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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 10.07.2002
Aktenzeichen: 13 S 1871/01
Rechtsgebiete: AuslG, AsylVfG


Vorschriften:

AuslG § 50 Abs. 3 Satz 2
AuslG § 51 Abs. 3
AuslG § 53 Abs. 1
AuslG § 53 Abs. 2
AuslG § 53 Abs. 3
AuslG § 53 Abs. 4
AuslG § 53 Abs. 6
AsylVfG § 13
AsylVfG § 14
AsylVfG § 24 Abs. 2
AsylVfG § 31 Abs. 3
1) § 51 Abs. 3 AuslG ist auf Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 1 bis 4 und Abs. 6 AuslG nicht entsprechend anwendbar.

2) § 53 AuslG erfasst auch Gefahren, die auf Lebenssachverhalten beruhen, die zugleich politische Verfolgung darstellen.

3) Die Ausländerbehörde ist im Rahmen des Erlasses einer Abschiebungsandrohung für die Prüfung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG auch dann zuständig, wenn die drohenden Maßnahmen oder Verfolgungshandlungen zugleich politischen Charakter haben, solange der Ausländer keinen förmlichen Asylantrag nach § 14 AsylVfG gestellt hat.

4) Die Ausländerbehörde hat in diesen Fällen ausschließlich zu prüfen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 bis 4 AuslG vorliegen, beziehungsweise ob zwingende Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 AuslG bestehen; der mögliche politische Charakter der geltend gemachten Gefahren ist nicht Gegenstand der Prüfung.

5) Die einem Ausländer im Zielstaat drohende erneute strafrechtliche Verfolgung wegen einer in der Bundesrepublik Deutschland abgeurteilten Straftat stellt jedenfalls dann keine unmenschliche Behandlung i.S.d. Art. 3 EMRK dar, wenn die den Ausländer erwartende Strafe - gegebenenfalls mit Blick auf eine Nichtanrechnung oder Nichtberücksichtigung der in der Bundesrepublik Deutschland wegen dieser Tat verbüßten Strafe - nicht als unerträglich hart und unter jedem denkbaren Gesichtspunkt unangemessen erscheint.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

13 S 1871/01

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Abschiebungsandrohung

hat der 13. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Stumpe, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Jaeckel-Leight und die Richterin am Verwaltungsgericht Jann aufgrund der mündlichen Verhandlung am 10. Juli 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 4. Dezember 2000 - 5 K 448/98 - geändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am 10.3.1965 in Gülgöze, Kreis Midyat, Provinz Mardin geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger syrisch-orthodoxen Glaubens. Er reiste am 27.10.1987 ins Bundesgebiet ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Dieser Antrag wurde vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 16.5.1988 abgelehnt. Mit Bescheid vom 26.5.1988 forderte die Stadt Sindelfingen den Kläger zur Ausreise innerhalb eines Monats nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Bundesamtsbescheides auf und drohte ihm für den Fall nicht fristgemäßer Ausreise die Abschiebung an. Der Kläger erhob daraufhin Klage, mit der er sein Asylbegehren weiterverfolgte und sich des weiteren gegen die Abschiebungsandrohung wandte. Mit Urteil vom 12.6.1991 - A 8 K 8311/88 - verpflichtete das Verwaltungsgericht Stuttgart die Bundesrepublik Deutschland, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und hob die Abschiebungsandrohung der Stadt Sindelfingen auf. Gegen dieses Urteil legten der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten und die Stadt Sindelfingen Berufung ein. Mit Schreiben vom 3.6.1993 hob die Stadt Sindelfingen ihre Abschiebungsandrohung auf; daraufhin wurde der Rechtsstreit insoweit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Im Übrigen nahm der Kläger die Klage zurück. Daraufhin wurde das Verfahren durch Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 16.6.1993 - A 12 S 324/92 - eingestellt und das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart für unwirksam erklärt.

Am 24.5.2000 beantragte der Kläger die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und berief sich dabei zum einen darauf, dass ihm als Christen in der Türkei Misshandlungen und sogar die Tötung drohten und zum anderen darauf, dass gegen ihn in der Türkei ein Strafverfahren wegen des Handels mit Betäubungsmitteln anhängig sei. Mit Bescheid vom 13.6.2000 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens sowie den "Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 16.5.1988 bezüglich der Feststellungen zu § 53 AuslG" ab. Eine Abschiebungsandrohung erging nicht. Die gegen die Ablehnung seines Antrags vom 24.5.2000 gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 6.12.2000 - A 18 K 12017/00 - ab. Dieses Urteil erwuchs am 19.2.2001 in Rechtskraft.

Bereits am 22.9.1993 wurde dem Kläger eine bis zum 2.9.1995 befristete Aufenthaltsbefugnis erteilt, die am 4.9.1995 bis zum 2.9.1997 verlängert wurde. Am 24.11.1995 wurde ihm eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt.

Nachdem dem Regierungspräsidium Stuttgart mitgeteilt worden war, dass sich der Kläger seit dem 18.1.1996 wegen einer Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz in Untersuchungshaft befand, hörte es ihn zu seiner beabsichtigten Ausweisung an. Er machte daraufhin geltend, unschuldig in Untersuchungshaft geraten zu sein. Mit Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 28.2.1997 (2 KLs 199/96), rechtskräftig seit 17.9.1997, wurde der Kläger wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwölf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Zu den persönlichen Verhältnissen des Klägers führte das Landgericht unter anderem aus, er habe in der Türkei fünf Jahre lang die Schule besucht und danach eine Ausbildung als Goldschmied gemacht.

Mit Bescheid vom 6.11.1997 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Kläger unter Anordnung der sofortigen Vollziehung aus dem Bundesgebiet aus und drohte ihm die Abschiebung in die Türkei ohne Setzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise an. Zur Begründung der Abschiebungsandrohung wurde ausgeführt, diese sei hier zwar nicht vorgeschrieben, da der Kläger sich in Haft befinde. Dennoch werde nicht davon abgesehen, ihm die Abschiebung (ohne Fristsetzung) anzudrohen. Die ihm erteilte Aufenthaltserlaubnis werde nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 AuslG mit Bekanntgabe dieser Verfügung erlöschen, so dass er ausreisepflichtig werde. Diese Ausreisepflicht sei im Hinblick auf die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ausweisungsverfügung auch vollziehbar. Der Abschiebungsandrohung in die Türkei stehe weder ein Verbot der Abschiebung politisch Verfolgter noch ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 1 bis 6 AuslG entgegen. Die Türkei sei daher nicht nach § 50 Abs. 3 Satz 2 AuslG als Zielstaat auszunehmen. Diese Verfügung wurde dem Kläger am 7.11.1997 zugestellt.

Der Kläger erhob am 20.11.1997 Widerspruch, zu dessen Begründung er sich darauf berief, dass ihm vom Verwaltungsgericht Stuttgart zunächst politisches Asyl zuerkannt worden sei. Es sei festgestellt worden, dass er wegen seiner Religionszugehörigkeit bei einer Rückkehr mit schwerwiegenden Maßnahmen rechnen müsse. Er sei Christ und zähle somit zu einer religiösen Minderheit, die von den Staatsorganen verfolgt und unterdrückt werde. Er habe daher mit empfindlichen Maßnahmen der Staatsführung gegenüber seiner Person zu rechnen und schwere körperliche Misshandlungen bis hin zur Tötung zu erwarten. Eine Abschiebung in die Türkei sei daher nicht möglich.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.1.1998 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, es treffe zu, dass das Verwaltungsgericht Stuttgart den Kläger als Asylberechtigten anerkannt habe. Das Verfahren sei jedoch dann vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Beschluss vom 16.6.1993 eingestellt und das stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 12.6.1991 für unwirksam erklärt worden. Damit stehe fest, dass dem Kläger der besondere Ausweisungsschutz des § 48 Abs. 1 Nr. 5 AuslG nicht zur Seite stehe und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG für ein Verbot der Abschiebung politisch Verfolgter nicht vorlägen. Dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg könne auch entnommen werden, dass ihm im Falle seiner Rückkehr in die Türkei keine individuell konkreten Gefahren drohten. Im übrigen könne im Hinblick auf die Straffälligkeit des Klägers nicht davon ausgegangen werden, dass dieser seinen christlichen Glauben aktiv und nach außen erkennbar betreibe. Der Widerspruchsbescheid wurde am 20.1.1998 zugestellt.

Am 28.1.1998 hat der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben. Er hat beantragt, den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 6.11.1997 und dessen Widerspruchsbescheid vom 20.1.1998 aufzuheben. Zur Begründung hat er vorgetragen, er gehöre dem syrisch-orthodoxen Glauben an und müsse deswegen mit Verfolgung durch die türkischen Behörden rechnen. Aus humanitären Gründen sei daher von einer Ausweisung und Abschiebung abzusehen.

Mit Urteil vom 4.12.2000 hat das Verwaltungsgericht Stuttgart die Abschiebungsandrohung im Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 6.11.1997 in Gestalt dessen Widerspruchsbescheids vom 20.1.1998 aufgehoben und die Klage im übrigen abgewiesen. Zur Begründung der teilweisen Stattgabe hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, nach § 50 Abs. 3 Satz 2 AuslG sei in der Abschiebungsandrohung der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nach den §§ 51 und 53 Abs. 1 bis 4 AuslG nicht abgeschoben werden dürfe. Dies gelte über den Wortlaut hinaus auch für zwingende Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG, wenn das der Behörde nach dieser Bestimmung eingeräumte Ermessen etwa aufgrund vorrangigen Rechts ausnahmsweise gebunden und die Behörde verpflichtet sei, von der Abschiebung abzusehen. Das Regierungspräsidium Stuttgart habe es unterlassen, die Türkei als Staat zu bezeichnen, in den der Kläger nicht abgeschoben werden dürfe. Es habe sich dabei auf die Ausführungen im Einstellungsbeschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 16.6.1993 berufen. Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides seien jedoch syrisch-orthodoxe Christen im Tur-Abdin einer an ihre Religionszugehörigkeit anknüpfenden mittelbaren staatlichen Verfolgung ausgesetzt gewesen. Dies habe der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Urteil vom 23.11.1995 (A 12 S 3382/94) entschieden. Nach dieser Entscheidung stehe den Angehörigen dieser Glaubensgemeinschaft auch in den übrigen Gebieten der Türkei keine inländische Fluchtalternative mehr zur Verfügung, da ihnen dort Gefährdungen durch Hunger und Verelendung drohten. Diese veränderte Rechtsprechung habe das Regierungspräsidium nicht berücksichtigt. Es werde nicht begründet, ob und gegebenenfalls warum ein Sachverhalt vorliege, der es gleichwohl nicht gebiete, die Türkei als Staat zu bezeichnen, in den der Kläger nicht abgeschoben werden dürfe. Die Abschiebungsandrohung beruhe daher auf einer unzureichenden Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes und damit auch auf einer formal nicht ausreichenden Begründung.

Auf den Antrag des Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 19.7.2001 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, soweit die Abschiebungsandrohung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 6.11.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.1.1998 aufgehoben wurde. Der Beschluss wurde dem Beklagten am 3.9.2001 zugestellt.

Mit am 11.9.2001 eingegangenem Schriftsatz beantragt der Beklagte,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 4.12.2000 - 5 K 448/98 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat er unter Verweis auf seinen Schriftsatz vom 23.1.2001 im Zulassungsverfahren vorgetragen: Selbst wenn ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG bestanden haben sollte, könne sich der Kläger darauf nicht berufen. Denn der hierdurch vermittelte Schutz könne nicht weiter gehen als der durch § 51 Abs. 1 AuslG vermittelte. Daher greife die Ausschlussbestimmung des § 51 Abs. 3 AuslG auch hier. Es sei daher zu berücksichtigen gewesen, dass der Kläger im Hinblick auf die von ihm begangene Straftat im Bereich der Drogenkriminalität selbst als anerkannter Asylbewerber die Voraussetzungen des § 51 Abs. 3 AuslG erfüllt hätte. Denn wer in so großem und professionellem Stil im Drogenhandel mit Gewinnerzielungsabsicht tätig sei, stelle nicht nur eine künftige Gefährdung für die Allgemeinheit dar, sondern trage durch sein in höchstem Maße verwerfliches Verhalten auch zur Schädigung der Volksgesundheit bei. So habe er mit den besonders gefährlichen Rauschgiften Heroin und Kokain Handel getrieben. Es sei auch von einer konkreten Wiederholungsgefahr auszugehen, zumal er innerhalb kurzer Zeit eine relativ hohe Anzahl von strafbaren Handlungen begangen habe und mit einer sehr hohen Freiheitsstrafe habe belegt werden müssen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte sei in den angefochtenen Verfügungen gerade davon ausgegangen, dass syrisch-orthodoxe Christen in der Türkei keiner Verfolgung unterlägen. Allein diese Fehleinschätzung führe dazu, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart richtig sei. Denn es habe dazu geführt, dass die Abschiebungsandrohung nicht formal ausreichend begründet worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die Ausländerakten des Beklagten, die dem Senat vorlagen, verwiesen. Des weiteren wird auf die den Beteiligten mit der ihnen übersandten Liste (Stand: 28.3.2002) mitgeteilten Erkenntnismittel sowie die in der Berufungsverhandlung übergebenen Auskünfte von Koch, Max-Planck-Institut für Internationales Strafrecht Freiburg vom 5.8.1997 an das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen sowie das Urteil des türkischen Kassationshofs vom 22.12.1992 mit Anmerkung Rumpf verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist zulässig. Sein Schriftsatz vom 10.9.2001 enthält einen bestimmten Antrag (§ 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO), dem sich eindeutig entnehmen lässt, dass mit der Änderung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts zugleich die Abweisung der Klage, soweit die Berufung zugelassen worden ist, beantragt wird. Die Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO a.F. Denn sie bezeichnet durch die zulässige Bezugnahme auf den Berufungszulassungsantrag eine entscheidungserhebliche Frage und macht hierzu eine von der Vorinstanz abweichende Beurteilung deutlich (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.6.1998 - 9 C 6.98 -, BVerwGE 107, 117 ff.; Beschluss vom 23.9.1999 - 9 B 372.99 -, NVwZ 2000, 67).

Die Berufung ist auch begründet.

Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat der Klage hinsichtlich der Abschiebungsandrohung zu Unrecht stattgegeben. Der Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 6.11.1997 und dessen Widerspruchsbescheid vom 20.1.1998 sind auch insoweit rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung bestehen entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht. Insbesondere liegt kein Begründungsmangel i.S.d. § 39 Abs. 1 LVwVfG vor. Sowohl der Ausgangsbescheid als auch der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart sind mit Gründen versehen. Zwar wird im Widerspruchsbescheid hinsichtlich der Abschiebungsandrohung lediglich auf die Begründung des Ausgangsbescheids verwiesen. Dies ist aber unschädlich, da sich das Regierungspräsidium zuvor bei der Begründung der zugleich verfügten Ausweisung mit dem Vorbringen des Klägers zu seinem Asylverfahren und der geltend gemachten Bedrohung als Christ in der Türkei auseinandergesetzt und ausgeführt hat, ihm drohten aus diesem Grunde keine individuell-konkreten Gefahren. Unabhängig davon, dass dies - wie unten dargelegt werden wird - im Hinblick auf nach § 50 Abs. 3 Satz 2 AuslG relevante Gefahren zutrifft, würde auch eine unzutreffende Begründung nicht zur formellen Rechtswidrigkeit der Abschiebungsandrohung führen.

Das Verwaltungsgericht durfte die Abschiebungsandrohung auch nicht wegen eines Aufklärungsmangels aufheben. Denn bei der Bezeichnungspflicht nach § 50 Abs. 3 Satz 2 AuslG handelt es sich um eine gebundene Entscheidung. Werden derartige Entscheidungen angegriffen, obliegt es grundsätzlich den Verwaltungsgerichten, die Spruchreife herbeizuführen. Die Voraussetzungen für eine Entscheidung nach § 113 Abs. 3 Satz 1 VwGO lagen bereits deshalb nicht vor, weil die Sechsmonatsfrist des § 113 Abs. 3 Satz 4 VwGO zur Zeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts seit längerer Zeit abgelaufen war (die Behördenakten waren dem Verwaltungsgericht bereits am 5.2.1998 zugegangen, vgl. zum Ganzen Eyermann/Jörg Schmidt, VwGO, 11. Aufl. § 113 RdNr. 21). Im übrigen hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung nicht auf § 113 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern auf Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift gestützt.

Das Regierungspräsidium war auch für den Erlass der Abschiebungsandrohung zuständig. Zwar dürfte das Vorbringen des Klägers in der Widerspruchsbegründung vom 19.12.1997, ihm drohten wegen seines Glaubens in der Türkei Übergriffe durch staatliche Stellen, einen Asylantrag (Asylgesuch) nach § 13 AsylVfG darstellen. Ein formloses Asylgesuch im Sinne dieser Vorschrift - zu unterscheiden hiervon ist der "förmliche" Asylantrag im (engeren) Sinne von § 14 AsylVfG (BVerwG, Beschluss vom 3.12.1997, InfAuslR 1998, 191; GK-AsylVfG, § 13 RdNr. 16) - liegt nach der Begriffsbestimmung des § 13 Abs. 1 AsylVfG vor, wenn sich dem schriftlich, mündlich oder auf andere Weise geäußerten Willen des Ausländers entnehmen lässt, dass er im Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung sucht oder dass er Schutz vor Abschiebung oder einer sonstigen Rückführung in einen Staat begehrt, in dem ihm die in § 51 Abs. 1 AuslG bezeichneten Gefahren drohen (vgl. Senatsurteil vom 27.10.1998 - 13 S 457/96 -, EZAR 044 Nr. 14; zu den Anforderungen an die Substantiierung eines Asylgesuchs vgl. GK-AsylVfG, § 13 RdNrn. 36-40). Auch ein solches Asylgesuch lässt jedoch zunächst die Zuständigkeit der Ausländerbehörde zum Erlass aufenthaltsbeendender Maßnahmen und auch zur Prüfung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG unberührt (vgl. hierzu im Einzelnen BVerwG, Beschluss vom 3.12.1997, a.a.O. und das Senatsurteil vom 27.10.1998, a.a.O.).

Die Tatsache, dass der Kläger im Mai 2000 einen Asylfolgeantrag gestellt hat, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung ist maßgeblich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids - hier: 20.1.1998 - (Senatsurteil vom 27.10.1998, a.a.O.). Damals hatte der Kläger aber noch keinen Asylfolgeantrag gestellt. Ob nach Erlass einer asylverfahrensrechtlichen Abschiebungsandrohung eine bereits vorher erlassene ausländerrechtliche Abschiebungsandrohung gegenstandslos wird, kann hier dahingestellt bleiben. Denn das Bundesamt hat in seinem Bescheid vom 13.6.2000, mit dem es die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt hat, ausdrücklich davon abgesehen, eine Abschiebungsandrohung zu erlassen.

Die Abschiebungsandrohung ist auch materiell rechtmäßig. Die Voraussetzungen für ihren Erlass lagen vor und sie begegnet auch im Hinblick auf den in ihr genannten Zielstaat - die Türkei - keinen rechtlichen Bedenken. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 50 Abs. 1 Satz 1 und 2, 49 Abs. 1 AuslG. Der Kläger ist ausreisepflichtig, da er die erforderliche Aufenthaltsgenehmigung nicht mehr besitzt (§ 42 Abs. 1 AuslG). Denn die ihm im November 1995 erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis ist erloschen, da er ausgewiesen worden ist (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 AuslG). Die Ausreisepflicht wurde auch mit der Zustellung der Verfügung vom 6.11.1997 vollziehbar, da der Sofortvollzug der Ausweisung angeordnet worden war (§ 42 Abs. 2 Satz 2 AuslG).

Das in der Widerspruchsbegründung vom 19.12.1997 liegende Asylgesuch des Klägers ließ seine Ausreisepflicht nicht entfallen. Dabei kann offen bleiben, ob nach § 14 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG eine Verpflichtung des Regierungspräsidiums bestanden hätte, das Asylgesuch des Klägers an das Bundesamt weiterzuleiten. Denn selbst im Falle der Weiterleitung hätte der Asylantrag als Folgeantrag i.S.d. § 71 Abs. 1 AsylVfG behandelt werden müssen, da der Kläger bereits im Jahre 1987 einen Asylantrag gestellt hatte, dessen Ablehnung durch den Bundesamtsbescheid vom 16.5.1988 nach Rücknahme der Asylklage im Juni 1993 unanfechtbar geworden war. Die Stellung des Asylfolgeantrags hätte aber nicht zum Erlöschen seiner Ausreisepflicht geführt. Denn ein solcher Antrag löst erst dann eine Aufenthaltsgestattung aus, die die Ausreisepflicht entfallen lässt, wenn er zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens führt (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.4.1996, VBlBW 1996, 312 m.w.N.; Hailbronner, AuslR, § 55 AsylfG, RdNr. 22 und § 71 RdNr. 97).

Die Abschiebungsandrohung verstößt auch nicht gegen § 50 Abs. 3 Satz 2 AuslG. Danach ist in der Abschiebungsandrohung der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nach den §§ 51 Abs. 1 und 53 Abs. 1 bis 4 AuslG nicht abgeschoben werden darf. Über den Wortlaut dieser Vorschrift hinaus gilt diese Bezeichnungspflicht ausnahmsweise auch für zwingende Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG, wenn das der Behörde nach dieser Bestimmung eingeräumte Ermessen etwa auf Grund vorrangigen Rechts ausnahmsweise gebunden und die Behörde verpflichtet ist, von der Abschiebung abzusehen (BVerwG, Urt. v. 19.11.1996, NVwZ 1997, 685; a.A. für Abschiebungsandrohungen auf asylverfahrensrechtlicher Grundlage: BVerwG, Urt. v. 15.4.1997, InfAuslR 1997, 420). Wird dem Ausländer entgegen § 50 Abs. 3 Satz 2 AuslG die Abschiebung in einen nach dieser Bestimmung bezeichnungspflichtigen Staat angedroht, ist die Abschiebungsandrohung - nur - insoweit teilrechtswidrig (§ 50 Abs. 3 Satz 3 AuslG; BVerwG, Urt. v. 19.11.1996, a.a.O.). Die Türkei ist hier indes kein nach § 50 Abs. 3 Satz 2 AuslG bezeichnungspflichtiger Staat. Auf das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses nach § 51 Abs. 1 AuslG kann sich der Kläger mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 2 Satz 1 AuslG sowie mangels einer entsprechenden Feststellung des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge über das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Bestimmung (vgl. § 51 Abs. 2 Satz 2 AuslG i.V.m. §§ 1 ff. AsylVfG) nicht berufen. Zwingende Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 1 bis 4 AuslG sowie nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG in bezug auf die Türkei liegen nicht vor, wobei es nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 27.10.1998, a.a.O.) auch insoweit auf die Sachlage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung - hier des Widerspruchsbescheids vom 20.1.1998 - ankommt.

Der Kläger ist allerdings entgegen der Auffassung des Beklagten nicht bereits auf Grund von § 51 Abs. 3 AuslG im Hinblick auf seine strafrechtliche Verurteilung gehindert, sich auf ein Abschiebungshindernis nach § 53 AuslG zu berufen. Denn § 51 Abs. 3 AuslG schließt nach seinem eindeutigen Wortlaut lediglich die Anwendung des § 51 Abs. 1 AuslG und damit die Berufung auf ein Abschiebungsverbot nach dieser Bestimmung aus. Eine analoge Anwendung der Ausschlussregelung des § 51 Abs. 3 AuslG auch auf Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG scheidet mangels Vorliegens einer entsprechenden Regelungslücke aus. Denn der Gesetzgeber hat in § 53 AuslG gerade keine dem § 51 Abs. 3 AuslG entsprechende Ausnahmevorschrift aufgenommen. Dies entspricht, soweit es um das Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK geht, dem absoluten Charakter des aus dieser Bestimmung folgenden Abschiebungsschutzes und seiner ausnahmslosen Geltung (vgl. hierzu EGMR, Urteil vom 17.12.1996, InfAuslR 1997, 279, 281 und vom 28.7.1999, NJW 2001, 56). Im übrigen gebieten auch die Ausstrahlungen von Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG auf § 53 AuslG in Fällen, in denen der Schutz durch Art. 16 a GG beziehungsweise § 51 Abs. 1 AuslG aus Rechtsgründen versagt ist, von der Abschiebung eines Ausländers jedenfalls dann abzusehen, wenn ihm Folter, die Todesstrafe oder unmenschliche Behandlung drohen (vgl. hierzu VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.12.1993 - A 16 S 2005/93 -, VBlBW 1994, 454). Davon, dass nach dem Willen des Gesetzgebers für die übrigen Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG etwas anderes, nämlich die Ausschlussvorschrift des § 51 Abs. 3 AuslG entsprechend, gelten soll, kann nicht ausgegangen werden. Denn dann wäre zu erwarten gewesen, dass er in § 53 AuslG ausdrücklich eine derartige entsprechende Anwendung vorsieht. Nach alledem kann auch ein Ausländer Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG geltend machen, der sich nach § 51 Abs. 3 AuslG weder auf den Abschiebungsschutz des § 51 Abs. 1 AuslG noch auf das Asylgrundrecht nach Art. 16a Abs. 1 GG berufen kann. Davon geht auch die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus, in der hervorgehoben wird, dass die Einschränkung des Asylgrundrechts sowie des Schutzes politisch Verfolgter nach § 51 Abs. 1 AuslG deswegen hinzunehmen ist, weil politisch Verfolgte, sofern ihnen Gefahren im Sinne des § 53 AuslG drohen, auch bei Vorliegen des Ausschlussgrundes nach § 51 Abs. 3 AuslG nicht in den Verfolgerstaat abgeschoben werden können, so dass eine Preisgabe des Menschenrechtsschutzes letztlich nicht zu befürchten ist (BVerwG, Urteile vom 30.3.1999 - 9 C 31.98 -, BVerwGE 109, 1 und vom 16.11.2000 - 9 C 6.00 -, BVerwGE 112, 185). § 53 AuslG erfasst schließlich auch Gefahren, die auf Lebenssachverhalten beruhen, die zugleich politische Verfolgung darstellen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.12.1993, a.a.O., OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 8.10.1992, InfAuslR 1993, 18). Der im Urteil des OVG Hamburg vom 17.8.1994 (Bs VII 132/94, NVwZ-RR 1995, 419) geäußerten gegenteiligen Auffassung, dass zwischen § 51 Abs. 1 AuslG und § 53 AuslG keine inhaltlichen Überschneidungen bestünden, so dass § 53 AuslG nur Abschiebungshindernisse betreffe, die nicht im Zusammenhang mit einer politischen Verfolgung stehen, vermag der Senat nicht zu folgen. Denn diese Auffassung findet in den Regelungen des § 53 Abs. 1 bis 4 und Abs. 6 AuslG keine Stütze.

Dem Wortlaut des § 53 AuslG lässt sich keine Einschränkung dahin entnehmen, dass sachlich-rechtlich trotz des Vorliegens der in § 53 Abs. 1 bis 4 beziehungsweise Abs. 6 Satz 1 AuslG normierten tatbestandlichen Voraussetzungen ein Abschiebungshindernis im Sinne dieser Vorschriften dann nicht vorliegen soll, wenn die Verfolgungshandlung zugleich politischen Charakter hat.

Auch gebieten Sinn und Zweck der in § 53 AuslG getroffenen Regelungen und kompetenzrechtliche Zusammenhänge mit den Vorschriften des Asylverfahrensrechts (insbesondere §§ 24 Abs. 2, 31 Abs. 3 AsylVfG) nicht eine derart einschränkende Auslegung. Denn zum einen würde sie gerade in Fällen wie dem vorliegenden zu Schutzlücken führen, die mit dem oben umschriebenen absoluten Schutzzweck dieser Bestimmungen nicht zu vereinbaren wären. Wäre der Ausländer hier allein darauf verwiesen, politische Verfolgung geltend zu machen, unterläge der Abschiebungsschutz nämlich den Einschränkungen des § 51 Abs. 3 AuslG. Dementsprechend geht auch die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht von einer solchen inhaltlichen Beschränkung des § 53 AuslG aus (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 30.3.1999, a.a.O. und vom 16.11.2000, a.a.O.). Zum anderen vermögen auch systematische Regelungszusammenhänge mit den Zuständigkeitsvorschriften des Asylverfahrensrechts eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Zwar ist für die Beurteilung der Frage, ob einem Ausländer politische Verfolgung im Sinne des Art. 16 a Abs. 1 GG beziehungsweise § 51 Abs. 1 AuslG droht, ausschließlich das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zuständig. Eine entsprechende Prüfungs- und Entscheidungspflicht des Bundesamts wird durch die Stellung eines Asylantrags ausgelöst (§§ 14 Abs. 1 und 2 i.V.m. 13 Abs. 1 und 2, 5 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG i.V.m. §§ 1 Abs. 1 AsylVfG, 51 Abs. 2 Satz 2 AuslG). Ein förmlicher Asylantrag i.S.d. § 14 AsylVfG (nicht bereits die Einreichung eines formlosen "Asylgesuchs" i.S.d. § 13 AsylVfG bei der Ausländerbehörde, vgl. dazu die obigen Ausführungen unter Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 3.12.1997, a.a.O.) begründet zugleich auch die Zuständigkeit des Bundesamtes, über das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG zu entscheiden (§§ 24 Abs. 2, 31 Abs. 3 AsylVfG). Solange aber ein solcher Antrag nicht gestellt ist, verbleibt es bei der Zuständigkeit der Ausländerbehörde, im Rahmen der Entscheidung über den Erlass einer Abschiebungsandrohung auch über das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG zu entscheiden (BVerwG, Beschluss vom 3.12.1997, a.a.O. und Senatsurteil vom 27.10.1998, a.a.O. sowie Hailbronner, AuslR § 31 AsylVfG RdNr. 37). Dies gilt auch dann, wenn der Ausländer ein Abschiebungshindernis nach § 53 AuslG geltend macht, das zugleich die Voraussetzungen politischer Verfolgung erfüllt, von der Stellung eines förmlichen Asylantrags - wie im vorliegenden Fall zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids (20.1.1998) - aber absieht. Ist allerdings bereits ein Asylverfahren durchgeführt worden, in dem das Bundesamt eine - positive oder negative - Entscheidung zu § 53 AuslG getroffen hat, ist die Ausländerbehörde an diese Entscheidung nach § 42 Satz 1 AsylVfG gebunden und somit zu einer eigenen Prüfung und Beurteilung nicht mehr befugt. Der Ausländer ist in derartigen Fällen, wenn er eine abweichende Entscheidung zu § 53 AuslG erstrebt, darauf verwiesen, einen Wiederaufgreifensantrag beim Bundesamt in direkter Anwendung des § 51 VwVfG zu stellen (BVerwG, Urteile vom 7.9.1999, NVwZ 2000, 204 und vom 21.3.2000, BVerwGE 111, 77 sowie Hailbronner, a.a.O., § 31 AsylVfG RdNr. 43 m.w.N.). Im Falle des Klägers lag aber zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids - 20.1.1998 - eine Entscheidung des Bundesamtes zu § 53 AuslG, welche die Ausländerbehörde hätte binden können, nicht vor, da der ablehnende Bescheid des Bundesamtes vom 16.5.1988 - entsprechend der damaligen Rechtslage - keine Feststellungen zu § 53 AuslG enthielt. Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch der Bescheid des Bundesamtes vom 13.6.2000, mit dem auf den im Mai 2000 gestellten Folgeantrag des Klägers die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt wurde, keine die Ausländerbehörde bindende Entscheidung zu § 53 AuslG enthält. Zwar wird in Ziff. 2 des Tenors der "Antrag auf Abänderung des Bescheides vom 16.5.1988 bezüglich der Feststellungen zu § 53 AuslG abgelehnt" und in den Gründen dazu ausgeführt, es lägen keine Wiederaufgreifensgründe zu § 53 AuslG vor, die eine Abänderung der "bisherigen Entscheidung" rechtfertigen könnten. Da es eine "bisherige Entscheidung" des Bundesamtes zu § 53 AuslG gar nicht gibt und infolgedessen ein "Wiederaufgreifen des Verfahrens" rechtlich unmöglich ist, gehen die entsprechenden Ausführungen in diesem Bundesamtsbescheid ins Leere und sind daher gegenstandslos und wirkungslos.

Ist nach alledem die Ausländerbehörde so lange zur Prüfung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG zuständig, wie kein förmlicher Asylantrag nach § 14 AsylVfG gestellt worden ist, der gemäß §§ 24 Abs. 2, 31 Abs. 3 AsylVfG zu einer Entscheidung des Bundesamtes zu § 53 AuslG hätte führen können, sprechen auch systematische Regelungszusammenhänge zwischen Asylverfahrensrecht und allgemeinem Ausländerrecht nicht für eine einschränkende Auslegung des § 53 AuslG, nach der Verfolgungshandlungen und Maßnahmen, die an sich den Tatbestand eines der Abschiebungshindernisse des § 53 Abs. 1 bis 4 beziehungsweise Abs. 6 AuslG erfüllen, zugleich aber auch den Charakter politischer Verfolgung haben, vom sachlichen Anwendungsbereich der Vorschrift ausgenommen sein sollen.

Soweit hiergegen eingewendet wird, es bestehe die Gefahr divergierender Entscheidungen über Sachverhalte, die nicht nur Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG begründeten, sondern sich der Sache nach auch als politische Verfolgung darstellten (in diesem Sinne etwa OVG Berlin, Beschluss vom 10.2.1995 - 8 S 58.95 - iuris und OVG Hamburg, Beschluss vom 17.10.1995 - Bs V 27.95 -, DVBl. 1996, 628; offen gelassen in BVerwG, Beschluss vom 3.12.1997, a.a.O.), vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die oben erläuterte gesetzliche Zuständigkeitsregelung zwischen Ausländerbehörde und Bundesamt schließt die Gefahr divergierender Entscheidungen und eine daraus resultierende Rechtsunsicherheit aus. Solange ein förmlicher Asylantrag i.S.d. § 14 AsylVfG nicht gestellt ist, kommt die Prüfungs- und Entscheidungszuständigkeit im Hinblick auf das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG ausschließlich der Ausländerbehörde zu. Zuständigkeits- und Beurteilungskonflikte können bei dieser Sachlage nicht auftreten, da es an einer Beurteilungskompetenz des Bundesamts fehlt. Mit der Stellung eines förmlichen Asylantrags i.S.d. § 14 AsylVfG geht die Zuständigkeit zur Entscheidung über Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG auf das Bundesamt über. Dieses hat hierüber eine ausdrückliche Feststellung zu treffen, bei der es sich um einen feststellenden Verwaltungsakt handelt, welcher der Bestandskraft fähig ist (vgl. zum Ganzen Hailbronner, a.a.O., § 31 RdNr. 37 m.w.N.). Dabei ist das Bundesamt an etwaige Beurteilungen von Ausländerbehörden nicht gebunden, da diese nur inzident - als Begründungselement im Rahmen der Entscheidung über den Erlass einer Abschiebungsandrohung - vorgenommen werden, wohingegen es sich bei der Entscheidung des Bundesamtes zu § 53 AuslG gemäß § 31 Abs. 3 AsylVfG um einen gesondert ergehenden feststellenden Verwaltungsakt und somit um einen anderen Verfahrensgegenstand handelt (zur entsprechenden Rechtslage im Hinblick auf die Rechtskraftwirkungen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vgl. BVerwG, Urteil vom 18.9.2001, DVBl. 2002, 340). Zuständigkeits- und Beurteilungskonflikte im Hinblick auf die Feststellung des Bestehens von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG können somit auch nach Stellung eines förmlichen Asylantrags gemäß § 14 AsylVfG nicht mehr auftreten.

Eine ausschließliche Zuständigkeit des Bundesamtes für die Prüfung von Abschiebungshindernissen, die auf Lebenssachverhalten beruhen, die zugleich politische Verfolgung darstellen, kann auch nicht mit dem Hinweis auf die besondere Sachkunde des Bundesamtes begründet werden (a.A. OVG Berlin, Beschluss vom 10.2.1995, a.a.O.). Denn die - auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts herausgestellte besondere Kompetenz des Bundesamtes bezüglich der Beurteilung, ob ein geltend gemachter Sachverhalt politische Verfolgung darstellt beziehungsweise die Gefahr einer solchen Verfolgung begründet (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 25.2.1981, BVerfGE 56, 216 und vom 13.3.1993, InfAuslR 1993, 229) - ist bei der Prüfung und Entscheidung über das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG nicht tangiert. Denn selbst wenn gegenüber der Ausländerbehörde Verfolgungshandlungen und Maßnahmen nach § 53 Abs. 1 bis 4 beziehungsweise Abs. 6 AuslG geltend gemacht werden, die zugleich den Charakter politischer Verfolgung haben, hat die Ausländerbehörde bei Erlass der Abschiebungsandrohung ausschließlich zu prüfen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 bis 4 AuslG vorliegen beziehungsweise ob zwingende Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG bestehen. Dies ist die allein notwendige aber auch hinreichende Voraussetzung dafür, dass der betreffende Staat, hinsichtlich dessen ein solches zwingendes Abschiebungshindernis besteht, nach § 50 Abs. 3 Satz 2 AuslG als Staat zu bezeichnen ist, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Auf die Frage, ob zugleich eine politische Verfolgung vorliegt, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Die Annahme einer ausschließlichen Zuständigkeit des Bundesamts für alle Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG im Hinblick auf deren generelle Zielstaatsbezogenheit (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.11.1997, BVerwGE 105, 322) und die Sachkunde des Bundesamts in Bezug auf die Verhältnisse in den potentiellen Zielstaaten ist mit der oben dargelegten gesetzlichen Regelung der Zuständigkeit des Bundesamtes einerseits und der Ausländerbehörden andererseits nicht zu vereinbaren. Denn ein Entscheidungsmonopol des Bundesamts ist insoweit, anders als für die Entscheidung über eine geltend gemachte politische Verfolgung (vgl. §§ 1 Abs. 1 AsylVfG, 51 Abs. 2 Satz 2 AuslG) nicht begründet worden.

Im vorliegenden Fall lagen zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids jedoch keine zwingenden, nach § 50 Abs. 3 Satz 2 AuslG zu berücksichtigenden Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 1 bis 4 und Abs. 6 AuslG vor.

Solche Abschiebungshindernisse bestanden insbesondere nicht im Hinblick auf die vom Kläger geltend gemachte Situation der syrisch-orthodoxen Christen in der Türkei. Eine zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids (20.1.1998) als mittelbare staatliche Gruppenverfolgung existierende politische Verfolgung der syrisch-orthodoxen Christen aus dem Tur-Abdin (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23.11.1995 - A 12 S 3571/94 -) führt nicht zugleich dazu, dass ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK gegeben war. Denn das würde voraussetzen, dass dem Kläger zu diesem Zeitpunkt in der Türkei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweit eine Behandlung drohte, die alle tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 3 EMRK erfüllt. Er müsste also der Gefahr von Misshandlungen ausgesetzt gewesen sein, die nach Art, Intensität und Urheberschaft dem Art. 3 EMRK unterfallen (vgl. u.a. BVerwG, Urteile vom 24.5.2000, InfAuslR 2000, 461 und vom 15. April 1997, BVerwGE 104, 265, 268). Eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK setzt ein geplantes, vorsätzliches, auf eine bestimmte Person gerichtetes Handeln voraus. Dabei ist grundsätzlich ein Handeln staatlicher Organe erforderlich. Allerdings können auch Misshandlungen durch Dritte eine unmenschliche Behandlung darstellen, sofern sie dem Staat zugerechnet werden können (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 17.10.1995 BVerwGE 99, 331,335 und vom 18.4.1996, Buchholz 402.240 § 53 AuslG 1990, Nr. 4).

Diese Zurechenbarkeit ist mangels Schutzbereitschaft staatlicher Stellen gegeben gewesen, soweit es um die Situation der syrisch-orthodoxen Christen im Tur-Abdin geht. In diesem - relativ kleinen - Gebiet im äußersten Süd-Osten der Türkei waren die syrisch-orthodoxen Christen Übergriffen durch sämtliche dort agierenden kurdisch-muslimischen Gruppen ausgesetzt und waren zudem zwischen die Fronten der im Notstandsgebiet eingesetzten türkischen Sicherheitskräfte, sowie der Dorfschützer und der Hisbollah einerseits und der PKK andererseits geraten. Angesichts der Dichte der - dem Staat zurechenbaren - Übergriffe im Tur-Abdin drohten diese den syrisch-orthodoxen Christen dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit. Dafür spricht, dass wegen der geringen Zahl der noch in der Region lebenden Zahl von Personen syrisch-orthodoxen Glaubens (Auswärtiges Amt <AA>, Lagebericht v. 30.6.1995: 1.300 Personen; amnesty international <ai> an Verwaltungsgericht Wiesbaden v. 8.7.1997: 2374 Personen; Rumpf an Verwaltungsgericht Ansbach v. 26.7.1999: ca. 3000 Personen) asylrechtlich von einer für die Gruppenverfolgung hinreichenden Verfolgungsdichte auszugehen war (vgl. hierzu VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23.11.1995 - A 12 S 3571/94 -).

Eine solche Gefährdung bestand jedoch auch nach den Feststellungen und der Einschätzung des 12. Senats des erkennenden Gerichtshofs in seinem Urteil vom 23.11.1995, a.a.O., der sich der erkennende Senat anschließt, nicht landesweit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit (zur Geltung dieses Maßstabs auch für die Gefahrenprognose im Rahmen der Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.7.2001, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 46, Urteile vom 18.4.1996, a.a.O. und vom 24.5.2000, a.a.O.). Auch aus neueren Erkenntnisquellen ergibt sich nicht, dass zur Zeit des Erlasses des Widerspruchsbescheids eine andere Beurteilung geboten war.

Die Übergriffe im Tur-Abdin beruhten zum einen auf der besonderen, durch die bürgerkriegsartigen Auseinandersetzungen zwischen den türkischen Sicherheitskräften einerseits und der PKK andererseits geprägten Situation (AA an Verwaltungsgericht Ansbach v. 8.3.1996 und an Verwaltungsgericht Wiesbaden v. 14.2.1996; ai, Gefährdung syrisch-orthodoxer und chaldäischer Christen und Jeziden aus der Türkei vom 17.11.1994; EKD an Verwaltungsgericht Gießen v. 19.7.1993), in der insbesondere auch die von den türkischen Behörden eingesetzten (kurdischen) Dorfschützer "freie Hand" hatten. Zum anderen gibt es im Tur-Abdin eine "traditionelle" Verdrängung der christlichen Bevölkerung durch die kurdisch-muslimische Bevölkerung, insbesondere durch die an weiterer Landgewinnung interessierten Großgrundbesitzer (Aghas) (ai an 8.7.1997 an Verwaltungsgericht Wiesbaden).

In den übrigen Landesteilen ist die Situation der syrisch-orthodoxen Christen, was die Gefahr von Übergriffen und den staatlichen Schutz gegen Übergriffe betrifft, nicht anders als die anderer christlicher Minderheiten. Deren Lage ist zwar nicht unproblematisch. Eine beachtliche Gefahr für den Kläger, Opfer von Übergriffen zu werden, kann zur Zeit des Ergehens des Widerspruchsbescheids (20.1.1998) aber jedenfalls im Westen der Türkei nicht festgestellt werden. So berichtet amnesty international (an Verwaltungsgericht Regensburg v. 30.11.1995 und an Verwaltungsgericht Wiesbaden v. 8.7.1997) zwar von Übergriffen auf christliche - meist armenische - Einrichtungen in Istanbul, nicht jedoch von Übergriffen auf Personen. Des weiteren wird ausgeführt, Christen fühlten sich seit langem von der Polizei nicht geschützt, konkrete Fälle hierzu werden jedoch nicht genannt. Oehring (an Verwaltungsgericht Regensburg v. 31.1.1996) führt aus, nach dem Menschenrechtsbericht der türkischen Menschenrechtsstiftung hätten Übergriffe gegen armenische und griechische Christen - auch gegen Personen - zugenommen, nicht jedoch gegen syrisch-orthodoxe Christen. Wegen der Tendenz zur Islamisierung könne nicht davon ausgegangen werden, dass noch die gleiche Schutzbereitschaft der Sicherheitskräfte bei Übergriffen gegen Christen bestehe. Rumpf zitiert in seinem Gutachten v. 26.7.1999 (an Verwaltungsgericht Ansbach) aus den Jahresberichten der türkischen Menschenrechtsstiftung für die Jahre 1995 und 1996 (a.a.O. S. 31), wonach es 1995 zu einem Bombenanschlag auf ein französisches Gymnasium und einer vorübergehenden Festnahme von fünf Christen und weiteren nicht näher spezifizierten Übergriffe auf nicht-muslimische Minderheiten gekommen sei; 1996 habe es vier (teils nur versuchte) Bombenanschläge gegeben, bei denen kein Personenschaden entstanden sei. So sei am 3.3.1996 eine Bombe im Hof einer nicht mehr benutzten griechisch-orthodoxen Kirche abgelegt und dann von der Polizei entschärft worden. Am 26.3.1996 sei eine Bombe in den Hof einer Bulgarischen Kirche geworfen worden, die nicht explodiert und dann von der Polizei entschärft worden sei. Am 29.9.1996 sei nach Mitternacht ein Bombenanschlag auf das griechisch-orthodoxe Patriarchat verübt worden, bei dem es nicht zu einem Personenschaden gekommen sei. Der schwerwiegendste Vorfall habe sich am 17.12.1996 ereignet, als während eines Gottesdienstes, an dem ca. 50 Italiener teilgenommen hätten, eine Bombe explodiert sei; auch hierbei sei niemand verletzt worden. Des weiteren berichtet Rumpf von einem Fall, in dem einer christlichen Apothekerin die Eröffnung einer Apotheke verwehrt worden sei. Allerdings vermerkt auch Rumpf, es gebe zwar keine Christenverfolgung, aber auch keinen ausreichenden Schutz der Religionsfreiheit. Generell vermerken viele Quellen (Rumpf, a.a.O., Oehring, a.a.O., ai. a.a.O., Wießner an OVG NRW v. 8.9.1995) eine Tendenz zur Islamisierung, die zu einer Verschlechterung der Situation der Christen führe. Wießner (a.a.O.) spricht von einer Atmosphäre der Verängstigung und der Unsicherheit und spricht den türkischen Sicherheitskräften die Fähigkeit und den Willen ab, Schutz vor Beeinträchtigungen zu gewähren (anders das AA an Verwaltungsgericht Ansbach vom 8.3.1996 und an Verwaltungsgericht Wiesbaden vom 14.2.1996 und Lagebericht vom 18.9.1998).

Nach zusammenfassender Würdigung kann den dem Senat vorliegenden Erkenntnismitteln nicht entnommen werden, dass Christen im Westen der Türkei - insbesondere in Istanbul - mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit nach § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK relevante Übergriffe drohten. Denn angesichts der Größe der Gruppe sind die Fälle, in denen es nach den zitierten Erkenntnisquellen zu Übergriffen auf Christen gekommen ist, als Einzelfälle anzusehen. Dabei ist im Hinblick darauf, dass nach keiner der beigezogenen Auskünfte von einer besonderen Gefährdung syrisch-orthodoxer Christen innerhalb der Gruppe der Christen ausgegangen werden kann neben der Zahl der in Istanbul lebenden syrisch-orthodoxen Christen, die teilweise mit 15.000 Personen (AA, Lagebericht vom 18.9.1998 und Auskunft an Verwaltungsgericht Freiburg vom 25.7.1997) und teilweise mit 12.000 Personen (ai an Verwaltungsgericht Wiesbaden vom 8.7.1997) angegeben wird, auch die Zahl der insgesamt in Istanbul lebenden Christen zu berücksichtigen. So leben allein ungefähr 60.000 armenisch-orthodoxe und griechisch-orthodoxe Christen in Istanbul (AA Lagebericht vom 18.9.1998); daneben gibt es dort noch zahlreiche weitere, kleinere christliche Religionsgemeinschaften (vgl. Rumpf, a.a.O.). Insgesamt hat sich Istanbul zum wichtigsten geographischen Zentrum der christlichen Minderheiten in der Türkei entwickelt (Rumpf, a.a.O.). Angesichts der beschränkten Zahl der festgestellten Übergriffe und ihrer Art kann nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass jeder Christ im Westen der Türkei (insbesondere in Istanbul) mit Angriffen auf seine Person rechnen muss. Vielmehr teilt der Senat die Einschätzung des Auswärtigen Amtes, wonach Christen in diesen Landesteilen weitgehend unbehelligt leben und auch ihre Religion ausüben können (AA an Verwaltungsgericht Ansbach vom 8.3.1996 und an Verwaltungsgericht Wiesbaden vom 14.2.1996) und dabei nicht in nennenswertem Umfang Übergriffen ihrer islamischen Nachbarn ausgesetzt sind (AA Lagebericht vom 18.9.1998). Auch die einzige Quelle, die konkrete Fälle von Übergriffen nennt (Rumpf, a.a.O.), kommt letztlich zu dem Ergebnis, eine allgemeine Christenverfolgung gebe es in der Türkei nicht. Angesichts der geringen Dichte der Übergriffe kann daher nicht festgestellt werden, dass die Tendenz zur Islamisierung zu einer Situation geführt hat, in der jeder Christ im Westen der Türkei in der Angst leben muss, selbst Opfer von Übergriffen zu werden.

Eine landesweite Gefährdung im Sinne des § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK setzt zudem voraus, dass im gesamten Staatsgebiet eine unmenschliche Behandlung beachtlich wahrscheinlich ist. Falls dies - wie hier - nicht zutrifft, kommt es, anders als beim Asylgrundrecht oder bei § 51 Abs. 1 AuslG, nicht darauf an, ob eine zumutbare inländische Fluchtalternative deshalb nicht besteht, weil den Angehörigen der verfolgten Gruppe am Ort der möglichen Fluchtalternative andere Nachteile und Gefahren drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutsbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen, sofern diese existentielle Gefährdung am Herkunftsort so nicht bestünde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989, BVerfGE 80, 315, 343 f.). Mit Blick auf diese Anforderungen hat der 12. Senat des erkennenden Gerichtshofs im Urteil vom 23.11.1995 (a.a.O.) das Vorliegen einer asylrechtlich (und im Rahmen des § 51 Abs. 1 AuslG) relevanten inländischen Fluchtalternative verneint, weil syrisch-orthodoxen Christen in den übrigen Gebieten der Türkei Gefährdungen durch Hunger und Verelendung drohten, die so in ihrer Heimat (im Tur-Abdin) nicht bestünden. Es sei ihnen unmöglich, sich im Westen der Türkei eine Existenz aufzubauen, da die wirtschaftliche Lage insgesamt schwierig sei, die muslimische Umwelt Christen bei der Arbeitsplatzsuche diskriminiere, die Gruppe der syrisch-orthodoxen Christen selbst in Istanbul zu klein sei, um alle Binnenflüchtlinge aufzunehmen und diese selbst typischerweise über keine Ausbildung beziehungsweise andere berufliche Erfahrung als solche in der Landwirtschaft verfügten und oft die türkische Sprache nicht beherrschten.

Die Folgen einer solchen schwierigen Situation sind jedoch im Rahmen des § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK unbeachtlich, da sie keine geplante, vorsätzliche, auf eine bestimmte Person gerichtete "Behandlung" i.S.d. Art. 3 EMRK darstellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 2.9.1997, BVerwGE 105, 187 zu den Folgen eines unzureichenden Gesundheitswesens).

Auch die vom Kläger geltend gemachte Gefahr der Doppelbestrafung wegen des von ihm begangenen Rauschgiftdelikts stellt kein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 4 i.V.m. Art. 3 EMRK dar. Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids hatte sich die Gefahr einer weiteren Strafverfolgung in der Türkei nach den vom Kläger in der Berufungsverhandlung vorgelegten Unterlagen noch nicht verdichtet. Denn die Anklageschrift des Vorbereitungsbüros der Generalstaatsanwaltschaft beim Staatssicherheitsgericht in Istanbul, die letztlich zu dem Rechtshilfeersuchen vom 20.4.1999 führte, stammt vom 26.8.1998 und wurde somit erst nach Erlass des Widerspruchsbescheids im vorliegenden Verfahren erstellt. Zuvor konnte angesichts des Urteils des Landgerichts Stuttgart vom 28.2.1997 - 2 Kls 199/96 - nicht davon ausgegangen werden, dass ihm in der Türkei ebenfalls eine Strafverfolgung drohte. Denn ausweislich dieses Urteils hatte die Gruppe, der der Kläger angehörte, zwar Heroin, das über die Türkei in die Niederlande gekommen war, dort gekauft und dann nach Deutschland eingeführt und hier veräußert. Dem Urteil lassen sich aber keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Kläger beziehungsweise andere Mitglieder seiner Gruppe auch mit der Organisation der Ausfuhr aus der Türkei befasst waren. Vor diesem Hintergrund lag es fern, anzunehmen, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in die Türkei überhaupt eine Bestrafung droht. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass reine Auslandstaten im Betäubungsmittelbereich nicht unter die Taten fallen, die nach Art. 4 Türkisches StGB bestraft werden können (vgl. Türkischer Kassationshof, Urteil vom 22.12.1992, InfAuslR 1994, 398 mit Anmerkung Rumpf; Koch, Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht an VG Gelsenkirchen vom 5.8.1997). Eine Bestrafung ist in solchen Fällen auch nicht nach Art. 5 Türkisches StGB möglich (vgl. Türkischer Kassationshof, Urteil vom 22.12.1992, a.a.O.; Koch, a.a.O.). Erst durch die in der Türkei erhobene Anklage, die von einer Beteiligung des Klägers an der Ausfuhr des Heroins aus der Türkei ausgeht, konkretisierte sich die Gefahr einer weiteren Bestrafung.

Im übrigen stellt eine Doppelbestrafung grundsätzlich keine unmenschliche Behandlung im Sinne des § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK dar (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 30.3.1993 - 11 S 529/93 -, InfAuslR 1994, 27; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 27.11.1997, InfAuslR 1998, 199; Hailbronner, AuslR § 53 RdNr. 37). Art. 103 Abs. 3 GG verwehrt grundsätzlich nur eine mehrmalige Verurteilung eines Straftäters durch deutsche Gerichte (BVerfG, Beschluss vom 31.3.1987 - 2 BvM 2.86 -, NJW 1987, 2155, 2156). Es besteht derzeit auch noch keine allgemeine Regel des Völkerrechts des Inhalts, dass eine Person wegen desselben Lebenssachverhalts, dessentwegen sie bereits in einem dritten Staat zu einer Freiheitsentziehung verurteilt wurde, und die sie auch verbüßt hat, in einem anderen Staat nicht neuerlich angeklagt oder verurteilt werden darf, oder dass jedenfalls die Zeit der im dritten Staat erlittenen Freiheitsentziehung im Falle einer neuerlichen Verurteilung angerechnet oder berücksichtigt werden muss (BVerfG, a.a.O. S. 2157).

Ob die Abschiebung in einen Staat eine unmenschliche Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK darstellen würde und daher unzulässig wäre, wenn die den Ausländer dort erwartende Strafe mit Blick auf eine Nichtanrechnung oder Nichtberücksichtigung der in der Bundesrepublik Deutschland wegen derselben Tat erlittenen Strafe als unerträglich hart und unter jedem denkbaren Gesichtspunkt unangemessen erscheint (so: OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 27.11.1997, a.a.O.; Treiber in GK-AuslR, § 53 RdNr. 217; OVG Lüneburg, Beschluss vom 4.6.2002 - 11 ME 159/02 - ; vgl. auch VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 30.3.1993, a.a.O. der insoweit einen aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Abschiebungsschutz annimmt) kann letztlich offenbleiben. Denn diese äußerste Grenze wird allenfalls in besonderen Ausnahmefällen überschritten; dies ist nicht bereits dann der Fall, wenn die Strafe lediglich als in hohem Maße hart und bei einer strengen Beurteilung anhand deutschen Verfassungsrechts nicht mehr als angemessen betrachtet werden kann (BVerfG, Beschluss vom 31.3.1987, a.a.O., OVG Lüneburg, Beschluss vom 4.6.2002, a.a.O.). So hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 31.3.1987 (a.a.O.) eine in der Türkei drohende Freiheitsstrafe von achtzehn Jahren wegen Drogenschmuggels auch im Hinblick auf eine dreijährige Haftstrafe, die der Betreffende in Griechenland verbüßt hatte und die nicht angerechnet wurde, nicht als vollkommen unangemessen erachtet. Dementsprechend hat der 11. Senat des erkennenden Gerichtshofs in seinem Beschluss vom 30.3.1993 (a.a.O.) die Abschiebung eines wegen Drogenhandels Verurteilten trotz der drohenden Verhängung einer 20-jährigen Haftstrafe in den USA für zulässig erachtet, obgleich für die Tat eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängt worden war, die in eine teilweise verbüßte Gesamtstrafe einbezogen worden war.

Gemessen hieran begründet die Gefahr der Verhängung einer Freiheitsstrafe für den Kläger in der Türkei bei Berücksichtigung von Art und Schwere der von ihm begangenen Straftat kein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die in der Bundesrepublik verbüßte Freiheitsstrafe auf die in der Türkei zu verhängende Freiheitsstrafe angerechnet werden wird (Koch, a.a.O.). Dies ergibt sich auch aus der mit dem Rechtshilfeersuchen vorgelegten Anklageschrift (letzter Absatz); zudem ist Art. 4 des anzuwendenden Gesetzes (TCK 403), in dem diese Anrechnung vorgeschrieben ist, dem Rechtshilfeersuchen - in deutscher Übersetzung - beigefügt. Des weiteren ist selbst im Hinblick auf den ausweislich der dem Rechtshilfeersuchen beigefügten Bestimmungen des TCK 403 (Art. 2 i.V.m. Art. 6) eröffneten Strafrahmen von 12 bis höchstens 24 Jahren nicht beachtlich wahrscheinlich, dass die Höchststrafe verhängt werden wird, zumal der Kläger ausweislich des Urteils des Landgerichts Stuttgart nicht die Zentralfigur der mit dem Heroin- und Kokainhandel befassten Gruppe war. Die Verhängung einer höheren Strafe im Hinblick auf seine christliche Religionszugehörigkeit ist nicht zu erwarten (AA an Verwaltungsgericht Ansbach vom 22.4.1997). Maßgeblich für die Frage, ob eine Freiheitsstrafe wegen ihrer Dauer als unmenschliche Behandlung anzusehen ist, ist zudem auch die voraussichtlich zu erwartende Dauer des Strafvollzugs. In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass das türkische Strafvollstreckungsrecht auch die Möglichkeit der vorzeitigen Haftentlassung wegen guter Führung kennt (OVG Lüneburg, Beschluss vom 4.6.2002, a.a.O., OLG Stuttgart, Beschluss vom 19.1.2001, Die Justiz 2001, 198; Oehring an Verwaltungsgericht Koblenz vom 6.7.1997, S. 12 ff; Yenisey, Die rechtliche Stellung des im Ausland straffällig gewordenen Türken in der Türkei, InfAuslR 1988, 125, 128).

Auch hinsichtlich der vom Kläger des weiteren geltend gemachten Gefahr, im Rahmen eines bei einer Abschiebung in die Türkei drohenden Strafverfahrens Misshandlungen bis hin zur Folter ausgesetzt zu sein, lag zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids kein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK vor. Denn - wie oben dargelegt - hatte sich zu dieser Zeit die Gefahr einer gegen den Kläger gerichteten Strafverfolgung in der Türkei noch nicht verdichtet. Es bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass bereits im Januar 1998 ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet worden war. Es kann daher offen bleiben, ob dem Kläger zu dieser Zeit - gegebenenfalls auch im Hinblick auf seinen christlichen Glauben - Misshandlungen im Rahmen eines Strafverfahrens gedroht hätten. Selbst wenn man aber zu seinen Gunsten unterstellt, dass bereits im Januar 1998 ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet worden war, hätte zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids (20.1.1998) in seinem konkreten, durch individuelle Besonderheiten geprägten Fall eine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Folter nicht bestanden. Zwar gab es zu dieser Zeit zahlreiche Fälle der Folter in der Türkei (vgl. hierzu den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 18.9.1998). Der weitaus überwiegende Teil der dokumentierten Folterfälle betrifft aber in Polizeigewahrsam genommene Personen, gegen die noch kein Strafverfahren eingeleitet wurde. Die strukturelle Ursache der Folter durch Polizeibeamte besteht in diesen Fällen darin, dass es während - zum Teil langer - Verweildauer in Polizeigewahrsam ohne Haftbefehl keinen garantierten Anwaltszugang gibt (vgl. zum Ganzen AA, Lagebericht vom 18.9.1998). Der Fall des Klägers zeichnet sich aber dadurch aus, dass er allenfalls aufgrund eines bereits anhängigen Gerichtsverfahrens in Haft käme, in dem auch in der Türkei das Recht auf Zugang zu einem Anwalt gewährleistet ist. Dies schützt den Kläger vor der Gefahr der Folter, zumal sein Fall auch keinerlei politischen Einschlag hat.

Dass der Kläger wegen seiner christlichen Religionszugehörigkeit auch während eines gerichtlichen Strafverfahrens in Haft mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Opfer von Misshandlungen geworden wäre, kann nach den hier maßgeblichen, beigezogenen Erkenntnisquellen nicht angenommen werden. Nach dem bereits zitierten Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 18.9.1998 gibt es hierfür keine dokumentierten Referenzfälle. Im übrigen hätte der im besonderen Fall des Klägers gewährleistete Anspruch auf anwaltlichen Beistand und der fehlende politische Bezug seiner Tat einer solchen Gefahr entgegengestanden. Aus weiteren dem Senat vorliegenden Erkenntnisquellen, kann nicht anderes hergeleitet werden. Oehring (an VG Regensburg vom 31.1.1996 und an VG Koblenz vom 29.7.1997) führt hierzu lediglich ohne Benennung von Referenzquellen aus, es sei nicht auszuschließen, dass es zu Übergriffen durch Mitgefangene und Gefängnispersonal komme; dies lässt aber nicht den Schluss auf eine beachtliche Wahrscheinlichkeit solcher Übergriffe zu, zumal Oehring nicht zwischen Haft in Polizeigewahrsam und Haft aufgrund anhängigen Gerichtsverfahrens differenziert. Soweit ai in einer Auskunft an das Verwaltungsgericht Koblenz (vom 6.11.1996) - ebenfalls ohne Differenzierung nach dem Haftgrund - ausführt, es sei nicht auszuschließen, dass Christen in Haft stärker als andere Schikanen bis hin zu Misshandlungen ausgesetzt seien, wird auch dies nicht ausreichend durch Referenzfälle belegt. Denn der einzige genannte Fall betraf einen PKK-Verdächtigen, so dass es nahe liegt, dass dieser Umstand - und nicht die Religionszugehörigkeit des Betroffenen - zur Anwendung der Folter geführt hat und ereignete sich zudem während einer Polizeihaft.

Dem vom Prozessbevollmächtigten des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung überreichten Bericht des Europäischen Komitees zur Verhinderung der Folter und der unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung oder Bestrafung über einen Besuch in der Türkei vom 2. bis 14.9.2001 kann nicht Gegenteiliges entnommen werden. Denn diesem Bericht lässt sich gerade entnehmen, dass sich die Menschenrechtslage in der Türkei verbessert hat und dass der türkische Staat sich um eine weitere Verbesserung bemüht. Zwar werden - insbesondere im Osten des Landes - noch Missstände gerügt. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bei der Durchführung eines Strafverfahrens vor dem Staatssicherheitsgericht in Istanbul, das die das Rechtshilfeersuchen auslösende Anfrage gestellt hat, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit Folterungen oder anderen Misshandlungen, die eine unmenschliche Behandlung darstellen, rechnen muss, sind dem Bericht nicht zu entnehmen.

Unter diesen Umständen ist auch kein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 1 AuslG hinsichtlich der Türkei gegeben, da dem Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids (20.1.1998) bei einer Rückkehr dorthin nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Folter drohte.

Ferner droht dem Kläger in der Türkei unter keinen Umständen die Todesstrafe, da bereits 1990 alle Todesstrafdrohungen im Rauschgiftbereich aus dem Gesetz gestrichen worden sind (Koch, a.a.O.), so dass auch ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 2 AuslG nicht besteht.

Schließlich liegt auch im Hinblick auf die Zugehörigkeit des Klägers zur syrisch-orthodoxen Religionsgemeinschaft ein in der Abschiebungsandrohung ausnahmsweise zu berücksichtigendes zwingendes Abschiebungshindernis auf Grund einer verfassungskonformen Auslegung von § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG i.V.m. Satz 1 dieser Vorschrift - das nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei Bestehen einer "extremen Gefahrenlage" mit der Folge, dass der Betroffene im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde, anzunehmen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.11.1996, a.a.O.) - unter Zugrundelegung der tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung nicht vor. Eine solche verfassungskonforme Auslegung ist hier nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil ein Erlass zugunsten von Christen aus der Türkei besteht. Denn dieser gilt nicht für straffällig gewordene Personen wie den Kläger, beziehungsweise nicht für Personen, bei denen ein schwerwiegender Ausweisungsgrund vorliegt (vgl. II Nrn. 1.3 und 2.2 der Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zur rechtlichen Behandlung abgelehnter Asylbewerber nach §§ 32, 54 AuslG in der zum Zeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheids geltenden Fassung vom 12.8.1991 - Az.: 3-1346/1-). Der Kläger hat im vorliegenden Fall auch keinen anderweitigen gleichwertigen Abschiebungsschutz, wie eine aus individuellen Gründen erteilte Duldung, die ebenfalls einer verfassungskonformen Auslegung des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG entgegenstünde (BVerwG, Urteil vom 12.7.2001, NVwZ 2001, 1420). Wie bereits dargelegt, drohten dem Kläger jedoch bei einer Rückkehr - jedenfalls in den Westen der Türkei - zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Übergriffe, so dass insoweit auch keine extreme Gefahrenlage bestand, bei der er gewissermaßen sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein würde. Eine solche extreme Gefahrenlage ist des weiteren auch im Hinblick auf die schwierige wirtschaftliche Situation der syrisch-orthodoxen Christen im Westen der Türkei für den Kläger nicht gegeben. Denn diese läge nur vor, wenn ihm existentielle wirtschaftliche Not in einem Ausmaß gedroht hätte, dass sein Leben beziehungsweise seine körperliche Unversehrtheit so erheblich, konkret und unmittelbar gefährdet gewesen wären, dass eine Abschiebung nur unter Verletzung dieser zwingenden Verfassungsgebote hätte erfolgen können; dabei sind die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren gegenüber dem sonst geltenden Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöht (BVerwG, Urteil vom 19.11.1996, a.a.O.). Davon, dass dem Kläger im Westen der Türkei mit einer derart erhöhten Wahrscheinlichkeit der Tod oder schwere körperliche Leiden durch Hunger oder andere Folgen materieller Not drohen, kann nicht ausgegangen werden. Denn er hat zum einen 5 Jahre die Schule besucht und den Wehrdienst abgeleistet, so dass davon auszugehen ist, dass er die türkische Sprache beherrscht, und zudem eine Ausbildung zum Goldschmied absolviert. Zudem hat auch amnesty international in einer Auskunft an das VG Koblenz (vom 8.7.1997) ausgeführt, ihm sei kein Fall einer existentiellen Verelendung beziehungsweise eines Hungertodes eines syrisch-orthodoxen Christen in Istanbul bekannt. Eine bei verfassungskonformer Interpretation des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG vorauszusetzende existentielle Gefährdung bei einer Aussiedlung im Westen der Türkei erscheint vor diesem Hintergrund ausgeschlossen.

Da der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides (20.1.1998) in Haft war, ist es auch nicht zu beanstanden, dass eine Ausreisefrist nicht gesetzt wurde.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht war nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Beschluss

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf EUR 4.000,- festgesetzt.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 25 Abs. 2 Satz 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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