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Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 12.09.2002
Aktenzeichen: 13 S 2015/01
Rechtsgebiete: RuStAÄndG 1974, RuStAG


Vorschriften:

RuStAÄndG 1974 Art. 3
RuStAG § 4 Abs. 1
RuStAG § 6
Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Erklärung nach Art. 3 Abs. 1 RuStAÄndG 1974 erstreckt sich auf die zum Erklärungszeitpunkt vorhandenen Abkömmlinge des Erklärenden, wenn diese bei gleichberechtigungskonformem Staatsangehörigkeitsrecht nach ihm die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hätten.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

13 S 2015/01

Verkündet am 12.09.2002

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Staatsangehörigkeit

hat der 13. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Stumpe, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Jaeckel-Leight und die Richterin am Verwaltungsgericht Jann auf Grund der mündlichen Verhandlung am 11. September 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 17. September 1996 - 1 K 1414/96 - geändert.

Es wird festgestellt, dass die Kläger deutsche Staatsangehörige sind.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger begehren die Feststellung, dass sie deutsche Staatsangehörige sind.

Der am 23.1.1990 geborene Kläger zu 1 ist der Sohn des 1967 als sowjetischer Staatsangehöriger geborenen xxxxxx xxxxx und dessen Ehefrau xxxx xxxxx, geschiedene xxxxxxxxxx, geborene xxxxxx. Die am 2.5.1980 geborene Klägerin zu 2 ist die Tochter der xxxx xxxxx aus deren erster Ehe. Sie wurde am 10.04.1992 in Kasachstan von xxxxxx xxxxx adoptiert.

Der am 1970 verstorbene Großvater väterlicherseits der Kläger war Russe. Die im Dezember 1996 verstorbene Großmutter väterlicherseits, Frau xxxxxxx xxxxx xxxxxxx, geborene xxxxx, war deutsche Volkszugehörige und lebte seit Juli 1989 im Bundesgebiet. Ihr wurde im Oktober 1989 ein Vertriebenenausweis erteilt. Frau xxxxxxx erwarb ausweislich der Abschrift einer Einbürgerungsurkunde der Einwandererzentralstelle in Gnesen vom 16.7.1944 zusammen mit ihren Eltern und Geschwistern die deutsche Staatsangehörigkeit. Vor ihrer Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland lebte sie mit dem Vater der Kläger und dessen Geschwistern in Kasachstan. Ein im Dezember 1990 gestellter Antrag des Vaters der Kläger auf Aufnahme des Vaters, dessen Ehefrau und der Kläger als Aussiedler nach dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG) wurde mit Bescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 5.11.1991 mit der Begründung abgelehnt, dass die deutsche Volkszugehörigkeit im Sinne des § 6 BVFG nicht nachgewiesen worden sei. Auch einen erneuten Aufnahmeantrag vom Juni 1992 lehnte das Bundesverwaltungsamt mit Bescheid vom 22.12.1994 aus demselben Grunde ab. Hiergegen erhob der Vater der Kläger Widerspruch, in dem er sich unter anderem auf die Einbürgerung seiner Mutter berief und die entsprechende Einbürgerungsurkunde vorlegte.

Mit am 17.5.1995 beim Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis eingegangenem Schriftsatz vom 11.5.1995 erklärte der Prozessbevollmächtigte der Kläger namens und im Auftrag des Vaters der Kläger mit Blick auf die Regelung in Art. 3 RuStAÄndG 1974, dass der Vater die deutsche Staatsangehörigkeit seiner Mutter annehme; vorsorglich werde insoweit die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Mit weiterem Schriftsatz vom 12.9.1995 beantragte der Vater der Kläger die Ausstellung eines Statusausweises. Am 15.12.1995 legte er einen von der Großmutter väterlicherseits geschriebenen Lebenslauf vor, in dem diese berichtete, dass sie 1935 im Gebiet der früheren UdSSR geboren und dass sie während des Krieges im Alter von 7 Jahren mit der ganzen Familie nach Polen und dort in die Stadt Gnesen verschleppt worden sei. Ihr Vater sei dort 1945 in die Wehrmacht eingezogen worden. Ihre Mutter sei mit den Kindern weiter transportiert worden. Sie hätten von 1947 bis 1949 in dem Dorf Ottersleben im Gebiet der früheren DDR gelebt. Im Jahr 1949 seien sie für drei Monate in einem Lager in Brandenburg gewesen. Von dort seien sie durch die Russen nach Sibirien verschleppt worden, wo sie bis zu ihrem Umzug nach Kasachstan im März 1958 gewesen seien.

Am 7.3.1996 haben die Kläger (und der Vater der Kläger) Klage beim Verwaltungsgericht Freiburg erhoben. Sie haben beantragt, festzustellen, dass sie (und ihr Vater) deutsche Staatsangehörige, hilfsweise Deutsche ohne deutsche Staatsangehörigkeit i.S.d. Art. 116 Abs. 1 GG sind, und den Beklagten zu verpflichten, ihnen Staatsangehörigkeitsausweise auszustellen. Zur Begründung haben sie ausgeführt: Ihr Vater habe bereits durch Stellung des Aufnahmeantrages von 1990 konkludent und rechtzeitig die Erklärung abgegeben, die Staatsangehörigkeit seiner Mutter annehmen zu wollen. Sie seien als Abkömmlinge einer Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit ebenfalls deutsche Staatsangehörige oder zumindest Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG. Die Behörde habe sich bislang ohne zureichenden Grund geweigert, über den Antrag auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises zu entscheiden, so dass die Klage als Untätigkeitsklage zulässig sei.

Mit Beschluss vom 9.7.1996 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren hinsichtlich der Kläger abgetrennt und das Verfahren des Vaters der Kläger nach § 75 Satz 3 VwGO für sieben Monate ausgesetzt. Mit Bescheid vom 12.2.1997 lehnte das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis den "Antrag" des Vaters auf "Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit vom Ausland her" und die Ausstellung eines Ausweises über die Rechtsstellung als Deutscher ab. Bezogen auf die Ablehnung der Ausstellung eines Ausweises über die Rechtsstellung als Deutscher wurde ausgeführt: Er habe die deutsche Staatsangehörigkeit weder durch Geburt noch durch Erklärung erworben. Insbesondere habe er die Frist für die Abgabe der Erklärung, dass er die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben wolle, versäumt. Er habe diese Fristversäumnis auch verschuldet, so dass ihm keine Nachfrist eingeräumt gewesen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 8.9.1998 wies das Regierungspräsidium Freiburg den Widerspruch des Vaters der Kläger gegen den Bescheid vom 12.2.1997 zurück.

Bereits im September 1997 hatte das Verwaltungsgericht das Verfahren des Vaters wieder aufgenommen. Mit Urteil vom 1.12.1999 - 1 K 1798/97 - hat es die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Vaters der Kläger hat der Senat mit Urteil vom 15.6.2001 - 13 S 1099/00 - das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert, festgestellt, dass der Vater der Kläger deutscher Staatsangehöriger ist und den Beklagten verpflichtet, zum Nachweis des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit eine Urkunde auszufertigen. Zur Begründung hat er ausgeführt: Der Vater der Kläger habe die deutsche Staatsangehörigkeit nach Art. 3 RuStAÄndG 1974 durch Erklärung vom 11.5.1995 erworben, da mit dieser Erklärung jedenfalls die Nachfrist des Art. 3 Abs. 7 RuStAÄndG 1974 eingehalten worden sei. Im Hinblick auf die vom Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis erteilten unzutreffenden Auskünfte habe die Nachfrist im vorliegenden Fall erst im Januar 1995 zu laufen begonnen, als die Großmutter der Kläger im Hinblick auf die erneute Ablehnung der Erteilung eines Aufnahmebescheids durch das Bundesverwaltungsamt anwaltlichen Rat gesucht habe.

Bereits mit Gerichtsbescheid vom 17.9.1996 hat das Verwaltungsgericht die Klagen der Kläger abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Klagen seien unzulässig, weil es an einem Vorverfahren fehle. Die Kläger hätten vor Klageerhebung weder ausdrücklich noch konkludent einen Antrag bei der Behörde gestellt. Ihr Vater habe sie in seinen Schriftsätzen an die Behörde nicht einmal erwähnt, geschweige denn einen Antrag in ihrem Namen gestellt. Das Vorverfahren sei auch nicht entbehrlich. Dies gelte selbst dann, wenn der Ansicht zu folgen sei, dass in der Klageerhebung ein Antrag und in der Klageerwiderung dessen Ablehnung gesehen werden könne. Denn in der Klageerwiderung könne hier bereits deswegen keine Ablehnung des Antrages der Kläger gesehen werden, weil sich die Behörde ausdrücklich auf die Unzulässigkeit der Klagen berufen und sich nur hilfsweise zur Sache geäußert habe. Der Gerichtsbescheid wurde den Klägern am 24.9.1996 zugestellt.

Am 9.10.1996 haben die Kläger gegen den Gerichtsbescheid Berufung eingelegt.

Sie beantragen zuletzt,

den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 17.9.1996 - 1 K 1414/96 - zu ändern und festzustellen, dass sie deutsche Staatsangehörige sind, hilfsweise festzustellen, dass sie Deutsche ohne deutsche Staatsangehörigkeit im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG sind.

Zur Begründung tragen sie vor: Sie hätten die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt erworben, da ihr Vater durch Erklärung nach Art. 3 Abs. 1 RuStAÄndG 1974 deutscher Staatsangehöriger geworden sei. Ihr Vater sei somit so zu stellen, als ob er die Staatsangehörigkeit mit seiner Geburt erworben habe, so dass auch sie als seine Kinder die deutsche Staatsangehörigkeit über ihn erworben hätten.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung führt er aus: Die Feststellungsklage sei mangels vorangegangener Antragstellung unzulässig, da lediglich hinsichtlich des Vaters der Kläger die Staatsangehörigkeit im Streit sei. Im übrigen sei auch der Vater der Kläger weder deutscher Staatsangehöriger noch Deutscher ohne deutsche Staatsangehörigkeit im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG.

Das vorliegende Verfahren hat auf Grund Senatsbeschlusses vom 30.09.1998 bis zum 7.5.1999 geruht und war auf Grund Senatsbeschlusses vom 20.7.1999 im Hinblick auf das anhängige Verfahren des Vaters der Kläger ausgesetzt.

Dem Senat liegen außer den Akten des Verwaltungsgerichts die Akten des Landratsamtes Schwarzwald-Baar-Kreis, die Akten des Bundesverwaltungsamts (in Kopie), die Akten des Verwaltungsgerichts Freiburg und die Akten des Senats im Verfahren des Vaters der Kläger vor. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf diese Unterlagen sowie die gewechselten Schriftsätze verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die hier noch ohne Zulassung statthafte Berufung (vgl. Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 des 6. VwGOÄndG, BGBl. I 1996 S. 1626) ist auch sonst zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht die Feststellungsklage der Kläger abgewiesen. Denn die Feststellungsklage ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts zulässig. Sie ist auch begründet, denn der Beklagte ist passivlegitimiert und die Kläger sind deutsche Staatsangehörige.

Die Feststellungsklage ist zulässig, denn die Staatsangehörigkeit ist ein Statusrecht und damit ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO. Ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 43 Abs. 1 2. Halbsatz VwGO an der begehrten gerichtlichen Feststellung kann den Klägern jedenfalls zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats nicht (mehr) abgesprochen werden, nachdem die Staatsangehörigkeitsbehörde beim Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis auch auf Verfügung der Berichterstatterin erklärt hat, sie begehre trotz der positiven Entscheidung des Senats im Verfahren des Vaters der Kläger die Zurückweisung der Berufung und sich in der Berufungsverhandlung dahin eingelassen hat, dass sich der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch den Vater der Kläger nicht zu deren Gunsten auswirke. Somit besteht Unsicherheit beziehungsweise Streit über die Staatsangehörigkeit der Kläger (vgl. Senatsurteil vom 16.4.1997 - 13 S 3043/96 -). Ein Vorverfahren bzw. ein vor Klageerhebung an die Behörde gerichteter Antrag auf Feststellung ist - anders als bei der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage - keine Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage. Auch die Subsidiaritätsklausel des § 43 Abs. 2 VwGO steht der Zulässigkeit des Feststellungsantrags nicht entgegen. So müssen sich die Kläger nicht auf die Möglichkeit einer Klage auf Ausstellung von Staatsangehörigkeitsausweisen verweisen lassen, denn das Feststellungsbegehren hat einen weitergehenden Rechtsschutz zur Folge als die Klage auf Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises, bei der die inzidenten Feststellungen über die Staatsangehörigkeit als Vorfrage nicht in Rechtskraft erwachsen (BVerwG, Urteil vom 21.1985, Buchholz 130 § 25 RuStAG Nr. 5; Senatsurteile vom 26.6.2001 - 13 S 2555/99 - EZAR 280, Nr. 9, vom 11.10.1995 - 13 S 1805/95 - und vom 27.1.1999 - 13 S 2574/96 -; ebenso Bay.VGH, Urteil vom 10.7.1998, EZAR 280 Nr. 3).

Der Beklagte ist als Rechtsträger des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis passivlegitimiert. Denn dieses war für die Prüfung der Staatsangehörigkeit der Kläger zuständig. Diese Zuständigkeit folgt daraus, dass das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis für die Entgegennahme der Erklärung des Vaters der Kläger, die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben zu wollen, zuständig war (vgl. Senatsurteil vom 15.6.2001 - 13 S 1099/00 - im Verfahren des Vaters der Kläger). Da ein Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch die Kläger nur im Hinblick auf diese Erklärung ihres Vaters in Betracht kommt, verbleibt es auch insoweit bei der Zuständigkeit des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis.

Die Kläger haben des weiteren Anspruch auf die begehrte Feststellung, da sie deutsche Staatsangehörige sind. Ein Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit ist allerdings nicht unmittelbar durch Geburt bzw. durch Adoption eingetreten (1). Die Kläger haben jedoch aufgrund der Erklärung ihres Vaters, die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben zu wollen, zeitgleich mit diesem ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Denn die Wirkung dieser Erklärung ihres Vaters erstreckt sich auch auf die Kläger (2).

1. Ein Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 RuStAG i.d.F. vom 20.12.1974 durch Geburt war bei der Klägerin zu 2 bereits deswegen ausgeschlossen, weil sie 1980 als eheliches Kind zweier sowjetischer Staatsbürger geboren wurde. Anhaltspunkte dafür, dass ihre Mutter oder ihr leiblicher Vater zugleich deutsche Staatsangehörige waren, bestehen nicht, zumal beide russische Volkszugehörige sind.

Der Kläger zu 1 ist zwar der eheliche Sohn des xxxxxx xxxxx, der nunmehr durch Erklärungserwerb nach Art. 3 Abs. 1 RuStAÄndG 1974 deutscher Staatsangehöriger geworden ist. Voraussetzung für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 RuStAG in der zur Zeit seiner Geburt am 23.1.1990 geltenden Fassung vom 20.12.1974 war aber, dass der Vater (bzw. die Mutter, die hier aber als die deutsche Staatsangehörigkeit vermittelnder Elternteil nicht in Betracht kommt) zur Zeit der Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit besaß (Marx in GK-StAR § 4 StAG RdNr. 33, 34). Der Vater war jedoch am 23.1.1990 kein deutscher Staatsangehöriger. Denn er hat die deutsche Staatsangehörigkeit erst zum Zeitpunkt des Eingangs der Erklärung nach Art. 3 RuStAÄndG 1974, d.h. am 17.5.1995 erworben (Art. 3 Abs. 3 Satz 1 RuStAÄndG 1974). Eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Geburt des Erklärenden (hier des Vaters des Klägers) findet nicht statt; vielmehr tritt der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nur für die Zukunft ein (BVerwG, Urteil vom 27.8.1997, Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 89; Renner in Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 3. Aufl. § 3 StAG RdNr. 12; Makarov/v. Mangoldt, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, Art. 3 RuStAÄndG 1974 RdNr. 30).

Aus diesem Grunde konnte die Klägerin zu 2 auch nicht durch ihre am 10.4.1992 erfolgte Adoption durch xxxxxx xxxx die deutsche Staatsangehörigkeit nach § 6 RuStAG erwerben.

2. Beide Kläger sind jedoch durch die Erklärung ihres Vaters vom 11.5.1995, die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben zu wollen, zeitgleich mit diesem ebenfalls deutsche Staatsangehörige geworden. Denn ihr Vater hat durch diese Erklärung nach Art. 3 Abs. 1 RuStAÄndG 1974 die deutsche Staatsangehörigkeit erworben (vgl. das Senatsurteil vom 15.6.2001 a.a.O.). Dieser Erwerb erstreckt sich auf die Kläger als seine Abkömmlinge, da sie bei gleichberechtigungskonformem Staatsangehörigkeitsrecht nach ihm die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hätten (vgl. Makarov/v. Mangoldt, Art. 3 RuStAÄndG 1974 RdNr. 32).

Art. 3 RuStAÄndG 1974 enthält zwar ausdrücklich keine Regelung, dass der Erklärungserwerb sich auf die Abkömmlinge erstreckt, wie dies in § 6 Satz 2 StAG für die Erstreckung des Staatsangehörigkeitserwerbs adoptierter Kinder auf deren Abkömmlinge vorgesehen ist. Dennoch ist diese Auslegung des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 RuStAÄndG 1974 im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift geboten, für die zwischen dem 1.4.1953 und dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 20.12.1974 (BGBl. I S. 3714) am 1.1.1975 (vgl. Art. 6 RuStAÄndG 1974) geborenen ehelichen Kinder einer deutschen Mutter und eines ausländischen Vaters eine verfassungskonforme Übergangsregelung und einen Ausgleich für ihre zuvor bestehende verfassungswidrige Ungleichbehandlung zu schaffen. Denn nach § 4 Abs. 1 RuStAG in der bis dahin geltenden Fassung erwarb nur das eheliche Kind eines deutschen Vaters und einer ausländischen Mutter, nicht jedoch das eheliche Kind einer deutschen Mutter und eines ausländischen Vaters die deutsche Staatsangehörigkeit durch die Geburt. Diese Regelung war mit Art. 3 Abs. 1 GG sowie mit Art. 3 Abs. 2 i.V.m. Art. 6 Abs. 2 GG unvereinbar und der Gesetzgeber musste daher nicht nur für die Zukunft eine Neuregelung schaffen, sondern auch die Ungleichbehandlung der seit dem Ablauf der ihm zur Anpassung des Art. 3 Abs. 2 GG entgegenstehenden Rechts eingeräumten Frist (1.4.1953; vgl. Art. 117 Abs. 1 GG) bis zum Inkrafttreten der Neuregelung am 1.1.1975 geborenen Kinder durch eine verfassungskonforme Übergangsregelung ausgleichen (BVerfG, Beschluss vom 21.5.1974, BVerfGE 37, 217). Dabei war der Gesetzgeber zwar nicht verpflichtet, die gebotene Gleichstellung von ehelichen Kindern aus gemischt-nationalen Ehen rückwirkend auf den 1.4.1953 herzustellen; er war aber gehalten, für die Zukunft die fortwirkenden Folgen für den Status der Betroffenen zu beseitigen (BVerfG, Beschluss vom 21.5.1974, a.a.O., S. 263). Diesem verfassungskräftigen Auftrag wollte der Gesetzgeber durch die Schaffung des Art. 3 RuStAÄndG 1974 nachkommen; er ist daher bei der Auslegung dieser Bestimmung von besonderem Gewicht. Die dem bisher benachteiligten Personenkreis durch diese Bestimmung eröffnete, fristgebundene Möglichkeit, durch Erklärung (Option) die deutsche Staatsangehörigkeit für die Zukunft zu erwerben, ist zwar ein ausreichender Ausgleich für die verfassungswidrige Ungleichbehandlung (BVerfG, Beschlüsse vom 21.5.1974, a.a.O., S. 264 und vom 22.1.1999, NVwZ-RR 1999, 403; BVerwG, Urteil vom 24.10.1995, BVerwGE 99, 341 ff). Dies gilt jedoch mit Blick auf die Abkömmlinge der Optionsberechtigten nur dann, wenn sich der Erwerb der Staatsangehörigkeit ex nunc auch auf sie erstreckt. Denn es würde zu einer diesem durch das Bundesverfassungsgericht erteilten Auftrag zuwiderlaufenden Perpetuierung der Ungleichbehandlung führen, wenn ehelichen Kindern einer deutschen Mutter und eines ausländischen Vaters zwar die Möglichkeit eröffnet wäre, deutsche Staatsangehörige zu werden, sie diesen Status jedoch - anders als eheliche Kinder eines deutschen Vaters und einer ausländischen Mutter - nicht an ihre eigenen Abkömmlinge vermitteln könnten, soweit diese vor dem Wirksamwerden der Erklärung nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 RuStAÄndG 1974 geboren beziehungsweise adoptiert (oder legitimiert; vgl. § 5 RuStAG a.F.) worden sind. Insoweit wäre nämlich der Optionsberechtigte auch nach dem Wirksamwerden seiner Erklärung nicht dem ehelichen Kind eines deutschen Vaters und einer ausländischen Mutter gleichgestellt, sondern müsste für seine zuvor geborenen (bzw. adoptierten oder legitimierten) Abkömmlinge entweder gesondert die Einbürgerung beantragen oder hinnehmen, dass diese dem Ausländergesetz unterworfen sind mit allen auch ihn gegebenenfalls treffenden Folgen, so insbesondere der Möglichkeit einer Aufenthaltsbeendigung (Ausweisung etc.; vgl. zu diesem Gesichtspunkt BVerfG, Beschluss vom 21.5.1974, a.a.O., S. 246 f.).

Der hier vertretenen Auslegung des Art. 3 RuStAÄndG 1974 steht nicht entgegen, dass die Problematik der Abkömmlinge von Optionsberechtigten im Gesetzgebungsverfahren nicht erörtert wurde (vgl. BT-Drs. 7/2175 und 7/2814); denn dies drängte sich damals angesichts des Alters des begünstigten Personenkreises nicht auf. Auch kann bei Berücksichtigung des verfassungskräftigen Zwecks der Vorschrift nicht aus dem Fehlen einer ausdrücklichen Erstreckungsregelung auf einen entgegenstehenden Willen des Gesetzgebers geschlossen werden. Denn dieser hatte sich nur bewusst gegen eine Kollektivverleihung der deutschen Staatsangehörigkeit an den durch die Übergangsregelung zu erfassenden Personenkreis entschieden; eine solche Kollektivverleihung kann in der Erstreckung der Wirkungen der Erklärung auf die Abkömmlinge jedoch nicht gesehen werden.

Der Erstreckung des Erklärungserwerbs auf Abkömmlinge kann auch nicht der mit der Schaffung einer befristeten Optionsmöglichkeit verfolgte Zweck entgegengehalten werden, die staatsangehörigkeitsrechtlichen Verhältnisse alsbald zu klären und damit Rechtssicherheit zu gewährleisten (BVerwG, Urteil vom 24.10.1995, a.a.O.), die im Staatsangehörigkeitsrecht wegen der weitreichenden Bedeutung, die Besitz oder Nichtbesitz der Staatsangehörigkeit haben, und der Berührung der Interessen anderer Staaten von besonderer Bedeutung ist. Dieser Zweck ist zwar - ebenso wie der Anspruch der Betroffenen auf Gleichbehandlung - bei der Anwendung des Art. 3 RuStAÄndG 1974 zu berücksichtigen (BVerfG, Beschluss vom 22.1.1999, a.a.O.), wird durch die hier vertretene Auslegung aber nicht beeinträchtigt. Denn zum einen bleibt es bei dem Erfordernis einer fristgebundenen Erklärung, so dass das Interesse an einer möglichst raschen Klärung der Verhältnisse nicht berührt wird und zum anderen ist der durch die Erstreckung erfasste Personenkreis jeweils überschaubar, so dass auch insoweit keine ungeklärten Verhältnisse drohen, wie sie bei einer Kollektivverleihung befürchtet wurden. Auch der vom Gesetzgeber bei seiner Entscheidung für das Modell des Optionserwerbs bestimmende Gesichtspunkt, dass das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht grundsätzlich von der Freiwilligkeit des nachträglichen Erwerbs der Staatsangehörigkeit ausgeht (BT-Drs. 7/2175, S. 11 und BT-Drs. 7/2814, S. 4), steht der hier vertretenen Auslegung nicht entgegen. Denn es bleibt beim Anknüpfungspunkt einer Erklärung des Optionsberechtigten. Wenn dieser sich für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit entscheidet, gibt es keinen sachlichen Grund mehr, dem im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21.5.1974 (a.a.O.) erteilten Auftrag, für die Zukunft die fortwirkenden Folgen für den Status der Betroffenen zu beseitigen, nicht in dem gebotenen, auch die Abkömmlinge erfassenden Umfang zu entsprechen.

Die Erstreckung des nachträglichen Erwerbs der Staatsangehörigkeit auf Abkömmlinge ist dem deutschen Recht zudem nicht fremd, wie sich bereits aus § 6 Satz 2 StAG ergibt. Das gilt auch für die Annahme einer solchen Erstreckung ohne ausdrückliche Regelung; so erstreckte sich der Erwerb der Staatsangehörigkeit durch Legitimation nach § 5 RuStAG a.F. auch ohne ausdrückliche Regelung auf die Abkömmlinge des legitimierten Kindes (Makarov/ v. Mangoldt a.a.O., § 5 RuStAG RdNr. 20; Renner, a.a.O., § 5 RdNr. 19, 20; Marx, a.a.O., RdNr. 43).

Die Kläger hätten auch bei gleichberechtigungskonformem Staatsangehörigkeitsrecht die deutsche Staatsangehörigkeit erworben, da - abgesehen von der Staatsangehörigkeit ihres Vaters - nach dem zur Zeit der Geburt des Klägers zu 1 bzw. der Adoption der Klägerin zu 2 geltenden Staatsangehörigkeitsrecht für beide jeweils ein Erwerbsgrund bestand.

Bei der Geburt des Klägers zu 1 am 23.1.1990 als ehelicher Sohn des xxxxxx xxxxx lagen, abgesehen von der damals fehlenden deutschen Staatsangehörigkeit seines Vaters, die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 1 RuStAG in der damals geltenden Fassung (vom 20.12.1974) vor.

Bei der Adoption der Klägerin zu 2 durch xxxxxx xxxx am 10.4.1992 lagen bis auf die deutsche Staatsangehörigkeit des Annehmenden sämtliche Voraussetzungen für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 6 RuStAG in der zu dieser Zeit geltenden Fassung vom 25.7.1986 vor. Denn die Klägerin zu 2 hatte im Zeitpunkt des Annahmeantrags das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet und die Adoption ist nach den deutschen Gesetzen wirksam.

Die Klägerin zu 2 hatte im maßgeblichen Zeitpunkt die Altersgrenze noch nicht überschritten. Den Akten kann zwar nicht entnommen werden, wann der Annahmeantrag gestellt worden ist. Die Adoption durch xxxxxx xxxxx - der der entsprechende Antrag vorhergegangen sein muss - erfolgte jedoch am 10.4.1992, als die am 2.5.1980 geborene Klägerin zu 2 elf Jahre alt war.

Die in Kasachstan erfolgte Adoption der Klägerin zu 2 (vgl. Aktenseite 76 der beigezogenen Akten des Bundesverwaltungsamts) ist nach deutschem Recht wirksam, ohne dass es eines besonderen Anerkennungsverfahrens bedürfte (BGH, Urteil vom 14.12.1988, FamRZ 1989, 378). Denn eine nach deutschem Recht wirksame Annahme als Kind ist auch eine im Ausland nach ausländischem Recht vorgenommene Adoption, wenn ihre Anerkennung nicht nach § 16a FGG ausgeschlossen ist und wenn sie die wesentlichen Merkmale einer Adoption nach deutschem Recht erfüllt (Bay.VGH, Urteil vom 9.11.1988, NJW 1989, 3107; Makarov/v. Mangoldt, a.a.O., § 6 RuStAG, RdNr. 11; Renner in Hailbronner/Renner, a.a.O., § 6 StAG, RdNr. 21 ff., vgl. auch Senatsurteil vom 5.2.1992 - 13 S 1479/89 - EZAR 271 Nr. 24). Zweifel daran, dass diese Voraussetzungen hier vorliegen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere fehlen Anhaltspunkte dafür, dass die Adoption der Klägerin zu 2 nach dem in Kasachstan geltenden Familienrecht nicht wirksam war. Die Annahme der Klägerin zu 2 als Kind des xxxxxx xxxxx erfolgte vor der Neufassung des kasachischen Familienrechts am 22.10.1993 (Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Kasachstan S. 22). Aber bereits nach der früheren Fassung des kasachischen Gesetzbuchs über Ehe und Familie - FamGB -, welches an den Vorgaben der "Grundlagen der Gesetzgebung der Union der SSR und der Unionsrepubliken über Ehe und Familie" vom 27.6.1968 (GrEF) ausgerichtet war (Bergmann/Ferid/Henrich, a.a.O., Kasachstan, S. 22), waren neben dem Antrag des Annehmenden auch Einverständniserklärungen der (leiblichen) Eltern des Anzunehmenden sowie dessen selbst, soweit er über zehn Jahre alt war, erforderlich (Art. 24 GrEF; vgl. Art. 101, 102 und Art. 104, 105 FamGB), so dass insoweit der deutsche "ordre public" gewahrt ist. Die Wirkungen der Adoption entsprechen ebenfalls im wesentlichen denen einer Annahme als Kind nach deutschem Recht; insbesondere begründet sie ein Kindschaftsverhältnis zwischen den Annehmenden und dem Anzunehmenden unter grundsätzlicher Beendigung des Kindschaftsverhältnisses zu den leiblichen Eltern. Die durch Beschluss der zuständigen Behörde (Art. 24 Abs. 2 GrEF: Exekutivkomitee des Rayon- oder Stadtsowjets; vgl. heute Art. 100 FamGB: Exekutivkomitee des Kreis-, Stadt-, Stadtbezirksrats der Volksdeputierten) bewirkte Adoption hat die Wirkungen einer Volladoption nach deutschem Familienrecht (§§ 1754 ff. BGB), d.h. sie begründet ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen den Annehmenden und deren Verwandten einerseits und dem Anzunehmenden und dessen Abkömmlingen andererseits (Art. 25 Abs. 1 GrEF; vgl. Art. 110 Abs. 1 FamGB) und führt zur Beendigung aller persönlichen und vermögensrechtlichen Rechte und Pflichten des Anzunehmenden zu seinen leiblichen Verwandten (Art. 25 Abs. 2 GrEF; Art. 110 Abs. 2 FamGB; vgl. auch Bergmann/Ferid/Henrich, a.a.O., Kasachstan S. 46 und UdSSR S. 48). Dementsprechend werden in der deutschen Praxis sowohl Adoptionen nach früherem sowjetischen Recht als auch nach kasachischem Recht als gleichwertig und anerkennungsfähig angesehen (so Bergmann/Ferid/Henrich, a.a.O., Kasachstan S. 46 FN 76).

Eine Wesensgleichheit mit einer Kindesannahme nach deutschem Recht besteht auch insofern, als die Adoption nicht durch Rechtsgeschäft vorgenommen wird, sondern eine behördliche Entscheidung erfordert (Dekretsystem; vgl. Senatsurteil vom 5.2.1992 - 13 S 1479/89 -, NJW 1992, 3117). Da auch die familienrechtlichen Folgen in ihren wesentlichen Grundzügen übereinstimmen - wobei keine Übereinstimmung in allen Einzelheiten erforderlich ist (Bay.VGH, Urteil vom 9.11.1988, a.a.O.) -, liegt eine wirksame "Annahme als Kind" im Sinne des § 6 RuStAG vor.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision war nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, da die Frage, ob sich der Erklärungserwerb nach Art. 3 Abs. 1 RuStAÄndG 1974 auf Abkömmlinge erstreckt, grundsätzliche Bedeutung hat.

Beschluss

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf EUR 8.000,- festgesetzt. Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 13 Abs. 1 Satz 2, 25 Abs. 2 Sätze 1 GKG i.V.m. § 5 ZPO und bemisst sich nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nach dem Auffangstreitwert.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar

Ende der Entscheidung

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