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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 03.12.2008
Aktenzeichen: 13 S 2483/07
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 5 Abs. 1
AufenthG § 25 Abs. 5
Im Rahmen des § 25 Abs. 5 AufenthG kommt es bei Prüfung der Ausschlussgründe (§ 25 Abs. 5 Satz 3 und 4 AufenthG) auch auf das Verhalten der Behörde gegenüber dem Ausländer an (Hinweispflicht).

Zur Beschaffung von Heimreisepapieren bei Palästinensern aus dem Libanon.


VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

13 S 2483/07

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Aufenthaltserlaubnis

hat der 13. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

am 3. Dezember 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 15. Mai 2007 - 1 K 2213/06 - geändert; die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des erstinstanzlichen und des Berufungsverfahrens tragen Kläger und Beklagte je die Hälfte; der Beigeladene behält seine Kosten auf sich.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger ist nach seinen Angaben am x.x.1971 geboren, palästinensischer Volkszugehörigkeit und im Libanon aufgewachsen, wo auch noch seine Eltern leben. Er hielt sich im Libanon zuletzt in dem Palästinenserlager El Hilweh auf. Er beantragte nach seiner Einreise in die Bundesrepublik im September 1995 die Anerkennung als Asylbewerber; der Antrag wurde durch Bescheid des damaligen Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 14.5.1996 (nach § 31 Abs. 1 AsylVfG) als offensichtlich unbegründet abgelehnt, und es wurde festgestellt, die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG seien offensichtlich nicht gegeben. Auch Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG lägen nicht vor. Gegen den Kläger erging eine Abschiebungsandrohung. Die hiergegen erhobene Klage wurde durch Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 20.8.1998 abgewiesen; das Urteil ist rechtskräftig. Im Asylverfahren hatte der Kläger eine ihn betreffende, mit Lichtbild versehene Bescheinigung des libanesischen Innenministeriums (Ausweis für palästinensische Flüchtlinge, sog. blaue Karte, mit AZ und Reg Nr.) vom 20.4.1995 vorgelegt.

Nach einer Verurteilung wegen Hehlerei aus dem Jahr 2001 wurde der Kläger durch das Amtsgericht Ludwigsburg am 11.6.2003 wegen Geldfälschung und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt und mit Verfügung des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 17.11.2003 ausgewiesen. Die Verfügung ist bestandskräftig. Der Kläger, der damals eine Aufenthaltsbefugnis besaß, trat die Haft an.

Da nach Haftentlassung (2004) die Abschiebung des Klägers wegen Passlosigkeit scheiterte, wurde der Kläger in der Folgezeit geduldet; ein Antrag des Regierungspräsidiums Stuttgart bei der Botschaft des Libanon (Ausstellung eines Ausreisedokuments) vom 21.7.2004 ist bis heute unbeantwortet. Das Regierungspräsidium hatte dem Schreiben das Original der oben erwähnten libanesischen Flüchtlingsbescheinigung beigefügt.

Am 31.1.2006 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG mit der Begründung, er sei Staatenloser aus dem Libanon, und eine Ausreise in den Libanon sei ihm nicht möglich.

Das Regierungspräsidium Stuttgart stimmte der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis durch die Beklagte unter Bezugnahme auf § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG nicht zu; die Beklagte entschied über den Antrag in der Folgezeit nicht.

Zur Begründung der am 8.6.2006 erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, ihm sei die Rückreise in den Libanon wegen fehlender Papiere nicht möglich; er könne sich auch nicht die erforderlichen Papiere selbst beschaffen.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verpflichten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht hat das Land Baden-Württemberg mit Beschluss vom 27.6.2006 beigeladen und mit Urteil vom 15.5.2007 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, der Kläger könne keine Aufenthaltserlaubnis erhalten, weil er nicht alles getan habe, was von seiner Seite aus zur Erlangung von Passpapieren und zur Klärung der Identität möglich sei. Insofern sei der Kläger an der Ausreise nicht unverschuldet verhindert. Er habe nicht glaubhaft gemacht, dass er bei der Botschaft des Libanon vorgesprochen und dort verifizierbare Angaben zur Identität gemacht habe. Er habe auch keinen Kontakt zu seinen noch im Libanon lebenden Eltern oder zur dortigen Stadtverwaltung aufgenommen, um Papiere zu beschaffen. Auch habe er keinen Rechtsanwalt im Libanon eingeschaltet, obwohl ihm dies möglich sei. Man könne nicht davon ausgehen, dass der Libanon sich generell weigere, Palästinensern ein Rückreisedokument auszustellen. Hiervon abgesehen sei der Lebensunterhalt des Klägers im Sinn des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht gesichert, da er auf Sozialleistungen angewiesen sei.

Mit Beschluss vom 24.10.2007 - dem Kläger zugestellt am 7.11.2007 - hat der Senat die Berufung zugelassen.

Mit einem am 7.12.2007 beim Gericht eingegangen Schriftsatz beantragt der Kläger,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 15.5.2007 - 1 K 2213/06 - die Beklagte zu verpflichten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger vor:

Dass er staatenlos sei und von der Volkszugehörigkeit her Palästinenser, sei bisher von keiner Seite in Frage gestellt worden und ergebe sich aus der entsprechenden Bescheinigung des Innenministeriums und aus der Tatsache, dass seine damals im Libanon lebende Schwester von der libanesischen Republik ein sog. document de voyage (Passersatz für palästinensische Flüchtlinge vom 22.2.2005) erhalten habe. Damals habe allerdings seine Schwester anders als er im Libanon gelebt; für ihn gebe es einen entsprechenden Passersatz nicht. Dass er Palästinenser sei, werde ihm von der Generaldelegation Palästinas bescheinigt (Bescheinigung vom 12.8.2004). Der Libanon stelle ihm keinen Passersatz aus, entsprechende Versuche seien erfolglos. Er selbst habe im Juli 2004 mit einem Bekannten, der als Zeuge zur Verfügung stehe, bei der Botschaft des Libanon vorgesprochen und dort den Passantrag ausgefüllt; weitere Unterlagen seien von der Botschaft nicht verlangt worden. Er habe drei Monate später dort angerufen; ihm sei dabei mitgeteilt worden, er solle sich gedulden, solche Dinge würden nicht von jetzt auf nachher entschieden. Außerdem sei er im Jahr 2007 und auch am 24.1.2008 bei der Botschaft gewesen; dort habe man ihm mitgeteilt, dass er ein document de voyage nur erhalte, wenn er einen deutschen Aufenthaltstitel oder eine Bescheinigung der zuständigen Ausländerbehörde hierüber vorlegen könne. Dies ergebe sich aus dem Hinweisblatt der Botschaft des Libanon vom 24.1.2008 (Ziff. 2). Dem entspreche auch die bisherige Rechtsprechung, wonach die Botschaft des Libanon bei derartigen Anträgen nicht kooperativ sei. Die Behörde selbst habe ja unter Vorlage seines libanesischen Ausweises für palästinensische Flüchtlinge bereits im Jahr 2004 offiziell bei der Botschaft um entsprechende Rückreisepapiere nachgesucht, ohne dass etwas geschehen sei. Man könne ihm daher weder in der Vergangenheit noch gegenwärtig den Vorwurf mangelnder Mitwirkung machen. Da es keinerlei Identitätszweifel gebe, sei die Einschaltung dritter Personen im Libanon, etwa seiner dortigen Familienangehörigen, zur Beschaffung von Identitätspapieren sinnlos; die Ausstellung von Rückreisedokumenten scheitere gerade nicht daran, dass seine Identität nicht geklärt sei, sondern daran, dass der Libanon palästinensische Flüchtlinge ohne libanesische Staatsangehörigkeit grundsätzlich nicht zurücknehme. Im übrigen habe er sich inzwischen (Mai 2008) erneut an die libanesische Botschaft gewandt und diesmal ein Laissez-Passer beantragt. Auch dieses werde aber nur erteilt, wenn ein Aufenthaltstitel vorliege, Das ergebe ein entsprechendes Formularblatt der Botschaft, das ihm ausgehändigt worden sei. Wenn ihm die Behörde vorwerfe, sein Lebensunterhalt sei nicht gesichert, so treffe dies in der Sache nicht zu; er sei auf einer festen Stelle als Kraftfahrer beschäftigt und verdiene inzwischen monatlich ca. 1.190,--EUR netto, so dass er für seinen Lebensunterhalt angesichts einer Miete von nur 200,-- EUR ohne weiteres aufkommen könne. Es sei auch nicht verständlich, wenn die Behörde ihm eine neuere Verurteilung durch das Amtsgericht Bad Cannstatt (Strafbefehl vom 19.5.2006 wegen Betrugs) vorwerfe; dabei verkenne die Behörde den Sachverhalt, der zu der Verurteilung geführt habe (verspätete Zahlung einer Tankschuld) völlig. Er sei inzwischen gut integriert, was er mit dem Erlass der zur Bewährung ausgesetzten Reststrafe (LG Mannheim, Beschluss vom 30.6.2008) und einer Bescheinigung der Bewährungshilfe vom 16.4.2008 belegen könne.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, die Erfolgsaussichten, ein von der Behörde beantragtes Rückreisedokument zu erhalten, seien sehr gering. Die Botschaft des Libanon habe hierzu mitgeteilt, dass Palästinenser in der Regel in Lagern lebten, die überfüllt und ein sozialer Brennpunkt seien; solche Personen wolle man deshalb nur sehr ungern zurücknehmen. Anders verhalte es sich aber mit Palästinensern, die freiwillig in den Libanon zurückkehren wollten; an diese Personen erteile die libanesische Botschaft in Berlin in relativ kurzer Zeit ein Rückreisedokument, wenn ein Nachweis der Identität und der Registrierung im Libanon vorgelegt werde. In der Regel geschehe dies durch einen Registerauszug, den die Betroffenen beschaffen könnten. Auch ein abgelaufener Pass oder ein libanesischer Ausweis für palästinensische Flüchtlinge, dem die jeweiligen Daten entnommen werden könnten, genüge als Nachweis. Jedenfalls werde verlangt, dass der Antrag auf Rückreisedokumente ernsthaft und Nachdruck gestellt werde. Es gebe aus Berlin eine Liste von Referenzfällen, in denen bei Rückkehrbereitschaft ein Rückreisedokument (sog. Laissez-Passer) ausgestellt worden sei. Insofern sei kein Pass, Passersatz oder document de voyage erforderlich. Der Kläger habe keinen Nachweis über seine Identität vorgelegt; dies sei jedoch Kernstück eines Antrag auf Rückreisedokumente. Er habe sich insbesondere auch nicht um die Beibringung eines Registerauszugs gekümmert und sich zu diesem Zweck an die Bezirksstelle für Asyl gewandt, da dort bis zum 12.7.2004 sein Ausweis für palästinensische Flüchtlinge gelegen sei. Der Ausweis enthalte ein Aktenzeichen und eine libanesische Registriernummer. Bei der durchaus zumutbaren Einschaltung Dritter im Libanon könne ohne weiteres der erforderliche Registerauszug beschafft werden.

Selbst bei ausreichenden Bemühungen um einen Passersatz fehle es hier an der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung der Klärung der Identität. Im Rahmen des Ermessens komme hier zwar möglicherweise § 25 Abs. 2 Satz 2 AufenthG (Sollvorschrift) zur Anwendung; hier lägen jedoch bereits die Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG nicht vor. Es liege ein Verschulden des Klägers vor. Atypische Umstände des Einzelfalls seien hier nicht gegeben, da der Kläger ihm offenstehende Möglichkeiten nicht nutze, um Reisedokumente zu erlangen. Auch bei anderen Personen habe eine Vorsprache bei der Botschaft zur Ausstellung von Reisepapieren geführt. Außerdem sei eine freiwillige Ausreise möglich, so dass ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis oder auf Ermessensausübung nicht bestehe. Hinzu komme, dass der Kläger ausgewiesen sei und ein Ausweisungsgrund bestehe. Die Passpflicht werde nicht erfüllt, und der Lebensunterhalt sei nicht gesichert. Der Kläger sei mehrfach erheblich straffällig geworden und habe trotz seiner Ausweisung weiterhin Straftaten begangen. Im Rahmen der Ermessensausübung dürfe behördlich berücksichtigt werden, ob und warum der Kläger ausgewiesen sei. Bisher seien die Behörden bei der Neugewichtung der Interessen zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der generalpräventive Ausweisungszweck noch nicht erfüllt sei. Man gehe hier von einer Sperrfrist aus, die frühestens im September 2009 ablaufe. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass der Kläger erneut straffällig geworden sei. Es sei legitim, wenn der Zuzug von Ausländern gesteuert werde; im vorliegenden Fall seien die Interessen an einer Verweigerung der Aufenthaltserlaubnis vorrangig.

Der Beigeladene hat sich der Auffassung der Beklagten angeschlossen, ohne einen Antrag zu stellen.

In der mündlichen Verhandlung hat der Senat einen Vertreter des beigeladenen Landes zur Praxis der Botschaft des Libanon in vergleichbaren Fällen angehört und die in der Anlage zur Niederschrift aufgeführten Erkenntnismittel zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Dem Senat liegen die den Kläger betreffenden Akten der Beklagten vor; auf ihren Inhalt wird verwiesen. Sie waren Gegenstand der Verhandlung und Beratung.

Entscheidungsgründe:

Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache teilweise Erfolg; unter entsprechender Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Urteils war die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Der Tatbestand des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG ist nämlich gegeben (1.), und auch ein Ausschlussgrund nach § 25 Abs. 5 Satz 3 und 4 AufenthG liegt nicht vor (2.). Allerdings steht der Beklagten insofern noch ein Ermessen zu, so dass die auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gerichtete Klage (teilweise) abzuweisen war (3.).

1. Nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben: Der Kläger ist nach § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig, wie sich aus der bereits im Asylverfahren ergangenen Abschiebungsandrohung und zusätzlich aus der Bestandskraft der ebenfalls mit einer Abschiebungsandrohung verbundenen Ausweisungsverfügung ergibt. Wegen der in § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit, von der Sperrwirkung des § 11 Abs. 1 AufenthG abzuweichen, steht die Ausweisung des Klägers seinem Begehren vom Tatbestand der Vorschrift her nicht entgegen. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an den Kläger nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG scheitert tatbestandsmäßig auch nicht an § 10 Abs. 3 AufenthG. Die Vorschrift schließt zwar die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für bestimmte abgelehnte Asylbewerber aus, ist aber hier nicht einschlägig: Der Ausschlussgrund des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG (Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet nach § 30 Abs. 3 AsylVfG) ist nicht gegeben, da die negative Entscheidung im Asylverfahren anders als die Beklagte bei der Anhörung nach § 28 Abs. 1 LVwVfG und das Regierungspräsidium Stuttgart im Rahmen des Zustimmungsverfahrens nach § 8 AAZuVO angenommen haben nicht auf § 30 Abs. 3 AsylVfG, sondern auf § 30 Abs. 1 AsylVfG beruht.

Es kann auch von einer Unmöglichkeit der Ausreise des Klägers ausgegangen werden, da der Kläger als staatenloser Palästinenser (siehe dazu auch unten) ohne entsprechende Papiere vom Libanon nicht "zurückgenommen" werden wird (siehe dazu zuletzt den Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom Februar 2008, S. 23). Insofern ist die Rechts- und Faktenlage eindeutig (siehe auch den Beschluss des Senats im Verfahren der Prozesskostenhilfe vom 12.3.2007 - 13 S 3029/06 -; VG Freiburg, Urteil vom 24.4.2008 - 4 K 280/06 - m.w.N., juris, Rn 26; VG Berlin, Urteil vom 24.7.2007 - 27 A 180.06 -, juris Rn 16; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.6.2007 - 3 B 34.05 -, juris, Rn 36; VG Sigmaringen, Urteil vom 20.7.2006 - 8 K 577/04 -, juris Rn 44, je m.w.N.). Auch die Beklagte und der Beigeladene gehen davon aus, dass ein Palästinenser ohne entsprechende Rückreisepapiere in den Libanon weder einreisen noch abgeschoben werden kann (zur Gleichstellung von Ausreise und Abschiebung in diesem Zusammenhang siehe BVerwG, Urteil vom 27.6.2006 - 1 C 14/05 -, NVwZ 2006, 408 und GK-AufenthG, Rn 120 zu § 25 m.w.N.; Storr/ Wenger, Zuwanderungsrecht, Rn 33 zu § 25 und Hailbronner, AuslR, Rn 92 zu § 25). Ist der Zielstaat - wie hier - wegen des Fehlens entsprechender Papiere nicht aufnahmebereit, so ist im Sinn des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG die Ausreise unmöglich (siehe GK-AufenthG, Rn 165 zu § 25; vgl. auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26.6.2003 - 13 S 2767/02 -). Eine Verpflichtung des Libanon zur Aufnahme des Klägers ergibt sich insbesondere nicht aus Art. 28 des Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen (vom 28.9.1954, BGBl 1976 II 474; vgl. dazu auch VG Freiburg, Urteil vom 24.4.2008 - 4 K 280/06 -, juris). Das Abkommen ist zwar auf staatenlose, von der UNRWA registrierte Palästinenser wie den Kläger anwendbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.2.1993 - 1 C 45/90 -, NVwZ 1993, 782), er unterstand aber im Libanon dem Schutz einer Organisation der Vereinten Nationen (UNRWA) und ist damit vom Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgenommen (Art. 1 Abs. 2 lit. I). Dass das danach bestehende Ausreisehindernis in absehbarer Zeit entfallen wird, davon ist angesichts der langjährigen Praxis des libanesischen Staates und seiner Behörden (Einreiseverweigerung bei Personen ohne entsprechende libanesische Dokumente) nicht auszugehen.

2. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an den Kläger nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG steht auch kein Ausschlussgrund im Sinn des § 25 Abs. 5 Satz 3 und 4 AufenthG entgegen. Nach diesen Vorschriften darf die Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden, "wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist" (§ 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG), und ein Verschulden liegt insbesondere dann vor (die anderen Verschuldenstatbestände sind hier nicht einschlägig), wenn der Ausländer "zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt" (§ 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

Bei der Auslegung der Ausreisetatbestände geht der Senat mit der Rechtsprechung und ganz herrschenden Auffassung davon aus, dass der Ausländer grundsätzlich verpflichtet ist, von sich aus zumutbare Anforderungen zur Beseitigung von Ausreisehindernissen zu erfüllen; er hat zudem unter Angabe nachprüfbarer Umstände darzulegen und durch Vorlage geeigneter Dokumente nachzuweisen, dass er das ihm Zumutbare zur Erlangung eines Rückreisedokuments - um dieses Ausreisehindernis geht es im vorliegenden Fall - getan hat (vgl. § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG und VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 19.12.2006 - 13 S 766/06 -; Urteil vom 22.3.2006 - 11 S 1924/05 -, je m.w.N.). Bei der Frage, welche Mitwirkungshandlungen konkret zumutbar sind, sind alle Umstände und Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen (siehe BVerwG, Beschluss vom 15.6.2006 - 1 B 54/96 -, juris und bereits Beschluss vom 16.12.1998 - 1 B 105.98 -, Buchholz 402, 240 § 30 AuslG 1990 Nr. 10; siehe auch BVerwG, Urteil vom 24.11.1998 - 1 C 8.98 -, InfAuslR 1999, 106 und Storr-Wenger, a.a.O., Rn 36 zu § 25), wobei der Begriff der Zumutbarkeit es ausschließt, einem Ausländer solche Handlungen abzuverlangen, die von vornherein erkennbar aussichtslos sind (BVerwG, Beschluss vom 15.6.2006, a.a.O.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.6.2007 - 3 B 34.05 -, juris). Auch dem Verhalten der Behörde als Mitbeteiligter kommt bei der Festlegung der einzelnen Verantwortungsbereiche Bedeutung zu (GK-AufenthG, Rn 180 zu § 25; Storr-Wenger a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 12.3.2007 - 13 S 3029/06 - PKH-Beschwerde, und BayVGH, Beschluss vom 19.12.2005 - 24 C 05.2856 -, InfAuslR 2006, 189).

Im vorliegenden Fall ergibt diese Würdigung, dass gegenüber dem Kläger der Vorwurf der schuldhaften Nichtbeseitigung des Ausreisehindernisses nicht erhoben werden kann.

Fehlendes Verschulden des Klägers am Weiterbestehen des Ausreisehindernisses ergibt sich allerdings nicht bereits daraus, dass die Ausländerbehörde selbst tätig geworden ist und gegenüber der Botschaft des Libanon die Beschaffung von Heimreisepapieren in die Wege geleitet hat. Das Regierungspräsidium Stuttgart hat zwar im Juli 2004 den blauen Palästinenserausweis des Klägers (ausgestellt vom libanesischen Innenministerium, siehe dazu auch Auswärtiges Amt, Auskunft vom 23.4.2004 an VG Cottbus) an die libanesische Botschaft übersandt und dem einen Antrag auf Ausstellung von Rückreisepapieren für den Kläger beigefügt und insofern die Initiative zur Beseitigung des Ausreisehindernisses ergriffen, ohne dass bis heute von Seiten der Botschaft irgendeine Reaktion erfolgt wäre; dies bedeutet aber nicht, dass dem Kläger eigene (zusätzliche) Aktivitäten von vornherein nicht mehr zumutbar wären. Sofern aus früheren Entscheidungen des Senats ein solcher Grundsatz abgeleitet werden könnte (siehe Urteil vom 7.11.2001 - 13 S 2171/00 -, InfAuslR 2002, 115, 117 und Urteil vom 13.6.2001 - 13 S 370/00 -, juris; ebenso VG Berlin, Urteil vom 9.8.2004 - 21 A 589.02 -, juris und VG Freiburg, Urteil vom 17.3.2005 - 1 K 1065/04 -) hält der Senat hieran nicht fest. Erfolglos gebliebene behördliche Bemühungen können zwar dem Betroffenen selbst nicht als Verschulden angelastet werden, wie der Senat im Verfahren der Prozesskostenhilfe (Beschwerdebeschluss vom 12.3.2007 a.a.O.) ausgeführt hat; andererseits entlasten sie jedoch den Ausländer nicht von (sonst) zumutbaren eigenen Anstrengungen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass im Rahmen des § 25 Abs. 5 Satz 3 und 4 AufenthG eigenständige Verantwortungsbereiche von Behörde und Betroffenem anzunehmen sind (siehe dazu BayVGH, Urteil vom 19.12.2005, a.a.O.) und dass Behördenbemühungen unter Umständen schon deswegen, weil sie von einer Behörde ausgehen, zum Scheitern verurteilt sein können (siehe dazu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 19.12.2006 - 13 S 766/06 - und VG Sigmaringen, Urteil vom 20.7.2006, a.a.O.). Verweigert der Heimatstaat die Kooperation mit Behörden, so folgt - mit anderen Worten - hieraus nicht, dass der betroffene Ausländer selbst als Einzelperson untätig bleiben darf.

Dass im vorliegenden Fall der gesetzliche Ausschlussgrund des § 25 Abs. 5 Satz 3 und 4 AufenthG nicht eingreift, ergibt sich für den Senat einerseits daraus, dass bereits nach der vorliegenden Erkenntnislage vieles für die Aussichtslosigkeit (bzw. Irrelevanz) der konkret von dem Kläger verlangten zusätzlichen Eigenaktivitäten spricht (2.1.), andererseits zusätzlich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls, was Zeitpunkt, Intensität und Konkretheit der behördlichen Mitwirkungs-Aufforderungen an den Kläger angeht (2.2.).

2.1. Nach Auffassung des Senats spricht vieles dafür, dass die Botschaft des Libanon Einzelanträge geduldeter staatenloser Palästinenser dann nicht bearbeitet, wenn sie von einem entsprechenden "Abschiebungshintergrund" ausgeht und keine behördlichen Zusagen auf Aufenthaltserlaubnis vorliegen. Bereits im Beschluss vom 19.12.2006 (a.a.O.) hat der Senat ausgeführt, dass bei Behördenanträgen der Libanon auf eine entsprechende Abschiebeabsicht schließe und sich unkooperativ verhalte. Der Vertreter des Regierungspräsidiums Stuttgart hat hierzu in der mündlichen Verhandlung zwar betont, die Botschaft leite entsprechende behördliche Anfragen an die im Libanon hierfür zuständige Behörde (Surete generale) weiter, habe allerdings darum gebeten, von Rückfragen abzusehen; dies ändert aber nichts daran, dass jedenfalls für den Bereich Baden-Württembergs in vergleichbaren Fällen positive Entscheidungen libanesischer Stellen auf behördliche Bitten um Rückreisepapiere so gut wie nicht bekannt geworden sind. Dies gilt jedenfalls für staatenlose Palästinenser, für die das in früherer Zeit zwischen deutschen Behörden und der libanesischen Botschaft getroffene Übereinkommen über die Praxis bei Rückreisepapieren grundsätzlich nicht gilt (siehe dazu Clearingstelle Trier, Auskunft vom 29.4.2004). Was Anträge palästinensischer (staatenloser, lediglich geduldeter) Einzelpersonen angeht, geht die Rechtsprechung jedenfalls bisher davon aus, dass ohne die Vorlage von Aufenthaltserlaubniszusagen ein document de voyage oder ein für die Rückreise ausreichendes Laissez-Passer nicht ausgestellt wird. Was speziell Passanträge betrifft, so wären diese im Fall des Klägers ohnehin nicht erfolgversprechend, weil es sich bei ihm - wie sich aus seiner Registrierung als Palästinenser ergibt - nicht um einen libanesischen Staatsangehörigen handelt (siehe Auswärtiges Amt, Auskunft vom 10.3.2008 an Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Auskunft an VG Sigmaringen vom 17.9.2003, und Auskunft vom 19.11.2007 an VGH Baden-Württemberg; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 23.2.1993 a.a.O.). Das von der Botschaft herausgegebene Merkblatt für die Erteilung eines document de voyage oder eines Laissez-Passer bestätigt zwar, dass Einzelpersonen Anträge stellen können, enthält aber hierfür die Bedingung, dass eine Aufenthaltserlaubniszusage erforderlich sei. Dementsprechend geht die Rechtsprechung davon aus, dass - möglicherweise abgesehen von Einzelfällen - die Ausstellung von Rückreisepapieren an Palästinenser ohne entsprechende Zusage in aller Regel verweigert wird (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 19.12.2006 a.a.O; siehe auch OVG Brandenburg, Urteil vom 1.7.2004 a.a.O; Auswärtiges Amt, Auskunft vom 23.4.2004 an VG Cottbus); die Beschaffung von Heimreisedokumenten für diesen Personenkreis durch eigene Bemühungen sei - so der gemeinsame "Tenor" der diese Problematik betreffenden Entscheidungen - gegenwärtig praktisch ausgeschlossen (so VG Freiburg, Urteil vom 24.4.2008 a.a.O., VG Berlin, Urteil vom 24.7.2007 a.a.O., zur früheren Zeit siehe VG Freiburg, Urteil vom 17.3.2005 a.a.O.; VG Berlin, Urteil vom 9.8.2004 - 21 A 589.02 -; VG Potsdam, Urteil vom 20.2.2004 - 14 K 1253/03 - und VG Hannover, Urteil vom 21.7.2003 - 6 A 3718/00 -). Auch gegenüber Anfragen von Verwaltungsgerichten hat es bisher es an der erforderlichen Kooperationsbereitschaft der Botschaft gefehlt (vgl. dazu VG Sigmaringen a.a.O.). Die dem auf den ersten Blick entgegenstehende "Erfolgsliste" der Berliner Ausländerbehörde LABO vom November 2006 zur Papierausstellung an Palästinenser ist nach Auffassung des Senats nicht so aussagekräftig, dass im vorliegenden Fall von einer konkreten Erfolgsaussicht ausgegangen werden könnte: Sie betrifft zum weit überwiegenden Teil Fälle, in denen ein Bleibegrund im Hintergrund der Bemühungen stand. Außerdem stellt der Zusatz "palästinensische Volkszugehörige aus dem Libanon" nicht klar, ob es sich bei den aufgelisteten Fällen (wenigstens zum Teil auch) um libanesische Staatsangehörige gehandelt hat; hierfür könnte sprechen, dass in der dritten Spalte der Liste von "Passausstellung" die Rede ist.

Für den vorliegenden Fall kommt zu diesen grundsätzlichen Problemen beim Kontakt mit der libanesischen Botschaft konkret hinzu, dass der Botschaft das einzige den Kläger betreffende Identifikationspapier - die sog. blaue Karte, die mit Aktenzeichen und Registrierungsnummer sowie Lichtbild versehen ist und landesintern in etwa die Funktion eines Personalausweises hat (siehe Auswärtiges Amt, Auskunft vom 23.4.2004 an VG Cottbus) - bereits vorliegt und womöglich auch an die Surete generale im Libanon weitergeleitet worden ist; von daher wäre es den libanesischen Behörden innerhalb der letzten viereinhalb Jahre ohne weiteres möglich gewesen, die Angaben in diesem von dem Kläger seinerzeit vorgelegten Ausweis durch die Beiziehung eines Registerauszugs zu verifizieren und für ihn Rückreisepapiere auszustellen (zu libanesischen Registerauszügen siehe Auswärtiges Amt, Auskunft vom 28.1.2004 an VG Cottbus, und Botschaft der BRD, Auskunft vom 7.6.2004 an VG Freiburg). Angesichts der bisherigen Untätigkeit libanesischer Stellen im konkreten Fall des Klägers spricht daher vieles dafür, zusätzliche Eigenanstrengungen des Klägers als aussichtslos anzusehen, zumal die von der Beklagten nunmehr konkret geforderte Aktivität des Klägers - Beschaffung eines Registerauszugs mithilfe der auf der blauen Karte enthaltenen Daten - für libanesische Stellen keinerlei zusätzlichen Informationsgewinn bedeuten würde und den libanesischen Behörden bekannt sein muss, dass es im vorliegenden Fall nicht um ein Bleiberecht, sondern um eine geplante Abschiebung geht.

2.2. Selbst wenn in Einzelfällen bei ausdrücklichem Rückkehrwunsch eines (staatenlosen) Palästinensers von einer (wenn auch geringen) Chance auf Ausstellung entsprechender Papiere auszugehen wäre, erscheint im vorliegenden Fall ein Verschuldensvorwurf an den Kläger als überzogen. Einzubeziehen in die Wertung nach § 25 Abs. 5 Satz 3 und 4 AufenthG sind nämlich auch die (nachgewiesenen) bisherigen Aktivitäten des Klägers und das Verhalten der Beklagten ihm gegenüber. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang verkannt, dass es nicht allein Sache des Klägers war, gegenüber der Botschaft tätig zu werden, sondern dass auch ihr bestimmte Hinweis- und Mitwirkungspflichten obliegen. Der Erlass einer eigenständigen sog. Passverfügung auf asylverfahrensrechtlicher Grundlage (§ 15 AsylVfG, siehe etwa OVG Koblenz, Beschluss vom 24.1.2007 - 6 E 1489/06 -, AuAS 2007, 43) oder nach § 48 Abs. 3 AufenthG (siehe dazu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 10.7.2006 - 11 S 1228/06 - juris) mag unterblieben sein, weil vermieden werden sollte, dass die libanesische Botschaft auf eine entsprechende Abschiebungsabsicht schließen könnte (siehe oben); aber auch im späteren Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahren hat es die Behörde unterlassen, die aus ihrer Sicht dem Kläger obliegenden Mitwirkungspflichten konkret zu bezeichnen. Im Anhörungsverfahren nach § 28 Abs. 1 LVwVfG war die Beklagte noch von einer Erteilungssperre nach § 10 Abs. 3 AufenthG ausgegangen, ohne die Verschuldensfrage anzusprechen, und weder vor Klageerhebung noch danach ist eine Behördenentscheidung über den Aufenthaltserlaubnisantrag ergangen, in der eine entsprechende Mitwirkungspflicht des Klägers konkretisiert worden wäre. Auch eine Aufforderung im sonstigen Schriftverkehr unterblieb. Erstmals das verwaltungsgerichtliche Urteil hat - allerdings ohne konkrete Bezeichnung der erforderlichen Dokumente - dem Kläger vorgehalten, es sei ihm möglich gewesen, "entsprechende Papiere vorzulegen oder sich ... in seinem Heimatland zu beschaffen". Erst während des Berufungsverfahrens ist - auf entsprechende Anforderung des Senats - eine Kopie der bis dahin nicht bei den Akten befindlichen sog. blauen Ausweiskarte des Klägers vorgelegt worden, und erst dann (Mai 2008) wurde der behördliche Verschuldensvorwurf nach § 25 Abs. 5 Satz 3 und 4 AufenthG dahingehend konkretisiert, der Kläger könne (und müsse) mit Hilfe der auf der Karte befindlichen Registriernummer bei Einschaltung von Verwandten oder Rechtsanwälten im Libanon einen Registerauszug beschaffen. Damit hat die Behörde die ihr obliegenden Mitwirkungspflichten verkannt. Eine Grenze der dem Ausländer obliegenden Initiativpflicht bildet nämlich die Frage, welche Möglichkeiten ihm bei objektiver Betrachtungsweise überhaupt bekannt sein können; nur insoweit kann ihm subjektive Verantwortlichkeit angelastet werden (siehe dazu BayVGH, Urteil vom 19.12.2005 a.a.O.). Daher hat die zuständige Behörde, wie dies auch § 82 Abs. 3 Satz 1 AufenthG vorgibt, den Betroffenen auf seine Pflichten hinzuweisen und ihm mitzuteilen, dass und in welchem Umfang er zur Erbringung bestimmter Handlungen verpflichtet ist; wenn sich ihm ein bestimmtes Verhalten nicht bereits aufdrängen muss, muss ihm wenigstens hinreichend erkennbar sein, was er konkret zu unternehmen hat. Die Behörde ist regelmäßig angesichts ihrer organisatorischen Überlegenheit und Sachnähe besser in der Lage, die bestehenden Möglichkeiten zu erkennen und die erforderlichen Schritte in die Wege zu leiten (siehe BayVGH a.a.O.).

Im vorliegenden Fall wirkt sich im Rahmen der Verschuldensprüfung auch zu Lasten der Beklagten aus, dass der Kläger seinerseits keineswegs untätig geblieben ist; so hat er insbesondere mehrfach (2004, 2007 und zweimal 2008) die Botschaft des Libanon in Berlin aufgesucht. Dass die Beklagte ebenso wie das Verwaltungsgericht diesen Besuch zunächst in Zweifel gezogen haben, ist angesichts einer entsprechenden eidesstattlichen Versicherung des Klägers, eines Zeugenangebots sowie der entsprechenden Aktenvermerke in den Verwaltungsakten vom Juli 2004 für den Senat nicht nachvollziehbar. Während der Kläger zunächst bei der libanesischen Botschaft einen Passantrag stellte, ohne dort aufgefordert zu werden, weitere Angaben zu machen, beantragte er im Januar 2008 ein document de voyage; dabei wurde ihm mitgeteilt, er benötige hierfür einen deutschen Aufenthaltstitel oder eine entsprechende Zusage, und er erhielt ein entsprechendes Hinweisblatt (zum document de voyage als Rückreisepapier für Palästinenser siehe etwa Botschaft der BRD, Auskunft vom 7.6.2004 an VG Freiburg). Nachdem die Beklagte dem Kläger vorgehalten hatte, er benötige lediglich ein Laissez-Passer, suchte dieser im Mai 2008 erneut die Botschaft auf; auch hierbei hatte er keinen Erfolg, da das Formblatt der Behörde für diese Papiere ebenfalls auf die Erforderlichkeit eines Aufenthaltstitels oder einer entsprechenden Zusage hinweist. Der Kläger selbst war seit mehr als zehn Jahren nicht mehr im Besitz der für ihn ausgestellten blauen Ausweiskarte, die ohne sein Wissen im Original im Sommer 2004 zur libanesischen Botschaft geschickt worden war; von daher ist für einen Vorwurf an den Kläger, er habe sich nicht an die Zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber gewandt, um die Ausweiskarte oder entsprechende Informationen zu erfragen, nicht angebracht. Über den näheren Verbleib dieses Papiers erfuhr der Kläger auch in der Folgezeit bis zum Berufungsverfahren nichts, und ohne die entsprechenden Informationen aus der blauen Ausweiskarte war auch nicht daran zu denken, einen Registerauszug zu besorgen. In dieser Situation wäre es Sache der Behörde gewesen, dem Kläger bereits zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt Aktenzeichen und Registrierungsnummer aus der Ausweiskarte mitzuteilen und ihn zu entsprechender Initiative aufzufordern (zu dem auch für das Verwaltungsverfahren grundlegend geltenden sog. Fairnessgebot siehe VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 23.4.2008 - 13 S 783/08 -, NJW 2008, 2519 m.w.N.). Da aber die erforderlichen Informationen bei der libanesischen Botschaft bereits vorhanden (und dort womöglich edv-mäßig ohne weiteres abrufbar waren), unabhängig davon, ob die libanesische Botschaft die entsprechenden Daten zu weiteren Ermittlungen an die Surete generale in Beirut geschickt hatte oder nicht, waren dem Kläger, der sich erst zweieinhalb Jahre nach Antragstellung mit einer entsprechenden behördlichen Aufforderung konfrontiert sah, vor dem Hintergrund der der bekannten Verzögerungs- oder Weigerungstaktik der Botschaft zusätzliche Initiativen in der gleichen Richtung nicht mehr zumutbar.

3. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG und das Nichteingreifen eines Ausschlussgrundes nach § 25 Abs. 5 Satz 3 und 4 AufenthG vermittelt dem Kläger im vorliegenden Fall allerdings noch keinen Anspruch auf Aufenthaltserlaubnis; ihm steht lediglich ein - auch mit der Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO geltend zu machender (siehe die Nachweise bei Sodan/Ziekow, VwGO, 2006, Rn 20 zu § 75) - Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Bescheidung nach der Rechtsauffassung des Gerichts zu (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Hieran ändert es nichts, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen der Sollvorschrift des § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG (18 Monate Duldung) gegeben sind; auch in diesen Fällen müssen nämlich die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG erfüllt sein (GK-AufenthG, a.a.O., Rn 194 zu § 25; Storr-Wenger, a.a.O., Rn 38 zu § 25), die ihrerseits - etwa in § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG - der Behörde Ermessen einräumen. Im übrigen ist auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG in sog. atypischen Fällen ohnehin Ermessen eröffnet (siehe dazu GK-AufenthG, a.a.O., Rn 191 und 192 zu § 25; vgl. auch BVerfG, Urteil vom 22.11.2005 - 1 C 18.04 -, NVwZ 2006, 711).

Der Senat kann offenlassen, ob sich eine Atypik in diesem Sinn im vorliegenden Fall daraus ergibt, dass der Kläger nach seiner Ausweisung noch kurz vor Beginn des vorliegenden Verfahrens erneut bestraft worden ist; hierauf kommt es aus Rechtsgründen nicht an. Die Beklagte verfügt bereits deswegen bei der Entscheidung über den Aufenthaltserlaubnisantrag noch über einen Ermessensbereich, weil nicht (zusätzlich) sämtliche allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG gegeben sind. Zwar kann der Senat davon ausgehen, dass der Lebensunterhalt des Klägers nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gesichert ist (Einkommen von etwa 1.200,-- EUR monatlich, Miete 200,-- EUR monatlich), und auch das Problem seiner Identität und Staatsangehörigkeit (§ 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG) stellt sich nicht; es liegt jedoch ein Ausweisungsgrund im Sinn des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor. Die in der Rechtsprechung strittige Frage, ob die seinerzeit zur Ausweisung des Klägers führenden Straftaten seinem Aufenthaltserlaubnisbegehren als Ausweisungsgründe nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entgegengehalten werden können oder durch die Ausweisung gewissermaßen "verbraucht sind" (siehe dazu GK-AufenthG, Rn 186 zu § 25 m.w.N. und noch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 5.7.2000 - 13 S 1726/99 -, InfAuslR 2000, 491), kann hier offenbleiben, da hier jedenfalls noch eine später begangene Straftat und entsprechende Verurteilung (Strafbefehl des Amtsgerichts Bad Cannstatt vom 19.5.2006) vorliegt. Insofern ist § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG der zutreffende Ort, an dem die gegenläufigen Interessen abzuwägen sein werden (siehe GK-AufenthG a.a.O.).

Eine solche behördliche Ermessensausübung steht im vorliegenden Fall bisher aus; auch die schriftsätzlichen Stellungnahmen der Beklagten können nicht in diese Richtung verstanden werden (siehe § 114 Satz 2 VwGO und BVerwG, Urteil vom 5.9.2006 - 1 C 20.05 -, AuAS 2007, 3). Der Senat geht nicht davon aus, dass die Ermessensausübung bereis zum gegenwärtigen Zeitpunkt rechtlich nur in eine (zulässige) Richtung hin gebunden ist, dass also bereits jetzt ein im Weg der Ermessensreduzierung anzunehmender Anspruch des Klägers auf Aufenthaltserlaubnis besteht. Selbst wenn die von dem Kläger zuletzt begangene Straftat nach den Umständen des Einzelfalles nicht schwer wiegt und ein Betrugsvorsatz wohl kaum angenommen werden kann, verbleibt der Beklagten ein entsprechender Entscheidungsspielraum (insoweit großzügiger: VG Berlin, Urteil vom 24.7.2007 a.a.O.). Allerdings wird die Beklagte bei der Ermessensausübung auch die Funktion des § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG zu berücksichtigen haben, wonach bei tatsächlich vorliegenden Abschiebungs- und Ausreisehindernissen an die Stelle der gesetzlich nicht vorgesehenen sog. Kettenduldungen nunmehr die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis als humanitäre, der notwendigen Integration des Ausländers dienende Maßnahme getreten ist (siehe dazu GK-AufenthG, a.a.O., Rn 2 zu § 25 sowie Hailbronner a.a.O. Rn 1 zu § 25 m.w.N. aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Senat bewertet dabei den Grad des Obsiegens der Beteiligten jeweils als gleichrangig.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.

Beschluss

Es verbleibt bei dem bereits als vorläufig festgesetzten Streitwert (Beschluss vom 31.10.2007) in Höhe von 5.000,-- EUR.

Ende der Entscheidung

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