkszugehöriger. Mit Bescheid vom 16.7.1993 stellte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zu seinen Gunsten fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich der Bundesrepublik Jugoslawien vorlägen. Der Kläger war im Besitz eines am 21.12.1995 ausgestellten Reiseausweises nach Art. 28 der Genfer Flüchtlingskonvention. Am 5.11.2001 wurde ihm eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Seit dem 11.9.2008 besitzt er einen kosovarischen Reisepass.

Der Kläger beantragte unter dem 15.10.2002 seine Einbürgerung. Mit Schreiben vom 28.11.2003 teilte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit, dass es ein Widerrufsverfahren eingeleitet habe.

Auf die am 6.2.2004 erhobene Untätigkeitsklage des Klägers hin verpflichtete das Verwaltungsgericht Sigmaringen die Beklagte mit Urteil vom 8.12.2004 - 1 K 353/04 -, ihn einzubürgern. Zur Begründung führte es aus, der Kläger habe einen Einbürgerungsanspruch. Von der Voraussetzung des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AuslG sei abzusehen, wenn der Ausländer politisch Verfolgter i.S.v. § 51 AuslG sei. Der Kläger erfülle diese Voraussetzungen, da das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zu seinen Gunsten das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG festgestellt habe und dieser Bescheid bislang nicht widerrufen worden sei.

Der früher zuständige 12. Senat des erkennenden Gerichtshofs hat die Berufung auf Antrag der Beklagten mit Beschluss vom 16.8.2005 - 12 S 505/05 - zugelassen.

Mit der fristgerecht eingegangenen Berufungsbegründung trägt die Beklagte vor, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge habe die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (jetzt § 60 Abs. 1 AufenthG) mittlerweile widerrufen. Der Kläger habe hiergegen Klage erhoben. Das Einbürgerungsverfahren sei bis zur rechtkräftigen Entscheidung auszusetzen.

Mit Urteil vom 24.11.2005 - 12 S 1695/05 - hat der 12. Senat des erkennenden Gerichtshofs entschieden, der Kläger habe keinen Anspruch auf Einbürgerung; allerdings habe die Beklagte unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über den Antrag des Klägers auf Ermessenseinbürgerung zu entscheiden. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, der Kläger erfülle mit Ausnahme der Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit alle Voraussetzungen des Einbürgerungsanspruchs des § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG. Von der Einhaltung des § 10 Abs. 1 Nr. 4 StAG könne auch nicht nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StAG abgesehen werden. Danach sei eine Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit möglich, wenn der ausländische Staat die Entlassung regelmäßig verweigere und der Ausländer der zuständigen Behörde einen Entlassungsantrag zur Weiterleitung an den ausländischen Staat übergeben habe. Der Entlassungsantrag müsse den Voraussetzungen entsprechen, die im Recht des Heimatstaates für die Entlassung zwingend vorgeschrieben seien. Diesen Anforderungen entspreche der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers übersandte formlose Entlassungsantrag nicht. Die regelmäßige Verweigerung der Entlassung allein hinsichtlich bestimmter Personengruppen bzw. besonderer Kategorien von Staatsangehörigen genüge nicht. Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG werde auch dann abgesehen, wenn der ausländische Staat die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit aus Gründen versagt habe, die der Ausländer nicht zu vertreten habe, oder von unzumutbaren Bedingungen abhängig mache oder über den vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag nicht in angemessener Zeit entschieden habe. Die erste Fallgestaltung (Versagung der Entlassung) setze grundsätzlich eine einen vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag ablehnende schriftliche Entscheidung voraus. Auch die dritte Fallgestaltung des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG (Nichtbescheidung eines vollständigen und formgerechten Entlassungsantrages in angemessener Zeit) sei nicht erfüllt. Der Kläger könne sich auch nicht auf die zweite Fallgestaltung des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG (Koppelung der Entlassung an unzumutbare Bedingungen) berufen. Auf das Erfordernis eines ordnungsgemäßen Entlassungsantrages könne nicht verzichtet werden. Die Einleitung des Entlassungsverfahrens sei dem Kläger auch zumutbar. Dass er nach seinen Angaben nicht im Besitz eines gültigen Passes von Serbien und Montenegro sei, stehe dem nicht entgegen. Eine Ermessenseinbürgerung auf der Grundlage des § 8 StAG sei allerdings rechtlich nicht ausgeschlossen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 StAG lägen unstreitig vor. Der Grundsatz der Vermeidung der Mehrstaatigkeit finde (nur) im Rahmen der Ermessensbetätigung Berücksichtigung und könne mithin "überwunden" werden.

Das Verwaltungsgericht Sigmaringen hat mit (mittlerweile rechtskräftigem) Urteil vom 27.12.2005 die gegen den Widerrufsbescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge gerichtete Klage des Klägers abgewiesen.

Auf die Revision des Klägers gegen das Urteil der 12. Senats hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 3.5.2007 - 5 C 3.06 - die Sache mit folgender Begründung zurückverwiesen: Der ursprünglich geltend gemachte Ausnahmegrund nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StAG (Besitz eines Reiseausweises nach Art. 28 GFK) sei entfallen, nachdem die gegen den Widerrufsbescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge gerichtete Klage mittlerweile abgewiesen worden sei. Der Senat lasse dahingestellt, ob der Revision bereits auf der Grundlage des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StAG im Sinne einer Aufhebung und Zurückverweisung stattzugeben gewesen wäre. Auch ein unvollständiger oder formwidriger Antrag könne ausnahmsweise ausreichen, wenn es dem Entlassungsbewerber unzumutbar sei, zur Vervollständigung des Antrags erforderliche Dokumente beizubringen. Der Senat halte es zudem für erwägenswert, in Fällen, in denen eine große, nach staatsangehörigkeitsrechtlich an sich irrelevanten Kriterien wie der Volkszugehörigkeit bestimmte Personengruppe einem diskriminierenden Sonderregime unterworfen werde, für die Anwendung des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StAG nicht auf die Entlassungspraxis in Bezug auf die Gesamtheit aller Staatsangehöriger, sondern auf die einer diskriminierenden Sonderbehandlung unterworfene Teilgruppe abzustellen. Es verstoße jedenfalls gegen die zweite Alternative des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG, dass der Verwaltungsgerichtshof vom Kläger die Stellung eines formgerechten Entlassungsantrages verlange, ohne aufgeklärt zu haben, ob für ihn überhaupt die Möglichkeit bestehe, seine Entlassung aus der - nunmehr serbischen - Staatsangehörigkeit auf legale Weise und in zumutbarer Zeit zu erreichen. Das vom Verwaltungsgerichtshof bejahte Erfordernis der Stellung eines Entlassungsantrages sei für die Fallgestaltung der zweiten Alternative des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG nach dem Gesetzeswortlaut nicht vorgesehen und folge auch nicht aus der systematischen Stellung dieses Ausnahmegrundes. Die zweite Alternative erfasse die Entlassungsverweigerung bei - nach staatsangehörigkeitsrechtlich nicht anzuerkennenden Kriterien ethnischer Diskriminierung gebildeten - Untergruppen von Staatsangehörigen sowie weitere Fälle erkennbar aussichtsloser Anträge. Zwar beantworte sich die Frage, ob unzumutbare Entlassungsbedingungen gestellt würden, oft erst nach gestelltem Antrag. Dies rechtfertige es indes nicht, auch in solchen Fällen, in denen der negative Ausgang des Verfahrens absehbar sei bzw. nur durch Bestechung abgewendet werden könne, einen ordnungsgemäßen Entlassungsantrag zu verlangen. Da die im Zuge des Revisionsverfahrens vorgebrachten Fakten und die vom Verwaltungsgerichtshof nicht ausdrücklich ausgewerteten Akteninformationen vom Bundesverwaltungsgericht nicht selbst tatrichterlich geklärt werden könnten, sei eine Zurückverweisung geboten. Soweit der Verwaltungsgerichtshof dem Kläger, der im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen gültigen Pass besessen habe, auferlege, zunächst als Voraussetzung für den Passantrag beim Konsulat den erforderlichen Staatsangehörigkeitsnachweis zu beschaffen, bei dem "längere, unter Umständen mehrjährige Verfahrenszeiten" zu erwarten seien, könne dies für sich allein schon die Unzumutbarkeit begründen. Zu Recht gehe der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass die Ableistung der Wehrpflicht eine grundsätzlich zumutbare Entlassungsvoraussetzung bilde. Bei den aus dem Kosovo stammenden serbischen Staatsangehörigen albanischer Volkszugehörigkeit sei nach dem Erlass des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 10. März 2005 und einem Schreiben des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 3. Juni 2005 davon auszugehen, dass bei ihnen die Wehrpflicht zwar grundsätzlich bestehe, aber mangels Einberufung nicht erfüllt werden könne. Unter diesen Umständen sei vom Kläger die Durchführung eines förmlichen Entlassungsverfahrens zwecks Klärung des Bestehens seiner Wehrpflicht nicht zu verlangen. Einem Einbürgerungsbewerber sei auch nicht zuzumuten, den Verlust seiner bisherigen Staatsangehörigkeit mit Hilfe von Bestechung herbeizuführen. Der Senat könne schließlich nicht unter dem Gesichtspunkt einer Ermessensreduzierung (§ 8 StAG) ohne Zurückverweisung zu Gunsten des Klägers entscheiden. Der vom Kläger behauptete Folgenbeseitigungs- bzw. Herstellungsanspruch vermöge eine solche Ermessensreduzierung nicht zu bewirken. Allein der Umstand, dass ihm bei Antragstellung noch der Reiseausweis nach Art. 28 GFK zugestanden habe, der als Abwägungselement bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen sei, lasse eine Einbürgerung nicht als einzig richtige Ermessensentscheidung erscheinen, weil der Kläger nach den gesamten Umständen auf den Fortbestand seiner Anerkennung als politisch Verfolgter nicht habe vertrauen können.

Die Beklagte begründet ihre Berufung wie folgt: Im Zeitraum 2005 bis 2007 sei es 193 Serben albanischer Volkszugehörigkeit in Baden-Württemberg gelungen, ihre Entlassung aus dem serbischen Staatsverband zu erreichen. In dem genannten Zeitraum seien 244 Entlassungsanträge abgelehnt worden. Hierunter hätten sich 214 Personen befunden, die den Wehrdienst nicht abgeleistet hätten. Anhaltspunkte, die gegen die Richtigkeit dieser Meldung sprächen, seien nicht bekannt, eine Benennung der Namen und Anschriften der aus der Staatsangehörigkeit entlassenen Personen komme aus Datenschutzgründen nicht in Betracht. Wie viele der männlichen Kosovoalbaner, die in den Jahren 2005 bis 2007 aus der serbischen Staatsangehörigkeit entlassen worden seien, ihren Wehrdienst nicht abgeleistet hätten, sei nicht erhoben worden. Ob Personen im wehrpflichtigen Alter überhaupt wehrpflichtig gewesen seien und bereits ihren Wehrdienst abgeleistet hätten, sei unbekannt. Das Innenministerium gehe davon aus, dass serbische Staatsangehörige, die wehrpflichtig seien und ihren Wehrdienst nicht abgeleistet hätten, üblicherweise nicht entlassen würden. Soweit es sich dabei um albanische Volkszugehörige aus dem Kosovo handle, sei nach den Vorläufigen Anwendungshinweisen eine Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit vorzunehmen, sofern diese 1991 oder später ihre Heimat verlassen hätten. Das Innenministerium gehe davon aus, dass von den 193 männlichen Serben albanischer Volkszugehörigkeit die meisten, wenn nicht alle, entweder nicht wehrpflichtig gewesen seien oder ihren Wehrdienst bereits abgeleistet hätten, während in 214 Fällen die Entlassung aus Wehrdienstgründen abgelehnt worden sei. Bei einer Zahl von 407 beschiedenen Entlassungsanträgen kosovo-albanischer männlicher Personen in den Jahren 2005 bis 2007 könne die Behauptung der Gegenseite nicht bestätigt werden, Entlassungsverfahren könnten von diesem Personenkreis nicht betrieben werden. Aus Bayern sei bekannt, dass bei entsprechenden Bemühungen die Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit bzw. die Entscheidung über den Entlassungsantrag herbeigeführt werden könne. Bei den vorgelegten Entlassungsbescheinigungen bzw. Ablehnungen gestellter Entlassungsanträge handle es sich nicht um Fälschungen, da die Einbürgerungsbehörden angehalten seien, Entlassungsbescheinigungen vom serbischen Generalkonsulat bestätigen zu lassen, soweit sie nicht von diesem selbst ausgehändigt worden seien. Hin und wieder hätten Einbürgerungsbewerber berichtet, sie seien von Mitarbeitern des Generalkonsulats aufgefordert worden, zusätzliche Geldbeträge zu leisten. Konkrete Angaben seien jedoch trotz Aufforderung nie gemacht worden. Das serbische Generalkonsulat habe am 23.2.2007 mitgeteilt, dass es allein im Jahr 2006 über 7.000 Reisepässe für Serben kosovo-albanischer Abstammung ausgestellt habe. In diesem Jahr seien auch mehrere hundert Anträge auf Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit bearbeitet worden. Daneben seien etwa 10.000 Anträge auf Beschaffung von Dokumenten und Rekonstruktionsverfahren von Kosovoalbanern anhängig. Die deutsche Botschaft in Belgrad sei in das Entlassungsverfahren nicht eingebunden und könne daher nur allgemein berichten, wie entsprechende Urkunden in Serbien gekauft oder verfälscht werden könnten. Dies sei bei der Stellungnahme der deutschen Botschaft vom 6.4.2005 zu berücksichtigen, wonach Serben mit albanischer Volkszugehörigkeit von der Gewährung konsularischer Dienstleistungen seitens der serbischen Auslandsvertretungen de facto ausgeschlossen seien. Den Personen, die sich rechtzeitig nach Auslaufen ihrer jugoslawischen Ausweispapiere um die Ausstellung eines serbischen Passes bemüht hätten, sei es auch gelungen, in angemessener Zeit ihre Entlassung herbeizuführen. Einbürgerungsbewerber, die sich UNMIK-Papiere beschafft hätten, obwohl sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hätten, müssten erst ihre serbische Staatsangehörigkeit nachweisen und einen serbischen Pass besorgen. In diesen Fällen reiche der Zeitraum von zwei Jahren häufig nicht aus, um auch die Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit herbeizuführen.

Im Zuständigkeitsbereich der Beklagten hätten fünf männliche Serben albanischer Volkszugehörigkeit und eine weibliche Person ihre Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit erreicht. Bei vier männlichen Personen und einer weiblichen Person sei es gelungen, telefonischen Kontakt aufzunehmen. Zwei männliche Personen und eine weibliche Person hätten die Entlassung über Rechtsanwälte in Belgrad erreicht. Zwei männliche Personen hätten die Entlassung über das Generalkonsulat erreicht. Die Frage nach Beschleunigungs- oder Bestechungsgeldern sei stets verneint worden. Personen, die die Entlassung über das Generalkonsulat Stuttgart beantragt hätten, hätten in der Regel 1.000,-- + x EUR bezahlen müssen. Bei der Entlassung über einen Rechtsanwalt in Belgrad hätten im Durchschnitt 650,-- EUR beglichen werden müssen. Bestechungsgelder habe auch auf Nachfrage niemand erwähnt. Bezüglich der im Zuständigkeitsbereich der Beklagten erhobenen Zahlen sei mitzuteilen, dass keiner der hier Eingebürgerten seinen Wehrdienst abgeleistet habe. Es sei eine Bescheinigung vorgelegt worden, die vom serbischen Generalkonsulat als Fälschung identifiziert worden sei. Bis zur Unabhängigkeit sei das Kosovo integrativer Bestandteil Serbiens gewesen. Serbische Staatsangehörige albanischer Volkszugehörigkeit erhielten seit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo nach wie vor Pässe und Verlängerungen von Pässen. Das Generalkonsulat in Stuttgart sei besetzt und serbische Staatsangehörige mit albanischer Volkszugehörigkeit seien nicht von konsularischen Dienstleistungen ausgeschlossen.

Der Kläger selbst habe - wenn überhaupt - nur wenige Bemühungen um eine Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit nachgewiesen. Die Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit bzw. der Nachweis nachhaltiger vergeblicher Entlassungsbemühungen werde von allen serbischen Staatsangehörigen albanischer Volkszugehörigkeit aus dem Kosovo verlangt.

Nach Auskunft des Regierungspräsidiums Karlsruhe hätten betroffene albanische Volkszugehörige überwiegend berichtet, dass sie im serbischen Generalkonsulat Stuttgart - soweit sie überhaupt vorgelassen worden seien - sehr unfreundlich behandelt worden seien. Allerdings könne auch nicht gesagt werden, dass das Generalkonsulat seine konsularische Tätigkeit für albanische Volkszugehörige ganz eingestellt habe.

Die serbische Staatsangehörigkeit sei durch die von Deutschland anerkannte Unabhängigkeit des Kosovo nicht verloren gegangen, denn § 3 des kosovarischen Staatsangehörigkeitsgesetzes lasse die Mehrstaatigkeit ausdrücklich zu. Das serbische Generalkonsulat Stuttgart habe dem Innenministerium Baden-Württemberg unter dem 7.7.2008 mitgeteilt, dass nach der serbischen Verfassung das Kosovo Teil des Staatsgebiets sei und das Konsulat weiterhin allen seinen Staatsbürgern aus dem Kosovo für konsularisch-juristische Dienstleistungen wie z.B. für Entlassungen aus der serbischen Staatsangehörigkeit zur Verfügung stehe. Nach dem Wortlaut des § 29 des kosovarischen Staatsangehörigkeitsgesetzes spreche viel dafür, dass die Staatsangehörigkeit des Kosovo kraft Gesetzes erworben werde und die Eintragung in das Staatsangehörigkeitsverzeichnis lediglich deklaratorisch wirke. Ob sich dies in der Verwaltungspraxis der kosovarischen Behörden widerspiegeln werde, lasse sich derzeit - mangels funktionierender Behördenstruktur im Kosovo - weder vom Innenministerium Baden-Württemberg noch vom Bundesministerium des Innern vorhersagen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 8. Dezember 2004 - 1 K 353/04 - die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger macht geltend: Das Land Hessen habe mit Erlass vom 14.8.2007 verfügt, dass serbische Staatsangehörige mit albanischer Volkszugehörigkeit unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit einzubürgern seien. Die inzwischen gesammelten Erfahrungen hätten gezeigt, dass sie ihre Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit nicht in zumutbarer Weise erlangen könnten. Das Generalkonsulat des ehemaligen Serbien und Montenegro habe unter dem 17.10.2005 erklärt, Voraussetzung einer Entlassung aus der Staatsbürgerschaft sei die Erfüllung der Wehrpflicht. Soweit sich die Beklagte auf Entlassungen aus der serbischen Staatsangehörigkeit berufe, sei es keineswegs unwahrscheinlich, dass die Gewährung von Vorteilen an serbische Amtsträger unabdingbare Voraussetzung für die Entlassung sei. Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht habe die Vertreterin des Bundesinteresses dargelegt, dass serbische Rechtsanwälte und serbische Behörden zahllose Urkundsdelikte begingen. Bescheinigungen über Entlassungen aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit wiesen eine Fälschungsquote von 75% auf. Es sei keineswegs ausgeschlossen, dass die serbischen Auslandsvertretungen oder die Behörden im Heimatstaat Fälschungen nicht erkennen könnten oder wollten. Soweit sich die Beklagte darauf berufe, nach telefonischer Auskunft hätten Eingebürgerte keine Bestechungsgelder zahlen müssen, sei darauf hinzuweisen, dass diesen weder eine Unterscheidung zwischen Gebühren und Bestechungsgeldern möglich sei noch dass ihnen überhaupt bewusst sei, dass zwischen beidem differenziert werden könne. Weiter sei nicht klar, ob es sich bei den von der Beklagten genannten Fällen überhaupt um Kosovaren gehandelt habe. Nach den Vorläufigen Anwendungshinweisen des baden-württembergischen Innenministeriums könne es als unzumutbare Bedingung angesehen werden, wenn die Entlassung von Einbürgerungsbewerbern aus der ehemaligen Bundesrepublik Jugoslawien von der Leistung des Wehrdienstes abhängig gemacht werde und es sich um einen aus dem Kosovo stammenden Einbürgerungsbewerber albanischer Volkszugehörigkeit handle.

Seine serbische Staatsangehörigkeit sei mit der von Deutschland anerkannten Unabhängigkeitserklärung der Republik Kosovo vom 17.2.2008 untergegangen. Auf dem Gebiet der "Sozialistischen Republik Serbien" seien zwei Nachfolgestaaten entstanden, und zwar die Republik Serbien und die Republik Kosovo. Die Ausstellung von serbischen Reisepässen an Kosovaren entspreche einer völkerrechtswidrigen Inanspruchnahme fremder Staatsangehöriger als Staatsangehörige einer Annexions- oder Besatzungsmacht.

Nach § 29 des kosovarischen Staatsangehörigkeitsgesetzes würden Personen, die am 1.1.1998 ihren ständigen Wohnsitz im Kosovo gehabt hätten oder Abkömmlinge solcher Personen seien, ohne weiteres Staatsangehörige des Kosovo und seien als solche in das Staatsangehörigkeitsverzeichnis einzutragen. Eine Entlassung aus der kosovarischen Staatsangehörigkeit sei praktisch auf absehbare Zeit nicht möglich. Verfahren und Behörden müssten erst noch eingerichtet werden.

Auf Anfrage des Berichterstatters hat das Hessische Ministerium des Innern und für Sport unter dem 13.12.2007 mitgeteilt, am 26.6.2007 sei bei den hessischen Einbürgerungsbehörden angefragt worden, wie viele serbische Einbürgerungsbewerber mit albanischer Volkszugehörigkeit seit dem 26.7.2006 die Entlassung aus ihrer Staatsangehörigkeit erhalten hätten. Die Umfrage habe ergeben, dass in diesem Zeitraum keine Entlassungsbestätigungen eingegangen seien. Es seien lediglich zwei "Beschlüsse" vorgelegt worden, die schon prima facie den Eindruck der Fälschung erweckt hätten. Als Anlage wurde ein Bericht der Botschaft Belgrad vom 6.12.2006 vorgelegt. Darin wird ausgeführt, die Botschaft sei am Verfahren der Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit nicht unmittelbar beteiligt und verfüge insofern nur in eingeschränktem Maß über eigene Erfahrungen. Angesichts der der Botschaft bekannten hohen Zahl ge- und verfälschter wie auch echter, aber inhaltlich unrichtiger serbischer Urkunden hege die Botschaft gewisse Zweifel, ob vorgelegte Entlassungsurkunden von kosovo-albanischen Serben tatsächlich echt bzw. inhaltlich richtig seien. Auf Nachfrage der Botschaft seien die serbischen Behörden nicht bereit gewesen, konkrete Zahlen zu den in letzter Zeit aus der Staatsangehörigkeit Entlassenen zu nennen. Der Botschaft seien nur sehr wenige Fälle bekannt, in denen die Entlassung erfolgreich und innerhalb angemessener Zeit betrieben worden sei.

Das Bundesministerium des Innern hat unter dem 14.5.2008 auf Anfrage des Berichterstatters ein Fernschreiben der Botschaft Belgrad vom 15.4.2005 vorgelegt. Darin wird ausgeführt, das "RK-Referat" der Botschaft habe für den Zeitraum April 2004 bis März 2005 die im Rahmen diverser konsularischer Amtshandlungen vorgelegten Dokumente überprüft. Bescheinigungen über die Entlassung aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit wiesen eine Fälschungsquote von 75% auf. In dieser - zum Teil wegen geringer Fallzahl nicht wissenschaftlich repräsentativen - Statistik seien authentische Urkunden unwahren Inhalts nicht erfasst. Tatsächlich seien indes nach Erfahrung der Botschaft aufgrund persönlicher Beziehungen oder gegen Entgelt faktisch von allen Behörden des Landes Urkunden beliebigen Inhalts zu erlangen. Das regelmäßige Auftreten charakteristischer Fälschungsmerkmale und die nicht selten bemerkenswerte Qualität der Fälschungen deuteten auf die Existenz organisierter Fälscherringe hin. In bestimmten Fällen liege die Vermutung nahe, dass die Verwender gefälschte Urkunden in gutem Glauben an deren zumindest formale Echtheit vorlegten. Dies gelte insbesondere für die hohe Zahl gefälschter Entlassungsbescheinigungen. Tatsächlich sei eine reguläre Entlassung aus dem serbisch-montenegrinischen Staatsverband mit hohem Zeit- und Finanzaufwand verbunden. Ethnische Albaner hätten wegen systematischer Diskriminierung durch die beteiligten Behörden einschließlich der Auslandsvertretungen in Deutschland de facto keine Möglichkeit, eine reguläre Entlassung zu erreichen. Sie wendeten sich deshalb nicht selten an dubiose Vermittler, die ihnen gegen Entgelt eine unbürokratische Lösung in Aussicht stellten. Ob dies durch Bestechung von Amtsträgern und damit Erlangung einer authentischen Urkunde oder schlicht durch Aushändigung einer Fälschung geschehe, hänge von der Seriosität des Vermittlers ab.

Laut Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 17.3.2008 an das Verwaltungsgericht Münster nehme derzeit keine diplomatische Vertretung in Deutschland die konsularischen Belange der kosovarischen Staatsangehörigen bis zur Eröffnung einer kosovarischen Vertretung wahr.

Auf Anfrage des Berichterstatters hat das Auswärtige Amt unter dem 7.8.2008 Auszüge aus den "Ergebnisniederschriften der Besprechung von Staatsangehörigkeits- und Einbürgerungsfragen" aus den Jahren 2003 bis 2008 übersandt. In der Niederschrift über die Besprechung vom 8./9.5.2006 wird ausgeführt, nach Angaben des Vertreters Bayerns sei beabsichtigt, bei Kosovoalbanern nach Durchführung eines Verfahrens zur Entlassung aus der serbischen bzw. montenegrinischen Staatsangehörigkeit Mehrstaatigkeit in den Fällen hinzunehmen, in denen die Ableistung des Wehrdienstes verlangt würde. Der Vertreter Baden-Württembergs habe mitgeteilt, dass 115 Fälle bekannt seien, in denen Kosovoalbaner aus der serbischen bzw. montenegrinischen Staatsangehörigkeit entlassen worden seien. Die Entlassungsverfahren würden mindestens ein Jahr dauern. Daneben habe es auch Fälle gegeben, in denen offensichtlich gefälschte Entlassungsbescheinigungen vorgelegt worden seien. In der Niederschrift über die Besprechung vom 26./27.5.2008 heißt es, nach § 29 des kosovarischen Staatsangehörigkeitsgesetzes sollten diejenigen kosovarische Staatsangehörige sein, die am 1.1.1998 jugoslawische Staatsangehörige gewesen seien und an diesem Tag ihren ständigen Wohnsitz im Kosovo gehabt hätten. Dies gelte auch für Kinder dieser Personen. Die Eintragung in das Staatsangehörigkeitsverzeichnis solle auf Antrag dessen, der diese Voraussetzungen erfülle, wirksam werden. Hierbei scheine es sich lediglich um ein Geltendmachen der bereits automatisch kraft Gesetzes erworbenen kosovarischen Staatsangehörigkeit zu handeln. Nach § 3 des kosovarischen Staatsangehörigkeitsgesetzes sei Mehrstaatigkeit ausdrücklich zugelassen. Kosovarische Staatsangehörige dürften von Serbien weiterhin als serbische Staatsangehörige angesehen werden. Die Probleme bei der Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit dürften fortbestehen. Es solle über das Auswärtige Amt ermittelt werden, ob und inwieweit schon handlungsfähige kosovarische Behörden existierten, bei denen staatsangehörigkeitsrechtliche Verfahren durchgeführt werden könnten.

Dem Senat liegen die einschlägigen Einbürgerungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Sigmaringen (1 K 353/04) vor.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg, weil die Klage begründet ist. Der Kläger hat einen Anspruch darauf, unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit eingebürgert zu werden (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Dass die sonstigen Voraussetzungen für eine Anspruchseinbürgerung nach § 10 Abs. 1 StAG erfüllt sind, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Der Senat hat keinen Anlass, hieran zu zweifeln.

Grundsätzlich setzt eine Anspruchseinbürgerung voraus, dass Ausländer seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG). Eine Einbürgerung unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit ist ausnahmsweise unter anderem dann möglich, wenn der ausländische Staat die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit aus Gründen versagt hat, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, oder von unzumutbaren Bedingungen abhängig macht oder über den vollständigen und formgerechten Entlassungsantrag nicht in angemessener Zeit entschieden hat (§ 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG).

Hier ist jedenfalls die zweite Fallgestaltung (unzumutbare Bedingungen für eine Entlassung) des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG gegeben. Sie scheidet nicht bereits deshalb aus, weil es an der Einleitung eines Entlassungsverfahrens fehlt (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 3.5.2007 - 5 C 3/06 -, BVerwGE 129, 20 = NVwZ 2007, 931; anders noch der 12. Senat des erkennenden Gerichtshofs, Urteil vom 24.11.2005 - 12 S 1695/05 -, InfAuslR 2006, 230). Das Erfordernis eines Entlassungsantrages ist für diese Fallgestaltung nach dem Gesetzeswortlaut nicht vorgesehen und folgt auch nicht aus der systematischen Stellung dieses Ausnahmegrundes. Die Gesetzesbegründung zur Vorläuferregelung in § 87 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AuslG (BTDrucks 14/533, 19) rechtfertigt keine andere Beurteilung. Wenn es dort heißt, diese Bestimmung betreffe "hauptsächlich Fälle, in denen ein Entlassungsantrag gestellt wird, das Entlassungsverfahren aber im Einzelfall scheitert", erhellt dies, dass der Gesetzgeber auch andere Fallgruppen vor Augen hatte.

Die hier einschlägige zweite Alternative erfasst - wie das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) entschieden hat - unter anderem die Fallgruppe der generellen Entlassungsverweigerung bei Untergruppen von Staatsangehörigen, die nach staatsangehörigkeitsrechtlich nicht anzuerkennenden Kriterien ethnischer Diskriminierung gebildet werden, soweit diese nicht bereits § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StAG unterfallen sollten, sowie weitere Fälle erkennbar aussichtsloser Anträge. Zwar lässt sich die Frage, ob unzumutbare Entlassungsbedingungen gestellt werden, in einer Reihe von Fällen erst im Verfahren nach gestelltem Antrag sinnvoll beantworten. Dies rechtfertigt indes nicht, auch in solchen Fällen, in denen der negative Ausgang des Verfahrens absehbar ist, einen ordnungsgemäßen Entlassungsantrag zu verlangen (vgl. BVerwG, a.a.O.). Hier ist dem Kläger nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat weder die Entlassung aus einer (möglichen) kosovarischen (1.) noch aus der serbischen (2.) Staatsangehörigkeit in zumutbarer Weise möglich.

1. Der Kläger kann aus einer (möglicherweise erworbenen) kosovarischen Staatsangehörigkeit (a) jedenfalls nicht in zumutbarer Weise entlassen werden (b).

a) Die Republik Kosovo hat in § 29 ihres Staatsangehörigkeitsgesetzes geregelt, dass unter anderem die direkten Abkömmlinge derjenigen, die am 1.1.1998 jugoslawische Staatsangehörige gewesen sind und ihren Wohnsitz im Kosovo hatten, kosovarische Staatsangehörige sind (Abs. 1 i.V.m. Abs. 2). Die Eintragung in das Staatsangehörigkeitsverzeichnis wird auf Antrag des Betroffenen wirksam (Abs. 3).

Der Wortlaut des § 29 des Staatsangehörigkeitsgesetzes der Republik Kosovo scheint darauf hinzudeuten, dass die Eintragung in das Staatsangehörigkeitsverzeichnis nicht konstitutiv ist, sondern dass es sich lediglich um die deklaratorische Eintragung einer bereits kraft Gesetzes erworbenen Staatsangehörigkeit handeln soll (ebenso der Vertreter des BMI in der "Besprechung von Staatsangehörigkeits- und Einbürgerungsfragen" vom 26./27.5.2008; BAMF, Entscheidungen Asyl 8/2008 "Kosovo: Staatsbürgerschaft"). Dafür spricht auch, dass die kosovarischen Behörden den Kläger offenkundig als kosovarischen Staatsangehörigen ansehen, denn sie haben ihm am 11.9.2008 einen Reisepass ausgestellt.

Allerdings ist umstritten, ob eine automatische Erstreckung der Staatsangehörigkeit auf Personen wie den Kläger völkerrechtlich überhaupt zulässig ist. Das Ermessen eines Staates, im Falle einer einseitigen Sezession zu bestimmen, welche ehemaligen Angehörigen des Vorgängerstaates seine Staatsangehörigkeit erlangen sollen, ist nämlich durch die allgemeinen Regeln des Völkerrechts begrenzt (s. auch Art. 25 GG). Danach setzt die Inanspruchnahme von Personen als eigene Staatsangehörige voraus, dass zwischen diesen und dem Staat eine nähere tatsächliche Beziehung ("genuine connection") besteht. Ob eine solche enge Beziehung zur Republik Kosovo bei Personen noch besteht, die wie der Kläger im Zeitpunkt der Unabhängigkeit ihren Wohnsitz nicht in dem Gebiet des neu gegründeten Staates hatten, sondern seit mehr als fünfzehn Jahren ihren Lebensmittelpunkt in der Bundesrepublik Deutschland haben, und - wie durch den Einbürgerungsantrag belegt ist - nicht beabsichtigen, jemals auf Dauer in den Kosovo zurückzukehren, ist zumindest fraglich. Die automatische Einbeziehung könnte in diesen Fällen sowohl die Personalhoheit des Vorgängerstaates als auch das im modernen Völkerrecht anerkannte Recht des Individuums, nicht ohne seinen Willen einer neuen Staatsangehörigkeit unterworfen zu werden, verletzen (vgl. Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht Bd. I/2, 2. Aufl. 2003, S. 45 ff. und 64 ff.; Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl., Grundlagen Teil E, insbes. Rn. 44; Blumenwitz (2003) in Staudinger, Anh. I zu Art. 5 EGBGB, Rn. 42 ff.; VG Stuttgart, Urteil vom 26.11.2007 - 11 K 3108/06 -, juris).

b) Letztlich kann man diese Frage aber offenlassen. Selbst wenn man nämlich davon ausgeht, dass der Kläger kosovarischer Staatsangehöriger geworden ist, ist es ihm jedenfalls derzeit nicht in zumutbarer Weise möglich, aus dieser Staatsangehörigkeit entlassen zu lassen. Zwar regelt § 17 des kosovarischen Staatsangehörigkeitsgesetzes die inhaltlichen Voraussetzungen für eine Entlassung aus der kosovarischen Staatsangehörigkeit, und nach § 23 Abs. 3 des kosovarischen Staatsangehörigkeitsgesetzes können außerhalb des Kosovo wohnende Personen den Antrag auf Entlassung bei der nächsten Botschaft oder dem nächsten Konsulat einreichen, von welcher der Antrag an die zuständige Stelle weitergeleitet wird. Es ist indes nicht ersichtlich, welche Behörde für eine Entlassung aus der kosovarischen Staatsangehörigkeit letztlich zuständig ist. Die Verwaltungsstrukturen im Kosovo sind erst im Aufbau begriffen. Zwar werden mittlerweile wohl schon die ersten Reisepässe ausgestellt (BAMF, Informationszentrum Asyl, Briefing Notes vom 4.8. und vom 28.7.2008); außerdem sind nunmehr Botschafter u.a. auch für Deutschland ernannt worden (BAMF, Informationszentrum Asyl, Briefing Notes vom 1.9.2008). Es existiert aber zur Zeit nach den vorliegenden Erkenntnissen noch keine Botschaft und kein Konsulat der Republik Kosovo in Deutschland und seinen Nachbarländern. Es liegen auch keine Informationen darüber vor, wonach es im Kosovo Behörden geben könnte, die derzeit einen Entlassungsantrag bearbeiten dürften und könnten. Auch wohl erforderliche Regelungen über die Einzelheiten des Verfahrens liegen - soweit ersichtlich - nicht vor. Wann funktionsfähige kosovarische Behörden und Verfahrensvorschriften für ein Entlassungsverfahren vorhanden sein werden, ist derzeit nicht konkret absehbar.

Vor diesem Hintergrund ist es dem Kläger in seiner individuellen Situation nicht zumutbar, weiter abzuwarten, bis geklärt sein wird, ob und unter welchen Bedingungen er seine Entlassung aus der kosovarischen Staatsangehörigkeit erreichen kann. Bei der Frage der Zumutbarkeit ist nicht nur die objektive Lage, sondern auch die persönliche Situation des jeweiligen Einbürgerungsbewerbers zu berücksichtigen. Hier fällt zugunsten des Klägers erheblich ins Gewicht, dass er bereits 2002 seinen Einbürgerungsantrag gestellt hat und sein Einbürgerungsverfahren aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, bereits seit langem anhängig ist. Daher kann von ihm nicht verlangt werden, weiter zuzuwarten, bis der Aufbau der kosovarischen Verwaltung so weit abgeschlossen ist, dass ein Entlassungsverfahren bearbeitet werden kann und die konkret erforderlichen Voraussetzungen für eine Entlassung definitiv geklärt sind.

2. Für den Kläger besteht nach der Überzeugung des Senats auch keine Möglichkeit, seine reguläre Entlassung aus der - nach wie vor bestehenden (a) - serbischen Staatsangehörigkeit auf legale Weise und in zumutbarer Zeit zu erreichen (b).

a) Der Senat geht nicht davon aus, dass die serbische Staatsangehörigkeit des Klägers durch die Unabhängigkeit des Kosovo "automatisch" untergegangen ist (a.A. ohne nähere Begr. VG Göttingen, Urteil vom 21.5.2008 - 1 A 390/07 -, juris). Dabei kann auch hier dahinstehen, ob der Kläger überhaupt wirksam und in Einklang mit völkerrechtlichen Grundsätzen die kosovarische Staatsangehörigkeit erworben hat (s. oben unter 1.a). Denn § 3 des kosovarischen Staatsangehörigkeitsgesetzes erkennt die Mehrstaatigkeit ausdrücklich an. Die Republik Kosovo misst damit dem Grundsatz der Vermeidung der Mehrstaatigkeit keinen derartigen Rang zu, dass eine weitere Staatsangehörigkeit dem Erwerb ihrer Staatsangehörigkeit entgegenstehen könnte. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, weshalb das Fortbestehen der serbischen Staatsangehörigkeit von Personen wie dem Kläger, die sich im Zeitpunkt der Unabhängigkeit dauerhaft außerhalb des Kosovo aufgehalten haben, einen völkerrechtswidrigen Eingriff in die Souveränität der Republik Kosovo darstellen sollte.

b) Dem Kläger ist es nicht möglich, seine reguläre Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit auf legale Weise und in zumutbarer Zeit zu erreichen. Auf Grund der Praxis ethnischer Diskriminierung albanischer Volkszugehöriger aus dem Kosovo durch serbische Behörden wäre absehbar, dass ein Antrag auf Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit entweder keinen Erfolg in zumutbarer Zeit hätte oder dass dieser nur durch Bestechung erreicht werden könnte.

Schon allgemein betrachtet ist die Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit für den Kläger als albanischen Volkszugehörigen aus dem Kosovo unzumutbar. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, dass er nach wie vor nicht im Besitz eines serbischen Passes ist. Der Senat hat keinen Anlass, hieran zu zweifeln. In diesem Fall müsste er vor Durchführung des eigentlichen Entlassungsverfahrens zunächst seine serbische Staatsangehörigkeit nachweisen können. Denn wie sich aus dem Erlass des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 10.3.2003 sowie aus dem Protokoll vom 15.11.2004 ergibt, leitet das Generalkonsulat Stuttgart ein Entlassungsverfahren ohne einen gültigen Pass nicht ein. Nach einem vom Innenministerium Baden-Württemberg vorgelegten Merkblatt des Generalkonsulats Stuttgart ist u.a. Voraussetzung für die Ausstellung eines Reisepasses, dass ein aktueller Staatsangehörigkeitsnachweis vom Kläger beschafft wird. Erst wenn dieser vorliegt - das Innenministerium spricht im Protokoll vom 15.11.2004 selbst von längeren, unter Umständen mehrjährigen Verfahrenszeiten - kann ein Reisepass beantragt werden. Zwar ist die Vorlage eines Staatsangehörigkeitsnachweises als solche nicht von vornherein unzumutbar. Dass die Behörden des Herkunftsstaates den Einbürgerungsbewerber auffordern, zunächst seine pass- oder personenstandsrechtlichen Angelegenheiten zu ordnen, stellt grundsätzlich keine unzumutbare Bedingung dar (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 15.11.2002 auf die mündliche Verhandlung vom 13.11.2002 - 13 S 810/02 -). Ist indes wie hier den Betroffenen aus von ihnen nicht zu vertretenden Gründen die Beibringung der erforderlichen Unterlagen in absehbarer Zeit nicht möglich, sind die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 2. Fallgestaltung StAG erfüllt. Die Beklagte weist selbst darauf hin, dass ein Zeitraum von zwei Jahren oft nicht genüge, wenn ein Einbürgerungsbewerber erst seine serbische Staatsangehörigkeit nachweisen und einen serbischen Pass besorgen müsse. Mehrjährige Verfahrenslaufzeiten begründen für sich allein schon die Unzumutbarkeit. Dass die Ordnung der personenstandsrechtlichen Angelegenheiten keine - abstrakt - unzumutbare Entlassungsbedingung bildet, setzt voraus, dass der Einbürgerungsbewerber eine realistische Chance hat, diese Entlassungsvoraussetzung unter zumutbaren Bedingungen in angemessener Zeit erfüllen zu können (vgl. BVerwG, a.a.O.).

Für eine Unzumutbarkeit sprechen auch die Erkenntnisse mehrerer Bundesländer. Auf Anfrage des Berichterstatters teilte das Hessische Ministerium des Innern und für Sport unter dem 13.12.2007 mit, am 26.6.2007 sei bei den hessischen Einbürgerungsbehörden angefragt worden, wie viele serbische Einbürgerungsbewerber mit albanischer Volkszugehörigkeit seit dem 26.7.2006 die Entlassung aus ihrer Staatsangehörigkeit erhalten hätten. Die Umfrage habe ergeben, dass in diesem Zeitraum keine Entlassungsbestätigungen eingegangen seien. Es seien lediglich zwei "Beschlüsse" vorgelegt worden, die schon prima facie den Eindruck der Fälschung erweckt hätten. Auch Niedersachsen (Erlass des Ministeriums für Inneres und Sport vom 3.6.2005) und Nordrhein-Westfalen (vgl. die am 2.12.2005 erfolgte Ergänzung des Runderlasses des Innenministeriums vom 21.6.2005) gehen von einer Unzumutbarkeit aus.

Weiter ist zu berücksichtigen, dass es dem Kläger wohl nicht möglich ist, sich persönlich um die Beschaffung der erforderlichen Unterlagen zu kümmern. Die Personenstandsregister aus dem Kosovo sind nach Serbien ausgelagert worden. Ohne serbischen Reisepass hat der Kläger aber keine Möglichkeit, sich persönlich nach Serbien zu begeben, um dort die erforderlichen Unterlagen zu besorgen (vgl. bereits Senatsurteil vom 15.11.2002 auf die mündliche Verhandlung vom 13.11.2002, a.a.O.). Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben hat, die für die Passausstellung zuständige kosovarische Behörde habe Unterlagen zur Verfügung gehabt, die dort als Nachweis seiner Identität ausgereicht hätten, ist nicht klar, um welche Dokumente es sich hierbei genau gehandelt hat; es bedeutet zudem nicht, dass auch serbische Behörden diese Unterlagen anerkennen würden.

Auch ob der Kläger als albanischer Volkszugehöriger aus dem Kosovo Zugang zu Dienstleistungen der serbischen Auslandsvertretungen hat, ist äußerst fraglich. Verschiedene Auskünfte deuten darauf hin, dass dies nicht der Fall ist (Botschaftsbereicht der Botschaft Belgrad vom 6.4. und vom 6.6.2005; BAMF, Informationszentrum Asyl und Migration vom 10.3.2008). Laut Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 17.3.2008 an das Verwaltungsgericht Münster nimmt derzeit keine diplomatische Vertretung in Deutschland die konsularischen Belange der kosovarischen Staatsangehörigen bis zur Eröffnung einer kosovarischen Vertretung wahr. Die Deutsche Botschaft Belgrad geht hierbei davon aus, dass es sich nicht um Einzelfälle, sondern um eine systematische kriminelle Kollusion zwischen den Auslandsvertretungen und "dubiosen" serbischen Rechtsanwälten handelt. Dem hält indes die Beklagte entgegen, das serbische Generalkonsulat Stuttgart habe dem Innenministerium Baden-Württemberg unter dem 7.7.2008 mitgeteilt, dass nach der serbischen Verfassung das Kosovo Teil des Staatsgebiets sei und das Konsulat weiterhin allen seinen Staatsbürgern aus dem Kosovo für konsularisch-juristische Dienstleistungen wie z.B. für Entlassungen aus der serbischen Staatsangehörigkeit zur Verfügung stehe. Diese Angabe beruht allerdings nur auf wenigen Referenzfällen, von denen der Kläger unwidersprochen behauptet, aus den vorgelegten Dokumenten gehe hervor, dass es sich um Roma und nicht um albanische Volkszugehörige gehandelt habe. Die Beklagte hat zudem auch mitgeteilt, nach Auskunft des Regierungspräsidiums Karlsruhe hätten betroffene albanische Volkszugehörige überwiegend berichtet, dass sie im serbischen Generalkonsulat Stuttgart - soweit sie überhaupt vorgelassen worden seien - sehr unfreundlich behandelt worden seien; allerdings könne auch nicht gesagt werden, dass das Generalkonsulat seine konsularische Tätigkeit für albanische Volkszugehörige ganz eingestellt habe. Zu denken gibt im Zusammenhang mit der in Serbien weit verbreiteten Korruption auch, dass der Kläger seinem Vortrag zufolge auf seinen formlosen Entlassungsantrag hin vom Generalkonsulat Stuttgart aufgefordert worden ist, nur einen Teil der Gebühren per Banküberweisung und den überwiegenden Teil in bar zu begleichen.

Dem Kläger kann es auch nicht abverlangt werden, die Besorgung der erforderlichen Unterlagen und das Entlassungsverfahren einem Bevollmächtigten zu übertragen. Einem Einbürgerungsbewerber ist es nicht zuzumuten, den Verlust seiner bisherigen Staatsangehörigkeit nur mit Hilfe einer Bestechung herbeizuführen. Genau dies wäre mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit aber der Fall, wenn der Kläger einen Vermittler beauftragen würde. Nach den Erkenntnissen der Deutschen Botschaft Belgrad (Fernschreiben vom 15.4.2005) beträgt die Fälschungsquote bei Bescheinigungen über die Entlassung aus der serbischen Staatsangehörigkeit ca. 75%. Diese Zahl beruhe auf einer Überprüfung der im Rahmen konsularischer Amtshandlungen vorgelegter Dokumente im Zeitraum von April 2004 bis März 2005. In dieser - zum Teil wegen geringer Fallzahl nicht wissenschaftlich repräsentativen - Statistik seien authentische Urkunden unwahren Inhalts nicht erfasst. Die Verwendung ge- und verfälschter Urkunden sei im Rechts- und Behördenverkehr in Serbien alltäglich. Ethnische Albaner hätten wegen systematischer Diskriminierung de facto keine Möglichkeit, eine reguläre Entlassung zu erreichen. Sie wendeten sich daher an dubiose Vermittler, die ihnen gegen Entgelt eine unbürokratische Lösung in Aussicht stellten. Ob diese durch die Bestechung von Amtsträgern oder Integralfälschungen geschehe, hänge von der "Seriosität" des Vermittlers ab. Bei den Vermittlern handle es sich teilweise um ehemalige Botschaftsbedienstete, die nunmehr als Rechtsanwalt tätig seien und wohl nach wie vor Verbindungen zu den Auslandsvertretungen unterhielten (Botschaftsbericht vom 21.4.2005). In einer Stellungnahme vom 3.3.2006 hat die Botschaft diese Einschätzung nochmals bestätigt.

Dem halten die Beklagte und das Innenministerium Baden-Württemberg zu Unrecht ihre eigenen und bayerische Erkenntnisse entgegen, wonach kosovarische Volkszugehörige nach Auskunft des serbischen Generalkonsulats Stuttgart nach wie vor konsularisch betreut würden und viele Entlassungsverfahren durchgeführt worden seien. Die oben erwähnte hohe Fälschungsquote von 75 % zuzüglich der nicht gefälschten, aber inhaltlich unwahren Entlassungsbescheinigungen lässt es vielmehr als naheliegend erscheinen, dass diese vermeintlichen Entlassungsverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sind (vgl. auch VG Ansbach, Urteil vom 28.11.2007 - AN 15 K 06.01148 -). Sollte der Verdacht der Deutschen Botschaft Belgrad zutreffen, dass auch serbische Amtsträger in "unsaubere" Verfahren einbezogen sind, würde dies ohne Weiteres erklären, weshalb diese vorgelegte Entlassungsbescheinigungen als echt bezeichnen. Dass die einzelnen Antragsteller auf Anfrage nichts von Fälschungen oder Bestechungsgeldern erwähnen, kann ohne weiteres auf der Furcht beruhen, dass die entsprechenden Dokumente nicht anerkannt werden oder dass strafrechtliche Verfahren eingeleitet werden. Zum anderen deutet der Botschaftsbericht darauf hin, dass die jeweiligen Antragsteller durchaus gutgläubig sein können, also darauf vertrauen, dass die eingeschalteten Vermittler ihnen echte und inhaltlich wahre Dokumente besorgen. Soweit die Beklagte geltend macht, die Deutsche Botschaft sei selbst nicht mit Entlassungs- oder Einbürgerungsverfahren befasst, und mit dieser Begründung die Auskünfte der Botschaft relativieren möchte, ist darauf hinzuweisen, dass in dem Fernschreiben der Botschaft Belgrad vom 15.4.2005 ausgeführt wird, die Botschaft habe immerhin für den Zeitraum April 2004 bis März 2005 die im Rahmen diverser konsularischer Amtshandlungen vorgelegten Dokumente überprüft. Auch wenn es sich hierbei einerseits um keine repräsentative Untersuchung gehandelt haben mag, ist es andererseits naheliegend, dass es sich nicht nur um eine wenige Einzelfälle gehandelt haben wird. Schließlich stehen die Erkenntnisse der Botschaft mit den vorliegenden allgemeinen Erkenntnissen in Einklang. Allgemein sind in Serbien gefälschte oder inhaltlich unwahre Dokumente weit verbreitet. Das Auswärtige Amt führt hierzu in seinem Lagebericht zu Serbien vom 23.4.2007 aus: Die Praxis habe gezeigt, dass viele Dokumente in formeller Hinsicht echt seien, jedoch ihr Inhalt nicht den Tatsachen und den Registereinträgen entspreche. Echte Urkunden und Bescheinigungen aller Art seien gegen Bezahlung praktisch mit jedem Inhalt zu erhalten. In Einzelfällen seien selbst das Außenministerium bzw. die ehemaligen serbisch-montenegrinischen Auslandsvertretungen als Mitträger inhaltlich unwahrer Dokumente aufgetreten. Neben den echten Dokumenten unwahren Inhalts seien auch zahlreiche komplette Fälschungen, meist schlechter Qualität, im Umlauf. Besonders hoch sei die Fälschungsquote bei Dokumenten mit Kosovo-Bezug, da im Zuge der Schließung der serbischen bzw. jugoslawischen Ämter im Kosovo im Frühjahr 1999 eine Vielzahl von Formularen und Dienstsiegeln abhanden gekommen sei.

Weiter führt auch die Nichtableistung der Wehrpflicht durch den Kläger zu einer unzumutbaren Entlassungsvoraussetzung (vgl. auch VG Ansbach, Urteil vom 28.11.2007, a.a.O.). Bei den aus dem Kosovo stammenden serbischen Staatsangehörigen albanischer Volkszugehörigkeit ist nach den vorliegenden Erkenntnissen (Erlass des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 10.3.2005; Schreiben des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 3.6.2005; Schreiben des Generalkonsulats Stuttgart vom 17.10.2005 an das Innenministerium Baden-Württemberg; AA, Lagebericht Serbien und Montenegro vom 23.9.2005) davon auszugehen, dass einerseits die Wehrpflicht zwar grundsätzlich - bis zum 60. Lebensjahr in Form einer Wehrdienstpflicht im Reservekontingent - besteht, aber andererseits mangels Einberufung nicht erfüllt werden kann. Weiter ist auch zu berücksichtigen, dass keine Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass der Kläger nicht wehrpflichtig (gewesen) sein könnte. Gesundheitliche Einschränkungen oder sonstige Gründe für eine Ausnahme von der Wehrpflicht sind nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich. Er selbst hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat versichert, er sei "topfit" und leide an keinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Dass er nicht wehrpflichtig (gewesen) sein könnte, erscheint demzufolge als lebensfern und als bloße fernliegende theoretische Möglichkeit. Unter diesen Umständen ist vom Kläger die Durchführung eines förmlichen Entlassungsverfahrens zwecks Klärung des Bestehens oder Nichtbestehens seiner Wehrpflicht nicht zu verlangen, zumal für ihn unabhängig davon, ob eine Wehrpflicht besteht oder durchgesetzt werden soll, de facto voraussichtlich keine Möglichkeit besteht, eine reguläre Entlassung zu erreichen. Die Einleitung eines Entlassungsverfahrens, dessen negatives Ende feststeht und bei dem nur unklar ist, warum es legal nicht zum Erfolg führen kann, ist eine unzumutbare Entlassungsvoraussetzung.

Auch das Innenministerium Baden-Württemberg geht in seinen Vorläufigen Anwendungshinweisen vom Vorliegen einer unzumutbaren Bedingung aus, wenn die Entlassung aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit von der Ableistung des Wehrdienstes abhängig gemacht bzw. aus diesem Grund abgelehnt wird, sofern es sich um einen aus dem Kosovo stammenden Einbürgerungsbewerber albanischer Volkszugehörigkeit handelt. Allerdings verlangt es zu Unrecht die vorherige Durchführung eines Entlassungsverfahrens. Ist wie hier von vornherein absehbar, dass dieses nicht zum Erfolg führen kann, wäre dies ein bloßer Formalismus, der den Betroffenen nicht zumutbar ist (vgl. BVerwG, a.a.O.). Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass für das Entlassungsverfahren einschließlich der Beschaffung der notwendigen Unterlagen schon regulär (also ohne etwaige Bestechungsgelder) ein vierstelliger Betrag aufzuwenden ist.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 VwGO nicht vorliegen. Insbesondere sind die grundsätzlichen Fragen, die sich in diesem Verfahren ursprünglich gestellt haben, mittlerweile durch die Revisionsentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 3.5.2007, a.a.O.) geklärt.

Ende der Entscheidung

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