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Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 04.12.2002
Aktenzeichen: 13 S 2194/01
Rechtsgebiete: AuslG
Vorschriften:
AuslG § 19 |
2. Eine besondere Härte im Sinn von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG kann sich auch aus Umständen ergeben, die nicht unmittelbar auf die Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft zurückzuführen sind. Bei der Härtefallprüfung zu berücksichtigen sind alle aus der Rückkehrverpflichtung infolge der Beendigung des ehebedingten Aufenthaltsrechts resultierenden, erheblichen Beeinträchtigungen.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am 4.12.2002
In der Verwaltungsrechtssache
wegen
Aufenthaltserlaubnis und Abschiebungsandrohung
hat der 13. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Stumpe, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Jaeckel-Leight und den Richter am Verwaltungsgericht Epe aufgrund der mündlichen Verhandlung am 27. November 2002
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26. Juni 2001 - 13 K 1987/00 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verpflichtet wird, über den Antrag der Klägerin auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die 1966 geborene Klägerin, eine türkische Staatsangehörige, hielt sich 1987 besuchsweise und 1990 zunächst für eine Aupair-Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland auf. Hier heiratete sie am 30.11.1990 einen türkischen Staatsangehörigen, der im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung war. Im Hinblick auf diese Eheschließung wurde ihr auf ihren Antrag vom 2.1.1991 zunächst bis 31.10.1991 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, die am 25.9.1991 bis zum 24.9.1994 verlängert wurde. Die Ehe der Klägerin, aus der eine am 8.12.1991 geborene Tochter hervorgegangen ist, wurde durch Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 29.9.1994 geschieden. Für die Tochter hat sie das alleinige Sorgerecht. Zum Vater des Kindes besteht kein Kontakt.
Am 12.9.1994 beantragte die Klägerin die Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis, nachdem sie bereits zuvor mit Schreiben vom 11.8.1994 zur beabsichtigten Versagung der Verlängerung angehört worden war. Mit Anwaltsschreiben vom 14.2.1995 machte die Klägerin, die für sich und ihre Tochter Hilfe zum Lebensunterhalt bezog, geltend, sie sei durch die Geburt ihres Kindes sowie dessen Betreuung nicht in der Lage gewesen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Eine Rückkehr in die Türkei sei ihr als geschiedener Frau nicht zuzumuten, weil dies in ihrem Heimatort als Makel angesehen werde. Hinzu komme, dass sie dort keine Verwandten habe. Es gebe für sie dort auch keine Wohnung und keine Arbeit. Mit Anwaltsschreiben vom 4.4.1995 gab sie ergänzend an, sie werde in ihrem Dorf in der Türkei als geschiedene Frau mit einem Kind von vornherein als "Hure" abgestempelt.
Auf ein weiteres Anhörungsschreiben vom 8.7.1997 teilte die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 28.7.1997 mit, bei der gescheiterten Ehe habe es sich keineswegs um eine sogenannte Scheinehe gehandelt. Aus dieser Ehe sei ein gemeinsames Kind hervorgegangen, das nunmehr in ihrem Haushalt lebe und von ihr versorgt werde. Im übrigen sei zu berücksichtigen, dass sie sich nunmehr seit siebeneinhalb Jahren im Bundesgebiet aufhalte.
Mit Bescheid vom 10.9.1998 lehnte die Beklagte den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab und drohte der Klägerin unter Fristsetzung bis 14.12.1998 die Abschiebung in die Türkei an. Zur Begründung wurde ausgeführt, ausweislich des vorliegenden Scheidungsurteils hätten die Eheleute bereits seit Herbst 1991 getrennt gelebt. Da somit die eheliche Lebensgemeinschaft nicht fortbestehe, habe sie keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 18 AuslG. Die Voraussetzungen für ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 19 AuslG (i.d.F. des Gesetzes vom 29.10.1997, BGBl. I S. 2584) lägen nicht vor, weil die eheliche Lebensgemeinschaft nicht seit mindestens vier Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden habe und auch keine außergewöhnliche Härte im Sinn des § 19 Abs. 1 Nr. 2 AuslG gegeben sei. Da die Klägerin seit 1.12.1995 Sozialhilfe beziehe, liege auch ein Ausweisungsgrund vor.
Hiergegen erhob die Klägerin am 16.9.1998 Widerspruch. In der Folgezeit legte sie ärztliche Bescheinigungen vor, aus denen sich ergibt, dass sie an einer schwerwiegenden Erkrankung auf neuropsychologischem Gebiet (chronisch verlaufende schizophrene Psychose) leidet und deshalb zweimal stationär im Bürgerhospital behandelt wurde. Das Gesundheitsamt der Beklagten stellte nach einer Untersuchung der Klägerin am 2.8.1999 fest, dass diese eindeutig nicht reisefähig sei und sich an dem Krankheitsbild mit Sicherheit auch längerfristig nichts ändern werde. Dies wurde durch weitere Stellungnahme des Gesundheitsamtes der Beklagten vom 2.12.1999 und vom 10.1.2001 bestätigt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.3.2000 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den Widerspruch als unbegründet zurück und führte ergänzend aus, die Klägerin werde weiterhin geduldet, solange sie nicht reisefähig sei.
Am 17.4.2000, einem Montag, hat die Klägerin Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart mit dem Antrag erhoben, den Bescheid der Beklagten vom 10.9.1998 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 15.3.2000 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, ihr eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
Mit Urteil vom 26.6.2001 hat das Verwaltungsgericht Stuttgart die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 10.9.1998 und des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 15.3.2000 verpflichtet, der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr zu erteilen. Zur Begründung wird in den Entscheidungsgründen ausgeführt: Die Klägerin habe einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG. Da es sich um eine Verpflichtungsklage handele, komme es maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung an. Somit sei die am 1.6.2000 in Kraft getretene Neufassung des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG anzuwenden. Nach dieser Vorschrift werde die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten im Fall der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges Aufenthaltsrecht verlängert, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden habe und es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich sei, dem Ehegatten den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen, es sei denn, für den Ausländer sei die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen. Vorliegend habe von der Eheschließung am 30.11.1990 bis zur Trennung im Herbst 1991 eine eheliche Lebensgemeinschaft zwischen der Klägerin und ihrem früheren Ehemann rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden, aus der eine gemeinsame Tochter hervorgegangen sei. Die nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG geforderte besondere Härte liege nach der Legaldefinition des Satzes 2 dieser Vorschrift unter anderem dann vor, wenn dem Ehegatten wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange drohe. Dies sei insbesondere dann gegeben, wenn die Ausreisepflicht den verpflichteten Ausländer ungleich härter treffe als andere Ausländer in derselben Situation. Eine erhebliche Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange des zur Rückkehr verpflichteten Ehegatten sei unter anderem dann anzunehmen, wenn diesem im Herkunftsland etwa aufgrund gesellschaftlicher Diskriminierung die Führung eines eigenständigen Lebens nicht möglich wäre. Die Klägerin habe für das Gericht nachvollziehbar dargelegt, dass sie bei einer Rückkehr in die Türkei in ihrem Heimatdorf als geschiedene Frau mit einem Kind als "Hure" abgestempelt wäre und ihr deshalb dort erhebliche Beeinträchtigungen ihrer schutzwürdigen Belange drohten. Unter diesen Umständen sei ihr eine Rückkehr in die durch herkömmliche Moralvorstellungen geprägte türkische Gesellschaft nicht zumutbar. Die ihr als geschiedener Frau mit einem Kind bevorstehende Diskriminierung treffe sie jedenfalls härter als andere Ausländer, insbesondere Männer, die nach einem kurzen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland in die Türkei zurückkehren müssten. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass nach ihren glaubhaften Angaben lediglich ihr Vater in der Türkei lebe, während ihre Geschwister sich in Deutschland aufhielten. Da der Vater ihre Heirat im Jahr 1990 insbesondere wegen der kurdischen Volkszugehörigkeit ihres Ehemannes abgelehnt und seine Haltung auch nicht aufgegeben habe, könne sie von ihm in der Türkei keine Unterstützung erwarten. Ferner sei zu berücksichtigen, dass sie aufgrund ihrer psychischen Erkrankung unter diesen Umständen auch nicht in der Lage sein dürfte, durch Arbeit ein existenzsicherndes Einkommen für sich und ihre Tochter zu erwerben, zumal sie daneben auch für die Betreuung ihrer Tochter zuständig wäre. Demgegenüber könne die Tochter hier im Bundesgebiet von ihr betreut werden, weil sie hierbei von ihren hier lebenden Schwestern tatkräftig unterstützt werde. Schließlich sei von Bedeutung, dass sie aufgrund ihrer Erkrankung nicht reisefähig sei und im Bundesgebiet ärztlicher Betreuung bedürfe. Da auch nicht die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen sei, lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein eigenständiges Aufenthaltsrecht vor. Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 AuslG habe sie deshalb einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr. Der Sozialhilfebezug stehe dem nicht entgegen, zumal die Inanspruchnahme von Sozialhilfe auf ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung beruhe, die sie nicht zu vertreten habe (vgl. § 19 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz i.V.m. Abs. 1 Satz 3 AuslG).
Mit Beschluss vom 28.9.2001 hat der Senat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen. Der Beschluss wurde am 15.10.2001 zugestellt.
Mit am 6.11.2001 eingegangenem Schriftsatz beantragt die Beklagte,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26.6.2001 - 13 K 1987/00 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
Zur Begründung der Berufung wird unter teilweiser Bezugnahme auf die Begründung des Zulassungsantrags ausgeführt: § 19 AuslG i.d.F. des Gesetzes vom 25.5.2000 (BGBl. I S. 742) sei auf den Fall der Klägerin nicht anwendbar, da die eheliche Lebensgemeinschaft bereits im Herbst 1991, also vor Inkrafttreten der Neuregelung, nicht mehr bestanden habe. Sowohl nach der Systematik als auch nach dem Zweck des § 19 AuslG knüpfe die darin vorgesehene Verlängerung der zuvor zum Zweck der Familienzusammenführung erteilten Aufenthaltserlaubnis als eigenständiges Aufenthaltsrecht an den Zeitpunkt an, zu dem die Grundlage für das zweckgebundene und akzessorische Aufenthaltsrecht nach §§ 17 Abs. 1, 18 und 23 Abs. 1 AuslG wegfalle. Da die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten im Fall der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft unter den in § 19 Abs. 1 Satz 1 AuslG bezeichneten Voraussetzungen als eigenständiges und von der Führung einer ehelichen Lebensgemeinschaft unabhängiges Aufenthaltsrecht verlängert werde, veränderten sich die Grundlagen und der Aufenthaltszweck der Aufenthaltserlaubnis unmittelbar mit der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft. Für die Zeit nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft fehle es an einer Rechtsgrundlage für ein ehebezogenes Aufenthaltsrecht. Es komme also in diesem Fall nicht auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an, vielmehr ergebe sich aus dem materiellen Recht, dass der Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft maßgeblich sei. Danach sei § 19 AuslG hier i.d.F. des Gesetzes vom 9.7.1990 (BGBl. I S. 1354, 1356) anzuwenden. Nach dieser Fassung der Vorschrift werde die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten im Fall der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft zu einem von dem in § 17 Abs. 1 AuslG bezeichneten Aufenthaltszweck unabhängigen Aufenthaltsrecht, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft mindestens seit vier Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden habe, oder wenn sie seit mindestens drei Jahren im Bundesgebiet rechtmäßig bestanden habe und es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich sei, dem Ehegatten den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen. Bei zutreffender Zugrundelegung dieses Rechts hätte die Klage abgewiesen werden müssen, nachdem die eheliche Lebensgemeinschaft weniger als drei Jahre bestanden habe. Im übrigen lägen auch die Voraussetzungen für die Annahme einer besonderen Härte nicht vor. Das Gericht setze sich nicht damit auseinander, dass die Türkei seit langem eine laizistisch verfasste Republik sei, nach deren Rechtsordnung Frauen keinen geschlechtsspezifischen Benachteiligungen ausgesetzt seien. Das Institut der Ehescheidung sei seit langem Bestandteil der türkischen Rechtsordnung. Es könne davon ausgegangen werden, dass zumindest in den westlich orientierten Großstädten der Türkei wie Istanbul, Ankara oder Izmir alleinlebende, geschiedene Frauen - auch mit Kind - keiner relevanten Diskriminierung ausgesetzt seien. Das Gericht hätte zu dem Schluss kommen müssen, dass die Klägerin zwar nicht unbedingt in ihr Heimatdorf zurückkehren müsse, dass es ihr aber zuzumuten sei, Wohnung an einem anderen Ort in ihrem Heimatland zu nehmen, an dem die Gefahr der Diskriminierung nicht bestehe. Die Klägerin könne auch einen zumindest den Mindestlebensunterhalt in der Türkei sichernden Unterhaltsanspruch gegenüber ihrem geschiedenen Ehemann geltend machen, so dass sie nicht gezwungen wäre, neben der Betreuung ihrer Tochter selbst erwerbstätig zu sein. Die psychische Erkrankung könne ebenfalls keine besondere Härte begründen, da nach der Gesetzesbegründung zu § 19 AuslG nur solche Umstände berücksichtigungsfähig seien, die ihre Ursache in der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft hätten. Der danach notwendige Ursachenzusammenhang sei nicht festgestellt worden. Schließlich habe die Klägerin den Sozialhilfebezug entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts trotz ihrer Erkrankung zu vertreten, wenn sie - gleichgültig aus welchen Gründen - den bestehenden Unterhaltsanspruch gegen den geschiedenen Ehemann und Vater des gemeinsamen Kindes nicht geltend mache.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagte verpflichtet wird, über den Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor: Ihr Gesundheitszustand sei gegenüber der amtsärztlichen Stellungnahme vom 10.1.2001 unverändert. Ihre Tochter werde weitgehend von ihrem Bruder und ihrer Schwägerin betreut, die in der Nähe wohnten. Zwei Tage in der Woche hielten sich alle (Tochter, Bruder und Schwägerin) bei ihr auf. Die Tochter sei noch nie in der Türkei gewesen. Sie besuche die 5. Klasse der Realschule. Das Jugendamt habe vergeblich versucht, den Unterhaltsanspruch der Tochter gegenüber dem Vater durchzusetzen. Dieser habe sich auf mangelnde Leistungsfähigkeit berufen. Die Tochter sei im Besitz einer Duldung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten, die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart - 13 K 1987/00 - sowie die Ausländerakten der Beklagten, die dem Senat vorliegen, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist nach ihrer Zulassung durch den Senat statthaft und auch im übrigen zulässig. Die Beklagte hat die Berufung insbesondere innerhalb eines Monats nach der Zustellung des Beschlusses über ihre Zulassung ausreichend begründet und einen bestimmten Antrag gestellt (§ 124a Abs. 3 Sätze 1 und 4 VwGO a.F.).
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht das Entstehen eines eigenständigen Aufenthaltsrechts nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG n.F. bejaht (1.). Gleichwohl hat die Klägerin keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für die Dauer eines Jahres nach § 19 Abs. 2 Satz 1 AuslG, da der Zweck dieser Vorschrift auf andere Weise erreicht wurde (2.). Sie hat aber gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 AuslG einen Anspruch darauf, dass die Beklagte über den von ihr gestellten Antrag nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet (3.). Auf den in der Berufungsinstanz neugefassten Klagantrag war daher die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagte verpflichtet wird, über den Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Ungeachtet der bereits im Herbst 1991 erfolgten Trennung der Eheleute findet im vorliegenden Verfahren die seit dem 1.6.2000 geltende Neufassung des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG i.d.F. des Gesetzes vom 25.5.2000 (BGBl. I S. 742) - AuslG n.F. - Anwendung, wonach es für das Bestehen eines ehe- unabhängigen Aufenthaltsrechts genügt, dass die eheliche Lebensgemeinschaft rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat und es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, dem Ehegatten den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Mit dieser Neufassung wird gegenüber der zuvor geltenden Fassung des Gesetzes vom 29.10.1997 (BGBl. I S. 2584) anstelle der außergewöhnlichen lediglich eine besondere Härte gefordert. Eine Mindestbestandsdauer der ehelichen Lebensgemeinschaft verlangt das Gesetz bei Vorliegen einer besonderen Härte nicht. In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob diese Neuregelung auch auf solche Fallkonstellationen Anwendung findet, in denen sich die Eheleute bereits vor deren Inkrafttreten am 1.6.2000 getrennt haben (bejahend: Bay. VGH, Beschluss vom 13.12.2000 - 10 CS 00.2957 -, InfAuslR 2001, 274; OVG NRW, Beschluss vom 4.5.2001 - 18 B 1908/00 - EZAR 023 Nr. 23; OVG Brandenburg, Beschluss vom 13.9.2001 - 4 B 281/01 -, NVwZ-Beil. I 2002, 5; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.11.2001 - 11 S 541/01 -, InfAuslR 2002, 183; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 17.12.2001 - 1 W 10/01 -, InfAuslR 2002, 181; OVG Meckl.-Vorp., Beschluss vom 15.2.2002 - 2 M 98/01-, AuAS 2002, 98; Hamb. OVG, Beschluss vom 19.3.2002 - 3 Bs 46/02 -, NVwZ-RR 2002, 694; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.5.2002 - 1 S 1746/01 -, VENSA; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.6.2002 - 10 A 10408/02 -, InfAuslR 2002, 424; Aschauer, Die Anwendung des geänderten § 19 Abs. 1 AuslG im Rahmen von Altfällen, in: InfAuslR 2001, 265; Welte, in: Jakober/Welte, Aktuelles Ausländerrecht, § 19 AuslG RdNr. 75a; verneinend: Hess. VGH, Beschluss vom 1.9.2000 - 12 UZ 2783/00 -, InfAuslR 2000, 497; Nds. OVG, Beschluss vom 6.3.2001 - 11 MA 690/01 -, InfAuslR 2001, 281; OVG Berlin, Beschluss vom 6.7.2001 - 8 S 9.01 -, AuAS 2001, 204 <LS>; Renner, Nachtrag zur 7. Aufl. des Kommentars Ausländerrecht, § 19 AuslG, RdNr. 45). Der Senat bejaht diese Frage mit der überwiegenden Meinung.
Im Ausländerrecht ist bei Verpflichtungsklagen grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz abzustellen, sofern es darum geht, ob schon aus Rechtsgründen eine beantragte Aufenthaltsgenehmigung erteilt oder versagt werden muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.5.1995 - 1 C 7.94 -, BVerwGE 98, 313 <315>; Urteil vom 22.1.2002 - 1 C 6.01 -, NVwZ 2002, 867; st.Rspr).
Der Senat hat entsprechend der in Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Ausländergesetzes vom 25.5.2000 enthaltenen Bestimmung, wonach das Gesetz am Tage nach seiner Verkündung in Kraft trat und damit seitdem auf alle Verfahren anzuwenden ist, sofern sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen waren, auch im vorliegenden Verfahren auf die Neufassung des § 19 AuslG abzustellen. Dieser Anwendungsbefehl kann für sich genommen nur so verstanden werden, dass die Neufassung auf alle Verfahren Anwendung findet, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung noch nicht bestandskräftig abgeschlossen sind. Um die damit einhergehende sogenannte unechte Rückwirkung der Neuregelung, gegen die von Verfassungs wegen schon deshalb nichts zu erinnern ist, weil die von der Neuregelung geforderten Voraussetzungen für das Entstehen eines eigenständigen Aufenthaltsrechts hinter denen der vorhergehenden zurückbleiben, zu verhindern und die Fortgeltung der bisherigen Regelung zumindest für bestimmte Fallkonstellationen zu sichern, hätte der Gesetzgeber den formulierten Anwendungsbefehl etwa im Wege einer Überleitungsvorschrift ausdrücklich einschränken müssen. In der vom Grundsatz der Anwendbarkeit geltenden Rechts abweichenden Fortgeltung überholten Rechts liegt gerade der Sinn einer Überleitungsvorschrift (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4.5.2001, a.a.O.). Demgemäss hat auch das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 27.1.1998 - 1 C 28.96 -, InfAuslR 1998, 279), ebenfalls ausgehend von dem maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bezüglich des vorangegangenen, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG betreffenden Änderungsgesetzes vom 29.10.1997, das im Rahmen der dort enthaltenen Härteklausel das bis dahin bestehende Erfordernis einer Bestandszeit der ehelichen Lebensgemeinschaft von drei Jahren hatte entfallen lassen, ohne weiteres die Anwendbarkeit dieser Neufassung auf eine vergleichbare Fallkonstellation einer bereits im Jahr 1993 stattgefundenen Trennung bejaht.
Dieses Verständnis findet seine Bestätigung auch in der Gesetzesbegründung des Änderungsgesetzes vom 25.5.2000 und in dessen Entstehungsgeschichte (vgl. BT-Drs. 14/2368 <Begründung des Gesetzentwurfs> und 14/2902 <Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses>; siehe auch Koalitionsvereinbarung zwischen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 20.10.1998, VIII, abgedruckt in Barwig u.a., Neue Regierung - Neue Ausländerpolitik?, S. 586 f.), die ebenfalls nicht erkennen lassen, dass die Neufassung auf noch nicht abgeschlossene Altfälle keine Anwendung finden soll. Hiernach war es die erklärte Absicht des Gesetzgebers, die mit der bisherigen Regelung aus seiner Sicht verbundenen Unzuträglichkeiten zu beseitigen und den ausländischen Ehegatten nach dem Scheitern ihrer im Bundesgebiet geführten Ehe die Erlangung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts zu erleichtern. Nach der Gesetzesbegründung sollten künftig Umstände während der Ehe, die ein weiteres Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar machen, bereits Berücksichtigung finden, wenn sie eine besondere Härte darstellen. Es sollte klargestellt werden, dass ein eigenständiges Aufenthaltsrecht bereits dann zu erteilen ist, wenn der Ehegatte durch die Rückkehr in das Herkunftsland ungleich härter getroffen wird als andere Ausländer, die nach kurzen Aufenthaltszeiten Deutschland verlassen müssen.
Die vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof und vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht gegen diese Auslegung erhobenen systematischen und teleologischen Einwendungen vermögen den Senat nicht zu überzeugen. Insoweit wird eingewandt, die in § 19 Abs. 1 AuslG vorgesehene Verlängerung der zuvor zum Zweck der Familienzusammenführung erteilten Aufenthaltserlaubnis als eigenständiges Aufenthaltsrecht knüpfe an den Zeitpunkt an, zu dem die Grundlage für das akzessorische Aufenthaltsrecht (also die eheliche Lebensgemeinschaft) entfalle. Abgesehen davon, dass damit keine Aussage über die anwendbare Gesetzesfassung getroffen ist, berücksichtigt dieser Einwand nicht, dass § 19 Abs. 1 AuslG den Übergang von einem abgeleiteten zu einem eigenständigen Aufenthaltsrecht im Rahmen der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vorsieht. Damit hat der Gesetzgeber (anders als etwa im Fall des § 21 Abs. 3 3. Alternative AuslG) gerade davon abgesehen, das eigenständige Aufenthaltsrecht (bereits mit der Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft) kraft Gesetzes eintreten zu lassen. Während in § 21 Abs. 3 AuslG ausdrücklich vorgesehen ist, dass die einem Kind erteilte Aufenthaltserlaubnis mit dem Erreichen der Volljährigkeit zu einem eigenständigen Aufenthaltsrecht wird, fehlt eine vergleichbare Regelung in § 19 AuslG. Dabei kann auch nicht etwa angenommen werden, eine solche Regelung sei versehentlich unterblieben. Vielmehr deutet der Zusammenhang beider jeweils den Familiennachzug regelnden Normen auf eine insofern bewusst differenziert vorgenommene Rechtsgestaltung hin. Tatsächlich wäre eine Umwandlung der bislang eheabhängigen Aufenthaltserlaubnis in ein eigenständiges Aufenthaltsrecht kraft Gesetzes zum Trennungszeitpunkt auch nicht sinnvoll, da Letzteres in der Regel eine ausländerbehördliche Prüfung nicht nur bezüglich der bisherigen Bestandszeit der ehelichen Lebensgemeinschaft, sondern - falls diese den vorgegebenen Zweijahreszeitraum nicht erreicht - auch des Vorliegens von Härtegründen sowie zuletzt erforderlichenfalls einer dennoch etwa gebotenen Versagung nach § 19 Abs. 3 AuslG voraussetzte. Würde das Aufenthaltsrecht sich ohne diese Prüfung wandeln, entstünden in höchstem Maße Rechtsunsicherheiten, inwieweit ein solchermaßen vom Ausländer für sich in Anspruch genommenes eigenständiges Aufenthaltsrecht diesem tatsächlich zugestanden habe beziehungsweise belassen werden könnte. Der Einwand, bei einem Abstellen auf den Zeitpunkt des Auslaufens der zuletzt dem Ausländer erteilten ehebezogenen Aufenthaltserlaubnis als maßgeblich für den Beginn des eigenständigen Aufenthaltsrechts nach § 19 AuslG sei in Anbetracht deren mehr oder weniger zufälliger Laufzeit mit sachwidrigen oder gar willkürlichen Ergebnissen zu rechnen, ist gleichfalls nicht begründet. Insofern ist darauf hinzuweisen, dass das Gesetz das Instrument der nachträglichen zeitlichen Befristung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 AuslG für den Fall zur Verfügung stellt, dass sich im Einzelfall eine Anpassung der noch laufenden Aufenthaltserlaubnis im Hinblick auf den durch die Trennung der Eheleute entfallenen bisherigen Aufenthaltszweck als sachdienlich erweisen sollte. Bei der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle einer solchen Befristungsentscheidung wäre die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der letzten verwaltungsbehördlichen Entscheidung zu Grunde zu legen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.5.1991 - 1 C 20.89 -, NVwZ 1992, 177; Senatsurteil vom 25.3.1998 - 13 S 2792/96 -, VBlBW 1998, 352; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 15.10.2002 - 11 S 1104/01 -, VENSA; st.Rspr).
Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG n.F. Danach ist maßgeblich, dass die eheliche Lebensgemeinschaft rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat und es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, der Klägerin den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen. Nach der Legaldefinition des § 19 Abs. 1 Satz 2 AuslG liegt eine besondere Härte insbesondere vor, wenn dem Ehegatten wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht oder wenn ihm wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist; zu den schutzwürdigen Belangen zählt auch das Wohl eines mit dem Ehegatten in familiärer Gemeinschaft lebenden Kindes. Bereits die bis zum 31.10.1997 geltende Fassung des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG enthielt den zwischenzeitlich durch den Begriff der "außergewöhnlichen Härte" (vgl. Gesetz zur Änderung ausländer- und asylverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 29.10.1997, BGBl. I S. 2584) ersetzten Terminus der "besonderen Härte". Mangels einer abschließenden Legaldefinition dieses Begriffs hatte das Bundesverwaltungsgericht seinerzeit geklärt, dass eine besondere Härte im Sinn von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG in der bis zum 31.10.1997 geltenden Fassung nur dann anzunehmen sei, wenn im konkreten Einzelfall besondere Umstände vorliegen, aus denen sich ergibt, dass die Ausreisepflicht den Ehegatten ungleich härter trifft als andere Ausländer in derselben Situation. Bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung der Umstände sei neben den gewachsenen Bindungen und Integrationsleistungen im Bundesgebiet auch zu berücksichtigen, ob dem Ehegatten außerhalb des Bundesgebietes wegen der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erhebliche Nachteile drohen. Daraus folge zugleich, dass andere Nachteile im Heimatland, die nicht wegen der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft, sondern wegen der dortigen allgemeinen politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse drohen, nicht zur Begründung einer besonderen Härte herangezogen werden könnten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3.3.1997 - 1 B 118.96 -, DÖV 1997, 835). Auf diese höchstrichterliche Definition einer besonderen Härte kann mit Blick auf die hier maßgebliche Gesetzesfassung nicht mehr uneingeschränkt zurückgegriffen werden. Denn nunmehr liegt mit dem Satz 2 des § 19 Abs. 1 AuslG eine vorrangig zu berücksichtigende beispielhafte Umschreibung des Begriffs der besonderen Härte vor. Der Gesetzgeber knüpft nach dem Wortlaut der ersten Alternative des § 19 Abs. 1 Satz 2 AuslG und der darin zum Ausdruck kommenden bewussten Abkehr von den zuvor geltenden und offensichtlich als zu eng beziehungsweise unklar empfundenen Fassungen des § 19 Abs. 1 Satz 2 AuslG (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Ausländergesetzes, BT-Drs. 14/2368, B. Nr. 3 und Begründung zu Art. 1 Nr. 3) nunmehr eindeutig nur noch an die Rückkehrverpflichtung selbst an und verlangt somit insbesondere nicht mehr, dass die außerhalb des Bundesgebietes drohenden erheblichen Beeinträchtigungen auf den Umstand der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft zurückzuführen sind (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4.5.2001 - 18 B 1908/00 -, EZAR 023 Nr. 23). Dieses Gesetzesverständnis findet eine weitere Stütze in dem in der Entwurfsbegründung (BT-Drs. 14/2368, zu Art. 1 Nr. 2) - auf die zurückgegriffen werden kann, weil der Entwurf insoweit Gesetz geworden ist - enthaltenen Verweis auf die Vergleichsgruppe der (aller) Ausländer, die nach kurzen Aufenthaltszeiten Deutschland verlassen müssen (in diesem Sinne auch Hailbronner, AuslR, § 19 AuslG RdNr. 12). Damit lässt sich eine Beschränkung auf unmittelbar auf die Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft rückführbare Beeinträchtigungen inlands- wie auslandsbezogener Art nicht in Einklang bringen. Von Bedeutung können somit alle aus der Ausreise aus Deutschland infolge der Beendigung des ehebedingten Aufenthaltsrechts resultierenden Beeinträchtigungen sein. Die gewählte Formulierung - "wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung" - bedeutet lediglich, dass die Rückkehrverpflichtung im Zusammenhang mit der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft stehen muss (vgl. OVG NRW, a.a.O.; Renner, a.a.O., RdNr. 20). Eine gewisse Beschränkung der berücksichtigungsfähigen Beeinträchtigungen ergibt sich aber aus der geforderten Erheblichkeit der drohenden Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange, deren inhaltliche Umgrenzung sich aus den in der Entwurfsbegründung aufgelisteten Beispielsfällen der Unmöglichkeit der Führung eines eigenständigen Lebens wegen gesellschaftlicher Diskriminierung, des Drohens einer Zwangsabtreibung, der Erforderlichkeit eines weiteren Aufenthalts in Deutschland im Hinblick auf eine Beeinträchtigung des Wohls des Kindes wegen der Verhältnisse im Herkunftsland sowie der Gefahr einer willkürlichen Untersagung des Umgangs mit dem Kind erhellt (vgl. OVG NRW, a.a.O.; Renner, a.a.O., RdNr. 22 f.). Die gesellschaftlichen und sonstigen Nachteile insbesondere für Frauen aus anderen Rechts- und Kulturkreisen können an gesellschaftliche, religiöse oder sittliche Normen anknüpfen (z.B. Bestrafung wegen Ehescheidung, Ächtung wegen Verletzung der Familienehre, Ausgrenzung wegen misslungener Ehe). Sie müssen über bloße Belästigungen hinausgehen, können aber auch von Privaten ausgehen und ideelle wie materielle Interessen betreffen (vgl. Renner, a.a.O., RdNr. 23).
Gemessen an diesen gesetzgeberischen Vorgaben liegt in der Rückkehrverpflichtung für die Klägerin bei der erforderlichen Gesamtbetrachtung eine besondere Härte. Besonders ins Gewicht fällt zunächst ihre chronische psychische Erkrankung, die nach der letzten vorliegenden amtsärztlichen Stellungnahme vom 10.1.2001 so gravierend ist, dass bereits die Reisefähigkeit ausgeschlossen ist. Eine Besserung ist insoweit zwischenzeitlich nach dem Vorbringen der Klägerin und dem Eindruck, den der Senat in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, nicht eingetreten. Bereits aufgrund dieser Erkrankung, die auch bereits mit mehreren Suizidversuchen einherging, wird die Klägerin von der Rückkehrverpflichtung ungleich härter getroffen als andere Ausländer in vergleichbarer Situation. Erschwerend kommt hinzu, dass die Klägerin bei einer Rückkehr in ihre Heimat nicht auf Beistand von Familienangehörigen zählen könnte. Von ihrem noch im Heimatdorf lebenden Vater, mit dem sie sich aufgrund ihrer Heirat überworfen hat, hat sie nach ihren glaubhaften Angaben keinerlei Unterstützung zu erwarten. Weitere familiäre Bindungen hat sie in der Türkei nicht. In Deutschland stehen ihr demgegenüber ihr Bruder und dessen Ehefrau bei, die sie auch bei der Betreuung der Tochter unterstützen. Schließlich hat die Klägerin nachvollziehbar dargelegt, dass sie bei einer Rückkehr in die Türkei in ihrem Heimatdorf als geschiedene Frau mit einem Kind als "Hure" abgestempelt wäre und ihr deshalb dort erhebliche Beeinträchtigungen ihrer schutzwürdigen Belange drohen. Unter diesen Umständen ist ihr eine Rückkehr in die jedenfalls auf dem Lande noch durch herkömmliche Moralvorstellungen geprägte türkische Gesellschaft (vgl. dazu eingehend VG Berlin, Urteil vom 26.6.1995 - 28 A 292.93 -, InfAuslR 1995, 410) nicht zumutbar. Die ihr als geschiedene Frau mit einem Kind bevorstehende Diskriminierung trifft sie härter als andere Ausländer, insbesondere Männer, die nach einem kurzen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland in die Türkei zurückkehren müssen (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 5.4.2000 - 12 TG 43/00 -, NVwZ 2000, 1443 unter Berufung auf die Begründung des Gesetzentwurfs in BT-Drs. 14/2368 S. 4). Die Einwände der Beklagten gegen diese Auffassung greifen nicht durch, da - wie dargelegt - gerade keine staatliche Diskriminierung verlangt wird. Unerheblich ist daher in diesem Zusammenhang, dass die Rechtsordnung der Türkei laizistisch ausgestaltet und das Institut der Scheidung im türkischen Zivilrecht verankert ist. Fehl geht angesichts der durch eine schwere psychische Erkrankung gekennzeichneten persönlichen Situation der Klägerin auch der Hinweis, sie könne sich mit ihrem Kind in einer der Großstädte im Westen der Türkei niederlassen. Zwar mag es Fälle geben, in denen es einer geschiedenen Türkin zugemutet werden kann, sich in einer weniger von traditionellen Moralvorstellungen geprägten Großstadt niederzulassen. Für die Klägerin trifft dies jedoch nicht zu. Sie wäre angesichts ihrer gravierenden psychischen Erkrankung außer Stande, dort eine angemessene eigenständige Existenz für sich und ihre 12-jährige Tochter aufzubauen, zumal sie in einer solchen Region der Türkei keinerlei familiären Rückhalt hätte. Schließlich zählt nach der Legaldefinition in § 19 Abs. 1 Satz 2 AuslG das Wohl eines mit dem Ehegatten in familiärer Lebensgemeinschaft lebenden Kindes zu den zu berücksichtigenden schutzwürdigen Belangen. Die Klägerin lebt mit ihrer Tochter in familiärer Lebensgemeinschaft. Zwar hält diese sich an den Wochentagen, an denen Schulunterricht stattfindet, bei ihrem Bruder und ihrer Schwägerin auf und wird dort betreut, da die Klägerin hierzu infolge ihrer Krankheit nicht imstande ist. An den beiden Wocheendtagen wohnen (einschließlich der Übernachtung) die Tochter, der Bruder und die Schwägerin jedoch bei der Klägerin, so dass sich das familiäre Zusammenleben in dieser Zeit bei ihr abspielt. Dies ergibt sich aus den glaubhaften Angaben der Klägerin in der Berufungsverhandlung. Bei dieser Sachlage sind die Voraussetzungen einer nach Art. 6 Abs. 1 GG und § 19 Abs. 1 Satz 2 AuslG schutzwürdigen familiären Lebensgemeinschaft erfüllt; insbesondere handelt es sich insoweit nicht etwa nur um eine bloße dem Schutzbereich dieser Vorschriften nicht unterfallende Begegnungsgemeinschaft. Dass das Wohl der in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Tochter, die derzeit die fünfte Klasse der Realschule besucht und zu ihrem Vater keinerlei Kontakt hat, erheblich beeinträchtigt würde, wenn sie mangels eines anderweitigen Bleiberechts mit ihrer psychisch kranken Mutter in die ihr völlig fremde Türkei übersiedeln und dort unter den oben geschilderten Umständen leben müsste, liegt nach Auffassung des Senats auf der Hand.
Der Ausschlussgrund des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 letzter Halbsatz AuslG greift nicht ein. Danach erlangt der Ehegatte auch bei Vorliegen eines besonderen Härtefalls kein eigenständiges Aufenthaltsrecht, wenn für den Ausländer die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis oder deren unbefristete Verlängerung ausgeschlossen ist. Durch diesen Ausschlusstatbestand soll die Entstehung des eigenständigen Aufenthaltsrechts von einem gewissen Maß an Verfestigung des Aufenthaltsrechts des stammberechtigten Ehepartners abhängig gemacht werden: Hätte der nunmehr ein eigenständiges Aufenthaltsrecht begehrende Ehegatte unabhängig von der Auflösung oder Trennung der Ehe keine Aussicht gehabt, ein verfestigtes Aufenthaltsrecht in Akzessorietät zu erlangen, weil im Fall seines Ehepartners die Erteilung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis bereits nach allgemeinen Grundsätzen unabhängig von den Vorgängen, die zur Trennung geführt haben, ausgeschlossen ist, so sollte nach der Vorstellung des Gesetzgebers auch die Entstehung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts ausscheiden (vgl. Hailbronner, a.a.O., RdNr. 25). Hier war aber der Ehemann der Klägerin bereits im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung.
2. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 AuslG nach alledem vor, so kommt gleichwohl nur eine Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung in Betracht, weil ein Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 AuslG für ein Jahr zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr gegeben ist. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass der Zweck des § 19 Abs. 2 Satz 1 AuslG, nämlich dem Ehegatten während eines ersten Jahres nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft die Möglichkeit zu eröffnen, sich eine eigene wirtschaftliche Existenz aufzubauen, gegenwärtig schon erfüllt ist. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 24.5.1995 - 1 C 7.94 -, a.a.O. S. 317) und des OVG NRW (Beschluss vom 1.2.2000 - 18 B 1120/99 -, InfAuslR 2000, 279) an, wonach bei zwischenzeitlicher Zweckerreichung des § 19 Abs. 2 Satz 1 AuslG nur noch eine Verlängerung nach Satz 2 in Frage kommt. Von einer solchen Zweckerreichung ist regelmäßig dann auszugehen, wenn der Aufenthalt des Ehegatten nach Ablauf der zuletzt zum Zweck der ehelichen Lebensgemeinschaft erteilten Aufenthaltserlaubnis aufgrund einer Erlaubnisfiktion im Sinn des § 69 Abs. 3 AuslG oder einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO erlaubt war, diese Wirkung länger als ein Jahr angedauert hat und dem Ehegatten aufenthaltsrechtlich die Ausübung einer Erwerbstätigkeit bereits gestattet war. So liegt es hier. Der am 12.9.1994 gestellte Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis hat die Erlaubnisfiktion des § 69 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AuslG ausgelöst, da die Klägerin sich zu diesem Zeitpunkt seit mehr als sechs Monaten rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt. Die Klägerin durfte auch einer Erwerbstätigkeit nachgehen, wobei in diesem Zusammenhang unerheblich ist, dass ihr dies infolge ihrer Erkrankung nicht möglich war. Mit Ablauf des 24.9.1995 war somit der Zweck des § 19 Abs. 2 Satz 1 AuslG erreicht.
3. Die Klägerin hat demnach lediglich Anspruch auf befristete Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach pflichtgemäßem Ermessen gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 AuslG. Dies ändert nichts daran, dass maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat ist und daher die Neufassung dieser Vorschrift zur Anwendung kommt. Beurteilt sich - wie oben ausgeführt - die erste Verlängerung der ehebedingten Aufenthaltserlaubnis nach § 19 AuslG n.F., so wäre es sachwidrig, für die daran anknüpfende weitere Verlängerung auf das bis 31.5.2000 geltende Recht zurückzugreifen. Soweit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht für die Überprüfung von Ermessensentscheidungen regelmäßig auf den Zeitpunkt des Erlasses der letzten Behördenentscheidung abzustellen ist, gilt dies im übrigen nur in den Fällen, in denen die Behörde bereits ein Ermessen betätigt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.7.1993 - 1 C 25.93 -, BVerwGE 94, 35 <40>; vom 22.2.1995 1 C 11.94 -, BVerwGE 98, 31 <41>; vom 24.5.1995 - 1 C 7.94 -, BVerwGE 98, 313 und vom 11.6.1996 - 1 C 19.93 -, BVerwGE 101, 236). Daran fehlt es hier, da die Beklagte lediglich über einen gebundenen Anspruch entschieden hat.
Ein Regelversagungsgrund nach § 7 Abs. 2 AuslG steht dem aus § 19 Abs. 2 Satz 2 AuslG folgenden Anspruch der Klägerin auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung über die befristete Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nicht entgegen. Zwar kommt § 7 Abs. 2 AuslG uneingeschränkt zur Anwendung, so dass im Fall des - hier gegebenen - Sozialhilfebezugs eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis regelmäßig ausgeschlossen ist (vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 2 bzw. § 7 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 46 Nr. 6 AuslG). Ob die Voraussetzungen der Regelversagung im Einzelfall erfüllt sind, unterliegt der vollen gerichtlichen Nachprüfung. Die Worte "in der Regel" in § 7 Abs. 2 AuslG beziehen sich auf Regelfälle, die sich nicht durch besondere Umstände von der Menge gleichliegender Fälle unterscheiden. Ausnahmefälle sind durch einen atypischen Geschehensablauf gekennzeichnet, der so bedeutsam ist, dass er jedenfalls das sonst ausschlaggebende Gewicht des gesetzlichen Regelversagungsgrundes beseitigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.7.1993 - 1 C 25.93 -, BVerwGE 94, 35). Ist danach ein Regelfall gegeben, ist der Ausländerbehörde bei Vorliegen eines der in Abs. 2 genannten Regelversagungsgründe kein Ermessen bei der Entscheidung über die Aufenthaltsgenehmigung eingeräumt; diese muss vielmehr versagt werden. Andernfalls ist die Verlängerung oder Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung weder vorgeschrieben noch ausgeschlossen; sie liegt vielmehr im pflichtgemäßen Ermessen. Bei der Klägerin ist ein Ausnahmefall anzunehmen, so dass über die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis - da kein Fall der "Ermessensreduktion auf Null" vorliegt - nach Ermessen zu entscheiden ist. Denn sie hat den Sozialhilfebezug nicht zu vertreten, da sie zwar arbeitswillig, aber aufgrund ihrer psychischen Erkrankung nicht arbeitsfähig ist. Im Rahmen der von der Beklagten zu treffenden Ermessensentscheidung dürfte der Klägerin angesichts ihrer Lebenssituation kaum vorgeworfen werden können, bestehende Unterhaltsansprüche gegen ihren geschiedenen Ehemann nicht realisiert zu haben. Nachdem dieser sich gegenüber dem Jugendamt, welches Unterhaltsansprüche der Tochter durchzusetzen versucht hat, erfolgreich auf mangelnde Leistungsfähigkeit berufen hat, ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin mit Aussicht auf Erfolg gegen ihn vorgehen könnte. Zudem dürfte ein etwaiger Unterhaltsanspruch gemäß § 91 BSHG auf den Sozialhilfeträger übergegangen sein, so dass es diesem obliegen würde, sich um die Realisierung des Anspruchs zu kümmern.
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Abschiebungsandrohung aufgehoben; denn mit der Aufhebung des die Aufenthaltserlaubnis versagenden Bescheides entfällt auch die durch diesen Bescheid begründete vollziehbare Ausreisepflicht der Klägerin (vgl. § 49 Abs. 1 AuslG).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Revision an das Bundesverwaltungsgericht war nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
Beschluss
vom 27. November 2002
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß §§ 25 Abs. 2 Satz 1, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG auf 4.000,-- EUR festgesetzt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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