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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 06.05.2008
Aktenzeichen: 13 S 499/08
Rechtsgebiete: AufenthG, ZPO


Vorschriften:

AufenthG § 77
AufenthG § 81 Abs. 5
ZPO § 415
ZPO § 418
Eine sog. Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 5 AufenthG hat zwar selbst keine konstitutive Wirkung, kann aber als öffentliche Urkunde Beweis erbringen über die Frage, ob und wann ein Ausländer einen (mündlichen) Antrag auf Erteilung bzw. Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis gestellt hat.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

13 S 499/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Aufenthaltserlaubnis u.a.

hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

hat der 13. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

am 6. Mai 2008

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 2. Januar 2008 - 12 K 4766/07 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, insbesondere rechtzeitig erhoben (§ 147 Abs. 1 VwGO) und begründet worden (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO); auch die formellen Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO sind gegeben. In der Sache kann die Beschwerde allerdings keinen Erfolg haben; die Überprüfung der im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe, auf die der Senat als Beschwerdegericht beschränkt ist (siehe § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), ergibt nicht, dass das Verwaltungsgericht dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis und die gleichzeitig ergangene Abschiebungsandrohung (Verfügung der Antragsgegnerin vom 13.7.2007) hätte stattgeben müssen.

In der angefochtenen Verfügung hat die Antragsgegnerin einen Antrag auf Erteilung bzw. Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis für den Antragsteller, einen im Alter von 14 Jahren eingereisten albanischen Volkszugehörigen aus dem Kosovo, abgelehnt und den Antragsteller unter Androhung der Abschiebung nach Serbien zur Ausreise aus dem Bundesgebiet aufgefordert; zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, der Antragsteller habe keinen Anspruch auf Aufenthaltserlaubnis. Da er strafrechtlich wegen vorsätzlicher Straftaten zu mehr als 50 Tagessätzen verurteilt worden sei, komme eine Aufenthaltserlaubnis nach §§ 104 a und b AufenthG nicht in Betracht; das gleiche gelte für eine Aufenthaltserlaubnis nach der auf § 23 Abs. 1 AufenthG beruhenden sog. Altfallregelung für langjährig im Bundesgebiet geduldete Ausländer. Da der Antragsteller kein Asylverfahren betrieben habe, scheide eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 bis 3 AufenthG aus, und auch § 25 Abs. 4 AufenthG komme nicht in Betracht, da es hier um eine Anwesenheit im Bundesgebiet auf Dauer gehe. Auch stelle das Verlassen des Bundesgebiets für den Antragsteller keine außergewöhnliche Härte dar. Schließlich scheide auch § 25 Abs. 5 AufenthG als Grundlage einer Aufenthaltserlaubnis aus, da eine freiwillige oder zwangsweise Ausreise weder aus rechtlichen noch tatsächlichen Gründen unmöglich sei. Abschiebungsverbote stünden einer zwangsweisen Abschiebung nicht entgegen; das gleiche gelte für Art. 8 EMRK. Ebenso komme eine Niederlassungserlaubnis wegen §§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG (Nichterfüllung der Passpflicht) und § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG (Sicherung des Lebensunterhalts) nicht in Betracht, zumal Ausweisungsgründe gegeben seien. Ein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ergebe sich auch nicht aus der sog. Qualifikationsrichtlinie, da die Voraussetzungen des Art. 15c der Richtlinie 2004/38/EG hier nicht ersichtlich seien. Schließlich habe der Widerspruch auch hinsichtlich der Abschiebungsandrohung voraussichtlich keinen Erfolg.

Mit der Beschwerdebegründung trägt der Antragsteller vor, er sei, obwohl er erst mit 14 Jahren eingereist sei, in der Bundesrepublik Deutschland aufgewachsen und hier integriert. Er leide heute noch an den Folgen eines unverschuldeten Verkehrsunfalls aus dem Jahr 1995 und eines kürzlich erlittenen Sturzes. Es sei durch die langwierigen Behandlungen und die Unterbrechung der Schulausbildung zu Reifeverzögerungen und somit auch zu Straftaten gekommen; seit 2000 (Diebstahl) sei aber keine Straftat mehr begangen worden bis auf eine mit Geldstrafe geahndete Beleidigung. Die Integration in das Arbeitsleben sei ihm durch ständige, über Jahre hinweg erteilte sog. Fiktionsbescheinigungen erschwert worden, nachdem ihm erst im Dezember 2003 die Aufenthaltserlaubnis erteilt worden sei. Es bestünden auch Heiratsabsichten hinsichtlich seiner deutschen Freundin, mit der er verlobt sei. Die Antragsgegnerin habe bei der Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis verkannt, dass seit Dezember 2003 keine weiteren Straftaten hinzugekommen seien. Die fehlende Integration in das Arbeitsleben könne ihm nicht vorgeworfen werden; nach wie vor befänden sich Metallschienen in seinem Körper, die die Erwerbsfähigkeit herabsetzten. Sämtliche Familienangehörige lebten in der Bundesrepublik Deutschland, so dass die Aufenthaltserlaubnis jedenfalls aus humanitären Gründen zu verlängern sei. Zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote seien bisher nicht untersucht worden; jedenfalls bestünden außergewöhnliche Härtegründe, die eine Aufenthaltsbeendigung als unzumutbar erscheinen ließen. Über Art. 8 EMRK habe er einen Verlängerungsanspruch aus § 25 Abs. 5 AufenthG. Ihm könne auch nicht vorgeworfen werden, dass er seiner Passpflicht nicht genügt habe, da Kosovo-Albaner bis auf weiteres nicht in der Lage seien, der Passpflicht nachzukommen. Eine Vorsprache im serbischen Konsulat komme für ihn nicht mehr in Betracht. Auch seien Anhaltspunkte für einen subsidiären Schutz nach der sog. Qualifikationsrichtlinie gegeben, da seine Mutter 1992 wegen der Vertreibung der Albaner durch die Serben in die Bundesrepublik gekommen sei.

Die Antragsgegnerin verweist in ihrer Erwiderung darauf, der Antragsteller sei nach den Feststellungen des Amtsarztes reisefähig und verfüge über ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten ohne Zwangshaltungen. Gleichwohl habe sich der Antragsteller bisher nicht in das Erwerbsleben integriert. Substantiierte Gegenargumente seien auch jetzt nicht vorgetragen. Die letzte Straftat sei entgegen dem Vortrag des Antragstellers im Jahr 2005, also nach der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis, begangen worden. Von einem Verlöbnis mit einer deutschen Staatsangehörigen oder Heiratsabsichten sei im übrigen bisher nichts bekannt.

Die Würdigung des Vortrags des Antragstellers im Beschwerdeverfahren, die der Prüfung durch den Senat zugrunde liegt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), ergibt, dass das Verwaltungsgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers zu Recht abgelehnt hat.

1. Das Verwaltungsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass das statthafte verwaltungsgerichtliche Eilverfahren im vorliegenden Fall ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO und nicht eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO ist. Zweifel könnten sich insofern daraus ergeben, dass nach der letzten dem Antragsteller erteilten Aufenthaltserlaubnis (Verfügung vom 15.8.2003, Geltungsdauer bis zum 31.12.2003) in den dem Senat vorliegenden Verwaltungsakten kein ausdrücklich gestellter Verlängerungsantrag auffindbar ist; dem Antragsteller wurden vielmehr am 18.12.2003 und danach bis zum Jahr 2007 lediglich sog. Fiktionsbescheinigungen nach § 69 Abs. 2 Satz 3 AuslG bzw. § 81 Abs. 5 AufenthG erteilt. Beim Fehlen eines (rechtzeitigen) Aufenthaltserlaubnisantrags käme zur Sicherung des weiteren Aufenthalts nicht das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO, sondern eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO in Betracht (siehe dazu z.B. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20.11.2007 - 11 S 2364/07 -, InfAuslR 2008, 81 m.w.N.). Allerdings hat die Antragsgegnerin auf entsprechende Anfrage des Senats darauf hingewiesen, es sei bei der Ausländerbehörde ständige Praxis, bei einer behördlichen Vorsprache des Ausländers die Fiktion "auszustellen", auch wenn hierbei keine förmlichen Anträge ausgefüllt würden. In der Tat ergibt sich aus den Verwaltungsakten, dass der Antragsteller noch während der Geltungsdauer seiner Aufenthaltserlaubnis, also vor dem 31.12.2003, Unterlagen über sein Arbeitsverhältnis eingereicht hat (Bescheinigungen vom 17.12. und 10.12.2003). Wenn auch eine Vorsprache des Antragstellers bei der Ausländerbehörde in dem hier fraglichen Zeitraum nicht dokumentiert ist, wird doch davon auszugehen sein, dass der am 18.12.2003 nach der damals geltenden Vorschrift des § 69 Abs. 3 AuslG "erteilten" Fiktionsbescheinigung ein entsprechender mündlicher Aufenthaltserlaubnisantrag zugrunde liegt, der die weitere Fiktion auslösen konnte (vgl. § 69 Abs. 3 Satz 1 AuslG). Anträge auf Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis waren nach dem damals geltenden Recht des AuslG nicht formgebunden, wenn auch durch Verwaltungsvorschrift bestimmte Vordrucke zu verwenden waren (siehe § 66 Abs. 1 Satz 1 AuslG und Nr. 69.02 der VwV zu § 69 AuslG vom 28.6.2000, GMBl. S. 618); das gleiche galt ab 1.1.2005 unter der Geltung des AufenthG (siehe § 77 Abs. 1 Satz 1 AufenthG und Ziff. 81.1 der vorläufigen Anwendungshinweise zum AufenthG). Die dem Antragsteller über mehrere Jahre hinweg ausgestellten Fiktionsbescheinigungen hatten allerdings keine konstitutive Wirkung, d.h. aus ihnen allein kann die für das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO notwendige Fiktionswirkung des Antrags (siehe VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20.11.2007 a.a.O.) nicht selbst abgeleitet werden (siehe BVerwG, Urteil vom 3.6.1997 - 1 C 7/96 -, NVwZ 1998, 185: kein feststellender oder rechtsgestaltender Verwaltungsakt, sondern lediglich eine Bescheinigung, die nicht hindert, auf die wahre Rechtslage zurückzugreifen; ebenso OVG Bremen, Beschluss vom 8.1.2004 - 1 B 411/03 -, InfAuslR 2004, 154; Senat, Beschluss vom 21.7.2004 - 13 S 1532/04 -, InfAuslR 2004, 393 und Funke-Kaiser, GK-AufenthG, Rn 55 zu § 81). Das ändert aber nichts daran, dass es sich bei diesen Bescheinigungen um öffentliche Urkunden handelt, die als solche geeignet sind, vollen Beweis zu begründen. Mangels Regelungscharakters der Fiktionsbescheinigungen (s. oben) wird dabei nicht von § 417 ZPO (i.V. mit § 98 VwGO) auszugehen sein (vgl. dazu Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 2007, Rn 1 zu § 417), wohl aber betreffen sie eine "vor der Behörde... abgegebene Erklärung" im Sinn des § 415 Abs. 1 ZPO bzw. bezeugen eine Tatsache im Sinn des § 418 Abs. 1 ZPO (jeweils i.V. mit § 98 VwGO). Die Antragsgegnerin hat die Fiktionsbescheinigungen der Jahre 2003 bis 2007 jeweils innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse in der vorgeschriebenen Form erteilt (zur Form der Fiktionsbescheinigungen siehe Nr. 69.0.9.2 VWV zum AuslG a.a.O. und Nr. 81.5.2 der Vorläufigen Anwendungshinweise zu § 81). Danach wird dem Inhaber der Bescheinigung bestätigt, dass er bei der Behörde "die Erteilung/Verlängerung eines Aufenthaltstitels beantragt" hat; die Bescheinigung wird damit im Sinn des § 415 Abs. 1 ZPO "über eine vor der Behörde abgegebene Erklärung errichtet". Mindestens liegt in der Bescheinigung über die Antragstellung und deren Wirkungen eine "Bezeugung" der Tatsache einer Antragstellung (vgl. § 418 Abs. 1 ZPO i.V. mit § 98 VwGO). Der Gegenbeweis ist zwar zulässig (§§ 415 Abs. 2, 418 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 98 VwGO), hier aber nicht erbracht.

2. In dem danach statthaften gerichtlichen Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Verwaltungsgericht allerdings zu Recht entschieden, dass eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Ablehnung der Verlängerung seiner bis zum 31.12.2003 gültigen Aufenthaltserlaubnis aus Rechtsgründen nicht in Betracht kommt; die hiergegen erhobenen Einwände des Antragstellers führen nicht zum Erfolg.

Gegen die Erwägungen des Verwaltungsgerichts zu den denkbaren Anspruchsgrundlagen aus § 104a und b AufenthG, aus § 23 AufenthG i.V.m. der sog. Altfallregelung und zu § 25 Abs. 1 bis 3 AufenthG werden im Beschwerdeverfahren keine Einwendungen erhoben, so dass sich insofern nähere Ausführungen erübrigen. Soweit der Antragsteller zu § 25 Abs. 4 AufenthG vorträgt, ihm sei die Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen zu verlängern, kann der Senat dem nicht folgen. § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ermöglicht nur eine Aufenthaltserlaubnis für einen vorübergehenden Aufenthalt, und auch dies setzt voraus, dass "dringende humanitäre oder persönliche Gründe" für den (vorübergehenden) Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet sprechen (zum nur vorübergehenden Aufenthalt siehe Hailbronner, AuslR, Rn 58 zu § 25 und Burr in GK-AufenthG, Rn 63 zu § 25). Ob die Vorschrift auf Ausländer überhaupt anwendbar ist, die wie der Antragsteller nach der Ablehnung des Verlängerungsantrags vollziehbar ausreisepflichtig sind (siehe dazu § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG und § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG), ist umstritten (siehe Burr a.a.O. Rn 64 f.; Hailbronner a.a.O. Rn 59), kann aber hier auch offenbleiben; jedenfalls fehlt es an den "dringenden humanitären oder persönlichen Gründen" im Sinn von § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG. Es darf sich hier nicht um dauerhafte Gründe handeln, die für einen zeitlich nicht begrenzten weiteren Aufenthalt angeführt werden (siehe Hailbronner a.a.O. Rn 65). Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang auf dauerhafte Schäden aus seinem Unfall und auf entsprechenden dauernden Behandlungsbedarf hinweist, kann er damit in diesem Zusammenhang nicht gehört werden.

Was § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG als denkbare Anspruchsgrundlage angeht, so legt die Beschwerdebegründung nicht dar, inwiefern im Fall des Antragstellers aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls eine "außergewöhnliche Härte" vorliegen würde, wenn er das Bundesgebiet verlassen müsste. Die Vorschrift ermöglicht zwar auch einen Daueraufenthalt, da sie insofern § 30 Abs. 2 AuslG entspricht (siehe Hailbronner a.a.O. Rn 77 und BVerwG, Beschluss vom 8.2.2007 - 1 B 69.06 -, NVwZ 2007, 844); eine außergewöhnliche Härte setzt aber das Vorliegen einer Sondersituation voraus, in der die Aufenthaltsbeendigung einen Ausländer deutlich ungleich härter treffen würde als andere Ausländer seiner Staatsangehörigkeit in vergleichbaren Situationen (siehe dazu BVerwG, a.a.O. und Hailbronner a.a.O. Rn 82 sowie Burr a.a.O. Rn 92, je m.w.N.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 9.2.2005 - 11 S 1099/04 - VBlBW 2006, 36). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Es genügt in diesem Zusammenhang nicht, wenn der Antragsteller im Beschwerdeverfahren darauf hinweist, es sei nicht geprüft worden, "ob die nach wie vor erforderlichen Behandlungen aufgrund des Verkehrsunfalls, Nachsorgeuntersuchungen, Entfernung von Metallschienen und der weiteren Unfälle" in der Bundesrepublik Deutschland weiter behandelt werden müssten; damit wird insbesondere nicht substantiiert behauptet, die Behandlung oder Betreuung solcher Spätfolgen sei ausschließlich im Bundesgebiet möglich. Im übrigen belegen auch die dem Verwaltungsgericht und dem Senat vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen die im Beschwerdebegründungsschriftsatz allerdings nur angedeutete Erforderlichkeit einer ausschließlichen Weiterbehandlung im Bundesgebiet nicht. Nach der amtsärztlichen Stellungnahme vom 21.6.2007 handelt es sich um Spätfolgen eines Autounfalls aus dem Jahr 1995; die Stellungnahme erklärt aber, die damaligen schweren Verletzungen seien inzwischen weitgehend beschwerdefrei verheilt. Im unfallchirurgischen Gutachten aus dem Jahr 1997 ist offenbar eine spätere Entfernung des verbliebenen Metalls empfohlen worden; sie ist bisher wohl noch nicht erfolgt. Dies bedeutet aber nicht, dass der Antragsteller deswegen von einer Rückkehr ungleich und evident härter betroffen wird als andere Ausländer aus dem Kosovo. Erweist sich z.B. später einmal die chirurgische Entfernung der Metallschiene in der Tat als erforderlich, so ist eine vorübergehende Einreise des Antragstellers zum Zweck der Durchführung dieser Operation im Rahmen eines Besuchsaufenthalts bei seinen Eltern ohne weiteres möglich. Besondere gesundheitliche Gefährdungen bei einer Rückkehr in den Kosovo sieht der Amtsarzt in seiner Stellungnahme nicht; er empfiehlt lediglich eine fortdauernde ärztliche Kontrolle des hohen Blutdrucks. Dass dies im Kosovo nicht möglich sein soll, wird in der Beschwerdebegründung nicht behauptet.

Zu Recht ist das Verwaltungsgericht auch davon ausgegangen, dass im Fall des Antragstellers die Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 AufenthG nicht ausreichend glaubhaft gemacht sind. Die Unmöglichkeit einer Ausreise nach Serbien aufgrund der bestehenden Passlosigkeit wird im Beschwerdeverfahren nicht substantiiert gerügt, abgesehen davon, dass die Abschiebungsandrohung als solche, die Serbien als Zielstaat nennt, im Beschwerdeverfahren als solche nicht angegriffen wird. Die Frage, inwiefern nach der völkerrechtlichen Anerkennung des Kosovo durch die Bundesrepublik eine Ersetzung der Zielstaatsbestimmung erforderlich ist, stellt sich daher im vorliegenden Fall nicht. Auch ein rechtliches Ausreisehindernis aus Art. 8 EMRK oder aus familienrechtlichen Schutzpflichten (Art. 6 GG) ist hier nicht anzunehmen. Ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK (Privatleben) wird bereits daran scheitern, dass der Antragsteller nicht ausreichend im Bundesgebiet integriert und "verwurzelt" ist; er ist im Jahr 1993 im Alter von 14 Jahren eingereist, hat eine wirtschaftliche und soziale Integration im Bundesgebiet nicht erreicht und macht auch nicht konkret geltend, inwiefern ihm eine Rückkehr unzumutbar sein soll (zu den Kriterien siehe VGH Bad.-Württ., Urteil vom 23.1.2006 - 13 S 2220/05 -, VBlBW 2006, 200; EGMR, Urteil vom 28.6.2007 - 31753/02 -, InfAuslR 2007, 325 sowie EGMR, Urteil vom 6.12.2007 - 69735/01 -, InfAuslR 2008, 111,112). Die von dem Antragsteller auch nach seiner ernsthaften Verwarnung im August 2003 weiterhin begangenen bzw. der Behörde neu bekannt gewordenen Straftaten (AG Stuttgart, Strafbefehle vom 6.11.2003 wegen Beleidigung und vom 24.10.2005 wegen Sachbeschädigung) wiegen zwar nicht besonders schwer, belegen aber immerhin, dass der Antragsteller mit der Akzeptierung der deutschen Rechtsordnung noch immer erhebliche Schwierigkeiten hat. Eine Sicherung des Lebensunterhalts ist ihm trotz medizinisch durchaus gegebener Arbeitsfähigkeit dauerhaft nicht gelungen. Die Tatsache, dass die Familienangehörigen des (inzwischen fast dreißigjährigen) Antragstellers auf Dauer im Bundesgebiet leben, belegt nicht, dass dem Antragsteller wegen bereits erfolgter (und gelungener) Integration in das Leben der Bundesrepublik eine Rückkehr in seine Heimat unzumutbar wäre (vgl. dazu auch VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 25.10.2007 - 11 S 2091/07 -, InfAuslR 2008, 29). Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang auf Heiratsabsichten hinweist, kann zwar eine solche Fallgestaltung prinzipiell die Unzumutbarkeit der Ausreise aus rechtlichen Gründen belegen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 1.2.2008 - 13 S 97/07 -, AuAS 1008, 74; OVG Lüneburg, Beschluss vom 1.11.2007 - 10 PA 96/07 -, juris und Beschluss vom 29.6.2007 - 10 MC 147/07 -, AuAS 2007, 197, je m.w.N.); eine nicht konkret unmittelbar bevorstehende Eheschließung genügt hierzu jedoch nicht (siehe dazu OVG Saar, Beschluss vom 12.12.2005 - 2 B 27/05 -, NVwZ 2006, 718; OVG Hamburg, Beschluss vom 4.4.2007 - 3 Bs 28/07 -, NVwZ-RR 2007, 559), und im vorliegenden Fall ist ein Verlöbnis oder erst recht eine im Sinn der oben genannten Rechtsprechung unmittelbar bevorstehende Eheschließung nicht ausreichend dargetan. Ein rechtliches Ausreisehindernis ergibt sich schließlich auch nicht aus der von dem Antragsteller für sich in Anspruch genommenen sog. Qualifikationsrichtlinie; die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu einem hier fehlenden Schutzbedürfnis (S. 5 des Beschlussabdrucks) werden im Beschwerdeverfahren nicht substantiiert angegriffen.

Aus den genannten Gründen kommt auch die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis an den Kläger nicht in Betracht (vgl. § 9 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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